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  • 5 Sterne

    14 von 17 Kunden fanden diese Bewertung hilfreich

    Jonas1704, 09.02.2018

    Als Buch bewertet

    Ulrich Alexander Boschwitz ist mit diesem Zeitdokument ein Werk gelungen, das einen in seiner Schlichtheit fesselt und von jedem von uns gelesen werden muss. Das Buch gibt die Geschichte vom judischen Kaufmann Otto Silbermann wieder und enthält zugleich viele autobiographische Aspekte. Kurz nach den Pogromen im Jahre 1938 ändert sich für die Juden in Deutschland plötzlich alles und von geachteten Geschäftsleuten und Unternehmern werden sie zu Menschen zweiter Klasse. So ergeht es auch Otto, der sich gezwungen sieht sein Hab und Gut zu verkaufen und zu versuchen mittels finanzieller Möglichkeiten aus Deutschland rauszukommen. Doch vergebens, das Reich ist ein brödelnder Kessel für den armen Otto. Auf seiner Reise trifft er auf die verschiedensten Menschen und Geschichten und macht positive jedoch meist negative Erfahrungen. Seine aussichtslose Lage nutzen viele Menschen aus und wir sehen auch hier einmal mehr, was Macht aus einem Menschen machen kann.
    Für mich was und ist dieses Buch ein Muss, denn wir dürfen einfach nicht vergessen was Menschen wie Otto damals wiederfahren wurde um die Geschichte aufrechtzuerhalten und daraus zu lernen, besonders in unserer heutigen, sensitiven Zeit.

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  • 5 Sterne

    14 von 23 Kunden fanden diese Bewertung hilfreich

    Miss.mesmerized, 10.03.2018

    Als Buch bewertet

    Eine Woche im Leben des Otto Silbermann. Zu Beginn ist er erfolgreicher Geschäftsmann, hat Familie und ein geregeltes Leben. Am Ende ist ihm nichts geblieben davon. Aber wen wundert‘s, es ist 1938 in Deutschland und Silbermann ist Jude. Nachdem ihn sein Geschäftspartner betrogen hat und seine Wohnung verwüstet wurde, versucht Silbermann mit dem Geld, das ihm noch geblieben ist, zu seinem Sohn nach Paris zu fliehen. Doch da dieser kein Visum beschaffen kann, reist Silbermann quer durch Deutschland. Von Berlin nach Aachen. Von Aachen nach Dortmund. Wieder nach Berlin. Nach München. Immer vor der Angst als Jude erkannt und verhaftet zu werden. Nach Tagen fast ohne Schlaf, gezeichnet voller Panik und Sorge, kommt es schliesslich wie es kommen musste: das Ende ist nah und gar nicht mehr schlimm, sondern fast eine Erlösung.

    Ulrich Alexander Boschwitz hat in seinem Roman „Der Reisende“ viel autobiografisches Material untergebracht. Auch er floh vor der immer schlimmer werdenden nationalsozialistischen Verfolgung quer durch Europa, hat Internierung und Camps miterlebt und hielt dennoch an seinem Wunsch, seinen Erlebnissen literarischen Ausdruck zu verleihen, fest.

    Der Roman nimmt einem unmittelbar gefangen. Die Ereignisse, die der unheilvollen Woche im November 1938 zugrunde liegt, sind historisch gut belegt und bekannt – aber was man mehr als Abfolge von Ereignissen im Geschichtsunterricht erlernt, bekommt durch die Erlebnisse von Boschwitz‘ Protagonisten eine ganz andere Note. Es sind vor allem die grotesken Alltagserlebnisse und die unsäglichen Ausflüchte der Menschen, die einem beim Lesen fast verzweifeln lassen ob der unglaublichen Absurdität. Zunächst die Beschwichtigungen, Silbermann ist Jude, ja, aber er sieht ja nicht so aus und er solle doch dankbar sein, dass man sich nicht gleich ganz gegen ihn wende. Man habe ihn immer gemocht, aber er müsse doch verstehen, die Zeiten und man könne ja nicht anders. Immer haben die Juden profitiert, jetzt müssten doch endlich mal die anderen dran sein. Die ganze Palette an Ausflüchten, lächerlichen Gründen und vorgeschobenen Argumenten bietet Boschwitz auf, um seinen Protagonisten langsam verzweifeln zu lassen. Die immer schnellere Abfolge von Zügen, mit denen er flüchtet, spiegeln seine steigende Verzweiflung wieder, da wundert sein Gedankengang am Bahnsteig nicht:

    „Eigentlich brauche ich nur nach vorne zu springen, mich einfach fallen zu lassen, vor den Zug, dachte er. Alles ist dann vorbei und gänzlich unwichtig.“

    Viele der Figuren verkörpern das typische Verhalten der damaligen Zeit. Silbermanns Schwager, der sich von ihm nicht ruinieren lassen will, obwohl Silbermann ihm stets geholfen hatte, und der eine Beherbergung auch nur für wenige Tage kategorisch ablehnt. Sein Ex-Geschäftspartner, der die Propaganda der Partei glaubt und die Ermordung des Botschaftssekretärs als legitimen Grund für die Vernichtung der Juden ansieht. Der Kommissar, bei dem er einen Diebstahl anzeigen will und der ihn schon vorab der Lüge bezichtigt, rein auf Basis seines Glaubens.

    Boschwitz muss es so gegangen sein wie Silbermann, als dieser gegen Ende des Romans feststellt:

    „Ich habe jetzt oft das Gefühl...die Welt ist verrückt...das heisst, ich weiss nichts mehr mit ihr anzufangen...“

    Mehr kann man zu den realen Geschehnissen nicht sagen. Und viel besser lassen sie sich auch kaum einfangen als es Boschwitz mit seinem Roman getan hat. Ein Zeitzeugnis, das vermutlich, obwohl rein literarisch, mehr Realität beinhaltet, als man sich vorstellen konnte.

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  • 5 Sterne

    8 von 12 Kunden fanden diese Bewertung hilfreich

    Jenny V., 30.01.2018

    Als Buch bewertet

    „Und so wird es vielleicht immer weitergehen. Ich bin jetzt Reisender, ein immer weiter Reisender. Ich bin überhaupt schon ausgewandert. Ich bin in die Deutsche Reichsbahn emigriert. Ich bin nicht mehr in Deutschland. Ich bin in Zügen, die in Deutschland fahren. Das ist ein grosser Unterschied.“


    Inhalt


    Der wohlhabende Kaufmann Otto Silbermann verliert förmlich über Nacht sein gesamtes bisheriges Leben. Am 9. November 1938 in der Reichspogromnacht rücken Nazis bis in seine Wohnung vor und er flieht in letzter Minute durch den Hintereingang des Hauses. Auch sein bisheriger Firmenteilhaber Gustav Becker, der zwar offiziell kein Judenhasser ist, aber dennoch arischer Abstammung, bricht mit ihm. Zu gefährlich ist eine geschäftliche Verbindung mit dem Staatsfeind Nr.1. Silbermann erhält von seinem ehemaligen Freund noch 40.000 Reichsmark bar auf die Hand und soll sich damit gefälligst aus dem Staub machen, bevor er in Deutschland festsitzt und wie so viele andere in ein Konzentrationslager verfrachtet wird. Fortan ist Otto ein Getriebener, er lebt in den Zügen der Deutschen Reichsbahn und verhält sich möglichst unauffällig. Sein oberstes Ziel ist die Flucht aus Deutschland, doch nachdem er an der belgischen Grenze aufgegriffen wird, verwirft er diese Option. Er schwört sich nur eines, solange er noch Geld hat, kämpft er um sein Leben. Doch eines Tages wird sein Aktenkoffer mit den restlichen 30.000 Mark gestohlen und Otto sieht ein, dass er im Rechtsstaat seines Landes, radikal ausradiert wurde …


    Meinung


    Dieses Werk des mit bereits 27 Jahren verstorbenen Autors Ulrich Alexander Boschwitz, erschien bereits 1939 in England und wurde nun erstmals durch den Herausgeber Peter Graf auch in einer deutschen Fassung aufgelegt. In Erinnerung an eine Zeit voller Schrecken, in der es Menschen zweiter und dritter Klasse gab, ebenso wie Abteile in deutschen Zügen. Ein umfangreiches Nachwort des Herausgebers zeigt, dass Boschwitz selbst mit dem Regime ausreichend Erfahrung sammeln konnte und der vorliegende Text viele autobiografische Parallelen aufweist. Ein Grund mehr diesen Roman als wichtiges Zeitdokument zu deklarieren, eben weil die Empfindungen und Ereignisse nicht erfunden sind, sondern auf Fakten basieren. Auch dieser historische Hintergrund macht den Mehrwert des Buches aus, denn als Leser bekommt man hier nicht nur eine beängstigende Geschichte präsentiert, sondern ein aussagekräftiges Zeugnis einer menschenverachtenden Zeit.


    Die Geschichte selbst wird als eine wahre Odyssee quer durch ein Land beschrieben, denn der Hauptprotagonist, ein anständiger, gewissenhafter Mensch mit ehrenhafter Überzeugung, kann es zunächst einfach nicht glauben, dass gerade er in einem Land, mit dem er sich eigentlich sehr verbunden fühlt, plötzlich zu den Ausgestossenen zählen soll. Als Kaufmann ist ihm aber auch bewusst, dass ihn sein Vermögen möglicherweise retten wird, er erhofft sich zumindest eine kleine Chance. Doch die Realität trifft ihn mit voller Breitseite. Vermögend zu sein entwickelt sich zunehmend als Handicap, denn wohin soll er mit dem Bargeld?


    Der Autor vermag es gekonnt die Sorgen von Otto Silbermann für den Leser lebensecht nachzuerzählen, man spürt die Sehnsucht nach Ruhe, den Wunsch nach einem friedlichen Leben aber auch den Überlebenswillen des Protagonisten. Mit jeder neuen Hürde wächst die Verzweiflung und bald ist auch der Leser ein Getriebener, denn man muss unbedingt wissen, welchen Ausgang diese dramatische Geschichte nehmen wird. Besonders hervorheben möchte ich die Nähe des Textes zum Leser an sich, denn man kann sich vortrefflich in die missliche Lage des Erzählenden hineinversetzen, es sind sehr einfache, äusserst plausible Sachverhalte, die den Handlungsverlauf vorantreiben. Und es sind auch interessante Menschen, die Herrn Silbermann in den Zügen begleiten und seinen Weg auf ganz unterschiedliche Art und Weise beeinflussen.


    Dieser Roman ist ein Zeitzeugnis, ein Andenken und eine diskussionswürdige Geschichte zugleich, denn er berührt sowohl Menschliches als auch Historisches, er erzeugt zunächst eine zuversichtliche Grundhaltung, die sich jedoch nach und nach der Tristesse ihrer Zeit anpasst, aus Verständnis wird Unverständnis und letztlich Unvermögen, sich als Individuum ohne Fehl und Tadel dem verhärmten Zeitgeist zu entziehen. Und genau deshalb wirkt der Roman so nachhaltig, denn anhand einer kleinen Einzelgeschichte zeigt sich, wie es dem Mensch an sich im Nationalsozialismus mit all seinen Verblendungen ergangen ist und ebenso wird deutlich, dass der Jude Silbermann nur einer von unzähligen anderen war, ein Mensch unter Wölfen in einem Land jenseits einer moralischen Verantwortung.


    Fazit


    Ich vergebe sehr gute 5 Lesesterne, denn „Der Reisende“ konnte mich auf ganzer Linie überzeugen. Es ist ein gelungener Mix aus Historie, persönlichem Schicksal und aussagekräftiger Gesamterzählung. Ein leicht lesbarer Schreibstil und ein zeitlich klar strukturierter Handlungsverlauf erfreuen den Leser ebenso. Es ist kein grosser, literarischer Wurf, den man erst nach mehrmaligen Lesen zu schätzen weiss, nein es ist die Geschichte des kleinen Mannes, der zur falschen Zeit am falschen Ort gefangen war und dessen innere Überzeugung sich nicht mit den Prämissen der äusseren Geschehnisse decken konnte. Ich habe es ausgesprochen gern gelesen.

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  • 5 Sterne

    3 von 3 Kunden fanden diese Bewertung hilfreich

    Nepomurks, 21.02.2018

    Als Buch bewertet

    Ergreifend und tragisch traurig!

    Erzählt wird in „Der Reisende“ die tragische Flucht des jüdischen Kaufmanns Otto Silbermann im Nazi-Deutschland des Jahres 1938. Packend, düster und unglaublich authentisch beschreibt Ulrich Alexander Boschwitz dabei die Verläufe und zieht den Leser gleich mit in einen Sog aus Angst, Misstrauen und Verunsicherung. Wohin nur? Wem kann man noch trauen?! Und was macht letztlich die eigene Persönlichkeit aus, die einem permanent vorgehalten wird und ärgste Konsequenzen haben kann?
    Boschwitz, dessen Roman „Der Reisende“ zwar schon 1939 verfasst wurde, aber in diesem Jahr erstmals in Deutschland verlegt wurde, wusste um die Umstände, in denen sich sein Protagonist Otto Silbermann befindet und kannte auch die Zustände, die mit dem Sich-Verstecken-Müssen und der Angst vor Entdeckung einher gingen – war er doch selber Jude. Die Inhalte des Romans sollen teilweise familien-, bzw. autobiografischer Art sein und beziehen sich damit wohl auf die eigene Flucht vor den Nazis, durch diverse europäische Staaten und die persönliche Vater-Sohn-Situation. Das machte den Roman für mich denn umso tragischer, ist doch auch Boschwitz während seiner Flucht durch Torpedos der Nazi auf einem Schiff gestorben.
    Durch den eingängigen Schreibstil kommt man sehr gut in die Erzählung hinein und fühlt sich auch sogleich in die vergangene Zeit zurückversetzt. Sprache und Figuren entsprechen natürlich recht stark der damaligen Zeit, was sich vor allem in den Dialogen bemerkbar macht, die Inhalte aber auch umso greifbarer werden lässt. Alle Protagonisten wirken authentisch und nur allzu reell. Otto Silbermann ist zunächst als Hauptprotagonist nicht einmal ein sympathischer Geselle. Doch je mehr sich die Schlinge um ihn herum zuzieht, desto stärker hofft, zittert und bangt man mit und um ihn. Boschwitz entwickelt eine unfassbar packende, intensive und atmosphärische Dichte, der man sich kaum entziehen kann. Es ist wohl denn auch nicht verwunderlich, dass Silbermann nach und nach den Verstand zu verlieren scheint und unter dem Druck der Nazis förmlich zusammenbricht. Eben dieser Prozess des Nachgebens und der Verlust der eigenen Persönlichkeit, bzw. Identität, was man emotional mehr oder minder stellvertretend für so viele verfolgte Menschen des Dritten Reiches im Geiste durch das beschriebene Szenario mit durchlebt, hat mich wahnsinnig ergriffen. Viele Passagen, Fragmente und Sätze sind leider zudem aus heutiger politischer Sicht aktueller denn je. Mich hat der lange verstorbene Boschwitz mit seinem Roman definitiv erreicht und mir sogar die Tränen in die Augen getrieben – nicht nur zum Schluss.
    Das Buch klingt bei mir noch sehr nach, obwohl ich es schon vor einiger Zeit beendet habe. Es ist einfach verstörend und tragisch traurig. Ein Buch, das durch die reellen geschichtlichen Inhalte und den ganz besonderen Ton der Erzählung unter die Haut geht und mitnimmt. Ich kann es nur uneingeschränkt weiterempfehlen. Deshalb ganz klar 5 Sterne!

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  • 5 Sterne

    3 von 3 Kunden fanden diese Bewertung hilfreich

    büchernarr, 17.02.2018

    Als Buch bewertet

    Ulrich Alexander Boschwitz ertrank im Oktober 1942 als sein Schiff von einem deutschen U-Boot torpediert wurde. Er war damals 27 Jahre alt und kehrte aus Australien nach England zurück wo er als Freiwilliger in den Kriegsdienst eingetreten war. Der Reisende war bislang sein zweiter Roman und letzter Roman. Der Reisende“ spielt im November 1938, am Tag nach der „Reichspogromnacht“ und in den Wochen danach. Otto Silbermann, die Hauptfigur, ist ein jüdischer Geschäftsmann, (Boschwitz selbst war Halbjude) Bis zu dem Zeitpunkt fühlte es sich in Deutschland sicher aber kurz danach ändert sich die Situation schagartig. Sein Geschäftpartner hintergeht ihn, sein Schwager will nichts mehr von ihm wissen und seine Versuche ins Ausland zu flüchtern scheitern. Als dann noch sein ganzes Vermögen, das er in einem Kofferm mit sich trug, gestohlen wird, scheint die Lage aussichtslos zu sein.
    Ein Porträt eines Mannes der für seine Herkunft hat bitter büssen müssen und uns 80 Jahre später erreicht um uns zu erinnern wie wichtig es ist nicht zu vergessen.

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  • 5 Sterne

    2 von 2 Kunden fanden diese Bewertung hilfreich

    moehawk, 31.01.2018

    Als Buch bewertet

    Otto Silbermann ist ein jüdischer Kaufmann. Anders als viele seiner Freunde und Familienmitglieder, verpasst er den richtigen Zeitpunkt das Land zu verlassen und erkennt, dass er im Deutschland 1938 festsitzt. Er begibt sich mit seinem geretteten Ersparten auf eine unendliche Reise. Er lebt in Zügen, fährt quer durch Deutschland und versteckt sich so vor den Häschern. Tatsächlich scheint er unsichtbar, obwohl er viele Menschen trifft, mit ihnen spricht, ihnen teilweise durch intensive sehr nahekommt. Aber es ist kein reales Leben mehr. Er lebt in einer Blase, hat ständig Angst entdeckt zu werden.

    Der Autor, Ulrich Alexander Boschwitz, wusste sicherlich wovon er schrieb. Als Jude war er selbst im damaligen Deutschland auf der Flucht. Tragischerweise kommt er um, als es schon scheint, als wäre er den Nazis entkommen. Die Kriegswirren hat er nicht überlebt. Das gibt der Geschichte vom „Reisenden“ eine zusätzliche, tragische, intensive Note.

    Der Schreibstil ist eindringlich und von einer schmerzhaften Klarheit. Ich finde, Dialoge machen das Salz an guten Büchern aus. Sie transportieren Gedanken, Gefühle und Handlung. Dank der zahlreichen Gespräche ist dieser Roman also ein Paradebeispiel dafür, wie spannend und lebensklug und authentisch ein Roman sein kann. Ein Stück deutscher Geschichte aus einer sehr ungewöhnlichen aber erfrischend anderen Sicht.

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  • 5 Sterne

    2 von 3 Kunden fanden diese Bewertung hilfreich

    anja n., 18.02.2018

    Als Buch bewertet

    homo homini lupus
    Schon das kurze Vorwort hat es in sich. Die Weichen sind gestellt. Der Zug ist ins Rollen gekommen und mitreisen werden Angst, Verzweiflung, Hass und Willkür. Otto Silbermann wird dabei auf der Strecke bleiben. Dem Leser wird nichts erspart. Er geht den ganzen Weg mit ihm.
    Anständiges Miteinander wird zum immer seltener werdenden gnädigen Abgeben und Dulden. Dankbarkeit und Ducken werden dafür erwartet. Der Leser ist schon ab der ersten Seite höchst alarmiert. Silbermann hingegen weiss sehr lange nicht, was mit ihm geschieht. Das Unheil kommt schleichend. Gedanken, Worte, Taten – geschürt und mit Rechtfertigung gestützt.
    Zu allen Zeiten ist diese Saat aufgegangen. Verwirrend ist, dass man manche Argumente verstehen kann. Alles sind menschliche Reaktionen, charakterlich gesteuerte Verhaltensweisen. Beide Seiten wollen überleben, nur nicht auffallen. Gleichzeitig ist man schockiert, wie überzeugt jeder ist, genau das richtige zu tun. Beklemmende Realität.
    Keiner hat etwas gesehen, keiner hat das gewollt. Das geht mich nichts an. Was sollten wir denn machen? Wir würde man selbst in derselben Situation handeln? Wäre man wirklich anders, wenn es um die eigene Sicherheit geht? Wegschauen oder aktiv mittun; beides führt zum gleichen Ergebnis. Nachbarn werden zu Feinden, selbst Freunde zur Bedrohung. Mobbing endet im Massenmord.
    Schon während des Lesens kann sich seiner selbst nicht mehr sicher sein. Die Mitmenschen von damals unterscheiden sich in Nichts von uns heute.
    Passivität erzeugt dieselbe Schuld wie aktives Handeln. Rechtfertigungen und Unschuldsbeteuerungen sind wertlos. Anpassung, Stillhalten oder Gleichtun versprechen Rettung und Verschonung. Die Angst und Verzweiflung der anderen können an das eigene Dilemma nie heranreichen. Die dabei offen gelebte Unmenschlichkeit wird zur erschreckenden Normalität. Vielleicht ist es aber gerade dies ein fester Bestandteil menschlichen Handelns ist, das jeder in sich trägt. Diese Erkenntnis zeigt das Schicksal Otto Silbermanns, das stellvertretend für Millionen Menschen steht, nur allzu deutlich. Ich halte die geschilderten Mechanismen keineswegs für ein typisch deutsches Phänomen. Daher stellt die Lektüre für mich der gesamten Menschheit ein sehr schlechtes Zeugnis aus. Erinnerung, Mahnung und Warnung. Denn wenn die Umstände es für einem selbst zu verlangen scheinen, ist der Mensch dem Menschen ein Wolf, kein Mensch.

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  • 5 Sterne

    1 von 1 Kunden fanden diese Bewertung hilfreich

    Marianne, 25.02.2018

    Als Buch bewertet

    Dieses Buch begleitet den jüdischen Kaufmann, Otto Silbermann, auf eine Reise ohne Ziel. Er hat im ersten Weltkrieg treu gedient, sich anschliessend ein ansehnliches Vermögen erarbeitet. Er ist angesehen, und er hat viele Freunde. Dann aber kommt der November 1938. Bis vor kurzem waren Juden ebenso Teil der Gesellschaft wie alle anderen, aber nun sind sie zu Verfolgten geworden. Otto Silbermann erfährt von Freunden und Verwandten, die einfach ohne Grund abgeführt wurden. Als die Staatspolizei kommt um ihn zu holen, kann er im letzten Moment fliehen. Aber wohin? Als Jude ist er nicht mehr erwünscht, weder bei Verwandten, im Hotel oder in seiner eigenen Firma.

    Es gelingt ihm einen Teil seines Vermögens in einer Aktentasche mitzunehmen, und nun reist er kreuz und quer durch Deutschland, immer auf der Suche nach einem sicheren Ort. Die Angst ist sein ständiger Begleiter. Unterwegs ist er mit vielen Menschen im Gespräch; freundliche, aber auch gleichgültige oder gar feindselige Menschen. Ein Versuch über die Grenze zu flüchten scheitert. Wird es Otto Silbermann gelingen sich in Sicherheit zu bringen?

    „Der Reisende“ wurde bereits im Jahr 1939 geschrieben, und das ist das Besondere und Aussergewöhnliche an diesem Buch. Der Autor, Ulrich Alexander Boschwitz, war selbst Jude, aber im Gegensatz zu Otto Silbermann konnte er Deutschland schon 1935 verlassen.

    Die authentischen Einblicke eines Zeitzeugens in diese grauenhafte Zeit trösten über manche Längen in den Dialogen oder Ausflügen in Silbermanns innere Gedankenwelt hinweg. Für Menschen, die diese Zeit besser verstehen möchten, ist dieses Buch sehr zu empfehlen!

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  • 5 Sterne

    2 von 3 Kunden fanden diese Bewertung hilfreich

    Andreas R., 15.02.2018

    Als Buch bewertet

    beeindruckend

    " Der Reisende " von Peter Graf , ist ein Buch, das schon 1938 entstand, jetzt aber wieder neu aufgelegt wurde und beeindruckend ist, ob der Tatsache , dass der Autor erst 23 Jahre alt war, als er es schrieb. Mit viel Liebe zum Detail und einer überzeugenden Sprache beschreibt der Autor die Geschichte des Otto Silbermann, eines Berliner Juden, der versucht, kurz nach den Pogromen das Land zu verlassen. Er zeichnet ein realistisches Bild, wie man mit den Juden zu dieser Zeit verfahren ist, sie nicht nur übervorteilt hat, als sie versuchten ihr Habe zu Geld zu machen ,um das Land verlassen zu können, sondern wie ihnen auch nach und nach ihre Ehre genommen wurde und ihr Recht auf ein menschenwürdiges Leben angesprochen wurde.

    Freunde wurden zu Feinden, Geschäftspartner zu Kriminellen, wenn es darum ging ihr eigenes Scherflein ins Trockene zu bringen.
    Die Atmosphäre dieser Zeit wird fühlbar zwischen jeder Zeile dieses Buch, das die Gedanken und Gefühle des Protagonisten widerspiegelt.

    Es ist schon beachtlich, dass ein so junger Autor diese Zeit so intensiv empfunden hat und dies in eine literarische Geschichte packt, die mich mehr als überzeugt hat.

    Ein sehr wichtiges Buch, dem ich viele Leser wünsche.

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  • 4 Sterne

    1 von 1 Kunden fanden diese Bewertung hilfreich

    Christin, 27.02.2018

    Als Buch bewertet

    **Inhalt**
    Deutschland 1938.
    Otto Silbermann, bisher ein gut angesehener Geschäftsmann, bekommt den Fanatismus der NS-Zeit zu spüren, denn er ist Jude. In Folge der Reichsprogromnacht verliert er sowohl sein Haus als auch sein Geschäft. Damit er nicht auch noch von den Deutschen festgenommen wird, flüchtet er und versucht seitdem durch Reisen mit dem Zug den Häschern zu entkommen.

    **Meine Meinung**
    In „Der Reisende“ erleben wir die Gräueltaten der NS-Zeit hautnah. Wie bereits im Vorwort erklärt wird, handelt es sich hierbei um eine fiktive Geschichte, die der Autor nach seiner Flucht niederschrieb, aber trotz allem bekommt man die Zustände Deutschlands im dritten Reich hautnah mit. Es konzentriert sich dabei weniger auf die Lager oder Ghettos sondern auf das „Davor“. Wie fühlte sich ein Jude, wenn er nun gejagt wird, für das, was er ist? Und genau das macht das Buch so interessant und vor allem wichtig.
    In diesem Buch baut man nicht so sehr auf Gewalt und das Morden, wie es in anderen Werken gezeigt wird, sondern hier baut man auf den psychischen Druck, der entstand. Ich fand das unglaublich mitreissend. Denn wir erleben die Geschichte aus Sicht von Otto Silbermann, der über Nacht zum Staatsfeind wurde, einfach, weil er ist, wer er ist. Gestern noch Freund oder Geschäftspartner, heute „nur noch“ Jude. Damit entfallen automatisch alle Rechte, die man besessen hat.
    Aus heutiger Sicht unvorstellbar, aber hier auf eine authentische und beklemmende Art rübergebracht. Ich spürte die anfangs noch unterschwellige Abneigung, der „arischen“ Deutschen, die dann aber in absolute Abneigung umschwang.
    Genauso merkte man, dass viele Leute sehr genau wussten, dass Unrecht geschah, aber um ihrer selbst willen wegsahen oder mitspielten und – und das fand ich am schlimmsten – scheinheilig redeten, dass das aus so und so einem Grund einfach so gehandhabt werden müsste.

    Alles in allem also ein sehr kontroverses Buch, das meiner Meinung nach unglaublich wichtig ist. Es regt zum Nachdenken an und zeigt, wohin uns fehlende Courage und Toleranz führen können.

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  • 5 Sterne

    1 von 1 Kunden fanden diese Bewertung hilfreich

    Bücherfreund, 24.02.2018

    Als Buch bewertet

    "Ich reise, reise vor mich hin, bis man zuschlägt" (S. 215).
    Otto Silbermann entkommt in der Pogromnacht nur knapp der Verhaftung, indem er aus seiner Wohnung flieht. Seitdem ist er auf der Flucht. Seine einzigen Sicherheiten sind sein Geld und sein "nichtjüdisches" Aussehen, doch seinen Namen darf er nicht nennen, ohne Lebensgefahr zu befürchten. Und so reist er in Zügen durch das Land und versucht verzweifelt über die Grenze ins Ausland zu kommen.

    Auf seiner Reise kommt er mit Leuten verschiedener Gesellschaftsschichten und Herkünften ins Gespräch, was ein authentisches Bild der Gesellschaft zu der Zeit zeichnet. Es ist bedrückend und beängstigend realistisch.

    "Es kommt darauf an, Jude oder Nichtjude zu sein, nicht aber sympathisch oder unsympathisch. Die Überschrift entscheidet, der Inhalt ist ganz gleichgültig." (S. 217)

    Ich finde auch die Entwicklung, die Silbermann im Laufe des Buches sehr realistisch dargestellt. Es wird deutlich, wie seine Verzweiflung, Frustration und schliesslich sein Zorn mit jedem Tag wächst. Und er, der ursprünglich die Ruhe in Person war, schliesslich vollkommen die Nerven verliert und einen Schritt macht, der zu Anfang des Buches noch undenkbar gewesen wäre.

    Das Manuskript dieses Buches hat eine lange Geschichte hinter sich. Bereits 1939 geschrieben, geht das Manuskript verloren, bis Teile davon erst viele Jahre später zum Glück wiederentdeckt werden. Der Autor ist bereits 1942 gestorben, und so musste das Manuskript nach bestem Gewissen ohne dessen Mithilfe überarbeitet werden, bis es schliesslich doch noch zu einer Veröffentlichung kam. Wie viel in dieser Geschichte aus eigenen Erfahrungen des Autors eingeflossen ist, der selber bereits 1935 aus Deutschland emigriert ist, lässt sich nur vermuten. Ein beeindruckendes Werk, das sehr gut ein kleines Stück der Welt in dieser dunklen Zeit der Geschichte beschreibt.

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  • 5 Sterne

    1 von 1 Kunden fanden diese Bewertung hilfreich

    forti, 20.02.2018

    Als Buch bewertet

    Die vorliegende Ausgabe von "Der Reisende" ist die deutsche Erstausgabe des 1938 von Ulrich Alexander Boschwitz geschriebenen Romans. Eine Zusammenarbeit zwischen Lektor und Verlag war hier nie möglich: der Autor verstarb bereits 1942, also bevor an eine Veröffentlichung auf Deutsch überhaupt zu denken war. Dadurch ist es ein authentisches, nahezu unverändertes Zeitdokument, was es in meinen Augen zu einer interessanten und wichtigen Lektüre macht.
    Der Leser erlebt die rastlosen Gedankengänge, die Unsicherheit, die Sorgen um sich und seine Familie, aber auch um seine Firma und sein Vermögen mit. Otto Silbermann befindet sich im Zwiespalt: es fällt ihm auch nach fünf Jahren Nazi-Herrschaft schwer, die neue Realität mit dem Deutschland in Einklang zu bringen, das ihm seit seiner Geburt Heimat war. Man kann durch die Person Otto Silbermann nachvollziehen, warum es auch in der Realität leider so viele Juden gab, die Deutschland trotz aller Warnungen nicht verlassen haben. Während seiner Odysee trifft Otto Silbermann eine Vielzahl von Mitbürgern, die sich alle unterscheiden und so wohl ein gutes Abbild der Deutschen 1938 geben.
    Sprachlich ist es in seiner Zeit verhaftet und manchmal vielleicht nicht ganz ausgereift, was sich hin und wieder etwas ungewohnt liest.
    Insgesamt aber ein interessantes und wichtiges Zeitzeugnis!

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  • 4 Sterne

    1 von 1 Kunden fanden diese Bewertung hilfreich

    Susann K., 08.04.2018

    Als Buch bewertet

    Dieser Roman hat mich voll erwischt und erschüttert über die Gleichgültigkeit und Grausamkeit der Menschen. Der sehr junge Autor, Ulrich Alexander Boschwitz selbst Jude und mal gerade 23 Jahre alt , als er diesen unglaublichen und erschütternden Roman verfasste, und ein beeindruckendes Werk geschaffen hat.Ich fragte mich beim lesen unter was für einem Druck muss dieser Junge Mensch gestanden haben, der im Jahr 1938, das Novemberpronomen und die systematische Judenverfolgung vom Ausland aus miterlebte. Sein Schreibstil ist sehr flüssig und berührend. Er hat mit viel Herzblut die Geschichte über Otto Silbermann geschrieben. Silbermann ein angesehener und Erfolgreicher Geschäftsmann verliert auf eine Sekunde auf die andere seine Familie, Freunde , Haus und Geschäft. Man konnte tief in die Seele von Otto blicken, der in Sorge um seine Liebsten ist, der nicht mehr weiss wohin, dessen einziger Vorteil ist das man ihm den Juden nicht ansieht. Ein Mann der vor dem nichts steht nur eine Tasche voller Geld, ein getriebener, ein Mann auf der Flucht vor den Nazi Schergen. Es war erschütternd ihn auf seiner Reise in all den Zügen, Bahnhöfen und Restaurants zu begleiten, die jetzt sein zu Hause sind und durch seine Augen und Gefühle all die Menschen die seinen Weg kreuzten zu sehen. Seine Verzweiflung jeden Moment entdeckt zu werden. Die damalige dunkle Atmosphäre ist sehr gut und erschreckend eingefangen. Guten und schlechten Menschen zu begegnen und der Gleichgültigkeit. Es war traurig und auch aufschlussreich am Schicksals Ottos Silbermanns teilzuhaben. Gut das diese Geschichte nicht vergessen wurde, und wir es Heinrich Böll verdanken zuhaben, der sich für diesen Roman damals einsetzte. Ich finde ein sehr wichtiges Zeitdokument über das Schicksal der Juden, die man nicht vergessen darf.

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  • 5 Sterne

    10 von 12 Kunden fanden diese Bewertung hilfreich

    Rudolf E. Gaul, 11.04.2018

    aktualisiert am 12.04.2018

    Als Buch bewertet

    Peter Graf hat mit „Der Reisende“ ein grosses Buch lektoriert und verlegt, welches im Übrigen gerade in der heutigen Zeit wieder eine ganz besondere Bedeutung erlangt. Es ist zutiefst berührend, traurig machend, ja, kaum erträglich, weil offensichtlich, wie es endet, wenngleich der Leser während der Lektüre stets, mit dem Protagonisten Silbermann, versucht ist, Hoffnung zu schöpfen. Dieses Werk konnte wohl, noch dazu in so jungen Jahren, in dieser Differenziertheit und emphatischen Tiefe nur ein Schriftsteller schaffen, der selbst vergleichbares Leid hat erfahren müssen.

    Das Nachwort des Herausgebers, in welchem er den Autor und dessen viel zu kurzes Leben und Schaffen würdigt, gibt diesem Werk den verdienten und angemessenen
    Rahmen.

    Ein grosser Dank an den Herausgeber und klett-cotta dafür, dieses Juwel nach derartig vielen Jahren zum Scheinen gebracht zu haben!

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  • 5 Sterne

    12 von 20 Kunden fanden diese Bewertung hilfreich

    BücherwurmNZ, 09.02.2018

    Als Buch bewertet

    - Beeindruckendes Zeitdokument -

    Diese Geschichte gibt die Situation und Stimmung in Deutschland zur Zeit der Novemberprogrome wieder. Sie ist ein berührendes literarisches Zeitdokument, das unmittelbar nach diesen Ereignissen vom Juden Ulrich Alexander Boschwitz geschrieben wurde, der 1935 mit zwanzig Jahren nach Skandinavien emigrierte.

    Das Buch gibt auf beeindruckende Weise die damalige Situation wieder und ist so geschrieben, dass man das Gefühl hat, man wäre dabei und mit Otto Silbermann selbst auf der Flucht. Mir hat sehr gefallen, dass Boschwitz Silbermanns Gedanken und Gefühle, seine Ratlosigkeit und Mutlosigkeit, aber auch seinen starken Willen, sich nichts von den Nazis anhaben zu lassen, beschreibt. Auf der Reise durch Deutschland trifft Silbermann verschiedene Menschen mit unterschiedlichen Ansichten über die Politik dieser Zeit. In gewisser Weise spiegeln diese Menschen die Gesellschaft wieder. Die Gedanken mancher Personen waren sehr schockierend. Das hat mich vor allem zu Beginn das ein oder andere Mal mit offenem Mund dasitzen lassen.

    Das Einzige was mich an diesem Buch etwas gestört hat, waren die sehr langen Kapitel mit 40 Seiten oder mehr und dass in diesen keine Absätze waren. So war es schwierig, nur mal eine halbe Stunde zu lesen. Der Schreibstil Boschwitzs ist trotz langer Sätze leicht und flüssig zu lesen.

    Fazit
    Die Geschichte beschreibt auf beeindruckende und schockierende Weise die Situation und die Menschen in Deutschland zur Zeit der Novemberprogrome. Ein literarisches Zeitdokument, das lesenswert für alle ist, die sich für diese Zeit interessieren.

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  • 5 Sterne

    2 von 2 Kunden fanden diese Bewertung hilfreich

    Bibliomarie, 12.03.2018

    Als Buch bewertet

    Otto Silbermann ist Jude, ein geachteter Geschäftsmann, der jäh erkennen muss, dass er ein Rechtloser, ein Ausgestossener ist. Lange wollte er es nicht wahrhaben, seinem Sohn gelang noch die Ausreise nach Frankreich. Er zögerte – zu lange! Wer früher ein honoriger Geschäftspartner war, zeigt nun sein wahres Gesicht. Für lächerliche Summen kaufen sie ihm sein Geschäft ab und verhöhnen ihn dabei noch. Eine Woche lang reist Silbermann mit dem Zug durch Deutschland, immer auf der Flucht, er weiss nicht wohin, seine Wohnung verwüstet, eine Ausreise nicht mehr möglich, die Hatz auf Juden in vollem Gang. Die Verzweiflung überkommt ihn, immer mehr verliert er sich. „Ich werde mich verhaften lassen, dachte er. Ich werde zur Polizeiwache zurückgehen. Man soll mich festnehmen. Der Staat hat mich ermordet, er soll mich auch beerdigen.“


    Alexander Boschwitz hat diesen Text schon 1939 verfasst. Er wurde in Deutschland nie veröffentlich, denn Boschwitz war selbst Jude und auf der Flucht. Das gibt diesem Roman eine Authentizität und Dichte, der ich mich nicht entziehen konnte. Auch Boschwitz‘s Flucht führte ihn durch ganz Deutschland und Europa, bis er bei einem Torpedoangriff ums Leben kam. Er kannte die Angst des Gejagten, des Heimatlosen aus eigener Anschauung, sicher ist vieles davon in seinen Roman eingeflossen.


    Besonders beeindruckt hat mich die Beschreibung der Verfolgung. Was in Geschichtsbüchern und Dokumentationen beschrieben wird, bleibt oft abstrakt. Hier, mit dem Schicksal eines Einzelnen bekommen der Wahn, die aberwitzigen Vorurteile und die Ausflüchte ein Gesicht. Wenn langjährige Geschäftspartner ihren wahren Charakter zeigen, sein Judentum als Ausrede für Betrug herhalten muss und Silbermann sich nicht wehren darf, spürt man die Verzweiflung. Nicht nur seine materielle Grundlage wurde zerstört, man hat ihm sein Recht auf eine Existenz genommen. Seine Bahnfahrten werden immer verzweifelter, die Persönlichkeit des Protagonisten wird zerstört.


    Dieser Eindringlichkeit konnte ich mich nicht entziehen. Manchmal musste ich das Buch sinken lassen und für einige Minuten pausieren. Es ist gut, dass dieser Text nun endlich bei uns erschienen ist.

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  • 5 Sterne

    2 von 2 Kunden fanden diese Bewertung hilfreich

    Maria B., 21.01.2018

    Als Buch bewertet

    Wenn das Leben aus Flucht besteht
    «Ich reise vor mich hin, bis ein SA-Mann mich zum Stehen bringt.»
    Kurz nach der sogenannten Reichskristallnacht verliert der jüdische Kaufmann Otto Silberstein praktisch alles: Betrieb, Wohnung, und von seiner Frau kann er sich nicht einmal mehr verabschieden. Wenigstens rettet er einen Teil seines Vermögens, denn ohne Geld ist Flucht aussichtslos, doch sind die Notenbündel in der Folge eher hinderlich.
    Es ist eine Flucht ohne Ende, beschwert mit der Sorge um die Ehefrau und der Enttäuschung über die Abkehr seiner Freunde und Partner. Ein Ausweg nach dem anderen und fast jede Schlafmöglichkeit verschliessen sich für ihn. Silbermann bleiben die Fahrten mit den Zügen, der Aufenthalt in Restaurants und Wartehallen. Immer in Angst vor Entdeckung, vor Prügeln und Inhaftierung ist er ein Gejagter, der sich im Kreis dreht, immer wieder in Sackgassen gerät, dem jede Sicherheit abhandengekommen ist. Er begegnet allen Arten von Menschen, und da er ein arisches Aussehen hat, kann er als Jude unentdeckt bleiben. Auch als er sich als solcher offenbart, zeigen sich manche Deutsche noch freundlich. Niederschmetternd offenbart sich jedoch deren Unverständnis: «Sie müssen die humoristische Seite betrachten.» Als sich ihm ein Rettungsanker bietet, schlägt er ihn resigniert aus. In die Enge getrieben und völlig übermüdet wehrt er sich schliesslich nicht mehr gegen die Verhaftung.
    Dem inneren Monolog Silbersteins folgend, sieht der Leser die Judenverfolgungen aus einem neuen, unmittelbaren Blickwinkel. Der Schreibstil ist bei aller Tragik flott und leichtfüssig erzählend, anfangs ruhig überlegend, verdeutlicht aber mit fortschreitender Handlung die Atemlosigkeit und tiefe Unruhe des Gejagten. Zutiefst erschütternd, jedoch weder anklagend noch larmoyant beschreibt der Autor die Situation von Menschen in den späten Dreissigerjahren: Polarisierende, Mitfühlende, Gleichgültige.
    Wir sind durch Berichte über die Judenhatz in Deutschland von den Nachkommen der Überlebenden informiert worden, da die wenigen Menschen, die den Lagern entkommen sind, meist nicht über das Erlittene sprechen konnten. Doch Boschwitz war selber Jude, hat alles hautnah erlebt, und so ist es kein blosses Nacherzählen, sondern allerauthentischste Zeitgeschichte. Umso kostbarer und wichtiger für Menschen von heute, auch deshalb, damit wir nicht vergessen und nicht zulassen, dass der Rassenhass wieder solche Ausmasse annimmt. Empfehlenswert für alle, die an authentischen, ungeschönten Zeitberichten interessiert sind.

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  • 5 Sterne

    2 von 4 Kunden fanden diese Bewertung hilfreich

    bluesky_13, 10.02.2018

    Als Buch bewertet

    INHALT

    Becker war der beste Freund und auch Geschäftspartner von Otto Silbermann. Silbermann war ein sehr beliebter und auch erfolgreicher Kaufmann in Berlin.

    Becker spielte gerne und Silbermann redetet auf ihn ein, das er in Hamburg nicht spielen sollte. Becker wusste auch, das Silbermann Jude war und er wusste auch das die Zeiten unsicher waren.


    Die Juden waren nicht erwünscht und keiner wollte etwas mit ihnen zu tun haben. In seinem Haus wartet dann schon Theo Findler auf ihn, der machte ihm ein Angebot für das Haus. Noch würde er Geld bekommen, das er und seine Familie gut brauchen könnten. Doch wenn er erst mal festgenommen würde, dann würde er nichts mehr bekommen, das würde alles der Staat bekommen.


    Der Sohn Eduard war in Paris und versuchte eine Genehmigung zu erhalten, das seine Eltern erlaubt nach Paris zu reisen.

    Silbermann war etwas enttäuscht von seinem Sohn, er wollte doch nur diese Einreisegenehmigung. Silbermanns Frau war ja sicher denn sie war Arierin, sie war keine Jüdin. Als seine Schwester ihn anrief und ihm sagte das ihr Mann verhaftet wurde und das die nun alle Juden verhafte, wurde ihm klar wie ernst die Sache war. Als sie dann auch vor seiner Tür standen, schickte seine Frau ihn weg, er musste gehen sofort.


    MEINE MEINUNG

    Dieses Buch wurde wohl schon 1939 verfasst, aber nie veröffentlicht. In den 60er Jahren tauchte das Manuskript in Frankfurt auf. Mit Rücksprache der Familie wird es nun nach fast 80 Jahren veröffentlicht.


    Dieses Buch lässt uns am Leben von Otto Silbermann teilhaben. Es ist sehr emotional und liebevoll geschrieben. Der Autor hat hier nichts beschönigt oder gar weggelassen, er hat schonungslos berichtet.

    Es ist nun einmal Tatsache, das die Juden festgenommen und enteignet wurden. Selbst wenn sie hart dafür gearbeitet haben, so wurde ihnen mit einem Mal alles genommen. Juden wurden nicht geduldet, sie mussten weg und dafür sorgte dann der Staat. Traurig aber wahr, so war es ja tatsächlich.


    Schön und traurig zugleich, war zu lesen, das Silbermann nicht nur einfach fliehen wollte um sich selbst zu retten. Er wollte auch sein Vermögen retten, denn es war ja seines, er hatte sich das verdient, gespart und aufgebaut.

    Was wir hier zu lesen bekommen ist schon ziemlich hart. Man weiss mit einem

    Mal nicht mehr ob man seinen Freunden trauen kann. Nur weil man Jude ist, hat man plötzlich keine Freunde mehr?

    Ich verstehe das bis heute nicht, warum das damals so extrem war. Ein erfolgreicher Geschäftsmann zahlt ja auch genug an den Staat, er beschäftigt

    Menschen und zahlt regulär Löhne auch wenn er Jude ist. Warum musste man diesen Menschen alles nehmen?


    Diese Buch ist literarisch sehr hochwertig, das merkt man an der Schreibweise des Autors und am gesamten Aufbau des Buches. Es liest sich ziemlich zügig und sehr flüssig, da es nicht so anonym verfasst ist. Es wirkt doch sehr persönlich und auch menschlich und das macht dann diese Leichtigkeit beim lesen aus.


    Ich vergebe hier gerne die vollen 5 Sterne, da ich diese Geschichte genossen habe und völlig darin gefangen war. Das was hier mit Silbermann geschehen ist, das ist mit vielen Juden leider passiert. Es schockiert einen doch immer und immer wieder, wenn man davon liest.


    Bluesky_13
    Rosi

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  • 5 Sterne

    1 von 2 Kunden fanden diese Bewertung hilfreich

    bookloving, 09.02.2018

    Als Buch bewertet

    Mit dem Roman „Der Reisende“ hat Ulrich Alexander Boschwitz ein wichtiges literarisches Zeitdokument hinterlassen, das nun erstmalig auf dem deutschen Markt erscheint. Der bereits 1935, nach Verkündung der Nürnberger Rassengesetze aus Deutschland emigrierte Boschwitz hat seinen Roman 1939 in nur wenigen Wochen verfasst, um die schrecklichen Ereignisse der Novemberpogrome und den Beginn der Judenverfolgung in Deutschland zu verarbeiten. Dass Boschwitz viele eigene Erlebnisse und die seiner Familie mit in seinen Roman hat einfliessen lassen, trägt zur besonderen Authentizität und Intensität des Romans bei.
    In seiner Geschichte um den gutsituierten, jüdischen Kaufmann Otto Silbermann portraitiert der Autor exemplarisch das Schicksal der jüdischen Deutschen, die als ehemals angesehene Bürger plötzlich Willkür, Demütigungen und Gewalt ausgesetzt waren, und denen nur noch die meist vergebliche Flucht ins Ungewisse blieb.
    Sehr einfühlsam und eindringlich gelingt es dem Autor, dem Leser die anfänglich noch ungläubige, pragmatische Betrachtungsweise der Hauptfigur nahe zu bringen, die sich aber während seiner Flucht zunehmend in Aktionismus und panische Verzweiflung angesichts seiner Situation wandelt. Die Geschichte mit ihrer bedrückenden Atmosphäre und der Schilderung von Silbermanns planloser, gehetzter Irrfahrt durch das Land hat mich immer mehr in ihren Bann gezogen.
    Auf seinen immer schneller wechselnden Etappen begegnet die Hauptfigur einer Menge Menschen, so dass man durch die geführten Gespräche sehr aufschlussreiche und beklemmende Einblicke in die Haltung und Gedankenwelt der damaligen Gesellschaft in Deutschland erhält. Die Bandbreite an Nebencharakteren reicht von überzeugten Nazis, dumpfen Mitläufern, unwissenden, passiven wie auch wohlwollenden Deutschen bis hin zu zahllosen flüchtenden Leidensgenossen. Man kategorisiert die Mitbürger nur noch in zwei Klassen: Arier oder Juden. Schockierend ist zum einen die Gleichgültigkeit und Unwissenheit vieler Mitmenschen, zum anderen aber auch die plötzliche Feindseligkeit, ja sogar Skrupellosigkeit vieler arischer Freunde, Geschäftspartner und Verwandter. Hervorragend hat der Autor vor allem den charakterlichen Wandel und seelischen Ausnahmezustand Silbermanns angesichts der Ausweglosigkeit seiner Flucht und der permanenten Gefahr, von den Nazis aufgegriffen zu werden, herausgearbeitet. Sein anfängliches Schwanken zwischen Selbstaufgabe und Kampfeswillen weicht immer mehr einem völlig irrationalen Verhalten und einer fortschreitenden Fahrigkeit, Zerrissenheit und Mutlosigkeit – all dies wird vom Autor sehr realistisch eingefangen und äusserst anschaulich umgesetzt. Man erlebt im Laufe der Handlung einen getriebenen Menschen, der schliesslich seine Selbstachtung, sogar seinen Verstand verliert und sich willenlos in sein Unheil fügt.
    Ein auch in der heutigen Zeit lesenswerter, wichtiger Roman gegen das Vergessen und ein Appell für mehr Toleranz und Menschlichkeit!
    FAZIT
    Ein sehr bewegender Roman über ein dunkles Kapitel der deutschen Geschichte, der mit seinen beeindruckend authentischen Schilderungen, die Geschehnisse jener Zeit dokumentiert.

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  • 5 Sterne

    1 von 2 Kunden fanden diese Bewertung hilfreich

    skiaddict7, 24.02.2018

    Als Buch bewertet

    Beeindruckender Roman von einem Zeitzeugen der Reichskristallnacht

    „Aber wenn man geköpft werden soll und weiss nicht warum, dann verliert man wohl die Ruhe und die Nüchternheit der Betrachtung.“ (S.140)

    Wir schreiben November 1938, die Zeit der Novemberpogrome. Der wohlhabende jüdische Kaufmann Otto Silbermann wird in seiner Wohnung überfallen. Mit viel Glück schafft er es, zu entkommen. Er hat jedoch keine Informationen über den Verbleib seiner Ehefrau oder seiner Bekannten. Fortan ist er auf der Flucht, mit lediglich einem Koffer voller Geld. Doch er hat kein Ziel, er kann nirgends hin. Er versucht, nach Belgien zu fliehen, wird aber an der Grenze aufgegriffen und zurück nach Deutschland gebracht. An einem Ort zu bleiben scheint ihm zu gefährlich. Und so fährt er mit dem Zug von einer deutschen Stadt in die nächste. „Ich bin jetzt Reisender, ein immer weiter Reisender. Ich bin überhaupt schon ausgewandert. Ich bin in die Deutsche Reichsbahn emigriert.“, so Silbermann.

    Ulrich Alexander Boschwitz hat diesen Roman bereits 1938 verfasst. Er wurde 1939 in England und 1940 in den USA publiziert, jedoch sollte es noch bis 2018 dauern, bis das Buch auf Deutsch verlegt wird. Das Buch ist sehr philosophisch. Der Schreibstil ist sehr interessant und sicher der damaligen Zeit entsprechend. Die Sprache ist sehr ausdrucksvoll. Der Roman umspannt eine Zeit von nur wenigen Tagen und die meisten Szenen handeln von Silbermann allein, was etwas ungewohnt ist. Boschwitz lässt den Intellektuellen Silbermann auf seiner Reise über seine Situation philosophieren, wobei diesem immer mehr klar wird, wie aussichtslos seine Situation ist. Er ist gefangen in Deutschland, und bis auf einen Koffer mit Geld hat er sein gesamtes Hab und Gut verloren. Es ist zu gefährlich, sich anderen Menschen anzuvertrauen. Dennoch lernt er auf seiner Reise eine Reihe verschiedener Menschen aus allen gesellschaftlichen Schichten kennen, mit denen er sich austauscht. Dieses Buch ist wohl das früheste literarische Dokument über die Zeit zwischen dem 7. und 13. November 1938. Fazit: Ein wirklich interessanter und sehr spannender Roman, der von einem Zeitzeugen verfasst wurde.

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