Langeweile ist politisch. Was ein verkanntes Gefühl über unsere Gesellschaft verrät
Ein radikal politischer Blick auf ein missverstandenes Gefühl, wissenschaftlich fundiert und mit überraschenden Erkenntnissen.Wie kommt es, dass Mütter sich häufiger langweilen als Väter? Wieso langeweilen sich arme Menschen öfter als reiche? Und warum gibt...
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Produktinformationen zu „Langeweile ist politisch. Was ein verkanntes Gefühl über unsere Gesellschaft verrät “
Klappentext zu „Langeweile ist politisch. Was ein verkanntes Gefühl über unsere Gesellschaft verrät “
Ein radikal politischer Blick auf ein missverstandenes Gefühl, wissenschaftlich fundiert und mit überraschenden Erkenntnissen.Wie kommt es, dass Mütter sich häufiger langweilen als Väter? Wieso langeweilen sich arme Menschen öfter als reiche? Und warum gibt es in Unterkünften für Geflüchtete so wenige Angebote gegen die Langeweile? Die Soziologin Silke Ohlmeier antwortet darauf: Langeweile trifft uns nicht zufällig. Anhand persönlicher Geschichten und mithilfe wissenschaftlicher Ergebnisse erklärt sie, was gesellschaftliche Machtverhältnisse und der gegenwärtige Zeitgeist mit dem altbekannten Gefühl zu tun haben. Das ist wichtig, denn sich chronisch zu langweilen ist nicht nur unangenehm, sondern kann heftige Konsequenzen nach sich ziehen, von Depressionen über aggressives Verhalten bis hin zur Sucht. Langeweile kennen wir alle, die tiefen gesellschaftlichen Wurzeln aber werden hier zum ersten Mal freigelegt.Die erste soziologische Betrachtung der Langeweile, die diskriminierende Faktoren mitdenkt.Ein alltägliches Gefühl radikal neu gedacht.
Lese-Probe zu „Langeweile ist politisch. Was ein verkanntes Gefühl über unsere Gesellschaft verrät “
Langeweile und soziale MarginalisierungLangeweile ist ein sehr verbreitetes Alltagsphänomen. In der Langeweileforschung wird sie daher immer mal wieder als demokratisches Gefühl bezeichnet. Dann wird argumentiert, dass Langeweile die Oberschicht wie die Unterschicht, Männer wie Frauen, weisse wie Schwarze Menschen, Gesunde wie Kranke und Menschen mit wie ohne Behinderung betrifft. Das mag vielleicht für die situative Langeweile stimmen, aber nicht für die chronische oder existentielle Langeweile. "Alle Menschen sind hin und wieder gelangweilt" bedeutet eben nicht, dass alle Menschen im gleichen Ausmass mit Langeweile zu kämpfen haben oder dass der Weg aus der Langeweile heraus für alle gleich einfach wäre. Langeweile ist eng verknüpft mit gesellschaftlichen Machtstrukturen. Eins ihrer Leitsymptome ist das Gefühl der Ohnmacht.[1] Gelangweilte Menschen fühlen sich in der (langweiligen) Situation gefangen; sie wollen gerne einer befriedigenden Tätigkeit nachgehen, können es aber nicht. Manchmal einfach, weil sie gerade im Stau stehen. Manchmal aber auch, weil sie zu einer gesellschaftlich benachteiligten Gruppe gehören und ihnen der Zugang zu befriedigenden Tätigkeiten verwehrt bleibt. Der Soziologe Lepenies bezeichnet Langeweile in diesem Sinne sehr treffen als strukturelle Reaktion gesellschaftlich marginalisierter Gruppen. Ihre öffentliche Bedeutungslosigkeit begrenze ihre Handlungen und lasse sie gelangweilt zurück. [2] Wer über vergleichsweise wenig Macht, Geld, Bildung, Ansehen und Kontakte verfügt, für die oder den ist es ungleich schwerer, gesellschaftlich als erstrebenswert definierte Ziele zu erreichen. Niemand will einen langweiligen Job machen, aber je nachdem wie ich meinen Chancen auf einen nichtlangweiligen Job einschätze, arrangiere ich mich mit der Langeweile oder eben nicht. Langeweile ist dann der Preis, den ich dafür zahle, wiederum meine Miete bezahlen zu können. Nicht immer zeigt sich die Marginalisierung dabei so direkt und plakativ wie in diesem
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Beispiel. Häufig sind gesellschaftliche Ursachen für Langeweile viel schwerer zu greifen, weil sie sich nur schwer von persönlichen Vorlieben und bewusst gewählten Entscheidungen trennen lassen. Es sind nicht immer externe Zwänge, sondern manchmal auch verinnerlichte gruppenspezifische Normen, die Menschen in der Langeweile verharren lassen. Beispielsweise, wenn sich Frauen in ihrer Rolle als Vollzeitmutter langweilen und theoretisch die Freiheit hätten, wieder arbeiten zu gehen, aber das nicht mit ihrem eigenen Bild einer guten Mutter vereinbar ist. Häufig ist es eine Kombination aus beidem: Beispielsweise verinnerlichte Geschlechternormen, aber auch ein geringeres Einkommen im Vergleich zum Partner, was das Zuhausebleiben der Frau nahelegt. Wenn Carearbeit dann noch von der Gesellschaft wenig Bedeutung zugesprochen wird und Erwerbsarbeit das Ideal darstellt, ist das ein perfekter Nährboden für die Langweile. Auch wenn also alle Menschen, zumindest hin und wieder, Langeweile kennen, ist es kein Zufall, wen Langeweile besonders stark oder häufig trifft. Meistens sind es die weniger privilegierten und marginalisierten Menschen im System: Arme Menschen im Kapitalismus, Frauen im Patriachat, Schwarze Menschen in einer rassistischen Welt und Menschen mit einer Behinderung oder chronischen Krankheiten in einer Leistungsgesellschaft. Genau diejenigen also, denen der Zugang zu gesellschaftlich als befriedigend propagierten Tätigkeiten oftmals verwehrt bleibt; diejenigen bei denen die Schere zwischen dem gesellschaftlichen Idealen und der eigenen Lebensrealität am grössten ist und der Weg dahin am steinigsten.[1][2] Lepenies, W (1969): Melancholie und Gesellschaft. Suhrkamp Verlag.
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Autoren-Porträt von Silke Ohlmeier
Silke Ohlmeier, geboren 1986, hat nach der Schule zunächst eine Ausbildung zur Industriekauffrau in einem Busunternehmen absolviert. Angetrieben von der Erfahrung extremer Langeweile während dieser Zeit wurde sie Soziologin und machte die Langeweile zum Thema ihrer Dissertation. Sie hat bereits drei Fachartikel zum Thema Langeweile veröffentlicht und ist Mitglied der International Society for Boredom Studies. Parallel zu ihrer Promotion arbeitet sie als wissenschaftliche Mitarbeiterin an der Universität des Saarlandes, Saarbrücken.
Bibliographische Angaben
- Autor: Silke Ohlmeier
- 2023, Neuausgabe, 256 Seiten, Masse: 13,4 x 20,7 cm, Gebunden, Deutsch
- Verlag: Leykam
- ISBN-10: 3701182701
- ISBN-13: 9783701182701
- Erscheinungsdatum: 08.03.2023
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