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  • 4 Sterne

    3 von 3 Kunden fanden diese Bewertung hilfreich

    Tintenteufel, 17.05.2021

    Spannendes Psychogramm eines Richters auf der Suche nach den Grenzen seines Selbstverständnisses


    Strafrichter Frank Petersen hat jahrzehntelang Recht gesprochen: Fakten sauber recherchiert, Argumente penibel abgewogen und seine Urteile wohl begründet nach bestem Wissen und Gewissen verkündet. Doch nun ist nichts mehr wie es war: Zwei Fälle lassen seine Gewissheit schwinden. Persönliche Betroffenheit und moralische Bedenken lassen ihn zweifeln. Auch seine Ehe kriselt, weil seine Frau Zweifel an seiner Unvoreingenommenheit hegt und seine Selbstgerechtigkeit nicht mehr erträgt.
    Sein Blick weitet sich über das juristisch Relevante hinaus und er wird sich der Schicksalshaftigkeit seiner Urteile für alle Beteiligten umso stärker bewusst, je weiter ihm sein eigenes Privatleben entgleitet.
    Ein berührender Roman im dem sich die Lebenslinien der Personen ebenso entfalten wie die vielschichtige Problematik von Gerechtigkeit und Moral, Objektivität und Empathie, tatsächlicher oder befürchteter Vorurteile wegen Hautfarbe und Religion. Sprachlich und psychologisch differenziert ein anspruchsvolles Lesevergnügen der besonderen Art!
    Allerdings ist die völlige Konzentration auf den Richter unter Ausblendung anderer Protagonisten streckenweise unbefriedigend: So fehlt z.B. jeder Dialog mit seiner Ehefrau, seinem Sohn und anderen, die schon länger Zweifel an seiner Rechtsauffassung hegten. Über weite Strecken ist er der einsame Wolf auf der Suche nach der Wahrheit und erst gegen Ende sucht er dann Rat gerade bei der Frau, die er vor Jahren hinter Gitter brachte, und die ihm weder Rat noch Absolution erteilen will.

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  • 4 Sterne

    1 von 1 Kunden fanden diese Bewertung hilfreich

    Azyria Sun, 23.05.2021

    Ein spannender True-Crime-Roman über die Frage der Schuld und die Grenze zwischen Gesetzt und Moral

    Worum geht’s?
    Frank Petersen ist Strafrichter und von sich, seinem Beruf und seinen Urteilen überzeugt – bis ein Angeklagter im Gerichtssaal erschossen wird. Von diesem Zeitpunkt an scheint sein Leben abwärts zu gehen und Frank stürzt in eine tiefe Sinnkrise, an der seine Ehe scheitert und er kurz vor dem Aus als Anwalt steht. Bis er die Frau trifft, die damals die Schüsse abgab.

    Meine Meinung:
    „Die Wahrheit der Dinge“ von Markus Thiele ist ein Roman, der auf zwei wahren Fällen basiert. Er beschäftigt sich mit den Themen Fremdenhass und Vorurteile und der Autor wechselt zwischen der Vergangenheit und der Gegenwart hin und her, was mir sehr gut gefällt, weil wir so erfahren, warum die Protagonisten so handeln, wie sie handeln und eine höhere Empathie mit den Personen entsteht. Auch die Schreibweise gefällt mir sehr gut. Der Schreibstil ist anders, aber mir gefällt es, wie der Autor mit einfachen klaren aber extrem präzisen Sätzen alles auf den Punkt bringt und mit den Worten auch die Stimmung seiner Charaktere perfekt übermittelt.

    Wir haben es mit zwei Hauptfiguren zu tun. Zum einen treffen wir Frank Petersen, der als Richter Strafsachen am Landgericht in Hamburg verhandelt. Bis zum Ende bin ich mir nicht sicher, ob er mir sympathisch ist oder nicht. Anfangs ist er hauptsächlich ein Mann, der von sich mehr als überzeugt ist und Kritik nicht annehmen kann, sondern seine Wahrheit als die einzige Wahrheit ansieht. Bis er auf Corinna Meier trifft. Erst durch sie wird seine Welt erschüttert. Und selbst dann dauert es noch fünf Jahre, bis er anfängt, darüber nachzudenken. Er verliert durch seine Art seine Frau, seinen Sohn, ist kurz davor, auch seinen Job an den Nagel zu hängen – doch dann setzt ein Umdenken ein. Er fängt an, hinter die Dinge zu sehen und versucht, sich in andere Menschen hineinzuversetzen. Dies beginnt, als er Corinna trifft, die mir von Anfang an sympathisch ist. Von ihr erfahren wir sowohl Dinge aus der Vergangenheit als auch der Gegenwart. Sie ist eine starke Frau mit einem schweren Schicksal. Eine Aussenseiterin, die nur ganz wenigen Menschen vertraut. Ich finde, sie ist ein bewundernswerter Mensch und hoffe, dass sie ihr Glück noch finden wird. Als weiterte Personen, die mir positiv aufgefallen sind, sind da der Professor Owen, der für Corinna eine Art Vaterfigur ist und Rebekka, die beste Freundin von Franks Frau Britta, die ihn gut kennt und es schafft, dass er plötzlich mehr sieht. Und natürlich Herr Deniz, der türkischstämmige Inhaber einer typisch deutschen Pension – ein uriger aber tiefgründiger Mensch, den man einfach mögen muss.

    Auch die Geschichte selbst gefiel mir gut. Die Wechsel zwischen Vergangenheit und Gegenwart, die die Entwicklung von Corinna aufzeigt. Es war mal tiefgründig, mal spannend. Teilweise hätte es etwas ausführlicher sein können, um z.B. die Entwicklung von Frank noch mehr zu verdeutlichen und mich persönlich hätte auch ein weiterer Teil interessiert, nämlich die Erzählung der Gerichtsverhandlung, in der es zu den Schüssen kam, aus Sicht von Corinna. Die eigentliche Frage das Warum kam leider nicht so ganz raus. Was andererseits aber auch wieder positiv ist, weil der Autor seine LeserInnen so anhält, selbst noch weiterzudenken und in der Diskussion zu bleiben, wo Schuld beginnt und Gerechtigkeit endet. Ein fesselndes Buch, das in den Jahren 1990 und 2015 spielt, aber immer noch brandaktuell ist!

    Fazit:
    „Die Wahrheit der Dinge“ von Markus Thiele hat mich bis zum Ende gefesselt. Der Wechsel zwischen Corinnas Vergangenheit und der Gegenwart mit Frank, die auf wahren Begebenheiten basierenden Teile des Romans, der Schreibstil – es war rasant, es war spannend und es hat zum Nachdenken angeregt. Und obwohl die Ereignisse in der Vergangenheit spielen, ist das Thema immer noch aktuell – und wird es leider immer wieder sein. Teilweise hätte ich mir weitergehende Ausführungen gewünscht, um noch Tiefer in die Gedanken und Entwicklungen der Protagonisten eintauchen zu können, aber auch so hat mich das Buch nicht losgelassen.

    4 Sterne für diesen aktuellen Roman, der auf einzigartige Weise zum Nachdenken anregt.

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  • 4 Sterne

    1 von 1 Kunden fanden diese Bewertung hilfreich

    Michael B., 25.05.2021

    Ein wichtiges Buch!
    Markus Thiele gelingt es in hervorragender Weise, gute Unterhaltung mit intellektueller Herausforderung zu verbinden und dabei noch brandaktuell zu sein. Zwar beruft er sich auf reale Justizfälle - Marianne Bachmeier, die während eines Gerichtsprozesses in den 80-ern den Mörder ihrer Tochter erschoss und der an rechter Gewalt gestorbene Angolaner in Eberswalde Anfang der 90-er - arbeitet sie aber gut und zeitaktuell um. "Die Wahrheit der Dinge ist die Summe der Unwahrheiten" - ein Gedanke, der sich durch die gesamte Geschichte zieht! Der renomierte Strafrichter Frank Petersen hadert mit sich, sind doch einige seiner Urteile vom BGH widerrufen worden. Ein altes Trauma lebt wieder auf: Corinna Meier, die den offensichtlich rechtsradikalen Mörder ihres Sohnes am letzten Gerichtstag im Verhandlungssaal erschossen hat, nachdem sie Jahre vorher bereits den Vater des Sohnes durch rechte Gewalt verloren hatte... Petersens Frau wirft ihm bezüglich seiner Urteile Voreingenommenheit und Selbstgerechtigkeit vor und trennt sich 'vorübergehend' von ihm. Und so geht es um weit mehr, als nur um ein Urteil; es geht um Politisches und Privates, es geht um Rassismus und Angst; es geht um existenzielle Fragen der Gerechtigkeit: Kann man alles richtig gemacht haben und trotzdem falsch liegen? Petersen macht sich auf die Suche nach der Wahrheit und kontaktiert Corinna Meier am Tag ihrer Entlassung um mehr zu erfahren, um die Geschichte hinter der Faktenlage zu ergründen; er weiss aber auch, dass er seiner Frau gegenüber das Eingeständnis seiner Fehlbarkeit machen muss, weil sonst die endgültige Trennung droht. Petersen beweist als Protagonist, wie man an inneren Konflikten wachsen kann. Und Markus Thiele fordert seine Leser:innen zum Mitdenken auf. Was will man mehr?

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  • 4 Sterne

    1 von 1 Kunden fanden diese Bewertung hilfreich

    Readaholic, 24.04.2021

    Ein Richter mit Selbstzweifeln
    Frank Petersen ist Richter mit Leib und Seele, doch in letzter Zeit wurden mehrere seiner Urteile vom BGH aufgehoben, was ihm sehr zu schaffen macht. Seine Frau Britta wirft ihm Überheblichkeit und Ichbezogenheit vor. Als Petersen den potentiellen Schwiegervater seines Sohns hinter Gitter bringt, ist das Mass voll: Britta zieht mit dem gemeinsamen Sohn aus.
    Zur selben Zeit erfährt Petersen, dass Corinna Maier, die Frau, die vor Jahren den Mörder ihres Sohns im Gerichtssaal erschoss, aus dem Gefängnis entlassen wird. Petersen war der Richter in dem Fall und der Mord im Gerichtssaal geht ihm bis heute nach.
    Da Petersen Urlaub und ausser Renovierungsarbeiten nichts zu tun hat, beschliesst er spontan, Corinna aus dem Gefängnis abzuholen. Warum, ist ihm selbst nicht ganz klar. Trotz der seltsamen Situation verbringen die beiden ein paar Tage miteinander, in denen sie sich offen aussprechen. Corinna, die Petersen als eingebildeten und von sich selbst überzeugten Juristen in Erinnerung hat, lernt den Menschen Petersen kennen und schätzen. Petersen seinerseits wird während dieser Zeit klarer, wie er sein Leben ändern will und muss.
    Die erste Hälfte des Buchs konnte mich nicht wirklich fesseln, was wahrscheinlich daran liegt, dass der Leser die Fakten nur häppchenweise serviert bekommt. Man erfährt von den Fällen Maier und Korkmaz, doch nicht, worum es dabei geht. Diese Salamitaktik hat mich etwas genervt. Die zweite Hälfte fand ich dann sehr interessant, zumal die beiden Fälle wahren Gegebenheiten nachempfunden sind. Ein interessantes Buch, das zum Nachdenken über Recht und Gerechtigkeit anregt, bei dem der Funke bei mir allerdings erst spät übergesprungen ist.

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  • 4 Sterne

    1 von 1 Kunden fanden diese Bewertung hilfreich

    Wencke M., 11.05.2021

    Was ist die Wahrheit?

    Dieses Buch wird aus zwei Perspektiven erzählt. Zum einen aus der Sicht vom Richter Frank Petersen. Er war sich immer sicher, dass er einen guten Job macht - war sich sicher, dass er die richtigen Entscheidungen trifft, beruflich wie auch privat. Inzwischen ist er sich in keinem Bereich mehr sicher.

    Vor vier Jahren hat die Mutter von dem Opfer den mutmasslichen Täter am Tag der Urteilsverkündung im Gerichtssaal erschossen. Nun wird Corinna - die Mutter nach 4 Jahren aus dem Gefängnis entlassen. Frank Petersen hat sich die ganze Zeit die Frage gestellt, warum sie erst am letzten Tag zur Waffe gegriffen hat, warum hat sie bis dahin gewartet?

    Aus einer anderen Perspektive lesen wir von Corinna, was sie in ihrem Leben bis dahin schon alles erleben/erleiden musste.

    Diese unterschiedlichen Perspektiven machen diesen Roman sehr lesenswert. Denn das was für den einen als Wahrheit erscheint muss nicht die Wahrheit sein.
    Das Buch mit den knapp 240 Seiten lässt sich insgesamt recht zügig lesen, allerdings ist der Schreibstil schon besonders. Ich möchte ihn nicht als locker/leicht bezeichnen, die Beschreibung "dramatisch" trifft es eher. Was ich für dieses Roman sehr passend finde.

    Ein besonderes Buch, das ich gerne weiterempfehlen möchte.

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  • 4 Sterne

    1 von 1 Kunden fanden diese Bewertung hilfreich

    marion l., 30.03.2021

    Der Umschlag gefällt mir gut, zeigt gleich, dass des Buch in Norddeutschland spielt. Der SU fühlt sich gut an, etwas rauh durch die geprägten Möwen. Die nächste Überraschung: Die Widmung - Für Marion - das bin ja ich ;-)
    Richter Petersen ist von seiner Frau und seinem Sohn verlassen worden, bangt um die Aufhebung eines seiner Urteile in Karlsruhe. Das wäre dann das fünfte Mal in zwei Jahren. In seinem letzten Prozess hat die Nebenklägerin am Tag der Urteilsverkündung den Mörder ihres Sohnes erschossen. Auch der Prozess vorher hat ihn sehr zweifeln lassen. Er zweifelt mittlerweile an allem, an seiner Fähigkeit Ehemann, Vater, Richter zu sein.
    Seine Chefin unterstützt ihn sehr und er macht sich auf die Suche nach sich selbst. Er will Antworten. Und seine Familie zurück.
    Der Schreibstil ist einfach mit ungewöhnlichen Redewendungen. ...hier und da säumen gelangweilte Benjamine und Farne den Weg zum Büro.....die Zeit ist stehen geblieben, kurz vor drei zeigt die Uhr und ihre Zeiger scheinen abgestorben....Eine Drossel hält tapfer die Stellung und vermittelt den Eindruck massloser Verärgerung....
    Das Buch lässt sich wunderbar lesen und gibt einige Denkanstösse.

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  • 5 Sterne

    6 von 7 Kunden fanden diese Bewertung hilfreich

    S.I., 26.04.2021 bei bewertet

    „Die Wahrheit der Dinge ist die Summer ihrer Unwahrheiten.“

    „Die Wahrheit der Dinge ist die Summer ihrer Unwahrheiten.“
    Dieses Zitat (S. 60) lässt grübeln, lange Passagen des Buchs über und vielleicht auch darüber hinaus...



    Sehr geschickt werden hier zwei Justizfälle, mit deren Aufklärung der Strafrichter Frank Petersen betraut war, und sein Privatleben verbunden - denn berufliches und privates beeinflussen einander, auch wenn es besonders bei Richtern nicht so sein sollte... Oder ist er doch weiterhin objektiv und die gehäuften Aufhebungen seiner Urteile sind Zufall?! Ein Mann, der im Jahr 2015 - in welchem sich die Gesellschaft spaltet, Stichwort „Willkommenskultur“- eben diese Spaltung auch in seiner eigenen Familie erfährt. Die Diskrepanz zwischen juristischer und gesellschaftspolitischer „Wahrheit“ bringt ihn ins Zweifeln, ob er noch der Richtige für diesen Beruf ist, dem er jahrelang leidenschaftlich nachgegangen ist. Um die (Selbst-)Zweifel auszuräumen, stellt er sich seiner Vergangenheit...

    Die Zeitsprünge zwischen 2010; 2015 und um 1990 sind durch die Kapitelüberschriften deutlich und bald verbinden sich die verschiedenen Geschichten. Das Wissen, dass dieser fiktive Roman angelehnt ist an zwei wahre Rechtsfälle, macht es um so spannender. Wie sähe das eigene Urteil über Schuld, Recht und Gerechtigkeit aus?! Wer urteilt frei von Vorurteilen - wenn so etwas Konsequenzen haben könnte?!



    Ein spannender und tiefgründiger Text, der jeden den Unterschied zwischen „richtig“ und „gerecht“ fühlen lässt - ebenso wie „Echo des Schweigens“ kann ich auch dieses Buch von Markus Thiele nur weiterempfehlen!

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  • 5 Sterne

    4 von 5 Kunden fanden diese Bewertung hilfreich

    Siggi58, 31.03.2021

    Dieser Roman des Schriftstellers und Rechtsanwaltes "Markus Thiele" ist in jeder Hinsicht ein Meisterwerk. Die Geschichte ist angelehnt an zwei wahre juristische Fälle der Vergangenheit, die in der Bevölkerung grosses Aufsehen erregten. Dabei verknüpft der Autor sehr gekonnt Fiktion und Realität. Ich habe zwischenzeitlich vergessen, dass es ein Roman ist, und kein Tatsachenbericht. Die Schreibweise, teilweise in kurzen prägnanten Sätzen, trifft den Sachverhalt immer punktgenau. Der Wechsel zwischen Gegenwart und Vergangenheit ist passgenau, und stets verständlich und gut nachzuvollziehen.

    In dieser Geschichte glaubt der Strafrichter " Frank Petersen " an seine Objektivität und seine gerechten Urteile. Als er aber in die Kritik gerät, nicht richtig geurteilt zu haben, und als sich dann auch noch seine Frau mit Sohn von ihm distanzieren, begann er über sich selbst nachzudenken. Dabei muss er sich mit Fragen konfrontieren, die er sich bis dato nie getraut hat zu stellen. In seinen Augen war er ja unfehlbar.

    Der Leser wird mitgenommen auf eine Reise in die Vergangenheit, wobei die Gegenwart immer präsent ist. Gesellschaftliche Themen werden angesprochen, die berühren und sehr nachdenklich stimmen. Des Öfteren musste ich innehalten, um die Kraft der Aussage zu verinnerlichen.
    Dieses Buch liest man nicht mal so eben nebenbei, denn es hat eine Tiefe, die ich so bisher nur ganz selten in einem Roman gespürt habe. In " Echo des Schweigens " ein weiterer Roman von " Markus Thiele " , konnte ich diese tiefgründige Thematik ebenfalls spüren, und die besondere Schreibweise geniessen.

    Ich mag diese anspruchsvolle Unterhaltungsprosa sehr. Unweigerlich animiert diese Geschichte dazu, die eigenen Betrachtungsweisen zu verschiedenen Themen des Lebens zu überdenken. Selbstkritik braucht in der Regel Mut, aber sie ist notwendig, um gegebenenfalls der eigenen festgelegten Meinung eine andere Betrachtungsweise zuzuordnen. Ein jeder sollte im Leben Gerechtigkeit walten lassen, aber kann man wirklich immer gerecht sein ? Ich denke nein, aber man sollte stets gewissenhaft handeln, sozusagen nach bestem Wissen und Gewissen eine Sachlage beurteilen. Nach Möglichkeit aus verschiedenen Sichtweisen sich die eigene Meinung zusammensetzen. Dies ist freilich sehr schwer, wie auch dieser Geschichte zu entnehmen ist.

    Nachdenklich über verschiedene wichtige Ereignisse des Lebens, hat mich nun dieses Meisterwerk zurückgelassen. Uneingeschränkt empfehle ich dieses Buch weiter. Es ist ein anspruchsvolles Buch, welches von der Leserschaft die volle Aufmerksamkeit verlangt.

    Mich hat dieses Buch sehr berührt und hat verschiedene Emotionen ausgelöst, es hat mich nachdenklich gemacht, und ich habe die besondere Schreibweise des Autors " Markus Thiele " sehr genossen. Ich würde mich freuen, wenn irgendwann ein weiteres Buch von " Markus Thiele " den anspruchsvollen Büchermarkt bereichern würde.

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  • 5 Sterne

    2 von 2 Kunden fanden diese Bewertung hilfreich

    Lilli33, 24.04.2021 bei bewertet

    Die Motivation eines Richter

    Inhalt:
    Der erfahrene Strafrichter Frank Petersen steckt in der Krise. In den letzten Jahren wurden einige seiner Urteile vom Bundesgerichtshof einkassiert. Auch seine Frau und sein Sohn sind mit einem kürzlich ergangenen Urteil alles andere als einverstanden und ziehen erst mal aus dem gemeinsamen Haus aus. Sie werfen Petersen Fremdenfeindlichkeit vor. Dieser beginnt, seine Beweggründe zu hinterfragen.

    Meine Meinung:
    Ich kann mich noch gut an den Fall Bachmeier und die öffentlichen Diskussionen in diesem Zusammenhang erinnern. 1981 erschoss Marianne Bachmeier im Gerichtssaal den mutmasslichen Mörder ihrer Tochter. Als ich nun erfuhr, dass Markus Thiele seinen zweiten Roman in Anlehnung an diesen alten Fall schrieb, war meine Neugier geweckt. Um es klar zu sagen: Es geht hier nicht um den Fall Bachmeier. Aber es geht um eine Mutter, die den Mord an ihrem Sohn im Gerichtssaal rächt und es geht um den Mord an einem farbigen Mitbürger durch Rechtsradikale, der ebenfalls an eine wahre Begebenheit angelehnt ist.

    Dabei erzählt der Autor sehr fesselnd in zwei Haupthandlungssträngen. Der eine thematisiert die Ereignisse zwischen 1989 und 1992 aus der Perspektive der Corinna Maier. Der andere spielt im Jahr 2015, also quasi in der Gegenwart, und beleuchtet die Sicht von Frank Petersen und seine Versuche, Klarheit in sein Leben zu bekommen. Häppchenweise erfahren wir, was damals passiert ist. Eine unterschwellige Spannung ist dabei stets zu spüren, aber auch die bedrückende Atmosphäre, der sich die Protagonist*innen ausgesetzt sehen.

    Als Jurist kennt Markus Thiele sich in diesem Metier natürlich aus. Ich finde, man merkt beim Lesen deutlich, dass er genau weiss, worüber er schreibt. So wirken Petersens Überlegungen sehr glaubwürdig. Die Zwickmühlen, mit denen er zu kämpfen hat, erscheinen realistisch.

    Mich hat diese Story von Anfang bis Ende gefesselt, aber auch teilweise schockiert und traurig gemacht. Hoffen wir, dass der Fremdenhass in unserem Land eines Tag der Vergangenheit angehört und wir einfach Menschen sein können.

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  • 5 Sterne

    1 von 1 Kunden fanden diese Bewertung hilfreich

    Jenny V., 06.04.2021

    „Manchmal hat er den Eindruck, als steckten zwei Menschen in ihm …Er ist weder der eine noch der andere, gerade in den letzten Tagen wird das deutlich. Bleibt die Frage: Wer ist er eigentlich?“

    Inhalt

    Frank Petersen ist Strafrichter in Hamburg, einer mit Erfahrung und gesundem Menschenverstand, ein zuverlässiger, korrekter Mann, dem es nicht um Gefühle geht, sondern um Objektivität. Aber derzeit steckt er in einer handfesten Lebenskrise: seine Frau Britta hat ihn verlassen, um die vielen Ehejahre Revue passieren zu lassen und sie kommt nur dann zurück, wenn Petersen einsieht, was in ihrer Partnerschaft alles schiefläuft, sein Sohn Jannis spricht nicht mehr mit dem Vater und beruflich wird es für ihn immer enger, nachdem der BGH mehrere seiner Urteile revidiert hat. So begibt er sich mühselig auf Spurensuche in sein eigenes Leben, um vielleicht den Punkt zu finden, an dem alles in die falsche Richtung lief. Eigentlich ist er sich sicher ihn zu kennen, denn vor 4 Jahren hat eine Nebenklägerin kurz vor der Verurteilung den Angeklagten erschossen, während Petersen nur danebenstand und sein Urteil nicht mehr verkünden brauchte – und diese Frau, die er zu gerne verstehen möchte, wird nun aus der Haft entlassen. Der Richter in Nöten sucht Antworten auf seine vielen Lebensfragen und stattet der Entlassenen einen Besuch ab, vielleicht liegt darin ein Neuanfang für ihn …

    Meinung

    Der deutsche Autor Markus Thiele, selbst Jurist, widmet sich in diesem Roman den vielen Graustufen zwischen Recht nach dem Gesetz und Gerechtigkeit nach dem menschlichen Empfinden. Dabei entwirft er eine sehr menschliche Charakterstudie, die gerade dem Strafrichter Petersen eine entscheidende Schlüsselrolle zukommen lässt. Wie fühlt sich ein Mann, der vollkommen überzeugt ist von den Gesetzten und ihrer Gültigkeit und dennoch miterleben muss, wie wenig Bestand ebendiese in manchen Situationen haben?

    Im Nachwort des Buches zeigt der Autor die Parallelen zu wahren Kriminalfällen, auf denen diese Geschichte, wenn auch zweckentfremdet basiert. Aber die Verbindung zwischen Fiktion und Realität ist hier absolut überzeugend gelungen, so dass der Leser für die vielen kleinen Nuancen sensibilisiert wird und immer tiefer in die Gedankenwelt des Hauptprotagonisten eintaucht.

    Die Handlung des Buches erstreckt sich auf zwei Handlungsstränge, zunächst die gegenwärtige Lage, in der Frank Petersen sein ganz persönliches Dilemma offenlegt und immer wieder eine Rechtfertigung für seinen Charakter und seine Entscheidungen gibt, während er verzweifelt zu verstehen versucht, warum gerade die Familie seine „Unfehlbarkeit“ kritisiert und sich konsequent zurückzieht. Und dann geht der Leser gemeinsam mit Corinna Maier den Weg in die Vergangenheit. Lernt eine glückliche junge Frau kennen, die binnen weniger Monate alles verliert, was sie liebte und bei Gelegenheit zur Mörderin wurde, die im Gerichtssaal Selbstjustiz übte, weil ihr Vertrauen in die Gerichtsbarkeit zerstört war. Das Zusammentreffen der beiden Charaktere, die sich so unähnlich gar nicht sind, bringt letztlich die entscheidende Wende im Geschehen.

    Von diesem Roman bin ich positiv überrascht und sehr angetan, weniger wegen einer anspruchsvoll gehobenen Sprache oder einer grandiosen Idee, als vielmehr von der moralischen Umsetzung und differenzierter Betrachtungen zum Thema Schuld, Aufarbeitung, Strafe und Schicksal. Die Geschichte bleibt sehr nah an der Realität, die Charaktere sind vielschichtig und gewissenhaft gezeichnet und die Thematik lädt den Leser dazu ein, sich intensiv mit der Entwicklung zu beschäftigen. Nicht zuletzt das Seelenleben des Richters, der sich ununterbrochen nach der individuellen Verantwortung für sein Handeln fragt und objektiv keine Schuld bei sich finden kann, wird hier in allen Schattierungen wahrnehmbar.

    Fazit

    Sehr gern vergebe ich 5 Lesesterne für diesen besonders menschlichen Roman, dessen Protagonist genauso gerne Kaffee trinkt, wie Gedanken eruiert und sowohl privat als auch beruflich bereit ist, die Dinge ehrlich zu hinterfragen und sich offen, aber nicht schutzlos seinen Zweifeln aussetzt. Das grosse Plus dieser Erzählung ist neben der interessanten Gerichtsthematik und den Parallelen zu tatsächlichen Verbrechen das intensive Auseinandersetzen mit juristischer Entscheidungsfindung, die niemals losgelöst von dem jeweiligen Menschen geschehen kann, selbst wenn dieser sich verpflichtet hat, vorurteilsfrei und gesetzestreu zu entscheiden. Die Lektüre bietet sehr viele Ansatzpunkte für Diskussionen und führt den Leser zurück auf sein eigenes Selbstverständnis über die Unfehlbarkeit Einzelner in einer funktionierenden Gesellschaft, die grossen Wert auf ihre Rechtssprechung legt. Vom Autor möchte ich sehr gerne ein weiteres Buch lesen und setze „Das Echo des Schweigens“ direkt auf meine Wunschliste.

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  • 5 Sterne

    1 von 1 Kunden fanden diese Bewertung hilfreich

    borgi, 13.07.2021 bei bewertet

    Das Leben des Richters Frank Petersen ist komplett aus den Fugen geraten seit seine Frau Britta mit dem Sohn ausgezogen ist. Er stellt alles in Frage, seinen Beruf, seine Urteile, seine Ehe. Während Britta ihn als anmassend, selbstverliebt und arrogant tituliert habe ich diesen Petersen anders erlebt. Er grübelt und sucht danach, was falsch lief in seinem Leben. In seiner Arbeit im Gerichtssaal hat er immer versucht, nur nach Fakten zu urteilen und Emotionen ganz aus dem Spiel zu lassen. Es gab dabei auch Urteile, die später vom BGH „kassiert“ wurden und Petersen sucht die Ursachen für seine Fehleinschätzung. Es wird klar, dass gefällte Urteile eine grosse Wirkung hinterlassen, bis hin zu einem Mord im Gerichtssaal durch die Nebenklägerin.

    Diese Corinna Maier ist die zweite Protagonistin des Romans. In vielen kurzen Rückblenden in ihr Leben in den 90er Jahren lernen wir sie kennen. Und erfahren, wie grausam das Schicksal mit ihr umgegangen ist. Auch Corinna wird gut beschrieben und konnte meine Sympathie gewinnen.

    Ich habe die Verunsicherung und Zweifel von Frank Petersen gut verstehen können und fand seine Suche nach Fehlern und seine Selbstkritik ehrlich. Neben der Schwere des Gerichtsthemas hat mich besonders der Blick auf das Menschliche interessiert. Unterstützt durch die kurzen Kapitel liest sich das Buch angenehm und flüssig, es hat mich durchweg gut unterhalten.

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  • 4 Sterne

    1 von 2 Kunden fanden diese Bewertung hilfreich

    Theresa L., 06.04.2021 bei bewertet

    „Zwei Seelen wohnen, ach! in meiner Brust“

    Frank Petersen, Strafrichter, befindet sich an einem Wendepunkt in seinem Leben. Seine Frau wohnt vorübergehend mit dem gemeinsamen Sohn Jannis bei ihren Eltern und möchte eine Pause von der Ehe. Ausserdem nagt der Zweifel, besonders über zwei Urteile, welche er gefällt hat, an ihm. Zum einen ist da der Fall Korkmaz, bei dem seine Frau entschieden Vorwürfe gegen sein Urteil erhebt und der Fall Corinna Maier. In einem früheren Verfahren hat sie kurz vor der Urteilsverkündung den Angeklagten im Gerichtssaal niedergeschossen. Da ihre Haftstrafe nun endet, reisst der Fall bei Petersen alte Wunden auf. Indem er Corinna Maier aus der Haftanstalt abholt, möchte er endlich ungeklärte Fragen klären. Ob beide damit ihren Frieden finden werden?

    Die Erzählung erfolgt in zwei Handlungssträngen: Zum einen die Gegenwart, welche aus der Sicht Frank Petersens erzählt wird und von seiner Sinnkrise, die über eine Midlife-Crisis hinausgeht, berichtet. Zum anderen bekommt der Leser immer wieder Einblick in die Vergangenheit Corinna Maiers. Langsam setzt sich ein Bild zusammen, was den Leser erkennen lässt, was sie zu dieser Tat getrieben hat. Das harte Schicksal, welches dieser Frau widerfahren ist, sprüht nur so vor Ungerechtigkeit und lässt einen schockiert zurück. Hier sieht man sich bereits mit dem ersten Dilemma konfrontiert, man kann ihre Beweggründe nachvollziehen, Selbstjustiz jedoch auch nicht gutheissen.

    Relativ schnell stellt sich heraus, dass der Fall Korkmaz das Fass für Britta zum Überlaufen gebracht hat und sie deshalb eine Auszeit wollte. Man weiss, dass es mehrere Dilemmata gibt, die Petersen hin und herreissen, allerdings zieht sich die Erzählung, bis man herausfindet, um was es konkret geht. Lange wird man im Dunkeln gelassen, sodass man sich selbst keine Gedanken machen und abwägen kann.

    Der Roman regt sehr zum Nachdenken an. Es gibt viele Punkte, über die man nachgrübelt, da man beide Seiten verstehen kann. Ganz besonders deutlich wird dies durch Petersen und seine Frau widergespiegelt. Auf der einen Seite der rationale Petersen mit den harten Fakten im Blick, auf der anderen Seite Britta, die eine emotionale Sichtweise und einen Blick für den Kontext mitbringt. Man stellt fest, dass beides seine Berechtigung hat, wichtig ist und es eigentlich nie die eine Wahrheit gibt.

    Ebenso wird das Dilemma Familie und Job beleuchtet. Was tun, wenn das eine das andere negativ beeinflusst und sich beides nicht mehr richtig anfühlt? Petersen steht zwar hinter seinen Entscheidungen und kann „sich selbst noch im Spiegel ansehen“, aber das ist nicht das Einzige was zählt. Auch die Menschen, deren Urteil wir schätzen, die das Beste in uns herauszuholen vermögen müssen uns weiter in die Augen sehen können.

    Selbst wenn man jedes für und wider abwägt, heruntergebrochen geht es um Schicksale, um Menschenleben, um Menschen, denen bereits alles genommen wurde und denen nichts mehr bleibt ausser die Hoffnung auf einen Funken Gerechtigkeit. Man fragt sich das ein oder andere Mal durchaus, ob Dummheit und Ignoranz überhaupt diese differenzierte und offene Betrachtung verdienen. Aber wie Petersens Chefin so deutlich sagt: „Ohne Leute wie Sie, geht unser Rechtsstaat zugrunde“. Liegt nicht genau darin die Aufgabe, ständig und mit aller Kraft dafür zu kämpfen, unsere so fragilen und verletzlichen Gebilde Demokratie und Rechtsstaat aufrecht zu erhalten?

    Empfehlenswert ist dieser Roman allemal. Vor allem für diejenigen, die sich für die Zusammenhänge und Fragen der Justiz interessieren. Dabei ist alles auch für Laien absolut verständlich aufgearbeitet. Leichte Kost ist „Die Wahrheit der Dinge“ sicherlich nicht, wer aber nicht davor zurückschreckt, sich mit Fragen auseinanderzusetzen, für die es kein klares ja oder nein gibt und seine eigenen Wahrheiten zu hinterfragen, für den ist dieser Roman mit Sicherheit sehr wertvoll.

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  • 5 Sterne

    1 von 2 Kunden fanden diese Bewertung hilfreich

    Nil_liest, 05.05.2021

    „Gerechtigkeit ist Wunschdenken.“ (Seite 31)
    Mich überzeugt immer, wenn jemand weiss wovon er schreibt und bei Markus Thiele liest man diesen Kenner deutlich durch die Zeilen! Er ist von Hause aus Anwalt. Der neuste Coup von ihm: „Die Wahrheit der Dinge“ ist ein gelungener spannungsgeladener Politkrimi.
    Wenn nun ein Könner auch noch real existierend Begebenheiten als Grundlage für die Fiktion heranziehen, wird es umso spannender. Die „Vorbild-Fälle“ die hier eingeflossen, sind Marianne Bachmeier und Amadeu Antonio Kiowa. Aber keine Sorge, die muss man vorab nicht kenne.
    Geschickt tauchen wir Leser:innen in zwei unterschiedlichen Handlungssträngen parallel in das Geschehen ein, manches mal verwundert es einen und die Frage steht im Raum wie das alles zusammen kommt, aber keine Sorge: es passt!
    Vor allem begleitet man den Richter Frank Petersen und taucht mit ihm in seinen letzten Fall ab und auch in seine persönliche Selbstfindung. Im Vordergrund dieses Buches steht das komplexe Zusammenspiel von moralischer Beurteilung im Bezug zu einer gerechten Verurteilung durch die Klärung der Schuldfrage.
    Wir als Leser werden direkt mit der Justiz konfrontiert und wie versucht wird Gerechtigkeit herzustellen. Viel Futter für den Kopf um mal das System zu überdenken. Mich erinnerte es entfernt an Ferdinand von Schirach, der auch ähnliche Fragestellungen aufwarf.

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  • 5 Sterne

    Jenny V., 06.04.2021 bei bewertet

    „Manchmal hat er den Eindruck, als steckten zwei Menschen in ihm …Er ist weder der eine noch der andere, gerade in den letzten Tagen wird das deutlich. Bleibt die Frage: Wer ist er eigentlich?“

    Inhalt

    Frank Petersen ist Strafrichter in Hamburg, einer mit Erfahrung und gesundem Menschenverstand, ein zuverlässiger, korrekter Mann, dem es nicht um Gefühle geht, sondern um Objektivität. Aber derzeit steckt er in einer handfesten Lebenskrise: seine Frau Britta hat ihn verlassen, um die vielen Ehejahre Revue passieren zu lassen und sie kommt nur dann zurück, wenn Petersen einsieht, was in ihrer Partnerschaft alles schiefläuft, sein Sohn Jannis spricht nicht mehr mit dem Vater und beruflich wird es für ihn immer enger, nachdem der BGH mehrere seiner Urteile revidiert hat. So begibt er sich mühselig auf Spurensuche in sein eigenes Leben, um vielleicht den Punkt zu finden, an dem alles in die falsche Richtung lief. Eigentlich ist er sich sicher ihn zu kennen, denn vor 4 Jahren hat eine Nebenklägerin kurz vor der Verurteilung den Angeklagten erschossen, während Petersen nur danebenstand und sein Urteil nicht mehr verkünden brauchte – und diese Frau, die er zu gerne verstehen möchte, wird nun aus der Haft entlassen. Der Richter in Nöten sucht Antworten auf seine vielen Lebensfragen und stattet der Entlassenen einen Besuch ab, vielleicht liegt darin ein Neuanfang für ihn …

    Meinung

    Der deutsche Autor Markus Thiele, selbst Jurist, widmet sich in diesem Roman den vielen Graustufen zwischen Recht nach dem Gesetz und Gerechtigkeit nach dem menschlichen Empfinden. Dabei entwirft er eine sehr menschliche Charakterstudie, die gerade dem Strafrichter Petersen eine entscheidende Schlüsselrolle zukommen lässt. Wie fühlt sich ein Mann, der vollkommen überzeugt ist von den Gesetzten und ihrer Gültigkeit und dennoch miterleben muss, wie wenig Bestand ebendiese in manchen Situationen haben?

    Im Nachwort des Buches zeigt der Autor die Parallelen zu wahren Kriminalfällen, auf denen diese Geschichte, wenn auch zweckentfremdet basiert. Aber die Verbindung zwischen Fiktion und Realität ist hier absolut überzeugend gelungen, so dass der Leser für die vielen kleinen Nuancen sensibilisiert wird und immer tiefer in die Gedankenwelt des Hauptprotagonisten eintaucht.

    Die Handlung des Buches erstreckt sich auf zwei Handlungsstränge, zunächst die gegenwärtige Lage, in der Frank Petersen sein ganz persönliches Dilemma offenlegt und immer wieder eine Rechtfertigung für seinen Charakter und seine Entscheidungen gibt, während er verzweifelt zu verstehen versucht, warum gerade die Familie seine „Unfehlbarkeit“ kritisiert und sich konsequent zurückzieht. Und dann geht der Leser gemeinsam mit Corinna Maier den Weg in die Vergangenheit. Lernt eine glückliche junge Frau kennen, die binnen weniger Monate alles verliert, was sie liebte und bei Gelegenheit zur Mörderin wurde, die im Gerichtssaal Selbstjustiz übte, weil ihr Vertrauen in die Gerichtsbarkeit zerstört war. Das Zusammentreffen der beiden Charaktere, die sich so unähnlich gar nicht sind, bringt letztlich die entscheidende Wende im Geschehen.

    Von diesem Roman bin ich positiv überrascht und sehr angetan, weniger wegen einer anspruchsvoll gehobenen Sprache oder einer grandiosen Idee, als vielmehr von der moralischen Umsetzung und differenzierter Betrachtungen zum Thema Schuld, Aufarbeitung, Strafe und Schicksal. Die Geschichte bleibt sehr nah an der Realität, die Charaktere sind vielschichtig und gewissenhaft gezeichnet und die Thematik lädt den Leser dazu ein, sich intensiv mit der Entwicklung zu beschäftigen. Nicht zuletzt das Seelenleben des Richters, der sich ununterbrochen nach der individuellen Verantwortung für sein Handeln fragt und objektiv keine Schuld bei sich finden kann, wird hier in allen Schattierungen wahrnehmbar.

    Fazit

    Sehr gern vergebe ich 5 Lesesterne für diesen besonders menschlichen Roman, dessen Protagonist genauso gerne Kaffee trinkt, wie Gedanken eruiert und sowohl privat als auch beruflich bereit ist, die Dinge ehrlich zu hinterfragen und sich offen, aber nicht schutzlos seinen Zweifeln aussetzt. Das grosse Plus dieser Erzählung ist neben der interessanten Gerichtsthematik und den Parallelen zu tatsächlichen Verbrechen das intensive Auseinandersetzen mit juristischer Entscheidungsfindung, die niemals losgelöst von dem jeweiligen Menschen geschehen kann, selbst wenn dieser sich verpflichtet hat, vorurteilsfrei und gesetzestreu zu entscheiden. Die Lektüre bietet sehr viele Ansatzpunkte für Diskussionen und führt den Leser zurück auf sein eigenes Selbstverständnis über die Unfehlbarkeit Einzelner in einer funktionierenden Gesellschaft, die grossen Wert auf ihre Rechtssprechung legt. Vom Autor möchte ich sehr gerne ein weiteres Buch lesen und setze „Das Echo des Schweigens“ direkt auf meine Wunschliste.

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  • 5 Sterne

    katikatharinenhof, 22.04.2021

    Durch die Gasse der Vorurteile muss die Wahrheit ständig Spiessruten laufen (Indira Gandhi)


    Für Frank Petersen steht fest, dass Recht niemals im Unrecht enden kann. Er steht zu seiner Überzeugung und setzt diese auch leidenschaftlich in seinem Beruf als Strafrichter ein. Seine Urteile erscheinen ihm immer gerecht und angemessen. Doch sein Leben und seine Überzeugung geraten ins Wanken, als ein Angeklagter im Gerichtssaal erschossen wird….

    Markus Thiele hat mit seinem Roman „Die Wahrheit der Dinge“ ein sehr nachdenklich stimmendes Buch geschrieben, das sich mit leisen, aber doch sehr eindringlichen Tönen in das Bewusstsein des Lesers schleicht und dort für ganz viele Fragen sorgt, mit denen man sich im Verlauf des Buches befasst. Die Frage, wo die Grenze zwischen Recht und Schuld, Wahrheit und Lüge, Vorurteil und Loyalität, Objektivität und Antipathie liegt, wird vom Autor in seinem tiefgründigen Roman sehr gut erläutert. Fast erscheint die Erzählung wie ein Gleichnis, in dem der Autor die Leser dazu auffordert, eigene Denkweise zu hinterfragen und sich nicht von äusseren Einflüssen abhängig zu machen.

    Die Schlüsselfiguren Corinna Maier und Frank Petersen sind dem Autor unglaublich gut gelungen -sie wirken authentisch, weil sie eben verletzlich und nahbar sind. Ihre Gefühle und Gedanken sind wie ein offenes Buch für den Leser und so ist es nicht verwunderlich, dass man sich schon bald in den Schuhen von Petersen oder Maier wiederfindet und im Rückblick die Ereignisse nochmal durchlebt.

    Corinna Maier hat es von je her nicht leicht – schon als Schülerin und später als Studentin hat sie nie richtig dazu gehört und wird als Aussenseiterin abgestempelt. Ihr Drang nach Liebe und Anerkennung findet ein jähes Ende, als sie mit Steve Ortemba die Liebe fürs Leben findet. Doch diese Beziehung steht unter keinem guten Stern, denn Steves Hautfarbe lässt die Vorurteile und den Rassenhass regelrecht aufblühen und so muss das Paar gegen Anfeindungen der übelsten Sorte ankämpfen. Bis das Schicksal gnadenlos zuschlägt…

    Frank Petersen ist ein Mann der Tat – ersteht hinter seinen Entscheidungen und seine Urteile findet er gerecht und angemessen. Bis der BGH anfängt, eben jene Unumstösslichkeit zu kippen. Dadurch bekommt sein Selbstbewusstsein einen Knacks, seine Ehe steht auf wackligen Füssen und Frank muss lernen, dass er doch fehlbar ist.

    Die zögernde Annäherung und das Aufbauen von gegenseitigem Vertrauen von Corinna und Frank ist glaubhaft geschildert. In Rückblenden und Perspektivenwechsel gelingt es dem Autor, die Vita der beiden Hauptfiguren näher zu beleuchten und so dem Leser ein komplexes Bild zu bieten. Viele Szenen rütteln auf, stimmen nachdenklich und lassen die aktuellen Ereignisse, die durch den deutlichen Rechtsruck in der Gesellschaft zu spüren sind, nochmal stärker wirken. Der Autor hält hier dem Leser den gesellschaftskritischen Spiegel vor und zeigt so Ursache und Wirkung von eingefahrenen Denkweisen auf. Hier werden Beweggründe dargelegt, Emotionen leiten nicht nur die Protagonisten, sondern auch den Leser und der Autor schafft es immer wieder, die zwei Seiten der Wahrheit zum Vorschien zu bringen. Was auf den ersten Blick klar und unumstösslich erscheint, offenbart auf dem zweiten, dritten Blick mehre Sichtweisen und definiert sich somit neu.

    Mit Sätzen wie „Nicht die Momente der Vergangenheit machen traurig, es ist die Unmöglichkeit, sie in die Zukunft zu tragen“ schleicht sich eine gewisse Poesie in den Roman ein verleiht ihm so einen melancholischen Touch.

    Ein sehr empfehlenswerter Roman, der noch lange nachwirkt.

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  • 5 Sterne

    dorli, 17.04.2021

    Hamburg, 2015. Frank Petersen ist mit Leib und Seele Strafrichter. Er war bisher davon überzeugt, dass er seine Arbeit gut und richtig macht, wenn er durch sachliches und professionelles Prüfen der Fakten und Tatbestände die Wahrheit ans Licht bringt und dann entsprechend der Gesetze urteilt. Er glaubte bisher fest an die Objektivität seiner Urteile. Dass der Bundesgerichtshof in den letzten zwei Jahren vier seiner Urteile wegen mangelnder Tatsachenfeststellung aufgehoben hat, traf ihn hart. Als er jetzt mit einem weiteren umstrittenen Urteil in die Kritik gerät und sogar seine Familie sich mit den Vorwürfen, er wäre überheblich, gefühlskalt und lasse sich von Vorurteilen leiten von ihm abwendet, gerät seine Welt vollends ins Wanken. Petersen beginnt, seine Denkweise zu hinterfragen. Als Auslöser für seine Krise sieht er einen vor fünf Jahren erlittenen Schock, als er während einer Verhandlung nicht achtsam genug war…

    Corinna Maier hat durch rechtsextreme Gewalt die Liebe ihres Lebens verloren – 1990 wurde der Vater ihres damals ungeborenen Sohnes brutal zu Tode geprügelt. Damit nicht genug, Corinna musste miterleben, dass der Täter nicht als Mörder verurteilt wurde, sondern mit einer milden Strafe davonkam. Als knapp 20 Jahre später auch ihr Sohn ermordet wird, will sie kein weiteres Mal Ungerechtigkeit erleben müssen. Sie wartet das Urteil – Petersens Urteil – nicht ab, sondern erschiesst den Mörder ihres Sohnes im Gerichtssaal…

    „Die Wahrheit der Dinge“ hat mich von der ersten Seite an fest im Griff gehabt. Der Roman über Vorurteile, Fremdenhass und Selbstjustiz wird mitreissend erzählt und besticht durch die gekonnte Verknüpfung von Realität und Fiktion. Markus Thiele hat sich von zwei wahren Rechtsfällen inspirieren lassen: dem Fall Marianne Bachmeier - Bachmeier beging 1981 Selbstjustiz und erschoss im Lübecker Landgericht den mutmasslichen Mörder ihrer Tochter - sowie dem Fall Amadeu Antonio Kiowa - Kiowa wurde im Dezember 1990 in Eberswalde von einem rechten Mob brutal ermordet.

    Markus Thiele beginnt diesen Roman mit einem kurzen Prolog – dem Tag, als Corinna Maier in Petersens Gerichtssaal zur Waffe greift. Im Folgenden gibt es zwei Handlungsstränge – zum einen Petersen, sein rotierendes Gedankenkarussell und die Aufarbeitung seines Traumas und zum anderen die Erlebnisse der Medizinstudentin Corinna Maier von ihrer ersten Begegnung mit dem Gastdoktoranden Steve Otremba aus Pretoria im Jahr 1989 bis zu ihrer Haftentlassung 2015.

    Der Part, in dem Corinna Maiers Geschichte erzählt wird, hat mich besonders berührt. Ihre Trauer und ihre Wut waren für mich greifbar. Natürlich darf Selbstjustiz nicht sein – keine Frage! Dennoch konnte ich ein Stück weit Verständnis für sie aufbringen und nachvollziehen, warum sie kein Vertrauen in die Justiz hatte und es aus ihrer Sicht keinen anderen Weg gab.

    Markus Thiele zwingt den passionierten Strafrichter zum Grübeln über Schuld, Recht und Gerechtigkeit und lässt ihn reflektieren, welchen Stellenwert die Menschlichkeit bei aller Sachlichkeit hat, und ob es hinsichtlich einer Straftat wirklich immer nur die eine unumstössliche Wahrheit gibt oder ob Wahrheit nicht doch eine Frage der Perspektive ist. Gleichzeitig lädt der Autor auch den Leser ein, über diese Dinge nachzudenken und sich ein eigenes Bild zu machen.

    „Die Wahrheit der Dinge“ hat mir sehr gut gefallen – ein tiefgründiger Roman, der dem Leser einen Blick hinter die Kulissen des Richteramtes gewährt und zudem die Grauzonen unseres Rechtssystems beleuchtet.

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  • 5 Sterne

    Leselottchen, 22.04.2021

    Sehr interessant und nachwirkend
    Der Hamburger Strafrichter Frank Petersen nimmt seinen längst fälligen Urlaub. Doch anstatt sich zu erholen, beginnt er das Haus zu renovieren und grübelt über sein Leben nach.
    Seine Frau hat ihn mitsamt dem erwachsenem Sohn verlassen.
    Sie brauchen Abstand vom ihm, nehmen ihm eine berufliche Entscheidung, die auch das Privatleben der Familie streift, sehr übel. Er zweifelt an sich selber und an seiner Arbeit als Strafrichter, überlegt sogar seinen Beruf aufzugeben.
    Alles wächst ihm über den Kopf.
    Genau zu diesem Zeitpunkt wird Corinna Maier aus dem Gefängnis entlassen.
    Die Frau sass jahrelag wegen Totschlags in Haft. Sie erschoss kurz vor der Urteilsverkündung des Strafrichters Petersen den rechtsradikalen Mörder ihres Sohnes im Gerichtssaal.
    Auch der Vater ihres Sohnes, ein schwarzer Doktorand aus Südafrika, in den sich die Medizinstudentin Corinna 1989 verliebte, bekam bereits den Rassismus zu spüren und wurde vor der Geburt des Sohnes Opfer einer Gewalttat.
    Die Vergangenheit holt den bisher recht nüchtern denkenden Juristen ein.
    Er will sich ihr stellen und genau das macht diesen Roman so interessant.

    Der Roman nimmt während des Lesens ziemlich an Fahrt auf. Beim Lesen setzt sich die Geschichte wie einzelne Puzzleteile, bedingt auch durch die Erzählung in mehreren Zeitzonen, zusammen und irgendwann wollte ich das Buch nicht mehr aus der Hand legen.
    Empfindet man den Hauptprotagonisten am Anfang als unnahbar und kühl, so zeigt es sich mit der Zeit, dass durchaus ein feinfühliger und mitfühlender Mensch in ihm steckt.
    Der Autor verbindet wahre Geschichten mit den fiktiven Handlungssträngen, wobei dann doch alles anders verbunden wird und sie somit für mich nur am Rande einstrahlen . Die kritische Betrachtung auf die Gesellschaft gibt einem sehr zu denken.
    Ein anspruchsvolles Buch mit einer hochbrisanten Geschichte, die bei mir sicher noch Tage nachwirkt.
    Der klare Schreibstil von Markus Thiele gefällt mir aussergewöhnlich gut. Er schafft es ein nicht gerade einfaches Thema überaus gekonnt und doch sehr sensibel darzustellen. Ich spürte sehr die Nähe des Hauptprotagonisten und hoffte immer mehr, dass er gut durch diese für ihn schwierige Zeit kommt.
    Es war mir eine Freude das Buch zu lesen und mit ihm interessante und auch lehrreiche Stunden im Justizmilieu verbracht zu haben.

    Das Cover ist einfach perfekt. Ein absoluter Hingucker, ob mit oder ohne Umschlag. Auch der Titel passt so wunderbar. Besser geht es wirklich nicht.

    Alles in allem ein sehr zu empfehlendes Buch, das mir richtig gut gefallen hat.

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  • 5 Sterne

    Sandra K., 04.04.2021

    Die Reise des Richters
    Markus Thiele ist - wie sein Protagonist Frank Petersen auch - „im juristischen Feld zuhause“ - wenn auch als Rechtsanwalt und nicht als Richter wie Frank Petersen. Doch er kennt sein Fach, das wird beim Lesen ganz klar.
    Auf 240 Seiten im Genre „Literatur“ verwebt der Autor Fiktion und Realität eines wahren, bis heute ungeklärten Kriminalfalles.
    „Frank Petersen, Strafrichter aus Leidenschaft, ist überzeugt von der Unfehlbarkeit des Rechts. Seine Urteile, so sein Selbstverständnis, sind objektiv und gerecht. Bis eines Tages sein Leben völlig aus den Fugen gerät. Und er plötzlich über sich selbst richten muss.
    Ein umstrittenes Urteil löst heftige Kritik an Petersen aus, selbst seine Familie wendet sich von ihm ab. Der Vorwurf seiner Frau, er sei selbstherrlich, voreingenommen und lasse sich von Vorurteilen leiten, ist ein vernichtender Schlag für ihn, der ein altes Trauma aufreisst: Corinna Maier, die in seinem Gerichtssaal den rechtsradikalen Mörder ihres Sohnes erschossen hat, bevor Petersen sein Urteil verkünden konnte. Mit einem Mal steht alles in Frage: seine Integrität als Richter, als Ehemann, als Vater. Aus seiner Sicht gibt es nur einen Ausweg: Er muss sich selbst mit Fragen konfrontieren, die er sich nie zu stellen getraut hat …“
    Markus Thiele weiss nicht nur ganz genau, worüber er schreibt, er setzt dieses auch sprachlich sehr gekonnt um: der Schreibstil ist dem Genre „Literatur“ ergo auch absolut angemessen. Das soll nicht heissen, dass die Geschichte schwierig zu lesen ist, nur dass ich schon sagen würde, dass es sich hier um einen „gehobeneren“ Schreibstil handelt.
    Ich mag Geschichten, egal welchen Genres auch immer, in denen die Protagonisten bzw. auch gerne Nebenfiguren nicht alltäglich sind und sich und ihr Handeln auch einmal selbst hinterfragen. Das tut Frank Petersen auch. Er, der engagierte Richter, der immer dachte, das Gesetz ist das Mass aller Dinge. Und der dann erfährt, dass das Gesetz leider auch nicht unfehlbar ist.
    Wenn ich einmal Joachim Feldmann („Der Freitag“) zitieren darf, der u.a. schrieb, »Thiele hat das Zeug zu einem Autor anspruchsvoller Unterhaltungsprosa, ein Genre, das hierzulande noch immer gering geschätzt wird.« so kann ich dem nur beipflichten, denn besser kann man es nicht ausdrücken meiner Meinung nach. Das trifft es auf den Punkt: gute Unterhaltung, spannende Abläufe und dennoch anspruchsvoller Stil – diese Mischung ist sehr interessant und auf dem heutigen Buchmarkt wirklich bislang leider noch eher rar gesäht.

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  • 5 Sterne

    meggie3, 07.05.2021 bei bewertet

    Ein zum Nachdenken anregender Roman

    Der Hamburger Richter Frank Petersen hat Urlaub, ist aber von Erholung weit entfernt. Seit einige seiner Urteile von höherer Instanz geprüft und auch zurückgewiesen wurden, hat er zu zweifeln begonnen. An sich, seinen Urteilen, dem Recht und der Wahrnehmung des Rechts. Als erneut ein umstrittenes Urteil von ihm geprüft wird und seine Frau ihm Vorwürfe macht, auf Basis von Vorurteilen entschieden zu haben, hinterfragt er sein Tun als Richter ganz generell und seine Objektivität im speziellen. In seiner Ehe kriselt es gewaltig, sein Sohn und seine Ehefrau sind zu seinen Schwiegereltern gezogen. Als Frank Petersen erfährt, dass Corinna Meier aus dem Gefängnis entlassen wird, beschliesst er sie abzuholen, um endlich Antworten zu finden. Corinna Meier hatte Jahre zuvor den für den Mord an ihrem Sohn Angeklagten kurz vor der Urteilsverkündung in Frank Petersens Verhandlung erschossen.
    Neben dem Handlungsstrang um Frank Petersen wird die Geschichte von Corinna Meier erzählt. So wird immer klarer, aus welchen Gründen sie den Mörder ihres Sohnes erschossen hat.

    In diesem Roman geht es um Rassismus, impliziten Rassismus und auch systematischen Rassismus. Es geht um die Frage, was Recht ist, was es kann und was die Aufgabe und auch Pflicht derer ist, die Recht sprechen. Markus Thiele gelingt es meiner Meinung nach ausserordentlich gut, aktuelle gesellschaftliche und auch rechtsphilosophische Fragen und Themen in einen sehr gut zu lesenden Roman zu integrieren. Für mich ist der Roman inhaltlich weder überfrachtet, noch hatte ich das Gefühl, dass wichtige Aspekte ausgespart wurden.
    Die Sprache lässt sich sehr gut lesen und die Geschichte und Geschehnisse haben mich von Beginn an gefesselt. Die Figur des Richters Frank Petersen entwickelt sich im Laufe des Romans und ich habe auch den Raum, den seine privaten Probleme in dem Roman einnehmen als passend wahrgenommen. Die Geschichte von Corinna Meier hat mich sehr berührt und nachdenklich zurückgelassen.
    Auch das Nachwort des Autors mit den Verweisen auf die realen Fälle, die dem Roman als Grundlage dienten, ist sehr gelungen.

    Ich habe „Die Wahrheit der Dinge“ als einen thematisch sehr spannenden und gut geschriebenen Roman empfunden, den ich mit grosser Aufmerksamkeit gelesen habe. Insgesamt ist es dem Autor gut gelungen, die Handlungen der Charaktere authentisch und nachvollziehbar zu beschreiben.

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  • 5 Sterne

    mimitatis_buecherkiste, 22.04.2021

    Strafprozess. Richter. Staatsanwalt. Verteidiger. Angeklagter. Nebenklägerin. Letzter Prozesstag. Der Angeklagte hat das letzte Wort, bevor das Urteil gesprochen wird. Plötzlich zieht die Nebenklägerin eine Waffe aus ihrer Tasche und erschiesst den Angeklagten. Feuert acht Projektile auf ihn ab. Richtet ihn regelrecht hin. Danach lässt sie sich widerstandslos festnehmen. Warum? Als Jahre später Frank Petersen, der Strafrichter von damals, in seinem Leben vor einem Scherbenhaufen steht, muss er sich damit auseinandersetzen, wo Schuld beginnt und Gerechtigkeit endet. Vor allem aber muss er sich die Frage stellen, ob er weiss, wo die Wahrheit liegt.

    In Zeitsprüngen zwischen jetzt und damals entfaltet sich die Geschichte langsam mit grosser Wucht. Nach dem dramatischen Vorfall im Gerichtssaal erfahren wir nicht sofort, warum der Angeklagte erschossen wurde und was danach passiert ist. In Rückblenden schildert Markus Thiele uns das Leben der Nebenklägerin, zu deren Figur er vom Rechtsfall Marianne Bachmeier inspiriert worden ist. Gleichzeitig folgen wir im Hier und Jetzt Frank Petersen, der sich von seiner Frau vorwerfen lassen muss, er sei selbstherrlich und voller Vorurteile, bevor sie ihn verlässt. Frank Petersen sieht seine Integrität als Richter und Ehemann in Frage gestellt.

    Worte wie Messer, Sätze wie Fallbeile, eine Sprache, die mich begeistert hat. Ganz fein zeichnet der Autor die Charaktere, deren Zerrissenheit, die Angst und die Wut. Es geht um Vorurteile, Fremdenhass und Selbstjustiz; die Grenzen von Recht und Schuld verwischen, die Suche nach der Wahrheit ist keine einfache.

    „Er wollte sich erklären, doch ihm fehlten die Worte. Aus der Unzahl der Wörter und Sätze, die wie ein verknotetes Wollknäuel in seinem Kopf hingen, konnte er keinen klaren Gedanken stricken.“ (Seite 186)

    Inspiriert von zwei der spektakulärsten Rechtsfälle der Nachkriegszeit, dem Fall Marianne Bachmeier und dem Fall Amadeu Antonio Kiowa, verbindet Markus Thiele Fiktion und Realität auf wunderbare Weise und schenkt uns ein spannendes und interessantes Werk, das aktueller nicht sein könnte. Danke dafür.

    Vor lauter Begeisterung hätte ich fast vergessen, mein Fazit aufzuschreiben. Ich vergebe 5 Sterne mit Sternchen und eine unbedingte Leseempfehlung.

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