...eben sass sie noch da hinten
Heitere Frauenreise, mit ein paar Wölkchen aber viel Herz!
Steffi Wächter steht am Straßenrand und traut ihren Augen nicht: Auf der Fahrt in den Urlaub hat ihr Mann sie einfach an einer Autobahnraststätte vergessen....
Steffi Wächter steht am Straßenrand und traut ihren Augen nicht: Auf der Fahrt in den Urlaub hat ihr Mann sie einfach an einer Autobahnraststätte vergessen....
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Produktdetails
Produktinformationen zu „...eben sass sie noch da hinten “
Heitere Frauenreise, mit ein paar Wölkchen aber viel Herz!
Steffi Wächter steht am Straßenrand und traut ihren Augen nicht: Auf der Fahrt in den Urlaub hat ihr Mann sie einfach an einer Autobahnraststätte vergessen. Während sie vergeblich auf Günthers Rückkehr wartet, lernt sie ein Frauenquintett kennen, das auf den Spuren von Rosamunde Pilcher nach Cornwall fährt. Spontan beschließt Steffi, die Einladung der fünf Frauen anzunehmen und sie nach England zu begleiten. Eine unvergessliche Reise liegt vor ihr …
Langtext
Eigentlich wollte Steffi Wächter mit ihrem Mann Günther nur einen ruhigen Urlaub an der Ostsee verbringen, doch als Günther sie bei einem kurzen Stopp an einer Autobahnraststätte einfach vergisst, gerät Steffis heile Welt aus den Fugen. Wie konnte ihrem Mann das passieren? Während sie an der Raststätte vergeblich darauf wartet, dass ihm ihr Verschwinden auffällt, lernt sie ein Frauenquintett kennen, das sich auf „Pilcher-Reise“ befindet und in Cornwall den Spuren der Autorin und ihrer Bücher folgen will. Kurzerhand beschließt Steffi, die Einladung der fünf Frauen anzunehmen und sie nach England zu begleiten. Es wird eine unvergessliche Reise voller unerwarteter Hindernisse und Abenteuer, bei der Steffi ganz neue Seiten an sich kennenlernt. Aber trotz aller Ablenkung hält sich eine Frage beharrlich in ihrem Hinterkopf: Warum hat sich ihr Mann auch nach Tagen noch immer nicht bei ihr gemeldet?
Die Autorin
Julia Sander lebt mit Mann und Kind in der Nähe von Neuss und liest leidenschaftlich gern Liebesromane. Als sie sich vor einiger Zeit gefragt hat: „Warum schreibe ich nicht mal selbst einen Liebesroman?", war das der Beginn ihrer Schriftsteller-Karriere. Mit "Schmusekatze, ledig, jung, sucht" legte sie ihren ersten eigenen Liebesroman vor. Mit dem Nachfolger "(K)ein Mann für Mutti" wandte sie sich dem heiteren Fach zu, dem sie auch mit ihrem neuesten Roman "… eben saß sie noch da hinten" treu bleibt.
Steffi Wächter steht am Straßenrand und traut ihren Augen nicht: Auf der Fahrt in den Urlaub hat ihr Mann sie einfach an einer Autobahnraststätte vergessen. Während sie vergeblich auf Günthers Rückkehr wartet, lernt sie ein Frauenquintett kennen, das auf den Spuren von Rosamunde Pilcher nach Cornwall fährt. Spontan beschließt Steffi, die Einladung der fünf Frauen anzunehmen und sie nach England zu begleiten. Eine unvergessliche Reise liegt vor ihr …
Langtext
Eigentlich wollte Steffi Wächter mit ihrem Mann Günther nur einen ruhigen Urlaub an der Ostsee verbringen, doch als Günther sie bei einem kurzen Stopp an einer Autobahnraststätte einfach vergisst, gerät Steffis heile Welt aus den Fugen. Wie konnte ihrem Mann das passieren? Während sie an der Raststätte vergeblich darauf wartet, dass ihm ihr Verschwinden auffällt, lernt sie ein Frauenquintett kennen, das sich auf „Pilcher-Reise“ befindet und in Cornwall den Spuren der Autorin und ihrer Bücher folgen will. Kurzerhand beschließt Steffi, die Einladung der fünf Frauen anzunehmen und sie nach England zu begleiten. Es wird eine unvergessliche Reise voller unerwarteter Hindernisse und Abenteuer, bei der Steffi ganz neue Seiten an sich kennenlernt. Aber trotz aller Ablenkung hält sich eine Frage beharrlich in ihrem Hinterkopf: Warum hat sich ihr Mann auch nach Tagen noch immer nicht bei ihr gemeldet?
Die Autorin
Julia Sander lebt mit Mann und Kind in der Nähe von Neuss und liest leidenschaftlich gern Liebesromane. Als sie sich vor einiger Zeit gefragt hat: „Warum schreibe ich nicht mal selbst einen Liebesroman?", war das der Beginn ihrer Schriftsteller-Karriere. Mit "Schmusekatze, ledig, jung, sucht" legte sie ihren ersten eigenen Liebesroman vor. Mit dem Nachfolger "(K)ein Mann für Mutti" wandte sie sich dem heiteren Fach zu, dem sie auch mit ihrem neuesten Roman "… eben saß sie noch da hinten" treu bleibt.
Lese-Probe zu „...eben sass sie noch da hinten “
... eben saß sie noch da hinten von Julia Sander ... mehr
1
„Was darf 's sein ?", fragte die junge dunkelhaarige Verkäuferin hinter der Theke und spielte dabei gedankenverloren mit ihrem Unterlippenpiercing, das mehr wie ein versilberter Pickel aussah und weniger von einem verschönernden Gesichtsschmuck hatte. Ohne dieses Ding und ohne die Stifte in den Nasenflügeln und den Augenbrauen hätte die Frau eigentlich etwas von einer Elfe gehabt, so zierlich und zerbrechlich wirkte sie, überlegte Steffi, die die Frau schon verstohlen musterte, seit sie den Verkaufsraum der Autobahntankstelle betreten hatte. Warum müsst ihr euch nur alle so verunstalten, wenn ihr doch so hübsch seid ?, ging es ihr durch den Kopf, gleich darauf gefolgt von: Kein Verständnis für die Jugend ? Ich werde wohl allmählich alt. „Ein Käsebrötchen bitte", antwortete Steffi. „Mit Käse ?" „Ähm ... ja", brachte sie nach längerem Zögern heraus. Sie wollte sich die nächste Bemerkung eigentlich verkneifen, aber sie konnte einfach nicht anders. „Gibt es denn auch Käsebrötchen, die nicht mit Käse belegt sind ?" Die junge Frau beugte sich vor, um einen Blick auf die Auslage zu werfen. „Ja, die gibt's auch mit Schinken oder Salami." „Und das sind dann auch Käsebrötchen ?" Die Verkäuferin sah sie an, als hätte Steffi sie gefragt, ob sie ihre Piercings schön fand. „Nee, das sind dann natürlich Schinkenbrötchen. Oder Salamibrötchen. „ „Aha", machte Steffi. „Kammerbär haben wir auch noch", ergänzte die Verkäuferin und deutete hinter sich. Steffi sah in die Richtung, in die der Zeigefinger wies, und las auf einer kleinen Schiefertafel genau das, was sie verstanden hatte: „Kammerbär". „Keine Ahnung, was das eigentlich sein soll, aber der Chef hat gesagt, ich soll's auf die Tafel schreiben." „Hat er Ihnen das buchstabiert ?" Verdammt, Steffi, kannst du nicht einmal die Klappe halten, ermahnte sie sich. „Nein, das hab ich selbst geschrieben", verkündete die Verkäuferin ohne erkennbare Gefühlsregung. Sie schien auf ihr „Werk" weder besonders stolz zu sein, noch Interesse daran zu haben, was ein „Kammerbär" sein sollte, mit dem man Brötchen belegen konnte. Steffi nickte und beschloss, das Thema auf sich beruhen zu lassen. „Also gut, ich bleibe bei meinem Käsebrötchen ... mit Käse", betonte sie nach einer kurzen Pause, da ihr schnell Zweifel daran gekommen waren, ob ihre Bestellung auch wirklich unmissverständlich war. „Ach, legen Sie doch bitte noch eine zweite Scheibe Käse auf das Brötchen", bat sie, als sie sah, wie hauchdünn geschnitten der Belag war. „Kostet aber fünfundvierzig Cent extra." „Kein Problem." Die Verkäuferin legte das Brötchen auf einen Teller, den sie dann auf die Theke stellte. „Drei Euro fünf." „Zum Mitnehmen bitte", sagte Steffi. „Is doch." „Was ?" „Na, Sie können den Teller so mitnehmen", sagte die Verkäuferin und hielt ihn demonstrativ hoch. „Sehen Sie ?" „Ich meinte für unterwegs. Im Wagen. Den Teller könnte ich Ihnen so bald nicht zurückbringen", erklärte Steffi grinsend, doch die leichte Ironie war bei dieser jungen Frau eindeutig fehl am Platz. „Ach so ... hmm ..." Die Verkäuferin betrachtete eine Weile das Brötchen auf dem Teller, als könnte es ihr sagen, was sie tun sollte. Dann endlich drehte sie sich weg und rief quer durch den Tankstellenshop: „Ellyyyyyy, wo ham wir Papiertüten ?" Die ältere Frau, die einen Stapel Zeitschriften aussortierte und durch die neuesten Ausgaben ersetzte, schnaubte ungehalten. „Da, wo sie beim letzten Kunden vor einer Viertelstunde auch schon waren. Oder hast du sie inzwischen weggeräumt ?" „Ich fass hier nix an !", setzte sich die Jüngere zur Wehr. „Weiß ich. Außer wenn's um deine Zigaretten und dein Han - dy geht." „Das is ja auch privat." „Aber nicht während der Arbeitszeit !" Steffi schaute zwischen den beiden Frauen hin und her und fühlte sich äußerst unbehaglich, diesen Streit mitzuerleben. Es war nur zu hoffen, dass die zwei nicht auf die Idee kamen, sie aufzufordern, bei diesem Theater Stellung für eine von beiden Seiten zu beziehen. Sie hatte keine Zeit für so einen Blödsinn, auch wenn sie sich sicher war, dass die Frau namens Elly mit ihrer Einschätzung der jüngeren Verkäuferin nicht allzu falsch lag. Die flüsterte etwas Unverständliches und suchte die Theke ab, bis sie die nur scheinbar spurlos verschwundenen Tüten gefunden hatte. Sie nahm den Teller an sich und packte das Brötchen ein. „Kleiner hab ich's leider nicht", erklärte Steffi, als sie der Frau einen Zwanziger gab und im Gegenzug die Tüte überreicht bekam. „Haben Sie noch fünf Cent klein ?", fragte die Verkäuferin, als hätte sie Steffis Bemerkung gar nicht wahrgenommen. Nach ihrem abwartenden Gesichtsausdruck zu urteilen, war das tatsächlich der Fall. Durch das Fenster hinter der Kasse sah sie ihren Mann Günther von den Toiletten kommen und zum Wagen gehen, der genau neben einem Laternenmast parkte. Die Abenddämmerung war bereits so weit fortgeschritten, dass das Wageninnere durch den Lichtschein der Lampe direkt darüber in Dunkelheit getaucht wurde. Steffi winkte ihm zu, aber er bemerkte sie nicht, da er erst zwei Fahrzeuge passieren ließ und dann den Blick auf einen näher kommenden Lastwagen gerichtet hielt, während er die Fahrbahn überquerte. Sie sah ihm zu, wie er einstieg, das Licht einschaltete und ... losfuhr ! Nein, er wollte bestimmt nur ein paar Meter vorfahren, damit sie nicht die ganze Strecke zum Auto zurückgehen musste. Aber ... dann gab er auf einmal Gas und fuhr davon ! „O nein !", murmelte sie. „Is nich schlimm", sagte die Verkäuferin, „ich kann rausgeben. „ Als sie Steffi einen Moment später das Kleingeld in die Hand drücken wollte, ging ihr Griff ins Leere. „Hallo ?", rief sie. „Wo sind Sie denn, hallo ?" Doch statt einer Antwort hörte sie nur das Geräusch der zufallenden Ladentür. Allzu weit war Günther noch nicht gekommen, als Steffi aus dem Tankstellenshop gestürmt kam. Aber der Vorsprung genügte, um ihn nicht mehr einholen zu können, selbst wenn sie so schnell gerannt wäre, wie sie nur konnte. Der dunkelblaue Ford Focus wurde immer schneller, da Günther sich der Autobahnauffahrt näherte. Vielleicht sollte sie irgendetwas hinterherwerfen, damit er anhielt, wenn er hörte, dass der Wagen von etwas getroffen worden war. Das Einzige jedoch, was sie hätte werfen können, war ihre Handtasche, aber sie wollte sich gar nicht ausmalen, was sein würde, wenn sie den Wagen verfehlte und die Tasche stattdessen auf dem Asphalt landete, aufging und sich der Inhalt auf der Fahrbahn verteilte. „Verdammt, bleib stehen !", brüllte sie aus Leibeskräften, doch es half nichts. Vermutlich hätte er sie sowieso nicht gehört, aber völlig unmöglich wurde es dadurch gemacht, dass gerade ein Sattelschlepper an ihr vorbeidonnerte. Der Fahrer drückte dabei mit sehr viel Ausdauer auf die Hupe, um Steffi darauf aufmerksam zu machen, dass es gefährlich war, im Halbdunkel über den Parkplatz zu rennen. Sie versuchte, dem Fahrer des Lasters zu winken, aber da sie rechts von ihm lief, konnte er sie gar nicht sehen. Frustriert sah sie zu, wie Günther weiterfuhr, dahinter der Sattelschlepper. „Das kann doch nicht wahr sein !", schimpfte sie. „Wie kann dieser Mann einfach ohne mich weiterfahren ?" Sie wühlte in ihrer Handtasche, dann zog sie das Handy heraus und wählte Günthers Nummer. „Der Teilnehmer ist zurzeit nicht erreichbar. Bitte versuchen Sie es später noch einmal", ertönte gleich darauf die Ansage, mit der Steffi schon gerechnet hatte. Ihr Mann schaltete während einer Autofahrt sein Handy prinzipiell aus, um gar nicht erst in Versuchung zu geraten, wenn es während der Fahrt klingelte oder eine SMS einging. Da war nur dieser kleine Funke Hoffnung gewesen, er könnte ausnahmsweise einmal nicht daran gedacht haben. Dieser Urlaub fing ja wirklich gut an. Gerade mal eine Stunde unterwegs und schon vom eigenen Mann an einer Autobahntankstelle vergessen. Sie drehte sich um und wollte zurück zur Tankstelle gehen, als sie auf dem Parkplatz ein älteres Ehepaar bemerkte. Der Mann half seiner Frau beim Einsteigen, also würden die beiden gleich abfahren. Vielleicht konnten sie ihr ja helfen, indem sie sie ein Stück mitnahmen. Ihr Mann zählte nicht zu den Rasern, von daher sollte es möglich sein, ihn einzuholen. „Entschuldigung", begann Steffi. „Dürfte ich Sie ..." „Herbert, steig sofort ein !", fiel die Frau auf dem Beifahrersitz ihr aufgeregt ins Wort. „Das ist eine von denen !" Der Mann drehte sich zu Steffi um und sah sie an, während er zu überlegen schien. „Eine von denen ?", wiederholte er etwas träge. „Was meinst du damit ?" „Entschuldigung, ich habe nur eine Bitte an Sie. Können Sie mich ..." „Du weißt doch ! Wovon sie neulich in der Zeitung geschrieben haben ! Diese Weiber, die sich abends auf Parkplätzen rumtreiben. „ Während von dem Mann ein „Ach so" kam und er auf eine ganz seltsame Art zu grinsen begann, wandte sich die Frau an Steffi: „Gehen Sie weg ! Lassen Sie uns in Ruhe ! Mein Mann braucht so was nicht !" Steffi stand da und schüttelte verwundert den Kopf. „Aber ich ...", begann sie und brach gleich wieder ab, weil sie gar nicht wusste, was sie sagen sollte. Der Mann schloss die Tür und ging um den Wagen herum. Auf der Fahrerseite angekommen lächelte er Steffi betrübt an und hob die Schultern, dann deutete er mit einer Kopfbewegung auf seine Frau und stieg ein. Ratlos schaute Steffi dem Wagen hinterher, als er losfuhr. „Ey, bist du blöde ? Wer quatscht denn einen Kerl an, der mit seiner Frau unterwegs ist ?", ertönte gleich darauf eine Frauenstimme hinter ihr. Als Steffi sich umdrehte, machte sie im schwachen Schein der wenigen Lampen eine unauffällig gekleidete Frau aus, die missbilligend den Mund verzog. „Wenn, dann musst du dich an die Trucker ranmachen. Du bist wohl neu im Gewerbe, wie ?" „Im Gew..." Steffi verstummte und erschrak, als ihr klar wurde, was hier gerade eben abgelaufen war. „Ähm ... ist das hier etwa so was wie ein Straßenstrich ?" Die andere Frau stutzte, dann begann sie zu lachen. „Du bist hier nicht nur neu, du bist hier auch noch völlig verkehrt, wie ?" „Allerdings bin ich hier völlig verkehrt", bestätigte sie mit Nachdruck. „Mein Mann ist ohne mich abgefahren, und ich habe versucht, ihn noch einzuholen. Und jetzt stehe ich hier ... mitten auf einem Straßenstrich an der Autobahn." „Also, wenn du dir nicht gerade ein paar Euronen dazuver - dienen willst, dann solltest du besser vorne an der Tankstelle auf deine vergessliche schlechtere Hälfte warten", riet ihr die Frau. „Sonst wirst du von jedem zweiten Trucker nach deinen Preisen gefragt." „Danke für den Tipp", murmelte Steffi und wandte sich zum Gehen. „Dann noch einen schönen Abend ... ähm ... kann ich das überhaupt so sagen ... bei Ihrem ... Job ?" „Die liebe Alice Schwarzer würde jetzt zwar vor jeder laufenden Kamera behaupten, dass ich zu dieser Arbeit gezwungen werde und dass ich von den Männern ausgebeutet werde", erwiderte die Frau mit einem beiläufigen Schulterzucken. „Aber nicht mal das Rotlichtgewerbe lässt sich so einfach in Gut und Böse aufteilen. Mir macht's Spaß, und das ist die Hauptsache ... und den Kerlen auch." „Okay", sagte Steffi. „Dann wirklich noch einen schönen Abend." Sie kehrte zurück zur Tankstelle. Eine Stunde war vergangen, und nichts war passiert. Sie saß am Ecktisch im Bistrobereich der Tankstelle und starrte abwechselnd auf ihr Handy und durch die große Scheibe nach draußen zu den Zapfsäulen. Anfangs hatte sie noch bei jedem Wagen, der auf den Rastplatz einbog, darauf gehofft, dass Günther zurückkommen würde, um sie abzuholen, aber nach einer Weile konnte sie daran nicht mehr glauben. Selbst wenn er bemerkte, dass sie nicht mehr im Wagen saß, würde er sicher erst anrufen und sie fragen, wo sie war, anstatt direkt hierher zurückzukommen. Immerhin hätte es ja sein können, dass sie jemand ein Stück weit mitnahm, und dann wäre die Fahrt bis hierher gar nicht nötig. Aber das Handy blieb stumm. Um zehn Uhr war der Wecker angesprungen, um sie daran zu erinnern, so wie jeden Abend, ihre Blutdrucktabletten zu nehmen, ansonsten hatte das Gerät keinen Ton von sich gegeben. „Ist hier noch frei ?", fragte auf einmal eine fröhliche Frauenstimme. Steffi wurde aus ihren Gedanken gerissen und sah hoch. Vor ihr am Tisch stand eine Frau mit kurzen platinblonden Haaren, die nach ihrem Gesicht zu urteilen um die vierzig sein musste, aber durch ihre ziemlich extreme Haarfarbe viel älter wirkte. Sie fragte sich, wer ihr wohl diesen unvorteilhaften Modetipp gegeben haben mochte. „Also ... eigentlich ..." Sie schaute zu den anderen Tischen und musste feststellen, dass sie alle frei waren. „Super, danke", sagte die andere Frau, ehe Steffi noch widersprechen konnte. „Hey, Mädels, wir können hier sitzen !" Jetzt erst bemerkte Steffi, dass insgesamt fünf Frauen in den ansonsten menschenleeren Shop gekommen waren, von denen sich vier vor der Theke aufhielten, während die fünfte sich zu ihr an den Tisch setzte. „Ich bin übrigens die Tanja." „Angenehm", erwiderte Steffi, die sich völlig überfahren vorkam. „Stefanie Wächter." „Meine Freundinnen sind die Monika, die Christiane, die Simone und die Claudia", redete Tanja weiter und zeigte von einer Frau zur anderen, ohne dass Steffi auch nur eine Chance gehabt hätte, den Namen einem Gesicht zuzuordnen, weil das alles viel zu schnell ging. Allerdings gab es dafür ohnehin keine Notwendigkeit. Günther würde jeden Moment anrufen, und dann würde sie diese Frauen niemals wiedersehen. „Mhm", machte sie nur und nickte, dann kehrte ihr Blick zurück zu ihrem Handy. Immer noch war nichts geschehen. Sie hörte mit an, wie die Frauen Kaffee und Brötchen bestellten und mit der Verkäuferin eine Diskussion über Käse und Wurst begannen, die ihr sehr bekannt vorkam. Die Aufmerksamkeitsspanne der jungen Frau hinter der Theke schien extrem kurz zu sein, denn nachdem Steffi nach ihrem missglückten Versuch, ihren Mann am Wegfahren zu hindern, hierher zurückgekommen war, hatte es eine Weile gedauert, bis sie ihr hatte klarmachen können, dass sie die Kundin von vor fünf Minuten war, die ein Brötchen gekauft hatte und noch ihr Wechselgeld zurückbekam. Nach und nach kamen die Frauen zu ihr an den Tisch, setzten sich und unterhielten sich angeregt, bis auf einmal Stille herrschte. Steffi, die von der Unterhaltung nur ein paar unzusammenhängende Fetzen mitgekriegt hatte und nichts dazu hätte sagen können, mit welchen Themen die fünf Frauen befasst gewesen waren, drehte sich um und musste feststellen, dass alle fünf sie neugierig ansahen. „Hab ich ... irgendetwas gesagt ?", fragte sie schließlich, nachdem das Schweigen und die interessierten Blicke anhielten. „Ganz im Gegenteil", antwortete die Älteste aus der Gruppe. „Wir haben dich jetzt dreimal gefragt, aber du reagierst nicht. Du scheinst mit deinen Gedanken ganz woanders zu sein." Sie hatte zwar auch nichts davon mitgekriegt, dass man ihr das Du angeboten hatte und dass sie damit einverstanden gewesen war, aber darüber ging sie hinweg. „Wahrscheinlich liegt das dar - an, dass ich jetzt eigentlich auch ganz woanders sein sollte." „Wo denn ?" Sie sah auf die Uhr. „Vermutlich kurz vor Köln, bei meinem Mann im Wagen." „Uh", machte Tanja. „Streit ?" Steffi schüttelte den Kopf. „Noch nicht." „Noch nicht ?", wiederholte eine andere Frau, die etwas jünger als Steffi zu sein schien. Ihren Kopf krönte ein wüstes dunkelbraunes Lockenknäuel, während die Seiten und der Nacken bis weit nach oben ausrasiert waren. „Du sprichst in Rätseln." Steffi sah in die Runde und begriff, dass die fünf keine Ruhe geben würden, solange sie nicht wussten, was mit ihr los war. Normalerweise war sie kein sehr redseliger Mensch, schon gar nicht, wenn es um private Dinge ging, aber in diesem Augenblick wollte sie irgendwem erzählen, was ihr zugestoßen war. Einen ersten Versuch hatte sie bei der Verkäuferin gewagt, als sie hierher zurückgekommen war und ihr erklärt hatte, wieso sie wieder da war. Außer einem „Aha" war keine Reaktion gekommen, weshalb Steffi es auch aufgegeben hatte, noch länger mit ihr zu reden. „Wir sind auf dem Weg an die Ostsee, und als wir hier kurz angehalten haben, hat er mich vergessen und ist allein weitergefahren „, erklärte sie und hielt ihr Handy hoch. „Und bislang scheint er es nicht gemerkt zu haben." „Wie kann er dich denn hier vergessen ?", wollte die Rothaarige wissen, deren wallende Locken bis weit über die Schultern reichten. „Oder seid ihr mit dem Wohnwagen unterwegs und du hast im Anhänger geschlafen ?" „Nein, bei langen Autobahnfahrten sitze ich immer hinten und verschlafe die meiste Zeit", antwortete Steffi. „Günther - mein Mann - fährt gerne nachts, weil auf der Autobahn dann viel weniger los ist. Na ja, und weil es schon dunkel wurde, hat er offenbar nicht gesehen, dass ich nicht mehr im Wagen bin." „Er hätte doch nach dir sehen müssen", wandte die zweite Blondine der Gruppe ein, die beim Schminken etwas zu großzügig Rouge aufgetragen hatte. „Ich meine, wenn ihr hier eine Rast einlegt ..." Steffi schüttelte den Kopf. „Er hat angehalten, weil er zur Toilette musste. Das habe ich im Halbschlaf mitbekommen. Nachdem er ausgestiegen war, wurde ich richtig wach und bekam Hunger auf ein Käsebrötchen. Also bin ich schnell hier reingelaufen, um ein Brötchen zu holen, und als ich an der Kasse stand, ist er eingestiegen und abgefahren. Ich bin noch hinterhergelaufen, aber ..." „Und was ist mit deinem Handy ? Warum rufst du ihn nicht an ?", wollte Tanja wissen. „Ist der Akku leer ? Soll ich dir meins leihen ?" Abwehrend hob Steffi eine Hand und erklärte, wieso ihr Mann während der Fahrt nicht zu erreichen war. „An sich sehr vernünftig, aber im Augenblick äußerst unpraktisch." „Irgendwann muss ihm doch auffallen, dass du nicht mehr im Wagen bist", wandte die Grauhaarige ein. „Das merkt er doch bestimmt nicht erst an der Ostsee, wenn er aussteigt und dir die Tür aufhalten wird." Unschlüssig zuckte sie mit den Schultern. „Ich habe keine Ahnung, wann es ihm auffallen wird. Ich schnarche nicht beim Schlafen, und wenn er weiß, dass ich schlafe, spricht er mich auch nicht an. Das kann noch eine Weile dauern, bis er etwas merkt." „Und so lange willst du hier sitzen und warten ? Kannst du niemanden sonst anrufen, der dich abholen kommt ? Deine Kinder oder so ?" Steffi seufzte. „Meine Tochter lebt mit ihrem Mann in Australien, da bin ich schneller zu Hause, wenn ich zu Fuß gehe ..." „Von wo kommst du denn ?", wollte die Frau mit den dunklen Locken wissen. „Aus Friedrichsdorf." „Ah, im schönen Taunus. Wenn ich in meinem Büro in Frankfurt am Schreibtisch sitze und mich nach links drehe, sehe ich immer genau auf den Taunus", schwärmte die Rothaarige und ergänzte: „Zweiunddreißigstes Stockwerk." „Ich glaube, das wäre nichts für mich. Die Aussicht schon, aber jeden Tag in dieser Höhe arbeiten ?" Steffi lief bei dieser Vorstellung ein eisiger Schauer über den Rücken. „Und was ist mit Nachbarn ?" „Um die Zeit", sie tippte auf ihre Armbanduhr, „kann ich von keinem Nachbarn erwarten, dass er mich hier abholt." „Und die beste Freundin ?", fragte die Blonde. Steffi hob in einer hilflosen Geste die Hände. „Meine beiden besten Freundinnen sind zum Klassentreffen nach Augsburg gefahren. „ „Und wieso bist du nicht bei dem Klassentreffen ?" „Mensch, Christiane", wandte sich Tanja an die Blonde. „Machst du hier ein Verhör, oder was soll das ? Steffi ist uns doch keine Rechenschaft schuldig." „Ich bin nur neugierig. Wenn meine beste Freundin zum Klassentreffen geht, dann gehe ich doch mit." „Ja, aber nur, weil ihr beide in der gleichen Klasse wart", hielt Tanja ihr vor. „Ganz genau", stimmte Steffi zu. „Meine beiden Freundinnen sind erst nach der Mittleren Reife aus Bayern nach Friedrichsdorf gezogen. Wir waren nie in einer Klasse, wir waren nicht mal auf derselben Schule." Christiane gab ein verdutztes „Oh" von sich, dann schwieg sie. „Wir würden dir ja gern helfen, Steffi, aber das bringt unseren Zeitplan völlig durcheinander", sagte die Älteste. Tanja nickte betrübt. „Monika hat recht. Wir haben zwar für unsere Strecke noch genügend Luft eingeplant, falls es Staus gibt, aber einmal quer durch den Taunus dauert entschieden zu lang." „Wir könnten sie doch ein Stück mitnehmen", schlug die Rotgelockte vor. „Und was soll das bringen, Claudia ?", wollte Monika wissen. „Dann sitzt sie genauso verlassen an der nächsten Raststätte." „Richtig, aber wenn ihr Mann umkehrt, um sie abzuholen, dann macht das eine Menge aus, wenn er achtzig oder neunzig Kilometer weniger zurückfahren muss. Immerhin muss er anschließend auch noch mal die Strecke fahren, die er kurz zuvor bewältigt hat, also erspart er sich doppelt so viele Kilometer." „Sofern er irgendwann mal merkt, dass er seine Frau unterwegs verloren hat", gab Tanja zu bedenken. „Das ist ja ein nettes Angebot von euch", meldete sich Steffi schnell zu Wort, bevor noch über ihren Kopf hinweg entschieden wurde, was mit ihr geschehen sollte, „aber ... wo fahrt ihr eigentlich hin ?" „Wir fahren bis Köln", sagte Claudia. „Bis Köln ?" Steffi glaubte, sich verhört zu haben. „Wenn ihr jetzt gleich weiterfahrt, kommt ihr doch irgendwann nach Mitternacht in Köln an. Was wollt ihr mitten in der Nacht da ?" „Das war etwas ungeschickt formuliert", warf Christiane ein. „Wir fahren bis Köln, und dann biegen wir ab nach Aachen, von da geht es weiter nach Antwerpen und dann rauf nach Hoek van Holland, und von da setzen wir mit der Fähre über nach England. „ „Und wo genau soll's in England hingehen ?" „Nach Cornwall." „Cornwall ?" „Ja, wir unternehmen alle zwei Jahre unsere Pilcher-Reise", erklärte Tanja. „Und dieses Jahr ist es wieder so weit." „Pilgerreise ? Wohin pilgert ihr denn ?" Steffi kannte sich mit Wallfahrtsorten nicht aus, genau genommen hätte sie bei jedem Millionenquiz nur darauf hoffen können, dass die Antwort „Lourdes" lautete, weil ihr kein anderer Ort einfallen wollte. Dass Leute nach Cornwall pilgerten, war für sie zwar etwas völlig Neues, aber durchaus im Bereich des Möglichen. „Nicht Pilgerreise, sondern Pilcher-Reise", korrigierte Tanja sie amüsiert. „Kennst du Rosamunde Pilcher ?" „Wer kennt die nicht ?", konterte Steffi. Prompt zeigten die fünf gleichzeitig auf die junge Verkäuferin hinter der Theke. Steffi musste lachen, während sie zustimmend nickte. „O ja, da habt ihr ganz sicher recht." „Wir ziehen dann kreuz und quer durch Cornwall und sehen uns die Orte an, an denen die Pilcher-Romane spielen." „Hmm", machte Steffi. „Klingt interessant. Ich habe zwar nur ein Buch von ihr gelesen und zwei oder drei Filme gesehen, aber so was kann ich mir gut vorstellen. Besucht ihr auch die Drehorte ?" Alle schüttelten demonstrativ den Kopf. „Die Filme sind nur zum Teil da entstanden, und für manches Anwesen müssten wir rauffahren bis nach Schottland, aber das hätte mit unserer Pilcher- Reise nichts mehr zu tun. Wir wollen die Orte besuchen, die sie beschrieben hat." Plötzlich schnippte Tanja mit den Fingern. „Mal 'ne ganz verrückte Idee: Warum nehmen wir Steffi nicht einfach mit ? Nach Cornwall, meine ich." Die anderen sahen sich an und tauschten nur ein paar Blicke aus, dann wandte sich Tanja an Steffi: „Was hältst du davon ?" Sie glaubte, sich verhört zu haben, und fragte: „Was halte ich wovon ?" „Was hältst du davon, mit uns nach England zu fahren ?", wiederholte Monika und lächelte sie aufmunternd an. „Unsere Freundin Uschi musste absagen, weil ihre Tochter in den Wehen liegt, das heißt, wir haben einen Platz im Wagen übrig, die Fähre ist für einen Wagen mit sechs Personen gebucht, und in Cornwall in der Pension ist ein Zimmer mehr gebucht, als wir eigentlich brauchen." „Ähm ... habt ihr vergessen, dass ich darauf warte, von meinem Mann abgeholt zu werden ?", entgegnete Steffi. „Ich kann nicht einfach nach England fahren !" „Wie lange wartest du jetzt schon, dass er dich abholt ?" „Etwa eineinhalb Stunden", antwortete sie etwas leiser, weil es ihr ein wenig unangenehm war, von fremden Leuten daran erinnert werden zu müssen, dass ihr Mann nach wie vor nicht wusste, dass er allein in Richtung Norden unterwegs war. „Dein Mann hat eine Lektion verdient, wenn er dich so sträflich vernachlässigt", betonte Monika. „Wenn mein Mann so was machen würde, dann könnte er was erleben." „Augenblick, ich habe ja nicht gesagt, dass alles vergeben ist, wenn er wieder hier auftaucht", hielt Steffi dagegen. „Es reicht ja schon, dass du hier geduldig darauf wartest, bis er wiederkommt", machte die ältere Frau ihr klar. „Wenn er sieht, dass du immer noch hier bist, dann war das ja alles nicht so schlimm, und sein Unterbewusstsein wird das so deuten, dass du ohne ihn so hilflos bist, dass du nicht mal den Versuch unternimmst, von hier wegzukommen." „Ich bin nicht hilflos", protestierte sie, aber Monika redete schon weiter. „Dass du nicht hilflos bist, wissen wir, aber es geht darum, wie er das auffassen wird. Deshalb wäre es richtig, ihm eine Lektion zu erteilen. Tauch ein paar Tage unter und lass ihn im Ungewissen. Soll er sich Sorgen um dich machen, soll er sich Vorwürfe machen, dass er sich nicht richtig um dich gekümmert hat. Wir sind in acht Tagen zurück, dann hat er dich ja wieder." „Ich weiß nicht ..." „Er wird ja irgendwann anrufen, dann kannst du ihm sagen, dass du sauer bist und dass du in ein paar Tagen wieder da bist." Steffi fühlte sich wie auf dem Präsentierteller, da die fünf Frauen sie abwartend ansahen. Natürlich würde es Günther recht geschehen, wenn er sich um sie Sorgen machte. Immerhin hätte er ja mal nach ihr sehen können, als er wieder eingestiegen war. Gut, er wollte sie nicht aufwecken, aber ihr hätte ja auch irgendwas passiert sein können. Genau genommen hätte sie auch tot auf der Rückbank sitzen können, und das wäre ihm bis jetzt auch noch nicht aufgefallen. Aber sie konnte doch nicht einfach ... „Okay, dann mache ich dir einen Vorschlag", meldete sich Claudia zu Wort, die Steffi den Gewissenskonflikt angesehen haben musste. „Du bleibst erst mal bei deinem Nein, und wir nehmen dich bis Köln mit. Wenn dein dich so fürsorglich liebender Ehemann bis dahin noch immer nicht angerufen hat, weil ihm dein Verschwinden noch nicht aufgefallen ist, dann überlegst du es dir noch mal. Was hältst du davon ?" Steffi nickte bedächtig. „Ja, einverstanden. Machen wir es so. Aber ... da fällt mir ein, ich habe nur die Sachen, die ich am Leib trage, und meine Handtasche. Mein Gepäck ist in unserem Wagen im Kofferraum." „Wir überlassen dir was von uns", versprach ihr Tanja. „Da finden wir schon was Passendes." „Christiane", sagte Monika daraufhin, „überleg dir schon mal, was du Steffi überlassen wirst. Du bist schließlich die Einzige von uns, die drei Nummern kleiner trägt. In deine Sachen passt ja keine von uns." Bei diesen Worten wurde Steffi erst bewusst, dass die Blondine eine so schlanke, drahtige Figur hatte, dass man sie dreißig Jahre jünger geschätzt hätte, wäre man nur nach dem Körper gegangen. Christiane sah zu Steffi und hob entschuldigend die Schultern. „Tut mir leid, aber ich konnte schon immer essen, so viel ich wollte, ich nehme einfach nie zu." „Du bist zu beneiden", sagte Steffi, was sie zumindest in dieser Hinsicht ernst meinte. Nicht zu beneiden war dagegen ihr Gefühl für den Umgang mit Make-up. Sie konnte nur hoffen, dass Christiane sich nicht anbot, sie jeden Tag zu schminken. Zum Glück setzte auf ihre Bemerkung hin eine Unterhaltung über Essgewohnheiten und ihre „pfundigen Folgen" - wie Simone sie bezeichnete - ein, sodass niemand mehr auf Chris - tianes Antwort wartete. Als sie alle ihren Kaffee getrunken und sich mit einem Brötchen gestärkt hatten, verließen sie gemeinsam mit Steffi den Tankstellenshop und gingen zu einem roten VW-Bus. * * * Es war kurz vor Mitternacht, als sie sich Köln näherten. Steffi hatte es sich in der zweiten Reihe auf der Beifahrerseite bequem gemacht und wäre fast schon wieder eingeschlafen, weil Monika eine so sichere Autofahrerin war, die ein angenehmes Tempo beibehielt und stets die Ruhe selbst zu sein schien, selbst wenn sie mal einen Lastwagen überholte und sich einer von diesen notorischen Rasern ganz dicht hinter den Bus klemmte und den Finger nicht von der Lichthupe bekam. „So, Steffi", sagte Monika auf einmal. „Jetzt musst du dich entscheiden, was du machen willst. Sollen wir dich irgendwo absetzen, wo du weiter auf deinen Mann warten kannst, oder willst du uns begleiten ?" Steffi atmete angestrengt durch, weil ihr die Entscheidung keineswegs leichtfiel. Natürlich wollte sie ihrem Mann eine Lektion erteilen, das hatte er sich jetzt umso mehr verdient, da noch immer kein Anruf von ihm eingegangen war. Ganz bestimmt hatte er seit der letzten Pause noch einen kurzen Zwischenstopp eingelegt, und dabei war ihm noch immer nicht aufgefallen, dass er seit Stunden allein unterwegs war. Andererseits war es auch wieder sehr rücksichtsvoll von ihm, sie schlafen zu lassen. Wenn sie doch nur ... „Steffi ?" „Ja, ja, ich ...", begann sie, ohne zu wissen, was sie antworten sollte. Dann kam ihr eine Idee. „Sagt mal, bis nach Aachen gibt es doch bestimmt noch zwei oder drei Raststätten, oder ?" „Ja, zwei auf jeden Fall", antwortete Tanja. „Ehrlich gesagt, habe ich noch nie so genau darauf geachtet, aber zwei sind es auf jeden Fall." „Das ist doch perfekt", entschied Steffi. „Wenn Günther sich bis dahin noch melden sollte, könnt ihr mich auf der Strecke absetzen, dann kann er mich da abholen. Ansonsten fahre ich eben mit." „Das ist ein Wort", freute sich Christiane und beugte sich vor, um ihr auf die Schulter zu klopfen. Steffi war froh, dass es dunkel war, weil ihr so niemand ansehen konnte, dass sie nicht wusste, ob sie wirklich die richtige Entscheidung getroffen hatte. Nicht ganz eine Stunde später hatten sie Aachen passiert und fuhren auf die Grenze zu den Niederlanden zu, als auf einmal Steffis Handy zum Leben erwachte und den Eingang einer SMS meldete. Steffi wurde aus dem Halbschlaf gerissen. Günther !, dachte sie und kramte in ihrer Handtasche, bis sie das Telefon gefunden hatte. Sie schaltete die Tasten frei, um die Nachricht zu öffnen, die er ihr geschickt hatte.
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Noch bevor der Text auf dem Display erschien, meldeten auch die Handys ihrer Mitreisenden mit knappen Klingeltönen den Erhalt von Kurznachrichten. In dem Moment ahnte Steffi bereits etwas, dennoch raste ihr Herz, als sie die Zeilen zu lesen begann, die ihr von ... ihrem Netzbetreiber geschickt worden waren. „Welkom bij PTT Nederland", las sie halblaut vor. „Sorry, wir hätten dich wohl besser warnen sollen", sagte Tanja, die in der gleichen Reihe neben ihr saß. „Sobald man sich in der Nähe der Grenze befindet, kommt eine SMS, in welchem Netz man jetzt telefoniert. Das Dumme dabei ist, dass sich die Netze überlagern und manchmal fünf oder sechs solche Mitteilungen reinkommen, weil dann gerade mal das deutsche Netz stärker ist und hundert Meter weiter wieder die Holländer das Signal überlagern." „Das gleiche Spiel geht nachher noch mal los, wenn wir durch Belgien fahren und dann wieder nach Holland wechseln", warf Monika vom Fahrersitz ein. „Bis wir da durch sind, wird dein Handy bestimmt noch zwanzigmal klingeln. Und unsere natürlich auch." Nach kurzem Überlegen sagte sie: „Vielleicht sollten wir die Dinger auf stumm schalten, bis wir in Hoek van Holland angekommen sind, deins natürlich ausgenommen, Steffi. Von uns erwartet nämlich heute Nacht niemand einen Anruf." Die anderen murmelten zustimmend, dann war zu hören, wie alle mit ein paar Tastendrucken den Ton an ihren Handys ausschalteten. „Wie weit ist es eigentlich noch bis Hoek van Holland ?", fragte Steffi wenig später ihre Platznachbarin. „Weiß nicht ... Monika, wie weit noch ?" „Kann ich dir so nicht sagen", antwortete sie. „Dafür müsste ich am Navi rumfummeln, und das will ich während der Fahrt nicht. Schon gar nicht nachts." „Nicht schlimm, ich sehe selber mal nach", sagte Tanja und griff in ihre geräumige Handtasche, aus der sie einen Tablet-PC holte. Steffi sah ihr interessiert zu, mit welcher Geschwindigkeit sie sich auf dem Gerät von Bild zu Bild bewegte, bis sie schließlich verkünden konnte: „Noch genau zweihundertzweiundfünfzig Kilo meter." „Okay, danke." „Hier", redete Tanja weiter und hielt ihr das Tablet hin. „Da kannst du dir auch den Rest der Strecke in Ruhe ansehen." „Nein, nein, lieber nicht", lehnte sie ab, aber die andere Frau drückte ihr das Tablet in die Hand. „Was ist ? Du hältst da kein rohes Ei in der Hand", sagte Tanja, als sie sah, dass Steffi das Gerät nur am äußersten Rand festhielt. „Außerdem kannst du nichts bedienen, wenn du nicht mal einen Finger in die Nähe des Bildschirms bewegst." „Ich ... ich will da nichts verkehrt machen", antwortete sie ausweichend. „Du kannst da nicht viel verkehrt machen." „›Nicht viel‹ heißt aber, dass ich trotzdem irgendwas verkehrt machen kann", beharrte Steffi. „Du weißt aber doch, wie so ein Ding funktioniert, oder ?", fragte Tanja ein wenig zögerlich nach, so als sei sie sich nicht ganz sicher, ob ihre Worte als Beleidigung aufgefasst werden könnten. „Ehrlich gesagt ... nein, jedenfalls nicht so richtig", gestand sie und spürte, dass sie einen roten Kopf bekam, weil es ihr peinlich war, das vor fremden Leuten zugeben zu müssen. „Darf ich mal fragen, was du beruflich machst ?", erwiderte Tanja. „Ich meine, es gibt doch heute so gut wie nichts mehr, wo man ohne einen Computer auskommt." „Mir gehört ein kleines Handarbeitsgeschäft in der Fußgängerzone. „ „Da brauchst du doch schon zwangsläufig einen PC, wenn du Ware bestellen musst." Steffi nickte. „Na, ich hab ja auch einen PC, aber ich hab auch eine Halbtagskraft angestellt, die sich um alles kümmert, was damit zu tun hat." „Hm", machte Tanja. „Und du willst auch gar nicht damit umgehen können ? Oder woran liegt's ?" „Wollen will ich schon, aber ... na ja, mein Mann ist der schlechteste ... ›Erklärer‹ auf der Welt", räumte sie ein. „Günther kann dir nicht mal den Weg bis zur nächsten Ecke erklären, ohne so viel drumherum zu erzählen, dass du am Ende nicht mal mehr weißt, ob du jetzt nach links oder rechts gehen musst." „So schlimm ?" „O ja, so schlimm. Und dabei ist das von ihm alles noch gut gemeint, er wird nicht wütend, wenn jemand nicht mit einer Erklärung von ihm klarkommt. Dann fängt er sogar noch mal an und versucht es noch umständlicher und ausschweifender, aber danach weiß erst recht keiner mehr, was er tun soll." „Kann ich mir gar nicht vorstellen", gab Tanja zurück. „Dann werde ich dir mal ein Beispiel geben", sagte Steffi. „Wenn du irgendwo stehst, meinetwegen in Frankfurt am Haupt - bahnhof, und du willst zur Zeil, dann ..." „... dann gehst du durch die Kaiserstraße immer weiter geradeaus, und wenn du den Kaufhof siehst, dann hast du die Zeil erreicht." „So würde ich das auch erklären", stimmte Steffi ihr zu. „Aber Günther erzählt dir dann, dass du geradeaus über die Ampel gehst, was du bis vor ein paar Jahren nicht machen konntest, weil du vom Bahnhof aus die Unterführung benutzen musstest, da hättest du also die Treppe in die U-Bahn nehmen müssen, dann um die Bäckerei herum, in der früher mal eine Wurstbude war, vorbei an der Boutique auf der linken Seite, da gab's vor zwanzig Jahren mal einen tollen Schallplattenladen, und dann müsstest du die Treppe rauf, aber das kannst du dir jetzt sparen, weil du ja oberirdisch die Ampel nehmen kannst ... und nach fünf Minuten Erklärung hast du dann gerade mal die Straße überquert." „Und der Weg bis zur Zeil ist noch weit", ergänzte Tanja und stöhnte leise auf. „Richtig, und da gibt es noch jede Menge Anekdoten zu erzählen, zum Beispiel die von dem kleinen Souvenirladen, dessen Inhaber immer ... und so weiter und so fort. In der Zeit bist du zu Fuß einmal bis zur Zeil hin und zurück gelaufen." „Oh weh. Und das Gleiche am Computer ? Das klingt übel." „Das ist es auch. Ich habe versucht, es mir von ihm erklären zu lassen, aber anstatt mir zu zeigen, wie ich ein bestimmtes Programm öffne und wie ich mit dem Programm arbeite, hat er mir alle Programme präsentiert und mir gezeigt, wie man Fotos bearbeitet und Videos schneidet - nicht, dass ich davon irgendetwas behalten hätte." „Aber hättest du nicht einen Kurs belegen können ?", warf Christiane ein, die die Unterhaltung verfolgt hatte. „Hab ich auch versucht", antwortete sie und sah über die Schulter. „Aber als ich ihm meine ersten Fortschritte präsentieren wollte, da hat er mich mit Verbesserungsvorschlägen so verrückt gemacht, dass ich am Ende alles wieder vergessen hatte. Und meine Halbtagskraft will ich damit auch nicht behelligen." „Weißt du was, Steffi ?", erklärte Tanja in entschiedenem Tonfall. „In den nächsten Tagen bekommst du von uns einen Schnell - kurs in Sachen Computer verordnet, und dann kannst du so einige Dinge selbst erledigen und bist nicht mehr darauf an ge - wiesen, dass jemand das für dich übernimmt." „Meinst du, so was funktioniert ?", fragte sie skeptisch. „Na, klar. Wir werden dich nicht dauernd dazu zwingen, irgendwas mit dem PC zu machen, aber wir lassen dich mal ein Foto auf unserer Facebook-Seite einstellen oder eine Mail schreiben, und in ein paar Tagen bist du fit für deinen eigenen Computer. Das verspreche ich dir." Steffi zögerte sekundenlang, dann nickte sie erst verhalten und schließlich mit Nachdruck. Ja, der Gedanke gefiel ihr. Vielleicht würden diese Frauen ihr tatsächlich den Umgang mit einem Computer leichter verständlich machen können als jeder andere. Ihre Angestellte war erst Mitte zwanzig, sie war mit all dem Kram aufgewachsen und konnte sich gar nicht vorstellen, wie die Menschheit ohne PC, Handy und Internet gelebt haben sollte. Von ihr konnte sie sich erst recht nichts erklären lassen, weil sie überhaupt kein Empfinden dafür hatte, wo sie mit Erklärungen ansetzen sollte. Und der Kurs, den Steffi besucht hatte, war zwar nicht so schlecht gewesen, aber wenn sie ehrlich sein sollte, dann war sie sich dort vorgekommen, als würde der Kursleiter alle Teilnehmer für schwachsinnig halten. „Einverstanden, das wür - de mich freuen, wenn ihr das versuchen wollt." „Die Leute werden sich wundern, was du alles kannst, wenn du nächste Woche wieder daheim bist", versicherte ihr Tanja. In diesem Moment wurde Steffi an Günther erinnert und daran, dass er sich noch immer nicht bei ihr gemeldet hatte. Sie wollte gar nicht darüber nachdenken, wie weit er inzwischen gefahren sein mochte, ohne zu bemerken, dass sie gar nicht auf der Rückbank saß und schlief. Wieder ging eine SMS ein, aber die kam auch nur vom gerade aktuellen Netzbetreiber. „Ich fange aber nicht heute Nacht damit an, damit das klar ist", erwiderte sie mit aufgesetzter Fröhlichkeit, um ihre trüben Gedanken zu überspielen. Diese fünf Frauen wollten ihr etwas Gutes tun, und das sollte sie auch würdigen, anstatt in Depressionen zu versinken und dieser fröhlichen Gruppe die Stimmung zu verderben. „Nein, das solltest du wirklich besser bei Licht machen", meinte Tanja und zwinkerte ihr zu. Dann lehnte sich Steffi auf ihrem Platz nach hinten, ließ den Kopf gegen die Rückenlehne sinken und schloss die Augen, um ein wenig zu dösen. „Das da drüben war die Ausfahrt !", ertönte irgendwann Simones aufgeregte Stimme. „Wir haben die Ausfahrt verpasst ! Warum bist du nicht abgebogen ?" „Weil das Navi gesagt hat, dass wir erst in zweihundert Metern abbiegen müssen", erwiderte Monika. „Aber in zweihundert Metern gibt es keine Ausfahrt, wie du siehst", gab Simone zurück, während im Wagen Unruhe aufkam, die Steffi aus dem tiefen Schlaf holte, in den sie gefallen war. Dann hatte sie also nicht bloß geträumt, sie hätten soeben die Ausfahrt verpasst. „Außerdem stand da groß und deutlich Rotterdam, und wenn ich mich nicht irre, dann müssen wir über Rotterdam fahren." „Beim letzten Mal hat das Navi aber nicht so einen Unsinn erzählt „, wandte Monika ein. „Vielleicht haben sie ja auch nur für heute Nacht die Ausfahrt ein Stück nach vorn geschoben, damit wir sie verpassen !", fauch - te Simone. „Mädels, beruhigt euch mal wieder", rief Claudia ihnen zu. „Das ist doch kein Problem, wir nehmen einfach die nächste Ausfahrt, und dann werden wir doch sowieso dahin gelotst, wo wir hin wollen." „Eben", stimmte Tanja ihr zu und rief lachend: „Also vertragt euch jetzt wieder. Alle folgen dem Navi, wir auch." Steffi wandte sich an Tanja, die ihr Tablet auf dem Schoß liegen hatte und sich irgendwelche Fotos ansah. „Sag mal, kannst du mir noch mal diese Karte zeigen, auf der du an der Grenze nachge - sehen hast, wie lange wir noch bis zur Fähre unterwegs sind ?" „Ja, sicher." Sie tippte auf dem Bildschirm herum, zog mit einem Finger irgendwelche Bilder zur Seite und hielt ihr dann den Computer hin. „Hier, und ungefähr hier sind wir im Moment." „Dann ist das da die Ausfahrt, die wir verpasst haben ?", vergewisserte sich Steffi. „Richtig. Und wenn wir da vorn die nächste Ausfahrt nehmen, berechnet das Navi den Weg, den wir nehmen müssen, um auf die Strecke nach Rotterdam zu kommen." „Kann man das vergrößern ?" Tanja drückte Daumen und Zeigefinger auf den Bildschirm und spreizte sie, woraufhin der Ausschnitt vergrößert wurde. „Wow", murmelte Steffi. „Und wenn du so mit der Fingerkuppe drübergehst, kannst du sehen, was ringsum angezeigt wird." „Aha", erwiderte sie und zog das Bild nach rechts unten, damit sie mehr davon sehen konnte, wohin sie fuhren. Sie legte den Kopf schräg, dann zog sie das Bild weiter. Schließlich sagte sie in einem sogar in ihren Ohren überraschend bestimmenden Tonfall: „Wir sollten nicht die nächste Ausfahrt nehmen, sondern auf dem Autobahnring weiterfahren. Das Ding heißt nicht umsonst Autobahnring, also kommen wir wieder zu der verpassten Ausfahrt und können da rausfahren, wo wir hin müssen." „Unsinn", wehrte Monika ab. „Wir haben ein Navi, wir können abbiegen, wo wir wollen, wir verfahren uns nicht." „Mein Schwager hat das aber mal geschafft", beharrte Steffi. „Er wollte auf dem Brüsseler Ring nach Oosteinde fahren, aber an dem Wochenende war die Ausfahrt wegen Bauarbeiten gesperrt. Es gab keine Umleitungsschilder, und das Navi hat ihn immer wieder stur zu dieser Ausfahrt zurückgelotst. Er ist ein paar Stunden durch die Gegend geirrt, bis er plötzlich ein Hinweisschild entdeckte, dass es noch zwölf Kilometer bis nach Lüttich sind. Er ist also die ganze Zeit über in die falsche Richtung geschickt worden." „Dann hat er bestimmt das Ziel nicht richtig eingegeben." Steffi staunte über Monikas Meinung, und das aus zwei Gründen: Erstens musste Monika als die Älteste in der Gruppe länger als alle anderen beim Autofahren ohne Navigationsgerät ausgekommen sein, also sollte sie doch noch in der Lage sein, nach einer Straßenkarte zu fahren. Zweitens - und das war der springende Punkt - hatte sich das Navi gerade eben erst geirrt, also gab es keinen Grund, dem Gerät jetzt wieder blind zu vertrauen. So direkt wollte sie das Monika nicht sagen, weil sie nicht wusste, wie die auf Kritik reagieren würde, also versuchte sie es über einen Umweg. „Wem gehört der Wagen ?" „Was ?", gab Monika zurück. „Wem der Wagen gehört, habe ich dich gefragt." „Unserem Nachbarn." „Wie oft fährt der nach Belgien ?" Monika schnaubte aufgebracht. „Was hat das denn mit der verpassten Ausfahrt zu tun ?" „Wie oft fährt der nach Belgien ?", wiederholte sie, obwohl es der älteren Frau nicht zu gefallen schien, dass die Neue in der Gruppe sich in einer Sache zu Wort meldete, die sie nichts anging. Aber die Sache ging sie sehr wohl etwas an. „Keine Ahnung. Ich glaube, der ist noch nie in Belgien gewesen. „ „Okay, und wie lange hat er den Wagen schon ?" „Was weiß ich ! Fünf, sechs Jahre oder so", antwortete Monika. „Kannst du mir mal verraten, was deine Fragen sollen, Frau Inspector Columbo ?" „Ganz einfach", erklärte Steffi. „Der Wagen ist fünf Jahre alt, euer Nachbar war noch nie in Belgien, also wird er bestimmt auch nie aktuelles Kartenmaterial für Belgien gekauft haben. Das heißt, unser Navi kennt nur die Straßen von vor fünf Jahren. Seid ihr das letzte Mal auch mit diesem Wagen gefahren ?" „Ja, weil dieser Bus einfach ideal ist", erwiderte Simone von ihrem Platz auf dem Beifahrersitz. „Okay, dann haben die hier seit dem letzten Mal, als ihr die Strecke gefahren seid, an der Ausfahrt nach Rotterdam irgendwas geändert, dass sie jetzt zweihundert Meter eher abzweigt." „Hast du nicht gerade gesagt, du kennst dich nicht mit Computern aus ?", gab Monika unüberhörbar mürrisch zurück. „Tue ich auch nicht, aber Günther und ich, wir haben eine Erfahrung mit dem Navi hinter uns, die ihn dazu gebracht hat, in die Werkstatt zu fahren und das Ding abschalten zu lassen, damit er es ja nicht wieder benutzt", erklärte Steffi, die nicht vorhatte, sich von Monikas Tonfall beeindrucken zu lassen. „Wir waren vor zwei Jahren in Norddeutschland im Urlaub und wollten uns in Hamburg den König der Löwen ansehen. Weil wir auf die Idee kamen, von Bremen aus nicht über die Autobahn zu fahren, sondern die Landstraße zu nehmen, haben wir zum ersten Mal das Navi benutzt ..." „Warum kauft ihr einen Wagen mit Navi, wenn ihr es sonst nicht benutzt ?", warf Monika ein. „Der Wagen war eine Tageszulassung und deswegen so günstig, dass wir uns die Gelegenheit nicht entgehen lassen konnten. Das Navi gehörte mit zur Ausstattung, aber haben wollten wir es eigentlich nicht", erklärte Steffi. „Als wir nach Hamburg kamen, zog auf einmal dichter Nebel auf, und wir konnten nur noch Schritttempo fahren. Auf einmal sagt das Navi, wir sollen nach dreißig Metern rechts abbiegen. Günther hatte so ein ungutes Gefühl, weil ein Stück zuvor noch ein Zug ganz dicht neben uns vorbeigedonnert war. Darum fuhr er dreißig Meter weiter, aber hielt dann an. Wir sind beide ausgestiegen und haben uns die ›Straße‹ angesehen, in die wir einbiegen sollten. Bloß war da keine Straße mehr, sondern eine Absperrung, weil man die Brücke abgerissen hatte, die über die Schienen führte. Wäre Günther da abgebogen und nur etwas zu schnell gewesen, hätte er die Absperrung durchbrochen, und wir wären mit dem Wagen auf den Schienen gelandet. Und gerade als wir da standen, raste der nächste Zug vorbei." Nach einer kurzen Pause fügte sie hinzu: „Der hätte uns erwischt." „Was hat das mit unserer nächsten Abfahrt zu tun ?", fragte Monika abweisend. „Sehr viel. Ich habe mir gerade die Karte angesehen, und die nächste Abfahrt führt in den Hafen von Antwerpen. Wenn da alles noch genauso aussieht wie vor fünf Jahren, als diese Karte in dem Ding da vorn mal aktuell war, dann haben wir keine Probleme. Aber wenn das nicht der Fall ist, werden wir unter Umständen in der Dunkelheit irgendwo auf eine Brücke geschickt, die man auch abgerissen hat, weil sie nicht mehr gebraucht wird. Also, ich habe jedenfalls keine Lust, mitten in der Nacht einen Ausflug durch ein Hafengelände zu unternehmen, in dem ich mich vermutlich sogar am Tag nicht zurechtfinden würde. Ich meine, wir sollten einmal dem Ring folgen und dann aufpassen, dass wir die richtige Ausfahrt erwischen." Sie drehte sich zu den anderen um. „Was meint ihr ?" „Sie hat völlig recht, Monika", rief Christiane aus der letzten Reihe. „Ich will auch nicht mitten in der Nacht durch den Hafen kurven. Wer weiß, wo wir da landen !" „Wisst ihr, wie lange wir für den ganzen Autobahnring brauchen ?", hielt Monika beharrlich dagegen. „Weißt du, wie lange die Feuerwehr braucht, bis sie uns aus dem Hafenbecken gefischt hat ?", konterte Tanja und legte eine Hand auf Steffis Schulter, um ihr zu zeigen, dass sie auf ihrer Seite war. Monika schüttelte grummelnd den Kopf. „So was nennt man Revolution", schimpfte sie. „Nein, das nennt man Demokratie", widersprach Simone, die sich mittlerweile amüsiert anhörte. „Eine Revolution wäre es, wenn du eine Diktatorin wärst. Aber so was willst du bestimmt nicht sein, oder ?" Von Monika war nur ein Schnauben zu hören, das aber schon etwas versöhnlicher klang. Steffi wartete noch ab, um aufzupassen, ob sie nicht doch die nächste Ausfahrt nehmen würde, nur um ihren Willen durchzusetzen, doch dann fuhr Monika tatsächlich weiter. Beruhigt lehnte sich Steffi zurück und schloss wieder die Augen . Bei ihrer Ankunft um halb vier am Morgen in Hoek van Holland war es noch immer stockfinster. Vom Meer wehte ein kalter Wind in den Hafen, als sie aus dem Wagen ausstiegen. Irgendwann unterwegs hatte sich Monika von Tanja ablösen lassen, damit sie keine Pause mehr einlegen mussten und die Zeit aufholen konnten, die sie auf ihrer Rundfahrt um Antwerpen verloren hatten. Sie betraten die kleine Schalterhalle, wo Christiane zielstrebig zum Ticketschalter ging, um die reservierten Karten für die Überfahrt zu bezahlen. Steffi folgte den anderen zu einer angeschlossenen Cafeteria, wo sie die erste Gelegenheit nutzte, um den Frauen einen Kaffee auszugeben. Simone und Claudia setzten sich an einen Tisch, während Monika und Tanja am Fenster standen und den kleinen Hafen betrachteten, der von Hunderten von Lichtern erhellt wurde, in dem aber nur wenig los war. Steffi stand unschlüssig da, weil sie nicht wusste, zu welchem der beiden Paare sie sich gesellen sollte. Sie kannte die anderen einfach noch nicht gut genug, um einschätzen zu können, ob die im Moment lieber unter sich bleiben wollten. Nach kurzem Zögern ging sie schließlich zu der großen Europakarte, die gleich neben dem Durchgang zur Schalterhalle an der Wand hing. Während sie dastand, den Kaffeebecher in der Hand, und mit einem Finger die Strecke nachzeichnete, die sie gefahren waren, kam Christiane mit den Fahrkarten herein. Steffi hielt ihr den Becher Kaffee hin, den sie für sie mitgenommen hatte, und Christiane kam zu ihr. „Wie viel bekommst du dafür ?" Steffi schüttelte den Kopf. „Gar nichts, den spendiere ich. Ich sollte schließlich irgendwann mal damit anfangen, mich erkenntlich dafür zu zeigen, dass ihr mich so spontan mitgenommen habt." Christiane nickte dankend und erwiderte: „Wir haben ja schon alles für sechs Leute bezahlt, da wäre es doch eine Schande, das verfallen zu lassen, wenn wir einen Ersatz finden, der so nett ist wie du." „Außer wenn ich mich einmische, weil das Navi seinen Einsatz verpasst hat", nahm sie sich selbst auf den Arm. „Das ist wohl nicht so gut angekommen." „Ach, Monika kann manchmal nicht so gut mit Kritik umgehen „, antwortete Christiane, winkte ab und trank einen Schluck Kaffee. „Sie ist da etwas dünnhäutig, aber damit muss sie leben, wenn sie die Ausfahrt verpasst und dann mit uns in die Wildnis fahren will." Steffi hob entschuldigend die Schultern. „Na ja, ich hätte auch nichts gesagt, wenn ich nicht mit Günther einmal so knapp dem Tod entkommen wäre. Hätten wir auf das Navi gehört, dann ... dann wären wir auf den Schienen gelandet und vom Zug zerfetzt worden, noch bevor wir überhaupt begriffen hätten, was eigentlich los ist." „Mach dir keine Gedanken darüber", versicherte ihr Christiane und klopfte ihr leicht auf die Schulter. „Daheim sagt sie ihrem Mann und den Kindern den ganzen Tag über, wo es langgeht, deshalb meint sie, das könnte sie mit uns genauso machen. Nur kommen von uns schon mal Widerworte, und dann wird sie erst mal sauer und muss begreifen, dass sie eben nicht ihre Familie vor sich hat, sondern fünf andere Frauen, mit denen sie befreundet ist und die ihr ganz schnell zumindest vorübergehend die Freundschaft aufkündigen können, wenn sie sich nicht zusammenreißt. „ „Ein bisschen unangenehm war mir das aber schon." „Das muss es nicht sein, Steffi, und vor allem ist es gut, dass du von dir aus gesagt hast, was dir nicht passt. Jetzt weiß sie, dass du dir von ihr auch nichts sagen lässt." Wieder nippte sie an ihrem Kaffee. „Andernfalls hätte sie vermutlich versucht, dich bei jeder Gelegenheit herumzukommandieren." „Ich dachte, ihr fünf seid gute Freundinnen", wunderte sich Steffi. „Da kommt man doch eigentlich viel besser miteinander aus. Jedenfalls kenne ich das nur so. Was du mir da erzählst, klingt irgendwie ein wenig nach Machtspielchen." Christiane legte den Kopf in den Nacken und schüttelte ihre blonde Mähne. „Wir sind nicht sechs Freundinnen, die sich alle zufällig für Rosa interessieren ..." „Rosa ?" „Rosamunde Pilcher", erklärte die andere Frau. „Wenn wir unter uns sind, nennen wir sie nur kurz Rosa, da wissen wir alle, wer gemeint ist." Nach einer kurzen Pause fuhr sie fort: „Wovon ich eben sprach ... wir sind keine Freundinnen, die sich alle für Rosa interessieren, wir sind Pilcher-Fans, die sich über das gemeinsame Hobby gefunden haben. Wir unternehmen gemeinsam diese Fahrten, wir lesen gemeinsam ihre Bücher und diskutieren, wir haben auch schon mal versucht, gemeinsam einen eigenen Roman in ihrem Stil zu schreiben, aber da haben wir gemerkt, dass wir an ihr Können überhaupt nicht heranreichen. Wir hatten zwar alle tolle Ideen, welche Figuren eine Rolle spielen sollten, aber auf halber Strecke haben wir völlig den Faden verloren, weil wir immer mehr reinpacken wollten. Da haben wir es dann aufgegeben." Sie trank einen Schluck Kaffee. „Aber von unserem Hobby abgesehen, führt jede von uns ihr ganz eigenes Leben. Und manchmal ist es sogar genau das Hobby, das uns in verschiedene Lager spaltet." „Weil ihr unterschiedlicher Meinung seid, ob ein Buch besonders gut ist ?" Christiane schüttelte den Kopf. „Wenn die Sammelwut die Oberhand gewinnt." Steffi reagierte mit einer fragenden Miene. „Du bist ja nicht so fit, was Computer angeht, aber du weißt bestimmt, was Ebay ist." Sie nickte. „Ja, da kann man übers Internet Dinge ersteigern." „Richtig, und weil es so gut wie nichts gibt, was nicht über Ebay angeboten wird, kannst du dich auch mit Pilcher-Artikeln eindecken." „Also mit Büchern." „Ja, aber nicht nur mit Büchern", betonte Christiane. „Da gibt es dann seltene Erstausgaben, signierte Bücher, Autogramme, Kopien von Manuskripten, bevor sie von einem Lektor bearbeitet wurden. So ziemlich alles eben, was man sich vorstellen kann. Da gab es zum Beispiel eine englische Erstausgabe von den Muschelsuchern, die Simone unbedingt haben wollte, also hat sie geboten. Jemand hat mitgeboten, und nach ein paar Tagen war der Preis bei über hundertfünfzig Euro angekommen. Dann hat sie aufgegeben, das Buch wurde verkauft, und eine Woche später kommt Claudia zum monatlichen Stammtisch und präsentiert voller Stolz das Buch. Sie hatte es Simone vor der Nase weggeschnappt, obwohl sie uns davon erzählt hatte und Claudia ganz genau wusste, wie sehr sie das haben wollte." „Aber wenn ihr doch alle sammelt ...", wandte Steffi ein. „Wir sammeln, aber nicht jeder von uns sammelt alles, und Claudia beispielsweise kann mit Mühe ein paar Brocken Englisch auf die Reihe kriegen", erklärte Christiane. „Sie kauft nur die deutschen Ausgaben, aber nie eine englische. Simone hat sich damals die Gebotsliste angesehen und festgestellt, dass Claudia das erste Gebot abgegeben hat, nachdem wir uns in einem Café getroffen hatten, und zwar ziemlich genau eine Stunde später." „Also wollte sie Simone nur ärgern ?" „Ganz genau", bestätigte sie. „Und wir sind kurz darauf auch dahintergekommen, warum sie das getan hat." „Weil Simone ihr was weggeschnappt hat ?" „Richtig, ein signiertes Hardcover von Sommer am Meer, das zufälligerweise einer Frau gewidmet war, die auch Claudia hieß. Simone hatte darauf gar nicht geachtet, ihr ging es nur um die Unterschrift im Buch, und deshalb wollte sie es auch nicht hergeben. „ „Warum haben die beiden das signierte Buch und die Originalausgabe nicht einfach getauscht ?" „Ach, Steffi", seufzte Christiane übertrieben und sagte dann mit deutlich ironischem Unterton: „Du bist ja sooo naiv, meine Kleine. Fans tauschen doch nicht einfach, nur weil der eine was hat, was der andere haben will." „Ja, aber ... das wäre doch ein Tausch Buch gegen Buch gewesen „, wandte Steffi ein und musste zugeben, dass sie wohl ziemlich naiv rüberkam, aber sie hatte auch keine Ahnung von dieser Szene. Genau genommen hatte sie bis gerade eben nicht mal gewusst, dass es überhaupt so etwas wie eine Szene gab. „Zwei Bücher, von denen das eine dreißig und das andere hundertfünfzig Euro gekostet hat", sagte Christiane und zählte die Probleme an den Fingern ab. „Zwei Bücher, die für beide Beteiligten ganz unterschiedliche Bedeutung besitzen. Und dazu kommt das Problem, dass man den anderen gar nicht wissen lassen möchte, wie sehr man das Objekt der Begierde eigentlich haben möchte, weil man damit den Preis selbst in die Höhe treibt. Und nicht zu vergessen die Genugtuung darüber, dass man dem anderen mal so richtig eins ausgewischt hat." „Hm", machte Steffi. „Und trotzdem unternehmt ihr gemeinsam so etwas wie diese ... ›Pilcher-Reise‹ ? Wenn ich das so höre, würde ich sagen, das passt irgendwie nicht so ganz zusammen." „Ach, du darfst nicht vergessen, dass so was nur manchmal vorkommt. Wir schmieden nicht ständig irgendwelche Intrigen, dafür schweißt uns das Hobby einfach zu sehr zusammen. Aber manchmal ist man eben doch mehr Egoist als gute Freundin." „Was ist los mit euch ?", meldete sich auf einmal Claudia zu Wort, die zu ihnen gekommen war und je einen Arm um Steffis und Christianes Schulter legte. „Heckt ihr etwa eine neue Verschwörung gegen Monika aus ? Wollt ihr sie als Fahrerin aufs Abstellgleis schieben ?" Dabei grinste sie breit, doch nach allem, was Steffi bislang erfahren hatte, war sie sich jetzt gar nicht mehr so sicher, ob das bloß ein Witz sein sollte oder ob mehr dahintersteckte. „Das erledigen wir später", gab Christiane lachend zurück. „Ich wollte Steffi gerade zeigen, dass unsere Route nach Cornwall tatsächlich die günstigste ist. Sie hatte überlegt ..." „... ob es nicht praktischer wäre", fiel Steffi ein, die blitzschnell reagierte, nachdem sie aus dem Augenwinkel einen Blick auf die Karte geworfen hatte, „quer durch Frankreich bis zum westlichsten Zipfel zu fahren und erst da überzusetzen. Da ist man doch direkt in Cornwall und muss nicht erst noch quer durch England fahren." „Du meinst von Frankfurt über Paris bis nach Brest ..." „... und von da mit der Fähre rüber nach Plymouth", bestätigte Steffi. „Dann wäre man doch schon in Cornwall." „Ich weiß, was du meinst, aber das täuscht", erwiderte Claudia. „Die Strecke ist zwar glatter, allerdings sind das auch fast zweihundert Kilometer mehr, und du darfst nicht vergessen, dass wir für die Autobahnbenutzung Mautgebühr bezahlen müssen. Es dauert also länger, und es kostet auch mehr." „Und über Calais ?", wollte Steffi wissen. „Da ist man doch nur ein kurzes Stück in Frankreich unterwegs." „Ja, trotzdem sind das immer noch ein paar Kilometer mehr als auf unserer Strecke. Der einzige Vorteil ist der, dass man nur kurz mit der Fähre unterwegs ist, aber insgesamt lohnt sich das nicht. Wir haben das alles im Internet verglichen, und es ist hier immer noch am günstigsten." Sie zuckte entschuldigend mit den Schultern. „Diese Fahrt geht ganz schön ins Geld, musst du wissen, und bei keinem von uns sitzt das Geld so locker, dass wir gar nicht auf die Kosten achten müssten. Sonst würden wir einen Flieger und in Heathrow einen Mietwagen nehmen." „So genau wollte ich das jetzt auch nicht wissen", entgegnete Steffi und hob abwehrend die Hände. „Das geht mich schließlich gar nichts an." „Keine von uns hat ein Problem damit, über ihre finanziellen Verhältnisse zu reden", warf Christiane ein. „Wir wollen gar nicht erst, dass unser Kurzurlaub wie irgendein extravaganter Trip aufgefasst wird. Wir sparen dafür monatlich einen bestimmten Betrag, und wenn wir die Summe erreicht haben, die wir brauchen, planen wir unsere nächste Pilcher-Reise." Steffi nickte verstehend. „Gut, dass ihr das Thema anschneidet. Ich möchte mich nämlich auch an den Kosten beteiligen, ich kann mich ja schließlich von euch nicht tagelang aushalten lassen und ..." „Nein, nein, Steffi, das kommt überhaupt nicht infrage. Wir haben dich eingeladen, du bist unser Gast, und als Gast zahlst du nichts. Klar ?" „Nicht so schnell", widersprach Steffi ihr hastig, bevor die beiden Frauen auf die Idee kamen, das Thema als erledigt anzusehen und kein Wort mehr darüber zu verlieren. „Eure Nummer sechs hat doch abgesagt, also fehlt euch ihr Anteil. Den will ich übernehmen !" „Nein, Uschi hat zwar abgesagt, aber ihren Anteil hat sie nicht zurückgefordert, weil dann die Reise komplett ins Wasser gefallen wäre", erklärte Claudia. „Das wollte sie keinem von uns antun. Es ist also alles bezahlt, ausgenommen das, was du isst und trinkst und was du dir an Souvenirs kaufst. Selbst die anteiligen Benzinkosten sind bereits bezahlt." Steffi machte eine nachdenkliche Miene. „Aber ich darf euch wenigstens mal zum Essen einladen, oder ?" „Ich glaube, dagegen hat hier niemand was einzuwenden." In diesem Moment ertönte eine Durchsage, und während Christiane die Cafeteria verließ, um so wie die gut zwei Dutzend anderen Reisenden den Wagen auf die Fähre zu fahren, folgte Steffi den übrigen Frauen über eine Gangway auf das wartende Schiff. Dort begaben sie sich aufs Vorderdeck und nahmen eine Gruppe Liegestühle in Beschlag. Während die anderen sich unterhielten und heißen Tee tranken, der ihnen inzwischen serviert worden war, saß Steffi da und betrachtete den Sternenhimmel, der im Osten einem dunkelroten Schimmer zu weichen begann. Der neue Tag brach allmählich an, und sie ... sie war offenbar von ihrem eigenen Mann völlig vergessen worden. Kein Anruf, keine SMS, kein gar nichts. Er musste längst Heiligenhafen erreicht haben, und spätestens da hätte ihm auffallen müssen, dass sie nicht mehr im Wagen saß. Aber warum rief er sie nicht an ? Selbst wenn er noch fünf Pausen eingelegt hatte, ohne zu merken, dass sie gar nicht mehr auf dem Rücksitz schlief, müsste er jetzt doch eigentlich versuchen, sie anzurufen, schließlich konnte er ja nicht wissen, wo er sie „verloren" hatte. Er konnte doch nicht vergessen, sie anzurufen, und stattdessen einfach kehrtmachen, um überall nach ihr zu suchen , wo er die Autobahn für kurze Zeit verlassen hatte. Er musste sie anrufen, damit er wusste, wo sie ausgestiegen war und wo sie sich jetzt aufhielt. Er konnte nicht wissen, ob sie da warten würde, wo er sie hatte stehen lassen, oder ob sie mit jemandem weitergefahren war. Abgesehen davon würde ihm eine solche Suche sowieso nicht weiterhelfen, denn selbst wenn er endlich die eine Raststätte erreichte, an der er sie unwissentlich zurückgelassen hatte, zweifelte Steffi ernsthaft daran, dass die junge Verkäuferin im Tankstellenshop noch irgendeine Erinnerung an sie besaß, wenn Günther die Person beschrieb, nach der er suchte ... sofern er überhaupt nach ihr suchen wollte.
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„Was darf 's sein ?", fragte die junge dunkelhaarige Verkäuferin hinter der Theke und spielte dabei gedankenverloren mit ihrem Unterlippenpiercing, das mehr wie ein versilberter Pickel aussah und weniger von einem verschönernden Gesichtsschmuck hatte. Ohne dieses Ding und ohne die Stifte in den Nasenflügeln und den Augenbrauen hätte die Frau eigentlich etwas von einer Elfe gehabt, so zierlich und zerbrechlich wirkte sie, überlegte Steffi, die die Frau schon verstohlen musterte, seit sie den Verkaufsraum der Autobahntankstelle betreten hatte. Warum müsst ihr euch nur alle so verunstalten, wenn ihr doch so hübsch seid ?, ging es ihr durch den Kopf, gleich darauf gefolgt von: Kein Verständnis für die Jugend ? Ich werde wohl allmählich alt. „Ein Käsebrötchen bitte", antwortete Steffi. „Mit Käse ?" „Ähm ... ja", brachte sie nach längerem Zögern heraus. Sie wollte sich die nächste Bemerkung eigentlich verkneifen, aber sie konnte einfach nicht anders. „Gibt es denn auch Käsebrötchen, die nicht mit Käse belegt sind ?" Die junge Frau beugte sich vor, um einen Blick auf die Auslage zu werfen. „Ja, die gibt's auch mit Schinken oder Salami." „Und das sind dann auch Käsebrötchen ?" Die Verkäuferin sah sie an, als hätte Steffi sie gefragt, ob sie ihre Piercings schön fand. „Nee, das sind dann natürlich Schinkenbrötchen. Oder Salamibrötchen. „ „Aha", machte Steffi. „Kammerbär haben wir auch noch", ergänzte die Verkäuferin und deutete hinter sich. Steffi sah in die Richtung, in die der Zeigefinger wies, und las auf einer kleinen Schiefertafel genau das, was sie verstanden hatte: „Kammerbär". „Keine Ahnung, was das eigentlich sein soll, aber der Chef hat gesagt, ich soll's auf die Tafel schreiben." „Hat er Ihnen das buchstabiert ?" Verdammt, Steffi, kannst du nicht einmal die Klappe halten, ermahnte sie sich. „Nein, das hab ich selbst geschrieben", verkündete die Verkäuferin ohne erkennbare Gefühlsregung. Sie schien auf ihr „Werk" weder besonders stolz zu sein, noch Interesse daran zu haben, was ein „Kammerbär" sein sollte, mit dem man Brötchen belegen konnte. Steffi nickte und beschloss, das Thema auf sich beruhen zu lassen. „Also gut, ich bleibe bei meinem Käsebrötchen ... mit Käse", betonte sie nach einer kurzen Pause, da ihr schnell Zweifel daran gekommen waren, ob ihre Bestellung auch wirklich unmissverständlich war. „Ach, legen Sie doch bitte noch eine zweite Scheibe Käse auf das Brötchen", bat sie, als sie sah, wie hauchdünn geschnitten der Belag war. „Kostet aber fünfundvierzig Cent extra." „Kein Problem." Die Verkäuferin legte das Brötchen auf einen Teller, den sie dann auf die Theke stellte. „Drei Euro fünf." „Zum Mitnehmen bitte", sagte Steffi. „Is doch." „Was ?" „Na, Sie können den Teller so mitnehmen", sagte die Verkäuferin und hielt ihn demonstrativ hoch. „Sehen Sie ?" „Ich meinte für unterwegs. Im Wagen. Den Teller könnte ich Ihnen so bald nicht zurückbringen", erklärte Steffi grinsend, doch die leichte Ironie war bei dieser jungen Frau eindeutig fehl am Platz. „Ach so ... hmm ..." Die Verkäuferin betrachtete eine Weile das Brötchen auf dem Teller, als könnte es ihr sagen, was sie tun sollte. Dann endlich drehte sie sich weg und rief quer durch den Tankstellenshop: „Ellyyyyyy, wo ham wir Papiertüten ?" Die ältere Frau, die einen Stapel Zeitschriften aussortierte und durch die neuesten Ausgaben ersetzte, schnaubte ungehalten. „Da, wo sie beim letzten Kunden vor einer Viertelstunde auch schon waren. Oder hast du sie inzwischen weggeräumt ?" „Ich fass hier nix an !", setzte sich die Jüngere zur Wehr. „Weiß ich. Außer wenn's um deine Zigaretten und dein Han - dy geht." „Das is ja auch privat." „Aber nicht während der Arbeitszeit !" Steffi schaute zwischen den beiden Frauen hin und her und fühlte sich äußerst unbehaglich, diesen Streit mitzuerleben. Es war nur zu hoffen, dass die zwei nicht auf die Idee kamen, sie aufzufordern, bei diesem Theater Stellung für eine von beiden Seiten zu beziehen. Sie hatte keine Zeit für so einen Blödsinn, auch wenn sie sich sicher war, dass die Frau namens Elly mit ihrer Einschätzung der jüngeren Verkäuferin nicht allzu falsch lag. Die flüsterte etwas Unverständliches und suchte die Theke ab, bis sie die nur scheinbar spurlos verschwundenen Tüten gefunden hatte. Sie nahm den Teller an sich und packte das Brötchen ein. „Kleiner hab ich's leider nicht", erklärte Steffi, als sie der Frau einen Zwanziger gab und im Gegenzug die Tüte überreicht bekam. „Haben Sie noch fünf Cent klein ?", fragte die Verkäuferin, als hätte sie Steffis Bemerkung gar nicht wahrgenommen. Nach ihrem abwartenden Gesichtsausdruck zu urteilen, war das tatsächlich der Fall. Durch das Fenster hinter der Kasse sah sie ihren Mann Günther von den Toiletten kommen und zum Wagen gehen, der genau neben einem Laternenmast parkte. Die Abenddämmerung war bereits so weit fortgeschritten, dass das Wageninnere durch den Lichtschein der Lampe direkt darüber in Dunkelheit getaucht wurde. Steffi winkte ihm zu, aber er bemerkte sie nicht, da er erst zwei Fahrzeuge passieren ließ und dann den Blick auf einen näher kommenden Lastwagen gerichtet hielt, während er die Fahrbahn überquerte. Sie sah ihm zu, wie er einstieg, das Licht einschaltete und ... losfuhr ! Nein, er wollte bestimmt nur ein paar Meter vorfahren, damit sie nicht die ganze Strecke zum Auto zurückgehen musste. Aber ... dann gab er auf einmal Gas und fuhr davon ! „O nein !", murmelte sie. „Is nich schlimm", sagte die Verkäuferin, „ich kann rausgeben. „ Als sie Steffi einen Moment später das Kleingeld in die Hand drücken wollte, ging ihr Griff ins Leere. „Hallo ?", rief sie. „Wo sind Sie denn, hallo ?" Doch statt einer Antwort hörte sie nur das Geräusch der zufallenden Ladentür. Allzu weit war Günther noch nicht gekommen, als Steffi aus dem Tankstellenshop gestürmt kam. Aber der Vorsprung genügte, um ihn nicht mehr einholen zu können, selbst wenn sie so schnell gerannt wäre, wie sie nur konnte. Der dunkelblaue Ford Focus wurde immer schneller, da Günther sich der Autobahnauffahrt näherte. Vielleicht sollte sie irgendetwas hinterherwerfen, damit er anhielt, wenn er hörte, dass der Wagen von etwas getroffen worden war. Das Einzige jedoch, was sie hätte werfen können, war ihre Handtasche, aber sie wollte sich gar nicht ausmalen, was sein würde, wenn sie den Wagen verfehlte und die Tasche stattdessen auf dem Asphalt landete, aufging und sich der Inhalt auf der Fahrbahn verteilte. „Verdammt, bleib stehen !", brüllte sie aus Leibeskräften, doch es half nichts. Vermutlich hätte er sie sowieso nicht gehört, aber völlig unmöglich wurde es dadurch gemacht, dass gerade ein Sattelschlepper an ihr vorbeidonnerte. Der Fahrer drückte dabei mit sehr viel Ausdauer auf die Hupe, um Steffi darauf aufmerksam zu machen, dass es gefährlich war, im Halbdunkel über den Parkplatz zu rennen. Sie versuchte, dem Fahrer des Lasters zu winken, aber da sie rechts von ihm lief, konnte er sie gar nicht sehen. Frustriert sah sie zu, wie Günther weiterfuhr, dahinter der Sattelschlepper. „Das kann doch nicht wahr sein !", schimpfte sie. „Wie kann dieser Mann einfach ohne mich weiterfahren ?" Sie wühlte in ihrer Handtasche, dann zog sie das Handy heraus und wählte Günthers Nummer. „Der Teilnehmer ist zurzeit nicht erreichbar. Bitte versuchen Sie es später noch einmal", ertönte gleich darauf die Ansage, mit der Steffi schon gerechnet hatte. Ihr Mann schaltete während einer Autofahrt sein Handy prinzipiell aus, um gar nicht erst in Versuchung zu geraten, wenn es während der Fahrt klingelte oder eine SMS einging. Da war nur dieser kleine Funke Hoffnung gewesen, er könnte ausnahmsweise einmal nicht daran gedacht haben. Dieser Urlaub fing ja wirklich gut an. Gerade mal eine Stunde unterwegs und schon vom eigenen Mann an einer Autobahntankstelle vergessen. Sie drehte sich um und wollte zurück zur Tankstelle gehen, als sie auf dem Parkplatz ein älteres Ehepaar bemerkte. Der Mann half seiner Frau beim Einsteigen, also würden die beiden gleich abfahren. Vielleicht konnten sie ihr ja helfen, indem sie sie ein Stück mitnahmen. Ihr Mann zählte nicht zu den Rasern, von daher sollte es möglich sein, ihn einzuholen. „Entschuldigung", begann Steffi. „Dürfte ich Sie ..." „Herbert, steig sofort ein !", fiel die Frau auf dem Beifahrersitz ihr aufgeregt ins Wort. „Das ist eine von denen !" Der Mann drehte sich zu Steffi um und sah sie an, während er zu überlegen schien. „Eine von denen ?", wiederholte er etwas träge. „Was meinst du damit ?" „Entschuldigung, ich habe nur eine Bitte an Sie. Können Sie mich ..." „Du weißt doch ! Wovon sie neulich in der Zeitung geschrieben haben ! Diese Weiber, die sich abends auf Parkplätzen rumtreiben. „ Während von dem Mann ein „Ach so" kam und er auf eine ganz seltsame Art zu grinsen begann, wandte sich die Frau an Steffi: „Gehen Sie weg ! Lassen Sie uns in Ruhe ! Mein Mann braucht so was nicht !" Steffi stand da und schüttelte verwundert den Kopf. „Aber ich ...", begann sie und brach gleich wieder ab, weil sie gar nicht wusste, was sie sagen sollte. Der Mann schloss die Tür und ging um den Wagen herum. Auf der Fahrerseite angekommen lächelte er Steffi betrübt an und hob die Schultern, dann deutete er mit einer Kopfbewegung auf seine Frau und stieg ein. Ratlos schaute Steffi dem Wagen hinterher, als er losfuhr. „Ey, bist du blöde ? Wer quatscht denn einen Kerl an, der mit seiner Frau unterwegs ist ?", ertönte gleich darauf eine Frauenstimme hinter ihr. Als Steffi sich umdrehte, machte sie im schwachen Schein der wenigen Lampen eine unauffällig gekleidete Frau aus, die missbilligend den Mund verzog. „Wenn, dann musst du dich an die Trucker ranmachen. Du bist wohl neu im Gewerbe, wie ?" „Im Gew..." Steffi verstummte und erschrak, als ihr klar wurde, was hier gerade eben abgelaufen war. „Ähm ... ist das hier etwa so was wie ein Straßenstrich ?" Die andere Frau stutzte, dann begann sie zu lachen. „Du bist hier nicht nur neu, du bist hier auch noch völlig verkehrt, wie ?" „Allerdings bin ich hier völlig verkehrt", bestätigte sie mit Nachdruck. „Mein Mann ist ohne mich abgefahren, und ich habe versucht, ihn noch einzuholen. Und jetzt stehe ich hier ... mitten auf einem Straßenstrich an der Autobahn." „Also, wenn du dir nicht gerade ein paar Euronen dazuver - dienen willst, dann solltest du besser vorne an der Tankstelle auf deine vergessliche schlechtere Hälfte warten", riet ihr die Frau. „Sonst wirst du von jedem zweiten Trucker nach deinen Preisen gefragt." „Danke für den Tipp", murmelte Steffi und wandte sich zum Gehen. „Dann noch einen schönen Abend ... ähm ... kann ich das überhaupt so sagen ... bei Ihrem ... Job ?" „Die liebe Alice Schwarzer würde jetzt zwar vor jeder laufenden Kamera behaupten, dass ich zu dieser Arbeit gezwungen werde und dass ich von den Männern ausgebeutet werde", erwiderte die Frau mit einem beiläufigen Schulterzucken. „Aber nicht mal das Rotlichtgewerbe lässt sich so einfach in Gut und Böse aufteilen. Mir macht's Spaß, und das ist die Hauptsache ... und den Kerlen auch." „Okay", sagte Steffi. „Dann wirklich noch einen schönen Abend." Sie kehrte zurück zur Tankstelle. Eine Stunde war vergangen, und nichts war passiert. Sie saß am Ecktisch im Bistrobereich der Tankstelle und starrte abwechselnd auf ihr Handy und durch die große Scheibe nach draußen zu den Zapfsäulen. Anfangs hatte sie noch bei jedem Wagen, der auf den Rastplatz einbog, darauf gehofft, dass Günther zurückkommen würde, um sie abzuholen, aber nach einer Weile konnte sie daran nicht mehr glauben. Selbst wenn er bemerkte, dass sie nicht mehr im Wagen saß, würde er sicher erst anrufen und sie fragen, wo sie war, anstatt direkt hierher zurückzukommen. Immerhin hätte es ja sein können, dass sie jemand ein Stück weit mitnahm, und dann wäre die Fahrt bis hierher gar nicht nötig. Aber das Handy blieb stumm. Um zehn Uhr war der Wecker angesprungen, um sie daran zu erinnern, so wie jeden Abend, ihre Blutdrucktabletten zu nehmen, ansonsten hatte das Gerät keinen Ton von sich gegeben. „Ist hier noch frei ?", fragte auf einmal eine fröhliche Frauenstimme. Steffi wurde aus ihren Gedanken gerissen und sah hoch. Vor ihr am Tisch stand eine Frau mit kurzen platinblonden Haaren, die nach ihrem Gesicht zu urteilen um die vierzig sein musste, aber durch ihre ziemlich extreme Haarfarbe viel älter wirkte. Sie fragte sich, wer ihr wohl diesen unvorteilhaften Modetipp gegeben haben mochte. „Also ... eigentlich ..." Sie schaute zu den anderen Tischen und musste feststellen, dass sie alle frei waren. „Super, danke", sagte die andere Frau, ehe Steffi noch widersprechen konnte. „Hey, Mädels, wir können hier sitzen !" Jetzt erst bemerkte Steffi, dass insgesamt fünf Frauen in den ansonsten menschenleeren Shop gekommen waren, von denen sich vier vor der Theke aufhielten, während die fünfte sich zu ihr an den Tisch setzte. „Ich bin übrigens die Tanja." „Angenehm", erwiderte Steffi, die sich völlig überfahren vorkam. „Stefanie Wächter." „Meine Freundinnen sind die Monika, die Christiane, die Simone und die Claudia", redete Tanja weiter und zeigte von einer Frau zur anderen, ohne dass Steffi auch nur eine Chance gehabt hätte, den Namen einem Gesicht zuzuordnen, weil das alles viel zu schnell ging. Allerdings gab es dafür ohnehin keine Notwendigkeit. Günther würde jeden Moment anrufen, und dann würde sie diese Frauen niemals wiedersehen. „Mhm", machte sie nur und nickte, dann kehrte ihr Blick zurück zu ihrem Handy. Immer noch war nichts geschehen. Sie hörte mit an, wie die Frauen Kaffee und Brötchen bestellten und mit der Verkäuferin eine Diskussion über Käse und Wurst begannen, die ihr sehr bekannt vorkam. Die Aufmerksamkeitsspanne der jungen Frau hinter der Theke schien extrem kurz zu sein, denn nachdem Steffi nach ihrem missglückten Versuch, ihren Mann am Wegfahren zu hindern, hierher zurückgekommen war, hatte es eine Weile gedauert, bis sie ihr hatte klarmachen können, dass sie die Kundin von vor fünf Minuten war, die ein Brötchen gekauft hatte und noch ihr Wechselgeld zurückbekam. Nach und nach kamen die Frauen zu ihr an den Tisch, setzten sich und unterhielten sich angeregt, bis auf einmal Stille herrschte. Steffi, die von der Unterhaltung nur ein paar unzusammenhängende Fetzen mitgekriegt hatte und nichts dazu hätte sagen können, mit welchen Themen die fünf Frauen befasst gewesen waren, drehte sich um und musste feststellen, dass alle fünf sie neugierig ansahen. „Hab ich ... irgendetwas gesagt ?", fragte sie schließlich, nachdem das Schweigen und die interessierten Blicke anhielten. „Ganz im Gegenteil", antwortete die Älteste aus der Gruppe. „Wir haben dich jetzt dreimal gefragt, aber du reagierst nicht. Du scheinst mit deinen Gedanken ganz woanders zu sein." Sie hatte zwar auch nichts davon mitgekriegt, dass man ihr das Du angeboten hatte und dass sie damit einverstanden gewesen war, aber darüber ging sie hinweg. „Wahrscheinlich liegt das dar - an, dass ich jetzt eigentlich auch ganz woanders sein sollte." „Wo denn ?" Sie sah auf die Uhr. „Vermutlich kurz vor Köln, bei meinem Mann im Wagen." „Uh", machte Tanja. „Streit ?" Steffi schüttelte den Kopf. „Noch nicht." „Noch nicht ?", wiederholte eine andere Frau, die etwas jünger als Steffi zu sein schien. Ihren Kopf krönte ein wüstes dunkelbraunes Lockenknäuel, während die Seiten und der Nacken bis weit nach oben ausrasiert waren. „Du sprichst in Rätseln." Steffi sah in die Runde und begriff, dass die fünf keine Ruhe geben würden, solange sie nicht wussten, was mit ihr los war. Normalerweise war sie kein sehr redseliger Mensch, schon gar nicht, wenn es um private Dinge ging, aber in diesem Augenblick wollte sie irgendwem erzählen, was ihr zugestoßen war. Einen ersten Versuch hatte sie bei der Verkäuferin gewagt, als sie hierher zurückgekommen war und ihr erklärt hatte, wieso sie wieder da war. Außer einem „Aha" war keine Reaktion gekommen, weshalb Steffi es auch aufgegeben hatte, noch länger mit ihr zu reden. „Wir sind auf dem Weg an die Ostsee, und als wir hier kurz angehalten haben, hat er mich vergessen und ist allein weitergefahren „, erklärte sie und hielt ihr Handy hoch. „Und bislang scheint er es nicht gemerkt zu haben." „Wie kann er dich denn hier vergessen ?", wollte die Rothaarige wissen, deren wallende Locken bis weit über die Schultern reichten. „Oder seid ihr mit dem Wohnwagen unterwegs und du hast im Anhänger geschlafen ?" „Nein, bei langen Autobahnfahrten sitze ich immer hinten und verschlafe die meiste Zeit", antwortete Steffi. „Günther - mein Mann - fährt gerne nachts, weil auf der Autobahn dann viel weniger los ist. Na ja, und weil es schon dunkel wurde, hat er offenbar nicht gesehen, dass ich nicht mehr im Wagen bin." „Er hätte doch nach dir sehen müssen", wandte die zweite Blondine der Gruppe ein, die beim Schminken etwas zu großzügig Rouge aufgetragen hatte. „Ich meine, wenn ihr hier eine Rast einlegt ..." Steffi schüttelte den Kopf. „Er hat angehalten, weil er zur Toilette musste. Das habe ich im Halbschlaf mitbekommen. Nachdem er ausgestiegen war, wurde ich richtig wach und bekam Hunger auf ein Käsebrötchen. Also bin ich schnell hier reingelaufen, um ein Brötchen zu holen, und als ich an der Kasse stand, ist er eingestiegen und abgefahren. Ich bin noch hinterhergelaufen, aber ..." „Und was ist mit deinem Handy ? Warum rufst du ihn nicht an ?", wollte Tanja wissen. „Ist der Akku leer ? Soll ich dir meins leihen ?" Abwehrend hob Steffi eine Hand und erklärte, wieso ihr Mann während der Fahrt nicht zu erreichen war. „An sich sehr vernünftig, aber im Augenblick äußerst unpraktisch." „Irgendwann muss ihm doch auffallen, dass du nicht mehr im Wagen bist", wandte die Grauhaarige ein. „Das merkt er doch bestimmt nicht erst an der Ostsee, wenn er aussteigt und dir die Tür aufhalten wird." Unschlüssig zuckte sie mit den Schultern. „Ich habe keine Ahnung, wann es ihm auffallen wird. Ich schnarche nicht beim Schlafen, und wenn er weiß, dass ich schlafe, spricht er mich auch nicht an. Das kann noch eine Weile dauern, bis er etwas merkt." „Und so lange willst du hier sitzen und warten ? Kannst du niemanden sonst anrufen, der dich abholen kommt ? Deine Kinder oder so ?" Steffi seufzte. „Meine Tochter lebt mit ihrem Mann in Australien, da bin ich schneller zu Hause, wenn ich zu Fuß gehe ..." „Von wo kommst du denn ?", wollte die Frau mit den dunklen Locken wissen. „Aus Friedrichsdorf." „Ah, im schönen Taunus. Wenn ich in meinem Büro in Frankfurt am Schreibtisch sitze und mich nach links drehe, sehe ich immer genau auf den Taunus", schwärmte die Rothaarige und ergänzte: „Zweiunddreißigstes Stockwerk." „Ich glaube, das wäre nichts für mich. Die Aussicht schon, aber jeden Tag in dieser Höhe arbeiten ?" Steffi lief bei dieser Vorstellung ein eisiger Schauer über den Rücken. „Und was ist mit Nachbarn ?" „Um die Zeit", sie tippte auf ihre Armbanduhr, „kann ich von keinem Nachbarn erwarten, dass er mich hier abholt." „Und die beste Freundin ?", fragte die Blonde. Steffi hob in einer hilflosen Geste die Hände. „Meine beiden besten Freundinnen sind zum Klassentreffen nach Augsburg gefahren. „ „Und wieso bist du nicht bei dem Klassentreffen ?" „Mensch, Christiane", wandte sich Tanja an die Blonde. „Machst du hier ein Verhör, oder was soll das ? Steffi ist uns doch keine Rechenschaft schuldig." „Ich bin nur neugierig. Wenn meine beste Freundin zum Klassentreffen geht, dann gehe ich doch mit." „Ja, aber nur, weil ihr beide in der gleichen Klasse wart", hielt Tanja ihr vor. „Ganz genau", stimmte Steffi zu. „Meine beiden Freundinnen sind erst nach der Mittleren Reife aus Bayern nach Friedrichsdorf gezogen. Wir waren nie in einer Klasse, wir waren nicht mal auf derselben Schule." Christiane gab ein verdutztes „Oh" von sich, dann schwieg sie. „Wir würden dir ja gern helfen, Steffi, aber das bringt unseren Zeitplan völlig durcheinander", sagte die Älteste. Tanja nickte betrübt. „Monika hat recht. Wir haben zwar für unsere Strecke noch genügend Luft eingeplant, falls es Staus gibt, aber einmal quer durch den Taunus dauert entschieden zu lang." „Wir könnten sie doch ein Stück mitnehmen", schlug die Rotgelockte vor. „Und was soll das bringen, Claudia ?", wollte Monika wissen. „Dann sitzt sie genauso verlassen an der nächsten Raststätte." „Richtig, aber wenn ihr Mann umkehrt, um sie abzuholen, dann macht das eine Menge aus, wenn er achtzig oder neunzig Kilometer weniger zurückfahren muss. Immerhin muss er anschließend auch noch mal die Strecke fahren, die er kurz zuvor bewältigt hat, also erspart er sich doppelt so viele Kilometer." „Sofern er irgendwann mal merkt, dass er seine Frau unterwegs verloren hat", gab Tanja zu bedenken. „Das ist ja ein nettes Angebot von euch", meldete sich Steffi schnell zu Wort, bevor noch über ihren Kopf hinweg entschieden wurde, was mit ihr geschehen sollte, „aber ... wo fahrt ihr eigentlich hin ?" „Wir fahren bis Köln", sagte Claudia. „Bis Köln ?" Steffi glaubte, sich verhört zu haben. „Wenn ihr jetzt gleich weiterfahrt, kommt ihr doch irgendwann nach Mitternacht in Köln an. Was wollt ihr mitten in der Nacht da ?" „Das war etwas ungeschickt formuliert", warf Christiane ein. „Wir fahren bis Köln, und dann biegen wir ab nach Aachen, von da geht es weiter nach Antwerpen und dann rauf nach Hoek van Holland, und von da setzen wir mit der Fähre über nach England. „ „Und wo genau soll's in England hingehen ?" „Nach Cornwall." „Cornwall ?" „Ja, wir unternehmen alle zwei Jahre unsere Pilcher-Reise", erklärte Tanja. „Und dieses Jahr ist es wieder so weit." „Pilgerreise ? Wohin pilgert ihr denn ?" Steffi kannte sich mit Wallfahrtsorten nicht aus, genau genommen hätte sie bei jedem Millionenquiz nur darauf hoffen können, dass die Antwort „Lourdes" lautete, weil ihr kein anderer Ort einfallen wollte. Dass Leute nach Cornwall pilgerten, war für sie zwar etwas völlig Neues, aber durchaus im Bereich des Möglichen. „Nicht Pilgerreise, sondern Pilcher-Reise", korrigierte Tanja sie amüsiert. „Kennst du Rosamunde Pilcher ?" „Wer kennt die nicht ?", konterte Steffi. Prompt zeigten die fünf gleichzeitig auf die junge Verkäuferin hinter der Theke. Steffi musste lachen, während sie zustimmend nickte. „O ja, da habt ihr ganz sicher recht." „Wir ziehen dann kreuz und quer durch Cornwall und sehen uns die Orte an, an denen die Pilcher-Romane spielen." „Hmm", machte Steffi. „Klingt interessant. Ich habe zwar nur ein Buch von ihr gelesen und zwei oder drei Filme gesehen, aber so was kann ich mir gut vorstellen. Besucht ihr auch die Drehorte ?" Alle schüttelten demonstrativ den Kopf. „Die Filme sind nur zum Teil da entstanden, und für manches Anwesen müssten wir rauffahren bis nach Schottland, aber das hätte mit unserer Pilcher- Reise nichts mehr zu tun. Wir wollen die Orte besuchen, die sie beschrieben hat." Plötzlich schnippte Tanja mit den Fingern. „Mal 'ne ganz verrückte Idee: Warum nehmen wir Steffi nicht einfach mit ? Nach Cornwall, meine ich." Die anderen sahen sich an und tauschten nur ein paar Blicke aus, dann wandte sich Tanja an Steffi: „Was hältst du davon ?" Sie glaubte, sich verhört zu haben, und fragte: „Was halte ich wovon ?" „Was hältst du davon, mit uns nach England zu fahren ?", wiederholte Monika und lächelte sie aufmunternd an. „Unsere Freundin Uschi musste absagen, weil ihre Tochter in den Wehen liegt, das heißt, wir haben einen Platz im Wagen übrig, die Fähre ist für einen Wagen mit sechs Personen gebucht, und in Cornwall in der Pension ist ein Zimmer mehr gebucht, als wir eigentlich brauchen." „Ähm ... habt ihr vergessen, dass ich darauf warte, von meinem Mann abgeholt zu werden ?", entgegnete Steffi. „Ich kann nicht einfach nach England fahren !" „Wie lange wartest du jetzt schon, dass er dich abholt ?" „Etwa eineinhalb Stunden", antwortete sie etwas leiser, weil es ihr ein wenig unangenehm war, von fremden Leuten daran erinnert werden zu müssen, dass ihr Mann nach wie vor nicht wusste, dass er allein in Richtung Norden unterwegs war. „Dein Mann hat eine Lektion verdient, wenn er dich so sträflich vernachlässigt", betonte Monika. „Wenn mein Mann so was machen würde, dann könnte er was erleben." „Augenblick, ich habe ja nicht gesagt, dass alles vergeben ist, wenn er wieder hier auftaucht", hielt Steffi dagegen. „Es reicht ja schon, dass du hier geduldig darauf wartest, bis er wiederkommt", machte die ältere Frau ihr klar. „Wenn er sieht, dass du immer noch hier bist, dann war das ja alles nicht so schlimm, und sein Unterbewusstsein wird das so deuten, dass du ohne ihn so hilflos bist, dass du nicht mal den Versuch unternimmst, von hier wegzukommen." „Ich bin nicht hilflos", protestierte sie, aber Monika redete schon weiter. „Dass du nicht hilflos bist, wissen wir, aber es geht darum, wie er das auffassen wird. Deshalb wäre es richtig, ihm eine Lektion zu erteilen. Tauch ein paar Tage unter und lass ihn im Ungewissen. Soll er sich Sorgen um dich machen, soll er sich Vorwürfe machen, dass er sich nicht richtig um dich gekümmert hat. Wir sind in acht Tagen zurück, dann hat er dich ja wieder." „Ich weiß nicht ..." „Er wird ja irgendwann anrufen, dann kannst du ihm sagen, dass du sauer bist und dass du in ein paar Tagen wieder da bist." Steffi fühlte sich wie auf dem Präsentierteller, da die fünf Frauen sie abwartend ansahen. Natürlich würde es Günther recht geschehen, wenn er sich um sie Sorgen machte. Immerhin hätte er ja mal nach ihr sehen können, als er wieder eingestiegen war. Gut, er wollte sie nicht aufwecken, aber ihr hätte ja auch irgendwas passiert sein können. Genau genommen hätte sie auch tot auf der Rückbank sitzen können, und das wäre ihm bis jetzt auch noch nicht aufgefallen. Aber sie konnte doch nicht einfach ... „Okay, dann mache ich dir einen Vorschlag", meldete sich Claudia zu Wort, die Steffi den Gewissenskonflikt angesehen haben musste. „Du bleibst erst mal bei deinem Nein, und wir nehmen dich bis Köln mit. Wenn dein dich so fürsorglich liebender Ehemann bis dahin noch immer nicht angerufen hat, weil ihm dein Verschwinden noch nicht aufgefallen ist, dann überlegst du es dir noch mal. Was hältst du davon ?" Steffi nickte bedächtig. „Ja, einverstanden. Machen wir es so. Aber ... da fällt mir ein, ich habe nur die Sachen, die ich am Leib trage, und meine Handtasche. Mein Gepäck ist in unserem Wagen im Kofferraum." „Wir überlassen dir was von uns", versprach ihr Tanja. „Da finden wir schon was Passendes." „Christiane", sagte Monika daraufhin, „überleg dir schon mal, was du Steffi überlassen wirst. Du bist schließlich die Einzige von uns, die drei Nummern kleiner trägt. In deine Sachen passt ja keine von uns." Bei diesen Worten wurde Steffi erst bewusst, dass die Blondine eine so schlanke, drahtige Figur hatte, dass man sie dreißig Jahre jünger geschätzt hätte, wäre man nur nach dem Körper gegangen. Christiane sah zu Steffi und hob entschuldigend die Schultern. „Tut mir leid, aber ich konnte schon immer essen, so viel ich wollte, ich nehme einfach nie zu." „Du bist zu beneiden", sagte Steffi, was sie zumindest in dieser Hinsicht ernst meinte. Nicht zu beneiden war dagegen ihr Gefühl für den Umgang mit Make-up. Sie konnte nur hoffen, dass Christiane sich nicht anbot, sie jeden Tag zu schminken. Zum Glück setzte auf ihre Bemerkung hin eine Unterhaltung über Essgewohnheiten und ihre „pfundigen Folgen" - wie Simone sie bezeichnete - ein, sodass niemand mehr auf Chris - tianes Antwort wartete. Als sie alle ihren Kaffee getrunken und sich mit einem Brötchen gestärkt hatten, verließen sie gemeinsam mit Steffi den Tankstellenshop und gingen zu einem roten VW-Bus. * * * Es war kurz vor Mitternacht, als sie sich Köln näherten. Steffi hatte es sich in der zweiten Reihe auf der Beifahrerseite bequem gemacht und wäre fast schon wieder eingeschlafen, weil Monika eine so sichere Autofahrerin war, die ein angenehmes Tempo beibehielt und stets die Ruhe selbst zu sein schien, selbst wenn sie mal einen Lastwagen überholte und sich einer von diesen notorischen Rasern ganz dicht hinter den Bus klemmte und den Finger nicht von der Lichthupe bekam. „So, Steffi", sagte Monika auf einmal. „Jetzt musst du dich entscheiden, was du machen willst. Sollen wir dich irgendwo absetzen, wo du weiter auf deinen Mann warten kannst, oder willst du uns begleiten ?" Steffi atmete angestrengt durch, weil ihr die Entscheidung keineswegs leichtfiel. Natürlich wollte sie ihrem Mann eine Lektion erteilen, das hatte er sich jetzt umso mehr verdient, da noch immer kein Anruf von ihm eingegangen war. Ganz bestimmt hatte er seit der letzten Pause noch einen kurzen Zwischenstopp eingelegt, und dabei war ihm noch immer nicht aufgefallen, dass er seit Stunden allein unterwegs war. Andererseits war es auch wieder sehr rücksichtsvoll von ihm, sie schlafen zu lassen. Wenn sie doch nur ... „Steffi ?" „Ja, ja, ich ...", begann sie, ohne zu wissen, was sie antworten sollte. Dann kam ihr eine Idee. „Sagt mal, bis nach Aachen gibt es doch bestimmt noch zwei oder drei Raststätten, oder ?" „Ja, zwei auf jeden Fall", antwortete Tanja. „Ehrlich gesagt, habe ich noch nie so genau darauf geachtet, aber zwei sind es auf jeden Fall." „Das ist doch perfekt", entschied Steffi. „Wenn Günther sich bis dahin noch melden sollte, könnt ihr mich auf der Strecke absetzen, dann kann er mich da abholen. Ansonsten fahre ich eben mit." „Das ist ein Wort", freute sich Christiane und beugte sich vor, um ihr auf die Schulter zu klopfen. Steffi war froh, dass es dunkel war, weil ihr so niemand ansehen konnte, dass sie nicht wusste, ob sie wirklich die richtige Entscheidung getroffen hatte. Nicht ganz eine Stunde später hatten sie Aachen passiert und fuhren auf die Grenze zu den Niederlanden zu, als auf einmal Steffis Handy zum Leben erwachte und den Eingang einer SMS meldete. Steffi wurde aus dem Halbschlaf gerissen. Günther !, dachte sie und kramte in ihrer Handtasche, bis sie das Telefon gefunden hatte. Sie schaltete die Tasten frei, um die Nachricht zu öffnen, die er ihr geschickt hatte.
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Noch bevor der Text auf dem Display erschien, meldeten auch die Handys ihrer Mitreisenden mit knappen Klingeltönen den Erhalt von Kurznachrichten. In dem Moment ahnte Steffi bereits etwas, dennoch raste ihr Herz, als sie die Zeilen zu lesen begann, die ihr von ... ihrem Netzbetreiber geschickt worden waren. „Welkom bij PTT Nederland", las sie halblaut vor. „Sorry, wir hätten dich wohl besser warnen sollen", sagte Tanja, die in der gleichen Reihe neben ihr saß. „Sobald man sich in der Nähe der Grenze befindet, kommt eine SMS, in welchem Netz man jetzt telefoniert. Das Dumme dabei ist, dass sich die Netze überlagern und manchmal fünf oder sechs solche Mitteilungen reinkommen, weil dann gerade mal das deutsche Netz stärker ist und hundert Meter weiter wieder die Holländer das Signal überlagern." „Das gleiche Spiel geht nachher noch mal los, wenn wir durch Belgien fahren und dann wieder nach Holland wechseln", warf Monika vom Fahrersitz ein. „Bis wir da durch sind, wird dein Handy bestimmt noch zwanzigmal klingeln. Und unsere natürlich auch." Nach kurzem Überlegen sagte sie: „Vielleicht sollten wir die Dinger auf stumm schalten, bis wir in Hoek van Holland angekommen sind, deins natürlich ausgenommen, Steffi. Von uns erwartet nämlich heute Nacht niemand einen Anruf." Die anderen murmelten zustimmend, dann war zu hören, wie alle mit ein paar Tastendrucken den Ton an ihren Handys ausschalteten. „Wie weit ist es eigentlich noch bis Hoek van Holland ?", fragte Steffi wenig später ihre Platznachbarin. „Weiß nicht ... Monika, wie weit noch ?" „Kann ich dir so nicht sagen", antwortete sie. „Dafür müsste ich am Navi rumfummeln, und das will ich während der Fahrt nicht. Schon gar nicht nachts." „Nicht schlimm, ich sehe selber mal nach", sagte Tanja und griff in ihre geräumige Handtasche, aus der sie einen Tablet-PC holte. Steffi sah ihr interessiert zu, mit welcher Geschwindigkeit sie sich auf dem Gerät von Bild zu Bild bewegte, bis sie schließlich verkünden konnte: „Noch genau zweihundertzweiundfünfzig Kilo meter." „Okay, danke." „Hier", redete Tanja weiter und hielt ihr das Tablet hin. „Da kannst du dir auch den Rest der Strecke in Ruhe ansehen." „Nein, nein, lieber nicht", lehnte sie ab, aber die andere Frau drückte ihr das Tablet in die Hand. „Was ist ? Du hältst da kein rohes Ei in der Hand", sagte Tanja, als sie sah, dass Steffi das Gerät nur am äußersten Rand festhielt. „Außerdem kannst du nichts bedienen, wenn du nicht mal einen Finger in die Nähe des Bildschirms bewegst." „Ich ... ich will da nichts verkehrt machen", antwortete sie ausweichend. „Du kannst da nicht viel verkehrt machen." „›Nicht viel‹ heißt aber, dass ich trotzdem irgendwas verkehrt machen kann", beharrte Steffi. „Du weißt aber doch, wie so ein Ding funktioniert, oder ?", fragte Tanja ein wenig zögerlich nach, so als sei sie sich nicht ganz sicher, ob ihre Worte als Beleidigung aufgefasst werden könnten. „Ehrlich gesagt ... nein, jedenfalls nicht so richtig", gestand sie und spürte, dass sie einen roten Kopf bekam, weil es ihr peinlich war, das vor fremden Leuten zugeben zu müssen. „Darf ich mal fragen, was du beruflich machst ?", erwiderte Tanja. „Ich meine, es gibt doch heute so gut wie nichts mehr, wo man ohne einen Computer auskommt." „Mir gehört ein kleines Handarbeitsgeschäft in der Fußgängerzone. „ „Da brauchst du doch schon zwangsläufig einen PC, wenn du Ware bestellen musst." Steffi nickte. „Na, ich hab ja auch einen PC, aber ich hab auch eine Halbtagskraft angestellt, die sich um alles kümmert, was damit zu tun hat." „Hm", machte Tanja. „Und du willst auch gar nicht damit umgehen können ? Oder woran liegt's ?" „Wollen will ich schon, aber ... na ja, mein Mann ist der schlechteste ... ›Erklärer‹ auf der Welt", räumte sie ein. „Günther kann dir nicht mal den Weg bis zur nächsten Ecke erklären, ohne so viel drumherum zu erzählen, dass du am Ende nicht mal mehr weißt, ob du jetzt nach links oder rechts gehen musst." „So schlimm ?" „O ja, so schlimm. Und dabei ist das von ihm alles noch gut gemeint, er wird nicht wütend, wenn jemand nicht mit einer Erklärung von ihm klarkommt. Dann fängt er sogar noch mal an und versucht es noch umständlicher und ausschweifender, aber danach weiß erst recht keiner mehr, was er tun soll." „Kann ich mir gar nicht vorstellen", gab Tanja zurück. „Dann werde ich dir mal ein Beispiel geben", sagte Steffi. „Wenn du irgendwo stehst, meinetwegen in Frankfurt am Haupt - bahnhof, und du willst zur Zeil, dann ..." „... dann gehst du durch die Kaiserstraße immer weiter geradeaus, und wenn du den Kaufhof siehst, dann hast du die Zeil erreicht." „So würde ich das auch erklären", stimmte Steffi ihr zu. „Aber Günther erzählt dir dann, dass du geradeaus über die Ampel gehst, was du bis vor ein paar Jahren nicht machen konntest, weil du vom Bahnhof aus die Unterführung benutzen musstest, da hättest du also die Treppe in die U-Bahn nehmen müssen, dann um die Bäckerei herum, in der früher mal eine Wurstbude war, vorbei an der Boutique auf der linken Seite, da gab's vor zwanzig Jahren mal einen tollen Schallplattenladen, und dann müsstest du die Treppe rauf, aber das kannst du dir jetzt sparen, weil du ja oberirdisch die Ampel nehmen kannst ... und nach fünf Minuten Erklärung hast du dann gerade mal die Straße überquert." „Und der Weg bis zur Zeil ist noch weit", ergänzte Tanja und stöhnte leise auf. „Richtig, und da gibt es noch jede Menge Anekdoten zu erzählen, zum Beispiel die von dem kleinen Souvenirladen, dessen Inhaber immer ... und so weiter und so fort. In der Zeit bist du zu Fuß einmal bis zur Zeil hin und zurück gelaufen." „Oh weh. Und das Gleiche am Computer ? Das klingt übel." „Das ist es auch. Ich habe versucht, es mir von ihm erklären zu lassen, aber anstatt mir zu zeigen, wie ich ein bestimmtes Programm öffne und wie ich mit dem Programm arbeite, hat er mir alle Programme präsentiert und mir gezeigt, wie man Fotos bearbeitet und Videos schneidet - nicht, dass ich davon irgendetwas behalten hätte." „Aber hättest du nicht einen Kurs belegen können ?", warf Christiane ein, die die Unterhaltung verfolgt hatte. „Hab ich auch versucht", antwortete sie und sah über die Schulter. „Aber als ich ihm meine ersten Fortschritte präsentieren wollte, da hat er mich mit Verbesserungsvorschlägen so verrückt gemacht, dass ich am Ende alles wieder vergessen hatte. Und meine Halbtagskraft will ich damit auch nicht behelligen." „Weißt du was, Steffi ?", erklärte Tanja in entschiedenem Tonfall. „In den nächsten Tagen bekommst du von uns einen Schnell - kurs in Sachen Computer verordnet, und dann kannst du so einige Dinge selbst erledigen und bist nicht mehr darauf an ge - wiesen, dass jemand das für dich übernimmt." „Meinst du, so was funktioniert ?", fragte sie skeptisch. „Na, klar. Wir werden dich nicht dauernd dazu zwingen, irgendwas mit dem PC zu machen, aber wir lassen dich mal ein Foto auf unserer Facebook-Seite einstellen oder eine Mail schreiben, und in ein paar Tagen bist du fit für deinen eigenen Computer. Das verspreche ich dir." Steffi zögerte sekundenlang, dann nickte sie erst verhalten und schließlich mit Nachdruck. Ja, der Gedanke gefiel ihr. Vielleicht würden diese Frauen ihr tatsächlich den Umgang mit einem Computer leichter verständlich machen können als jeder andere. Ihre Angestellte war erst Mitte zwanzig, sie war mit all dem Kram aufgewachsen und konnte sich gar nicht vorstellen, wie die Menschheit ohne PC, Handy und Internet gelebt haben sollte. Von ihr konnte sie sich erst recht nichts erklären lassen, weil sie überhaupt kein Empfinden dafür hatte, wo sie mit Erklärungen ansetzen sollte. Und der Kurs, den Steffi besucht hatte, war zwar nicht so schlecht gewesen, aber wenn sie ehrlich sein sollte, dann war sie sich dort vorgekommen, als würde der Kursleiter alle Teilnehmer für schwachsinnig halten. „Einverstanden, das wür - de mich freuen, wenn ihr das versuchen wollt." „Die Leute werden sich wundern, was du alles kannst, wenn du nächste Woche wieder daheim bist", versicherte ihr Tanja. In diesem Moment wurde Steffi an Günther erinnert und daran, dass er sich noch immer nicht bei ihr gemeldet hatte. Sie wollte gar nicht darüber nachdenken, wie weit er inzwischen gefahren sein mochte, ohne zu bemerken, dass sie gar nicht auf der Rückbank saß und schlief. Wieder ging eine SMS ein, aber die kam auch nur vom gerade aktuellen Netzbetreiber. „Ich fange aber nicht heute Nacht damit an, damit das klar ist", erwiderte sie mit aufgesetzter Fröhlichkeit, um ihre trüben Gedanken zu überspielen. Diese fünf Frauen wollten ihr etwas Gutes tun, und das sollte sie auch würdigen, anstatt in Depressionen zu versinken und dieser fröhlichen Gruppe die Stimmung zu verderben. „Nein, das solltest du wirklich besser bei Licht machen", meinte Tanja und zwinkerte ihr zu. Dann lehnte sich Steffi auf ihrem Platz nach hinten, ließ den Kopf gegen die Rückenlehne sinken und schloss die Augen, um ein wenig zu dösen. „Das da drüben war die Ausfahrt !", ertönte irgendwann Simones aufgeregte Stimme. „Wir haben die Ausfahrt verpasst ! Warum bist du nicht abgebogen ?" „Weil das Navi gesagt hat, dass wir erst in zweihundert Metern abbiegen müssen", erwiderte Monika. „Aber in zweihundert Metern gibt es keine Ausfahrt, wie du siehst", gab Simone zurück, während im Wagen Unruhe aufkam, die Steffi aus dem tiefen Schlaf holte, in den sie gefallen war. Dann hatte sie also nicht bloß geträumt, sie hätten soeben die Ausfahrt verpasst. „Außerdem stand da groß und deutlich Rotterdam, und wenn ich mich nicht irre, dann müssen wir über Rotterdam fahren." „Beim letzten Mal hat das Navi aber nicht so einen Unsinn erzählt „, wandte Monika ein. „Vielleicht haben sie ja auch nur für heute Nacht die Ausfahrt ein Stück nach vorn geschoben, damit wir sie verpassen !", fauch - te Simone. „Mädels, beruhigt euch mal wieder", rief Claudia ihnen zu. „Das ist doch kein Problem, wir nehmen einfach die nächste Ausfahrt, und dann werden wir doch sowieso dahin gelotst, wo wir hin wollen." „Eben", stimmte Tanja ihr zu und rief lachend: „Also vertragt euch jetzt wieder. Alle folgen dem Navi, wir auch." Steffi wandte sich an Tanja, die ihr Tablet auf dem Schoß liegen hatte und sich irgendwelche Fotos ansah. „Sag mal, kannst du mir noch mal diese Karte zeigen, auf der du an der Grenze nachge - sehen hast, wie lange wir noch bis zur Fähre unterwegs sind ?" „Ja, sicher." Sie tippte auf dem Bildschirm herum, zog mit einem Finger irgendwelche Bilder zur Seite und hielt ihr dann den Computer hin. „Hier, und ungefähr hier sind wir im Moment." „Dann ist das da die Ausfahrt, die wir verpasst haben ?", vergewisserte sich Steffi. „Richtig. Und wenn wir da vorn die nächste Ausfahrt nehmen, berechnet das Navi den Weg, den wir nehmen müssen, um auf die Strecke nach Rotterdam zu kommen." „Kann man das vergrößern ?" Tanja drückte Daumen und Zeigefinger auf den Bildschirm und spreizte sie, woraufhin der Ausschnitt vergrößert wurde. „Wow", murmelte Steffi. „Und wenn du so mit der Fingerkuppe drübergehst, kannst du sehen, was ringsum angezeigt wird." „Aha", erwiderte sie und zog das Bild nach rechts unten, damit sie mehr davon sehen konnte, wohin sie fuhren. Sie legte den Kopf schräg, dann zog sie das Bild weiter. Schließlich sagte sie in einem sogar in ihren Ohren überraschend bestimmenden Tonfall: „Wir sollten nicht die nächste Ausfahrt nehmen, sondern auf dem Autobahnring weiterfahren. Das Ding heißt nicht umsonst Autobahnring, also kommen wir wieder zu der verpassten Ausfahrt und können da rausfahren, wo wir hin müssen." „Unsinn", wehrte Monika ab. „Wir haben ein Navi, wir können abbiegen, wo wir wollen, wir verfahren uns nicht." „Mein Schwager hat das aber mal geschafft", beharrte Steffi. „Er wollte auf dem Brüsseler Ring nach Oosteinde fahren, aber an dem Wochenende war die Ausfahrt wegen Bauarbeiten gesperrt. Es gab keine Umleitungsschilder, und das Navi hat ihn immer wieder stur zu dieser Ausfahrt zurückgelotst. Er ist ein paar Stunden durch die Gegend geirrt, bis er plötzlich ein Hinweisschild entdeckte, dass es noch zwölf Kilometer bis nach Lüttich sind. Er ist also die ganze Zeit über in die falsche Richtung geschickt worden." „Dann hat er bestimmt das Ziel nicht richtig eingegeben." Steffi staunte über Monikas Meinung, und das aus zwei Gründen: Erstens musste Monika als die Älteste in der Gruppe länger als alle anderen beim Autofahren ohne Navigationsgerät ausgekommen sein, also sollte sie doch noch in der Lage sein, nach einer Straßenkarte zu fahren. Zweitens - und das war der springende Punkt - hatte sich das Navi gerade eben erst geirrt, also gab es keinen Grund, dem Gerät jetzt wieder blind zu vertrauen. So direkt wollte sie das Monika nicht sagen, weil sie nicht wusste, wie die auf Kritik reagieren würde, also versuchte sie es über einen Umweg. „Wem gehört der Wagen ?" „Was ?", gab Monika zurück. „Wem der Wagen gehört, habe ich dich gefragt." „Unserem Nachbarn." „Wie oft fährt der nach Belgien ?" Monika schnaubte aufgebracht. „Was hat das denn mit der verpassten Ausfahrt zu tun ?" „Wie oft fährt der nach Belgien ?", wiederholte sie, obwohl es der älteren Frau nicht zu gefallen schien, dass die Neue in der Gruppe sich in einer Sache zu Wort meldete, die sie nichts anging. Aber die Sache ging sie sehr wohl etwas an. „Keine Ahnung. Ich glaube, der ist noch nie in Belgien gewesen. „ „Okay, und wie lange hat er den Wagen schon ?" „Was weiß ich ! Fünf, sechs Jahre oder so", antwortete Monika. „Kannst du mir mal verraten, was deine Fragen sollen, Frau Inspector Columbo ?" „Ganz einfach", erklärte Steffi. „Der Wagen ist fünf Jahre alt, euer Nachbar war noch nie in Belgien, also wird er bestimmt auch nie aktuelles Kartenmaterial für Belgien gekauft haben. Das heißt, unser Navi kennt nur die Straßen von vor fünf Jahren. Seid ihr das letzte Mal auch mit diesem Wagen gefahren ?" „Ja, weil dieser Bus einfach ideal ist", erwiderte Simone von ihrem Platz auf dem Beifahrersitz. „Okay, dann haben die hier seit dem letzten Mal, als ihr die Strecke gefahren seid, an der Ausfahrt nach Rotterdam irgendwas geändert, dass sie jetzt zweihundert Meter eher abzweigt." „Hast du nicht gerade gesagt, du kennst dich nicht mit Computern aus ?", gab Monika unüberhörbar mürrisch zurück. „Tue ich auch nicht, aber Günther und ich, wir haben eine Erfahrung mit dem Navi hinter uns, die ihn dazu gebracht hat, in die Werkstatt zu fahren und das Ding abschalten zu lassen, damit er es ja nicht wieder benutzt", erklärte Steffi, die nicht vorhatte, sich von Monikas Tonfall beeindrucken zu lassen. „Wir waren vor zwei Jahren in Norddeutschland im Urlaub und wollten uns in Hamburg den König der Löwen ansehen. Weil wir auf die Idee kamen, von Bremen aus nicht über die Autobahn zu fahren, sondern die Landstraße zu nehmen, haben wir zum ersten Mal das Navi benutzt ..." „Warum kauft ihr einen Wagen mit Navi, wenn ihr es sonst nicht benutzt ?", warf Monika ein. „Der Wagen war eine Tageszulassung und deswegen so günstig, dass wir uns die Gelegenheit nicht entgehen lassen konnten. Das Navi gehörte mit zur Ausstattung, aber haben wollten wir es eigentlich nicht", erklärte Steffi. „Als wir nach Hamburg kamen, zog auf einmal dichter Nebel auf, und wir konnten nur noch Schritttempo fahren. Auf einmal sagt das Navi, wir sollen nach dreißig Metern rechts abbiegen. Günther hatte so ein ungutes Gefühl, weil ein Stück zuvor noch ein Zug ganz dicht neben uns vorbeigedonnert war. Darum fuhr er dreißig Meter weiter, aber hielt dann an. Wir sind beide ausgestiegen und haben uns die ›Straße‹ angesehen, in die wir einbiegen sollten. Bloß war da keine Straße mehr, sondern eine Absperrung, weil man die Brücke abgerissen hatte, die über die Schienen führte. Wäre Günther da abgebogen und nur etwas zu schnell gewesen, hätte er die Absperrung durchbrochen, und wir wären mit dem Wagen auf den Schienen gelandet. Und gerade als wir da standen, raste der nächste Zug vorbei." Nach einer kurzen Pause fügte sie hinzu: „Der hätte uns erwischt." „Was hat das mit unserer nächsten Abfahrt zu tun ?", fragte Monika abweisend. „Sehr viel. Ich habe mir gerade die Karte angesehen, und die nächste Abfahrt führt in den Hafen von Antwerpen. Wenn da alles noch genauso aussieht wie vor fünf Jahren, als diese Karte in dem Ding da vorn mal aktuell war, dann haben wir keine Probleme. Aber wenn das nicht der Fall ist, werden wir unter Umständen in der Dunkelheit irgendwo auf eine Brücke geschickt, die man auch abgerissen hat, weil sie nicht mehr gebraucht wird. Also, ich habe jedenfalls keine Lust, mitten in der Nacht einen Ausflug durch ein Hafengelände zu unternehmen, in dem ich mich vermutlich sogar am Tag nicht zurechtfinden würde. Ich meine, wir sollten einmal dem Ring folgen und dann aufpassen, dass wir die richtige Ausfahrt erwischen." Sie drehte sich zu den anderen um. „Was meint ihr ?" „Sie hat völlig recht, Monika", rief Christiane aus der letzten Reihe. „Ich will auch nicht mitten in der Nacht durch den Hafen kurven. Wer weiß, wo wir da landen !" „Wisst ihr, wie lange wir für den ganzen Autobahnring brauchen ?", hielt Monika beharrlich dagegen. „Weißt du, wie lange die Feuerwehr braucht, bis sie uns aus dem Hafenbecken gefischt hat ?", konterte Tanja und legte eine Hand auf Steffis Schulter, um ihr zu zeigen, dass sie auf ihrer Seite war. Monika schüttelte grummelnd den Kopf. „So was nennt man Revolution", schimpfte sie. „Nein, das nennt man Demokratie", widersprach Simone, die sich mittlerweile amüsiert anhörte. „Eine Revolution wäre es, wenn du eine Diktatorin wärst. Aber so was willst du bestimmt nicht sein, oder ?" Von Monika war nur ein Schnauben zu hören, das aber schon etwas versöhnlicher klang. Steffi wartete noch ab, um aufzupassen, ob sie nicht doch die nächste Ausfahrt nehmen würde, nur um ihren Willen durchzusetzen, doch dann fuhr Monika tatsächlich weiter. Beruhigt lehnte sich Steffi zurück und schloss wieder die Augen . Bei ihrer Ankunft um halb vier am Morgen in Hoek van Holland war es noch immer stockfinster. Vom Meer wehte ein kalter Wind in den Hafen, als sie aus dem Wagen ausstiegen. Irgendwann unterwegs hatte sich Monika von Tanja ablösen lassen, damit sie keine Pause mehr einlegen mussten und die Zeit aufholen konnten, die sie auf ihrer Rundfahrt um Antwerpen verloren hatten. Sie betraten die kleine Schalterhalle, wo Christiane zielstrebig zum Ticketschalter ging, um die reservierten Karten für die Überfahrt zu bezahlen. Steffi folgte den anderen zu einer angeschlossenen Cafeteria, wo sie die erste Gelegenheit nutzte, um den Frauen einen Kaffee auszugeben. Simone und Claudia setzten sich an einen Tisch, während Monika und Tanja am Fenster standen und den kleinen Hafen betrachteten, der von Hunderten von Lichtern erhellt wurde, in dem aber nur wenig los war. Steffi stand unschlüssig da, weil sie nicht wusste, zu welchem der beiden Paare sie sich gesellen sollte. Sie kannte die anderen einfach noch nicht gut genug, um einschätzen zu können, ob die im Moment lieber unter sich bleiben wollten. Nach kurzem Zögern ging sie schließlich zu der großen Europakarte, die gleich neben dem Durchgang zur Schalterhalle an der Wand hing. Während sie dastand, den Kaffeebecher in der Hand, und mit einem Finger die Strecke nachzeichnete, die sie gefahren waren, kam Christiane mit den Fahrkarten herein. Steffi hielt ihr den Becher Kaffee hin, den sie für sie mitgenommen hatte, und Christiane kam zu ihr. „Wie viel bekommst du dafür ?" Steffi schüttelte den Kopf. „Gar nichts, den spendiere ich. Ich sollte schließlich irgendwann mal damit anfangen, mich erkenntlich dafür zu zeigen, dass ihr mich so spontan mitgenommen habt." Christiane nickte dankend und erwiderte: „Wir haben ja schon alles für sechs Leute bezahlt, da wäre es doch eine Schande, das verfallen zu lassen, wenn wir einen Ersatz finden, der so nett ist wie du." „Außer wenn ich mich einmische, weil das Navi seinen Einsatz verpasst hat", nahm sie sich selbst auf den Arm. „Das ist wohl nicht so gut angekommen." „Ach, Monika kann manchmal nicht so gut mit Kritik umgehen „, antwortete Christiane, winkte ab und trank einen Schluck Kaffee. „Sie ist da etwas dünnhäutig, aber damit muss sie leben, wenn sie die Ausfahrt verpasst und dann mit uns in die Wildnis fahren will." Steffi hob entschuldigend die Schultern. „Na ja, ich hätte auch nichts gesagt, wenn ich nicht mit Günther einmal so knapp dem Tod entkommen wäre. Hätten wir auf das Navi gehört, dann ... dann wären wir auf den Schienen gelandet und vom Zug zerfetzt worden, noch bevor wir überhaupt begriffen hätten, was eigentlich los ist." „Mach dir keine Gedanken darüber", versicherte ihr Christiane und klopfte ihr leicht auf die Schulter. „Daheim sagt sie ihrem Mann und den Kindern den ganzen Tag über, wo es langgeht, deshalb meint sie, das könnte sie mit uns genauso machen. Nur kommen von uns schon mal Widerworte, und dann wird sie erst mal sauer und muss begreifen, dass sie eben nicht ihre Familie vor sich hat, sondern fünf andere Frauen, mit denen sie befreundet ist und die ihr ganz schnell zumindest vorübergehend die Freundschaft aufkündigen können, wenn sie sich nicht zusammenreißt. „ „Ein bisschen unangenehm war mir das aber schon." „Das muss es nicht sein, Steffi, und vor allem ist es gut, dass du von dir aus gesagt hast, was dir nicht passt. Jetzt weiß sie, dass du dir von ihr auch nichts sagen lässt." Wieder nippte sie an ihrem Kaffee. „Andernfalls hätte sie vermutlich versucht, dich bei jeder Gelegenheit herumzukommandieren." „Ich dachte, ihr fünf seid gute Freundinnen", wunderte sich Steffi. „Da kommt man doch eigentlich viel besser miteinander aus. Jedenfalls kenne ich das nur so. Was du mir da erzählst, klingt irgendwie ein wenig nach Machtspielchen." Christiane legte den Kopf in den Nacken und schüttelte ihre blonde Mähne. „Wir sind nicht sechs Freundinnen, die sich alle zufällig für Rosa interessieren ..." „Rosa ?" „Rosamunde Pilcher", erklärte die andere Frau. „Wenn wir unter uns sind, nennen wir sie nur kurz Rosa, da wissen wir alle, wer gemeint ist." Nach einer kurzen Pause fuhr sie fort: „Wovon ich eben sprach ... wir sind keine Freundinnen, die sich alle für Rosa interessieren, wir sind Pilcher-Fans, die sich über das gemeinsame Hobby gefunden haben. Wir unternehmen gemeinsam diese Fahrten, wir lesen gemeinsam ihre Bücher und diskutieren, wir haben auch schon mal versucht, gemeinsam einen eigenen Roman in ihrem Stil zu schreiben, aber da haben wir gemerkt, dass wir an ihr Können überhaupt nicht heranreichen. Wir hatten zwar alle tolle Ideen, welche Figuren eine Rolle spielen sollten, aber auf halber Strecke haben wir völlig den Faden verloren, weil wir immer mehr reinpacken wollten. Da haben wir es dann aufgegeben." Sie trank einen Schluck Kaffee. „Aber von unserem Hobby abgesehen, führt jede von uns ihr ganz eigenes Leben. Und manchmal ist es sogar genau das Hobby, das uns in verschiedene Lager spaltet." „Weil ihr unterschiedlicher Meinung seid, ob ein Buch besonders gut ist ?" Christiane schüttelte den Kopf. „Wenn die Sammelwut die Oberhand gewinnt." Steffi reagierte mit einer fragenden Miene. „Du bist ja nicht so fit, was Computer angeht, aber du weißt bestimmt, was Ebay ist." Sie nickte. „Ja, da kann man übers Internet Dinge ersteigern." „Richtig, und weil es so gut wie nichts gibt, was nicht über Ebay angeboten wird, kannst du dich auch mit Pilcher-Artikeln eindecken." „Also mit Büchern." „Ja, aber nicht nur mit Büchern", betonte Christiane. „Da gibt es dann seltene Erstausgaben, signierte Bücher, Autogramme, Kopien von Manuskripten, bevor sie von einem Lektor bearbeitet wurden. So ziemlich alles eben, was man sich vorstellen kann. Da gab es zum Beispiel eine englische Erstausgabe von den Muschelsuchern, die Simone unbedingt haben wollte, also hat sie geboten. Jemand hat mitgeboten, und nach ein paar Tagen war der Preis bei über hundertfünfzig Euro angekommen. Dann hat sie aufgegeben, das Buch wurde verkauft, und eine Woche später kommt Claudia zum monatlichen Stammtisch und präsentiert voller Stolz das Buch. Sie hatte es Simone vor der Nase weggeschnappt, obwohl sie uns davon erzählt hatte und Claudia ganz genau wusste, wie sehr sie das haben wollte." „Aber wenn ihr doch alle sammelt ...", wandte Steffi ein. „Wir sammeln, aber nicht jeder von uns sammelt alles, und Claudia beispielsweise kann mit Mühe ein paar Brocken Englisch auf die Reihe kriegen", erklärte Christiane. „Sie kauft nur die deutschen Ausgaben, aber nie eine englische. Simone hat sich damals die Gebotsliste angesehen und festgestellt, dass Claudia das erste Gebot abgegeben hat, nachdem wir uns in einem Café getroffen hatten, und zwar ziemlich genau eine Stunde später." „Also wollte sie Simone nur ärgern ?" „Ganz genau", bestätigte sie. „Und wir sind kurz darauf auch dahintergekommen, warum sie das getan hat." „Weil Simone ihr was weggeschnappt hat ?" „Richtig, ein signiertes Hardcover von Sommer am Meer, das zufälligerweise einer Frau gewidmet war, die auch Claudia hieß. Simone hatte darauf gar nicht geachtet, ihr ging es nur um die Unterschrift im Buch, und deshalb wollte sie es auch nicht hergeben. „ „Warum haben die beiden das signierte Buch und die Originalausgabe nicht einfach getauscht ?" „Ach, Steffi", seufzte Christiane übertrieben und sagte dann mit deutlich ironischem Unterton: „Du bist ja sooo naiv, meine Kleine. Fans tauschen doch nicht einfach, nur weil der eine was hat, was der andere haben will." „Ja, aber ... das wäre doch ein Tausch Buch gegen Buch gewesen „, wandte Steffi ein und musste zugeben, dass sie wohl ziemlich naiv rüberkam, aber sie hatte auch keine Ahnung von dieser Szene. Genau genommen hatte sie bis gerade eben nicht mal gewusst, dass es überhaupt so etwas wie eine Szene gab. „Zwei Bücher, von denen das eine dreißig und das andere hundertfünfzig Euro gekostet hat", sagte Christiane und zählte die Probleme an den Fingern ab. „Zwei Bücher, die für beide Beteiligten ganz unterschiedliche Bedeutung besitzen. Und dazu kommt das Problem, dass man den anderen gar nicht wissen lassen möchte, wie sehr man das Objekt der Begierde eigentlich haben möchte, weil man damit den Preis selbst in die Höhe treibt. Und nicht zu vergessen die Genugtuung darüber, dass man dem anderen mal so richtig eins ausgewischt hat." „Hm", machte Steffi. „Und trotzdem unternehmt ihr gemeinsam so etwas wie diese ... ›Pilcher-Reise‹ ? Wenn ich das so höre, würde ich sagen, das passt irgendwie nicht so ganz zusammen." „Ach, du darfst nicht vergessen, dass so was nur manchmal vorkommt. Wir schmieden nicht ständig irgendwelche Intrigen, dafür schweißt uns das Hobby einfach zu sehr zusammen. Aber manchmal ist man eben doch mehr Egoist als gute Freundin." „Was ist los mit euch ?", meldete sich auf einmal Claudia zu Wort, die zu ihnen gekommen war und je einen Arm um Steffis und Christianes Schulter legte. „Heckt ihr etwa eine neue Verschwörung gegen Monika aus ? Wollt ihr sie als Fahrerin aufs Abstellgleis schieben ?" Dabei grinste sie breit, doch nach allem, was Steffi bislang erfahren hatte, war sie sich jetzt gar nicht mehr so sicher, ob das bloß ein Witz sein sollte oder ob mehr dahintersteckte. „Das erledigen wir später", gab Christiane lachend zurück. „Ich wollte Steffi gerade zeigen, dass unsere Route nach Cornwall tatsächlich die günstigste ist. Sie hatte überlegt ..." „... ob es nicht praktischer wäre", fiel Steffi ein, die blitzschnell reagierte, nachdem sie aus dem Augenwinkel einen Blick auf die Karte geworfen hatte, „quer durch Frankreich bis zum westlichsten Zipfel zu fahren und erst da überzusetzen. Da ist man doch direkt in Cornwall und muss nicht erst noch quer durch England fahren." „Du meinst von Frankfurt über Paris bis nach Brest ..." „... und von da mit der Fähre rüber nach Plymouth", bestätigte Steffi. „Dann wäre man doch schon in Cornwall." „Ich weiß, was du meinst, aber das täuscht", erwiderte Claudia. „Die Strecke ist zwar glatter, allerdings sind das auch fast zweihundert Kilometer mehr, und du darfst nicht vergessen, dass wir für die Autobahnbenutzung Mautgebühr bezahlen müssen. Es dauert also länger, und es kostet auch mehr." „Und über Calais ?", wollte Steffi wissen. „Da ist man doch nur ein kurzes Stück in Frankreich unterwegs." „Ja, trotzdem sind das immer noch ein paar Kilometer mehr als auf unserer Strecke. Der einzige Vorteil ist der, dass man nur kurz mit der Fähre unterwegs ist, aber insgesamt lohnt sich das nicht. Wir haben das alles im Internet verglichen, und es ist hier immer noch am günstigsten." Sie zuckte entschuldigend mit den Schultern. „Diese Fahrt geht ganz schön ins Geld, musst du wissen, und bei keinem von uns sitzt das Geld so locker, dass wir gar nicht auf die Kosten achten müssten. Sonst würden wir einen Flieger und in Heathrow einen Mietwagen nehmen." „So genau wollte ich das jetzt auch nicht wissen", entgegnete Steffi und hob abwehrend die Hände. „Das geht mich schließlich gar nichts an." „Keine von uns hat ein Problem damit, über ihre finanziellen Verhältnisse zu reden", warf Christiane ein. „Wir wollen gar nicht erst, dass unser Kurzurlaub wie irgendein extravaganter Trip aufgefasst wird. Wir sparen dafür monatlich einen bestimmten Betrag, und wenn wir die Summe erreicht haben, die wir brauchen, planen wir unsere nächste Pilcher-Reise." Steffi nickte verstehend. „Gut, dass ihr das Thema anschneidet. Ich möchte mich nämlich auch an den Kosten beteiligen, ich kann mich ja schließlich von euch nicht tagelang aushalten lassen und ..." „Nein, nein, Steffi, das kommt überhaupt nicht infrage. Wir haben dich eingeladen, du bist unser Gast, und als Gast zahlst du nichts. Klar ?" „Nicht so schnell", widersprach Steffi ihr hastig, bevor die beiden Frauen auf die Idee kamen, das Thema als erledigt anzusehen und kein Wort mehr darüber zu verlieren. „Eure Nummer sechs hat doch abgesagt, also fehlt euch ihr Anteil. Den will ich übernehmen !" „Nein, Uschi hat zwar abgesagt, aber ihren Anteil hat sie nicht zurückgefordert, weil dann die Reise komplett ins Wasser gefallen wäre", erklärte Claudia. „Das wollte sie keinem von uns antun. Es ist also alles bezahlt, ausgenommen das, was du isst und trinkst und was du dir an Souvenirs kaufst. Selbst die anteiligen Benzinkosten sind bereits bezahlt." Steffi machte eine nachdenkliche Miene. „Aber ich darf euch wenigstens mal zum Essen einladen, oder ?" „Ich glaube, dagegen hat hier niemand was einzuwenden." In diesem Moment ertönte eine Durchsage, und während Christiane die Cafeteria verließ, um so wie die gut zwei Dutzend anderen Reisenden den Wagen auf die Fähre zu fahren, folgte Steffi den übrigen Frauen über eine Gangway auf das wartende Schiff. Dort begaben sie sich aufs Vorderdeck und nahmen eine Gruppe Liegestühle in Beschlag. Während die anderen sich unterhielten und heißen Tee tranken, der ihnen inzwischen serviert worden war, saß Steffi da und betrachtete den Sternenhimmel, der im Osten einem dunkelroten Schimmer zu weichen begann. Der neue Tag brach allmählich an, und sie ... sie war offenbar von ihrem eigenen Mann völlig vergessen worden. Kein Anruf, keine SMS, kein gar nichts. Er musste längst Heiligenhafen erreicht haben, und spätestens da hätte ihm auffallen müssen, dass sie nicht mehr im Wagen saß. Aber warum rief er sie nicht an ? Selbst wenn er noch fünf Pausen eingelegt hatte, ohne zu merken, dass sie gar nicht mehr auf dem Rücksitz schlief, müsste er jetzt doch eigentlich versuchen, sie anzurufen, schließlich konnte er ja nicht wissen, wo er sie „verloren" hatte. Er konnte doch nicht vergessen, sie anzurufen, und stattdessen einfach kehrtmachen, um überall nach ihr zu suchen , wo er die Autobahn für kurze Zeit verlassen hatte. Er musste sie anrufen, damit er wusste, wo sie ausgestiegen war und wo sie sich jetzt aufhielt. Er konnte nicht wissen, ob sie da warten würde, wo er sie hatte stehen lassen, oder ob sie mit jemandem weitergefahren war. Abgesehen davon würde ihm eine solche Suche sowieso nicht weiterhelfen, denn selbst wenn er endlich die eine Raststätte erreichte, an der er sie unwissentlich zurückgelassen hatte, zweifelte Steffi ernsthaft daran, dass die junge Verkäuferin im Tankstellenshop noch irgendeine Erinnerung an sie besaß, wenn Günther die Person beschrieb, nach der er suchte ... sofern er überhaupt nach ihr suchen wollte.
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Bibliographische Angaben
- Autor: Julia Sander
- 2014, 1, 302 Seiten, Masse: 13,5 x 21,5 cm, Hochw. Broschur mit Klappeinb.
- Verlag: Weltbild
- ISBN-10: 3863657918
- ISBN-13: 9783863657918
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