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  • 5 Sterne

    7 von 11 Kunden fanden diese Bewertung hilfreich

    Ruth L., 16.01.2024

    Als Buch bewertet

    Ein literarisches Spiel
    Michael Köhlmeier greift in seinem neuesten Roman eine historische Begebenheit auf und verknüpft diese mit einer fiktiven Biographie.
    Die titelgebenden Philosophenschiffe gab es tatsächlich. Bei dieser Aktion der bolschewistischen Regierung wurden im September und November 1922 missliebige Intellektuelle ausser Landes gebracht. Lenin war der Urheber dieser Ausweisung und Trotzki verteidigte die Massnahme als Akt „ vorausschauender Humanität“.
    Auf einem dieser Schiffe befindet sich in Köhlmeiers Roman die vierzehnjährige Anouk mit ihren Eltern. Der Vater, ein Professor der Universität Sankt Petersburg und die Mutter, eine Ornithologin, gehören beide der sog. Intelligenzija an und sympathisieren mit den Bolschewiken. Doch leider verkehrten sie mit Personen, die verdächtig waren und das machte sie gleichermassen verdächtig.
    Das Mädchen macht nun auf dem Schiff die Bekanntschaft eines Passagiers, der Tage später heimlich an Bord gebracht wird: Lenin selbst. Aber er ist nicht mehr der grosse Held des Volkes, sondern ein gebrechlicher, kranker Mann im Rollstuhl. Die beiden ungleichen Passagiere treffen sich öfter und unterhalten sich und eines Tages belauscht Anouk ein Gespräch zwischen Lenin und und einem Fremden. Ein sehr aufschlussreiches Gespräch, das für Lenin ein tragisches Ende nimmt.
    Köhlmeier selbst, das will er uns zumindest glauben machen, hat die Geschichte von Anouk höchstpersönlich. Die ist mittlerweile eine hochbetagte Dame und war eine der bedeutendsten Architektinnen des 20. Jahrhunderts. Und sie wünscht sich den bekannten Autor als Biographen. Er soll ihre Lebensgeschichte niederschreiben, denn er steht in dem Ruf, ein Schriftsteller zu sein, „ dem man nicht glaubt, was er schreibt.“
    Anhand der Vita dieser faszinierenden Frau entwirft Köhlmeier ein plastisches Bild russisch- sowjetischer Geschichte. Er schreibt von Hunger und Verfolgung, von Ermordung und Exil. Zahlreiche reale Figuren tauchen im Roman auf, ihre Lebensgeschichte und ihr oft gewaltsames Ende erzählt Köhlmeier.
    Dabei geht er zurück bis in die Zarenzeit und zeigt eine Kontinuität innerhalb der russischen Geschichte. Despoten unterschiedlicher Coleur wechseln sich ab; mögen sich auch ihre Weltanschauungen unterscheiden, so bleiben ihre Methoden doch dieselben.
    Anspielungen auf heutige Verhältnisse und Personen sind sicherlich beabsichtigt. So z.B. wenn Köhlmeier von Zar Pawel I. schreibt, „ Er liess sich einen Tisch zimmern, gut acht Meter lang, an dem empfing er seine Gäste, immer nur einen, er auf der einen Seite des Tisches, der Gast auf der anderen. Zunächst habe er den benachbarten Staatsmännern geschmeichelt und so getan, als sei er einer von ihnen, aber dann habe er Kriegspläne erstellen lassen, zuerst gegen die Ukraine, die er Kleinrussland genannt haben wollte.“
    Und auch mit solchen Sätzen entlarvt Köhlmeier den Typus des Autokraten: „ Einer zerstört ein ganzes Land, richtet Millionen Menschen zugrunde, lässt Millionen umbringen, schafft eine neue Gesellschaft - man denkt, solche Männer handeln aus ebenso grossen Motiven, weltumfassenden Motiven, Gerechtigkeit, Freiheit, Friede, Ordnung, Ruhe. Und dann stellt sich heraus, es ist gar nicht so. Er ist gekränkt worden, persönlich gekränkt.“
    Köhlmeier mischt hier sehr gekonnt und sprachlich versiert Fiktion und Realität. Seine fiktive Hauptfigur gibt ihm schriftstellerische Freiheiten, die er mit einer historisch verbürgten Figur nicht gehabt hätte. Sie und ihre Familie stehen exemplarisch für das Schicksal vieler Exilanten.
    Dadurch, dass er sich selbst in den Roman schreibt, gewinnt dieser noch zusätzlich an Authentizität.
    Ein literarisches Spiel und eine anspruchsvolle Lektüre!

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  • 5 Sterne

    4 von 6 Kunden fanden diese Bewertung hilfreich

    Verena W., 14.01.2024

    Als Buch bewertet

    Atmosphärisch dicht

    Ausgerechnet einem Schriftsteller, „dem man nicht glaubt, was er schreibt“, vertraut die berühmte Architektin Anouk Perlemann-Jacob ihre Geheimnisse an, Ereignisse aus ihrem immerhin hundert Jahre währenden Leben, die sie keinem ihrer Biografen bisher erzählt hat.
    Und genau darauf darf sich der Leser dieses Romans auch einstellen: Was an Anouks Bericht entspricht der Wahrheit, was ist Fiktion?
    In seiner gewohnt virtuosen Art verflicht Köhlmeier die fesselnde Biografie einer erfolgreichen Frau mit historischen Geschehnissen in Russland aus einhundert Jahren. Sie reichen vom Sturz des letzten Zaren bis in die Gegenwart. Allerdings konzentriert sich die Erzählung hauptsächlich auf die Begebenheiten auf einem der sogenannten „Philosophenschiffe“, mit denen Lenin 1922 unbequeme Intellektuelle, die dem Bolschewismus kritisch gegenüber standen, deportieren liess. So auch die Perlemann-Jacobs und die damals 14jährige Anouk.
    Der Autor versteht es wunderbar, die Stimmung auf dem Schiff, die Gedanken und Ängste der erwachsenen Exilanten und der jungen Anouk wiederzugeben. Er tut das auf so intensive Weise, dass der Leser hautnah und sehr intensiv etwas von der düsteren Atmosphäre jener Zeit selbst miterlebt, den Schrecken und Terror des Regimes. Und ohne sich nur auf die Berichte Perlemann-Jacobs zu verlassen, recherchiert der (fiktive) Autor/Köhlmeier auf eigene Faust und konfrontiert die Erzählerin mit weiteren Fakten…

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  • 5 Sterne

    2 von 3 Kunden fanden diese Bewertung hilfreich

    Sigrid, 25.02.2024

    Als Buch bewertet

    Dieses Buch hat mir gut gefallen, obwohl oder gerade weil es so anders war, als ich es erwartet hatte. Der Autor selber wird von einer fiktiven Person aufgefordert ihrer Erzählung über einen Teil ihres Lebens zu lauschen und aufzuzeichnen. Soweit so gut - es war die 100jährige Architektin Anouk Perdeman-Jacob, die diese Bitte an Köhlmeier richtet. Ich muss sagen, ich hatte bisher noch nichts von diesen "Philosophenschiffen" gehört und fand die Erklärungen, die ich dazu in diesem Buch bekam, sehr interessant. Die Geschichte, die hier erzählt wird, hat teilweise wahre geschichtliche HIntergründe - Flucht und Ausweisung bestimmter Personen aus Russland beginnend in den 1920er Jahre, die Zeit der Bolschiwiki usw.- aber auch fiktive Elemente, die manchmal vom Leser erkannt werden können und manchmal wahrscheinlich einfach nur zu seltsam sind, um wahr zu sein. Aber auch da kann man nicht immer unterscheiden. Aber ich fand das Buch mit den Handlungen sehr interessant. Die Lebensgeschichte von Anouk ist eine sehr Spezielle und man erlebt diese aufregenden Zeiten anhand ihrer Beschreibung ganz gut. Man sieht Dinge aus den Augen der Betroffenen und dadurch wird diese Zeit ganz anders wahrgenommen. Man ist betroffener und erlebt auch die Not der Menschen hautnah mit. Es ist eine sehr traurige Geschichte und ich hätte gerne mehr und intensiver über das Leben dieser Frau erfahren. Aber sie möchte ja nur diesen Teil erzählen und sie hat das alles sehr genau geplant. Denn der Schriftsteller wird hier eigentlich herausgefordert und es ist eine seltsame Situation für ihn. Die Art und Weise, wie die beiden miteinander umgehen, ist schon aussergewöhnlich. Aber mir haben ihre Treffen und ihre Gespräche sehr gut gefallen. Auch die Nebenschauplätze, die durch die Erlebnisse von Michale Köhlmeier bei der Recherche und den daraus resultierenden Handlungen entstehen, sind sehr interesssant. Das Buch ist sicher nicht immer einfach und man fragt sich manchmal, was das jetzt alles miteinander zu tun hat. Oder wie es immer so schön heisst: "Was will der Autor uns damit sagen?". Es ist aber ein sehr lesenswertes Buch und Langweile kommt auch nicht auf. Es lässt sich sehr flüssig und gut lesen. Die Erzählung der Vergangenheit wird immer wieder durch die eingeschobenen Erklärungen oder dem Aufkommen neuer Gedankengänge unterbrochen. Dadurch bekommt man immer mal wieder einen neuen Blick auf die Architektin wie auch auf den Autor selber. Ich fand das alles sehr spannend und dann war ich überrascht, als das Ende plötzlich da war. Meine Gedanken waren allerdings noch nicht damit fertig und das Buch lässt einen noch eine Zeitlang nicht los. Tja, hier kommt man wirklich ans "nach Denken".

    Ich kann das Buch mit einem guten Gewissen weiterempfehlen und ich werde mich jetzt auch mal mit den anderen Büchern des Autors beschäftigen.

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  • 5 Sterne

    2 von 3 Kunden fanden diese Bewertung hilfreich

    Sylvia M., 12.02.2024

    Als Buch bewertet

    Michael Köhlmeier ist ein Geschichtenerzähler - ein genialer.
    Er erzählt uns die Geschichte von Anouk Perleman-Jacob, die ihn anlässlich der Feier zu ihrem 100. Geburtstag einlädt, ihre Lebensgeschichte aufzuschreiben.
    Über viele Sitzungen hinweg erzählt sie ihm aus ihrer frühesten Kindheit in St. Petersburg und der Vertreibung aus Russland. Ihre Familie wurde gemeinsam mit einigen Anderen auf einem grossen Passagierschiff ins Exil deportiert. Sie schildert die Angst, die Ungewissheit, das Misstrauen und schlussendlich ihre Begegnung mit dem alten, gebrechlichen und schwerkranken Lenin. Entgegen aller Vorbehalte entsteht so etwas wie eine kurze Freundschaft - zwischen einem 14-jährigen Mädchen und einem alten Mann, der nutzlos geworden ist.
    Wie gesagt - eine geniale Erzählung, die beeindruckt und aufwühlt.

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  • 4 Sterne

    1 von 1 Kunden fanden diese Bewertung hilfreich

    mabuerele, 28.03.2024

    Als Buch bewertet

    „...Ich habe mich über Sie erkundigt. Sie haben einen guten Ruf als Schriftsteller, aber auch einen etwas windigen. Ich weiss, dass Sie Dinge erfinden und dann behaupten, sie seien wahr…

    Mit diesen Worten begründet die Architektin Frau Professor Anouk Perlemann – Jakob, dass sie genau diesen Autor ausgesucht hat, um ihre Erinnerungen niederzuschreiben. Sie ist gerade 100 Jahre alt geworden und hat nicht mehr viel Zeit.
    Der Autor hat einen abwechslungsreichen Roman geschrieben. Es ist keine Biografie, eher die Darlegung von Fragmenten eines Lebens und gleichzeitig einer Gesellschaft. Die Erzählungen der alten Dame sind sehr sprunghaft und manchmal ausschweifend. Der Schriftstil dagegen ist ausgereift. Es gibt viele Sätze, die in Erinnerung bleiben.
    Die Geschichte beginnt im Jahre 1922 in Sankt Petersburg. Anouk war 14 Jahre und sie waren gerade in eine neue Wohnung umgezogen. Hier sind die Erinnerungen sehr detailliert. Die ersten Folgen der Revolution in Russland zeigen sich.

    „...Die Revolution ist schliesslich gemacht worden, damit es aufwärtsgeht. Es galt als Quasinatugesetz, dass, wenn es aufwärtsgehen soll, es zunächst abwärtsgehen muss, aber eben nur vorübergehend...“

    Anouk wächst in einer gutbürgerlichen jüdischen Familie auf. Das Mädchen bekommt auch mit, was die Erwachsenen so äussern.

    „...Vor Trotzki haben sich alle gefürchtet, noch mehr als vor Lenin. Lenin denkt, Trotzki tut. So hat es geheissen...“

    Eines Tages werden Anouks Eltern aufgefordert, ihr Heim zu verlassen. Sie kommen auf ein sogenanntes Philosophenschiff. Damit werden Intellektuelle aus Russland ausgewiesen. Das Mädchen ist eine genaue Beobachterin. Schnell lernt sie die wenigen Personen, die hier zusammen gekommen sind, kennen. Über jeden bildet sie sich ein Urteil
    Dann macht das Schiff ein paar Tage Halt auf hoher See. Ein weiterer Passagier wird an Bord gebracht. Anouk besucht ihn heimlich. Der Unbekannte vertraut seine Gedanken dem Mädchen an.

    „...Es gibt nur eine Macht. Die Macht zu töten. Von ihr leitet sich jede andere Macht ab. Die Macht, über ein Leben zu entscheiden...“

    Spätestens an der Stelle verschwimmt die Wahrheit. Kann der Fremde der sein, der er vorgibt zu sein?
    Das Buch hat mir sehr gut gefallen. Er regt zum Nachdenken an. Anouk hat viel von der Welt gesehen. Doch geprägt wird sie von ihren russischen Wurzeln.

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  • 3 Sterne

    2 von 3 Kunden fanden diese Bewertung hilfreich

    Eva G., 07.02.2024

    Als Buch bewertet

    Interessant, aber zäh!

    Das Buch erzählt die Geschichte der 100-jährigen Architektin Anouk Perleman-Jacob, die von ihrem Leben erzählt. In ihrer Kindheit wurde sie mit ihren Eltern auf einem sogenannten "Philosophenschiff" ins Exil deportiert.
    Die erste Hälfte des Buches hat sich für mich recht lang und zäh gezogen. Es wird immer wieder zwischen der aktuellen Zeit und der erzählten Geschichte hin- und hergewechselt. Und es komme relativ viele Namen und Figuren auf, was mich manchmal verwirrt hat. Zudem hatte der Roman für mich keinen richtigen Schreibfluss, was das Lesegefühl eher langwieriger und öde gemacht hat.
    Ich hatte bisher noch kein Buch von Michael Köhlmeier gelesen und dieses hat mich auch nur so halb überzeugt. Jedoch finde ich das Cover und den Titel des Buches unglaublich ansprechend und würde ich es in einer Buchhandlung sehen, würde ich es genau aus diesem Grund kaufen!

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  • 2 Sterne

    3 von 5 Kunden fanden diese Bewertung hilfreich

    Vanessa K., 13.01.2024

    Als Buch bewertet

    Dies war mein erstes Buch von Michael Köhlinger und wo mich die Leseprobe noch echt gefesselt hat, ging es danach leider Berg ab. Der Schreibstil war bis zu dem Tag, wo unser Reporter, dem man seine Berichte nicht glaubt und Anouk Perlemann-Jacob deswegen ihn ausgewählt hat, noch voll gut. Aber als unsere 100 jährige Anouk dann begann von ihrer Vergangenheit zu erzählen, dachte ich, was ist denn jetzt verkehrt? Ich kam mit dieser Erzählweise von Frau Perlemann-Jacob einfach nicht zurecht. Zu dem war es für mich auch etwas schwierig, den Überblick zu behalten, was die russischen Personen und Namen anging. Ich denke, für jemanden wie mich, der sich nicht so gut damit auskennt, ist des schwierig da mit zu kommen.
    Trotz allem erzählt Anouk Perlemann-Jacob in einem sehr offenem und einer saloppe Ausdrucksweise, ihre Geschichte.

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  • 5 Sterne

    2 von 4 Kunden fanden diese Bewertung hilfreich

    Brenda_wolf, 20.01.2024

    Als Buch bewertet

    Eine fast wahre Geschichte

    Frau Professor Anouk Perleman-Jacoby, eine der bedeutendsten europäischen Architektinnen, feiert ihren 100. Geburtstag. Der Schriftsteller erhält überraschen dazu eine Einladung. Die Jubilarin möchte, dass er ihre Biografie schreibt. Sie hat sich erkundigt. Er hat einen guten Ruf, aber man weiss auch, dass er Dinge erfindet und behauptet sie seien wahr. Deshalb glaubt man ihn oft nicht, wenn er die Wahrheit schreibt. Und genau deshalb ist er der richtige Mann für ihre Biografie. ‚Wenn es keiner glaubt, umso besser. Aber erzählt soll sie werden.‘

    Anouk Perleman-Jacoby wird 1922 auf Befehl von Lenin persönlich zusammen mit ihren Eltern und einer Handvoll anderer Intellektuellen aus St. Petersburg auf einen riesigen Luxusdampfer gebracht und in den Westen abgeschoben. Ohne Gerichtsverfahren, da ihnen formell nichts anzulasten war. Leo Trotzki schrieb: „Wir haben diese Leute ausgewiesen, da es keinen Anlass gab, sie zu erschiessen, aber sie noch länger zu ertragen, war unmöglich.“ Er nannte es einen Akt der Humanität. Zehn Menschen zittern um ihr Leben, sind im Ungewissen, was mit ihnen geschehen wird. Nachdem das Schiff fünf Tage und Nächte lang auf dem Finnischen Meerbusen treibt, wird ein letzter Passagier an Bord gebracht und in die Verbannung geschickt: Es ist Lenin selbst.

    Michael Köhlmeier serviert uns hier eine fesselnde Geschichte, in der die Grenzen historischer Realität und Fiktion verschwimmen. Er schreibt in knappen Sätzen, aber genau auf den Punkt. Er lässt uns absteigen in eine andere Welt. Diese Philosophenschiffe hat es tatsächlich gegeben. Es waren mindestens fünf Schiffe, mit denen im Jahr 1922 unliebsame Personen in grosser Zahl aus Sowjetrussland ins Ausland abgeschoben wurden. Ärzte, Professoren, Lehrer, Wissenschaftler, Ingenieure, Rechtsanwälte, Richter, Schriftsteller und Journalisten befanden sich auf diesen Schiffen. Kommt uns das nicht bekannt vor? Weltweit ist in totalitären Regimen zu beobachten, dass Intellektuelle für ihre Länder als Bedrohung angesehen werden. Auch Hitler sah in Schriftstellern eine Gefahr und liess ihre Bücher verbrennen. Ein Blick ins heutige Russland oder China genügt. Frau Professor Anouk Perleman-Jacoby bemerkt: Paranoia erzeugt Paranoia, denn wie jeder Schüler schon weiss, Gedichte sind mehrdeutig.

    Über die Zeit der russischen Revolution war mir im Grunde wenig bekannt, doch dieses Buch animierte mich, mich näher damit zu befassen und nachzulesen.

    Ich möchte die junge und auch die hundertjährige Anouk sehr. Die Altersweisheit der Hundertjährigen ist mit Humor gespickt. So sagt sie: ‚Mein ganzes Leben habe ich vom Leben nichts erwartet. Das ist die beste Voraussetzung für ein langes Leben.‘ Die Handlung hat zwar einige Längen, aber die Stimmung unter den Menschen auf dem Schiff ist greifbar zu spüren. Ich bin Lenin begegnet und ich mochte ihn nicht. Auf diesem Schiff war er ein einsamer kranker Mann, im Rollstuhl sitzend, isoliert von den übrigen Passagieren. Er hatte nur Anouk, die ihn heimlich aufsuchte. War er nun ihr „Freund“ oder ihr „Feind“?

    Fazit: Unterhaltsam verpackte Historie animiert, sich näher mit den Hintergründen zu befassen.

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  • 5 Sterne

    1 von 2 Kunden fanden diese Bewertung hilfreich

    Michael B., 07.02.2024

    Als Buch bewertet

    Lesen mit Anspruch.
    Wer Michael Köhlmeier und seine Bücher mag, der wird auch seinen neuen, eher kurzen Roman "Das Philosophenschiff" mögen. Und man muss ihn mit einer Spur Humor lesen, treibt Köhlmeier doch ein wenig Schelmentum mit der verehrten Leserschaft, weiss man doch schlussendlich nach der letzten gelesenen Seite nicht, was historischer Fakt und was frei erfunden ist. Aber so ist es halt in der Literatur. So erzählt der Autor über einen anderen Autor, der mit Vornamen ebenfalls Michael und dessen Ehefrau ebenfalls Monika heisst; und ebendieser Autor wird von der 100-jährigen Architektin Anouk Perleman-Jacob gebeten, dass er ihr Leben neu erzählt; auf die Frage warum gerade er, antwortet sie wohl augenzwinkernd "Sie sind der, dem man glaubt, wenn er lügt, und nicht glaubt, wenn er die Wahrheit sagt." Und auch an den Tagen, an denen der Autor den Lebenserzählungen der alten Dame lauscht (14-jährig mit den Eltern und anderen 'Unerwünschten' auf dem 'Philosophenschiff', auf dem Weg von Russland in die Verbannung und auf dem Oberdeck den gealterten Lenin treffend), stellt sich stets die Frage nach der ganzen Wahrheit. So erfahren wir ganz nebenher eine Menge über eine bewegte Zeit in der Geschichte Russland doch geht es im Kern auch um die Frage, was denn Wahrheit bedeutet. Und je nachdem, welcher Diktator die Wahrheit verkündet, ist sie eine andere. Und gerade das macht den Roman dann auch zu einem Statemant für unsere Gegenwart; so lässt Köhlmeier kurz vor Lenins Ermordung einen Mann (Stalin) mit den folgenden Worten, an Wladimir Iljitsch Uljanow (Lenin) gerichtet, auftreten und über das Volk sagen: "Sie vertrauen mir ihre Fäuste und ihre Freiheit an. Die Freiheit bedeutet ihnen nichts... Und wenn ich die schrecklichsten Dinge tue, die Millionen werden mich dafür nicht verurteilen und nicht weniger lieben, denn ich tue es in ihrem Namen. Auch sie werden die schrecklichsten Dinge tun, aber sie werden dabei kein schlechtes Gewissen haben, denn sie tun sie in meinem Namen... Volle Bäuche gegen ein leeres Gewissen. Dann kommt das Reich der Ruhe." Unbedingt lesen!!!

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  • 5 Sterne

    2 von 4 Kunden fanden diese Bewertung hilfreich

    Adele, 19.01.2024

    Als Buch bewertet

    Lenin und das junge Mädchen

    Philosophenschiffe - so wurden die Schiffe genannt, mit denen russische Intellektuelle, vom Regime verbannt, um die 1920er ins Exil verbracht wurden. Auf einem solchen Schiff war auch Anouk Perlemann-Jacob, als 14 Jährige gemeinsam mit ihren Eltern verbannt aus ihrer Heimat Sankt Petersburg. Als 100 jährige durchaus amüsante und etwas schrullige doch nicht minder resolute Greisin erzählt die weltbekannte ehemalige Architektin nun dem Autor von dieser bisher beschwiegenen Etappe ihres Lebens.

    Der Roman entfaltet sich als Interview zwischen dem Autor und Anouk Perlemann-Jacob, die ersteren zunächst zum Festakt anlässlich ihres Geburtstages laden lässt und ihn im Anschluss als Bewahrer nicht nur der Erfahrungen auf dem Philosophenschiff sondern auch zahlreicher Inneneinsichten und Anekdoten aus dem Russland Anfang des vergangenen Jahrhunderts, auserkoren hat. Was wir dort lesen ist nicht immer erbaulich, oft schrecklich, und doch ein wichtiges Stück Geschichte, dass uns nun in Romanform näher gebracht wird. Insbesondere die staatliche Willkür, verbreitete Armut, Gewalt und permanente Unsicherheit in der sich die Protagonistin mit ihrer Familie bewegt hat, sind durch die Struktur und Erzählweise zurückhaltend und damit noch eindringlicher beschrieben. Wie und warum ausgerechnet Lenin persönlich auf das Schiff kommt, gilt es bei der Lektüre zu entdecken.

    Mir gefällt das Spiel mit Wahrheit und Lüge, das Köhlmeier mit dem Leser treibt. Auf verschiedenen Ebenen durchzieht die Dichotomie immer wieder die Erzählung, sei es in Perlemann-Jacobs Erinnerungen oder mit Blick auf den Autor, dem man glaubt, wenn er lügt und an dem man zweifelt, wenn er die Wahrheit sagt - und genau deshalb habe Anouk Perlemann-Jacob ihn auserwählt. Wahr oder nicht, das Philosophenschiff ist eine kurzweilige Lektüre, die lange nachhallt und dazu einlädt sich näher mit dieser Epoche der Geschichte zu beschäftigen.

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  • 5 Sterne

    2 von 4 Kunden fanden diese Bewertung hilfreich

    Nicoletta b., 13.01.2024

    Als Buch bewertet

    Dies ist mein erstes Buch, dass ich von Michael Köhlmeier lese.
    Ihm gelingt es wahnsinnig gut Realität und Fiktion so zu verknüpfen, es hätte wahr sein können. Er inspiriert mich dazu, die wahren Begebenheiten zu ergründen und mehr über die realen Umstände zu erfahren. Ich habe online viel nachgelesen, zB. über das Judentum im zaristischen Russland.
    Mit dem Buch und dessen Inhalt muss man sich auseinandersetzen wollen.
    Herr Köhlmeier: Ein Schriftsteller dem man nicht glaubt, wenn er die Wahrheit schreibt und dem man glaubt, wenn er schummelt.
    Die Art und Weise wie die alte Dame erzählt, klingt als sässe man mit an der Kaffeetafel.
    Etwas wirr und zusammenhangslos (alte Dame eben) humorvoll und gerade heraus.
    Dieses Buch hat mich inspiriert mehr von dem Autor lesen zu wollen und ich habe festgestellt, dass er viele Bücher geschrieben hat, die genau meinem Lesegeschmack treffen.
    Es geht in dem Buch rein um die Geschichte. Irgendwann kam mir der Gedanke, ob ich die Person überhaupt mag, um die es in dem Buch geht. Ich habe gemerkt, es geht nicht um die 100 jährige Architektin, sondern es geht rein um die Geschichte. Es ist total irrelevant ob man die Protagonistin (ist sie denn eine?) mag oder nicht.
    Wer erwartet, sich unterhalten lassen zu können durch einen seichten Roman, wird enttäuscht. Eine absolute Empfehlung und ,obwohl so früh im Jahr, vielleicht sogar schon mein Highlight.
    Sprachlich top und sehr amüsant geschrieben, mit Charme und Witz. Klug und amüsant zugleich.
    So nebenbei kann man es nicht lesen, man muss sich drauf einlassen. Top!

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  • 5 Sterne

    2 von 4 Kunden fanden diese Bewertung hilfreich

    Judith S., 24.01.2024

    Als eBook bewertet

    Eine ungeheuer bewegende Geschichte

    Anouk Perlemann-Jakob, 100 Jahre alt, berühmte Architektin und man würde umgangssprachlich sagen "mit allen Wassern gewaschen", möchte ihre Geschichte endlich auf Papier sehen. Für eine Biographie erscheint sie ihr Geschichte jedoch zu unglaubwürdig und so bittet sie einen Schriftsteller, aus ihren Erzählungen einen Roman zu machen. Schwankend zwischen Ehrgeiz und Ehrfurcht hört er ihr fasziniert zu. Ja, er wird den Roman schreiben, aber was ihm bevorsteht, das ahnt er nicht.
    Jetzt, im Jahr zwei nach dem russischen Angriff auf die Ukraine, ist es ein sehr bedrückendes Gefühl, an das alte St. Petersburg, die bolschewistische Diktatur, die Unterdrückung und Verjagung der "Intelligenzija" zurückzudenken. Was wird aus dem geliebten Russland werden?
    Aunouk hat als Kind und Jugendliche so viel Unrecht und Hass erfahren, mit 100 Jahren erscheint sie abgeklärt und weise. Aber sie ist auch verletzlich, eine einzige Frage, die eine wunde Stelle trifft, bringt sie zuweilen aus dem Gleichgewicht. Spricht man von Schicksal, wenn man so eine Lebensgeschichte hört und aufschreiben soll? Schwer zu sagen, Anouk hat ihren schicksalhaften Weg fast vollendet. Ich erzähle hier keine Einzelheiten, jeder Leser sollte sich selbst in diese Geschichte verlieben, ich jedenfalls habe es getan.
    Nach "Zwei Herren am Strand" ist auch dieser Roman von Michael Köhlmeier ein tiefgründiges und philosophisches Werk, das unbedingt noch einmal gelesen werden will! Ein wunderbares Buch!

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  • 5 Sterne

    2 von 4 Kunden fanden diese Bewertung hilfreich

    petra w., 07.01.2024

    Als Buch bewertet

    Die hundertjährige Anouk Perleman-Jacob erzählt einem Schriftsteller ihre Lebensgeschichte, er soll sie als Roman schreiben weil die Wahrheit zu unglaubwürdig ist. Sie ist als Kind vor den Bolschewisten geflohen oder sie wurde mit ihren Eltern, als eine humanitäre Geste, ausgebürgert. Gemeinsam mit anderen Intellektuellen wurden sie auf ein Schiff verbracht und von St. Petersburg nach Deutschland verschifft. Auf diesem Schiff kommt nach einiger Zeit auch Lenin, auch er muss sein Land verlassen.
    Die Zeit Zeugin berichtet von dem Leben in der Stadt nach der Revolution und dem Leben danach, Ihre Erlebnisse sind von Grausamkeiten geprägt und vom Heimweh ihrer Eltern nach Russland.
    Gleichzeitig ist das Buch voll von philosophischen Betrachtungen über Gefühle egal welcher Art, hervorherrschend ist natürlich die Angst. Auch mit welchen Augen man die Welt sieht, wenn man Erlebnisse wie die alte Dame hinter sich hat. Das ist sehr spannend, ich hätte nie gedacht das ich das so empfinden würde. Aber der Autor integriert diese Frage in seinem Roman und beschreibt sie als existenziell. Wenn man sich dann damit auseinander setzt kommt natürlich heraus, solche Erfahrungen habe ich noch nicht gemacht. Es ist Schlimmes in meinem Leben passiert aber ich habe nie gehungert, nie Angst vor einem gewaltsamen Tod gehabt, nie einen mit erlebt. Dann erscheint einem das eigene Leben als wunderschön und die Malaisen sind wirklich nur solche.
    Ein Buch zum Nachdenken auf lange Zeit.

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  • 5 Sterne

    2 von 4 Kunden fanden diese Bewertung hilfreich

    Christian B., 04.02.2024

    Als Buch bewertet

    Fakten und Fiktion

    “Das Philosophenschiff” von Michael Köhlmeier ist ein fesselnder historischer Roman, der die Geschichte der Architektin Anouk Perleman-Jacob erzählt. Anlässlich ihres 100. Geburtstags lädt Sie einen Schriftsteller zu sich ein, um ihr Leben als Roman zu erzählen. Geboren in Sankt Petersburg, erlebt sie den bolschewistischen Terror. Doch das Besondere an ihrem Schicksal ist die Deportation auf einem der sogenannten “Philosophenschiffe” – eine wahre Begebenheit. Gemeinsam mit anderen Intellektuellen wird sie mit ihrer Familie ins Exil geschickt. Fünf Tage und Nächte lang treibt das Schiff auf dem Finnischen Meerbusen, bis ein letzter Passagier an Bord gebracht wird: Lenin selbst.

    Mit "Das Philosophenschiff" schliesst Köhlmeier an seinen Bestseller “Zwei Herren am Strand” an. Im Roman verwebt er geschickt historische Fakten mit fiktiven Elementen, was mir sehr gut gefallen hat. Die Figuren sind lebendig und vielschichtig gezeichnet, und die Atmosphäre des Romans ist dicht und packend. Insgesamt finde ich die erzählte Geschichte sehr spannend und die Erzählung regt auch zum Nachdenken an. Wie schon häufig ein sehr gelungener Roman von Köhlmeier

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  • 4 Sterne

    1 von 2 Kunden fanden diese Bewertung hilfreich

    Magnolia, 22.02.2024

    Als Buch bewertet

    Russlands Intelligenzija

    Sein neuestes Buch führt Michael Köhlmeier nach Russland in die zwanziger Jahre des vorigen Jahrhunderts. In sogenannten Philosophenschiffen werden Russlands kluge Köpfe nach Europa deportiert. Das Regime gewährt ihnen die Gnade des Exils, sie hätten auch direkt hingerichtet werden können.

    Es ist der hundertste Geburtstag von Frau Professor Anouk Perleman-Jacob, zu dem der Schriftsteller auf ihren ausdrücklichen Wunsch hin eingeladen wird. Am nächsten Tag um drei am Nachmittag erwarte sie ihn in ihrem Haus in Hietzing, das sagt sie ihm nach dem Dessert. „Ich habe mich über Sie erkundigt. Sie haben einen guten Ruf als Schriftsteller, aber auch einen etwas windigen…“ Und genau deshalb habe sie ihn ausgesucht. Es gefalle ihr, dass er Dinge erfindet und diese dann als wahr hinstelle, er seine Leser damit hinters Licht führe.

    Und Anouk beginnt zu erzählen, sie geht ins Jahr 1922 zurück, da war sie vierzehn Jahre alt. Sie berichtet von ihrer neuen Wohnung in Sankt Petersburg, aus der alten wurden sie ausquartiert. Es war Bürgerkrieg, ein Krieg der Armen und Ungebildeten. Ihre Eltern gehörten zur Intelligenzija und gehörten zu denen, die auf das letzte Philosophenschiff verbracht wurden. Sie hatten sich an genaue Vorgaben zu halten, an die Liste dessen, was sie mitnehmen durften und selbst dann konnten sie sich nicht sicher sein, ob sie nicht doch an die Wand gestellt und einfach erschossen würden. Zwölf Passagiere waren es, die es auf diesen Dampfer geschafft hatten. Dieses Häufchen wurde auf diesem riesigen Schiff in der dritten Klasse untergebracht. Sie waren schweigsam, jeder in sich gekehrt, keiner wusste den Grund ihrer Reise, keiner kannte das Ziel.

    Von diesen Philosophenschiffen, die missliebige Intellektuelle ausser Landes brachten, hatte ich vorher noch nie gehört. Es hat mehrere dieser Schiffe gegeben, „unseres“ ist frei erfunden, auch Anouks Geschichte ist fiktiv und doch erzählt Michael Köhlmeier von den Verhältnissen in der damaligen Sowjetunion. Er hat seinen ganz eigenen Stil, Geschichte in Geschichten lebendig werden zu lassen. Seine hundertjährige Protagonistin ist zwar schon alt, im Kopf jedoch ist sie klar, auch wenn sie sich zuweilen verschmitzt und ein wenig erschöpft gibt. Sie erzählt nicht chronologisch und doch kommt sie gut vorwärts. So erfahre ich nicht nur von dieser Fahrt ins Ungewisse, auch wird mir das Russland dieser Jahre anschaulich und gut lesbar nähergebracht. Der Autor geht so weit, dass er Lenin auf diesem Schiff erscheinen lässt. Hier ist er nicht der machtbesessene Revolutionär, nein. Köhlmeier lässt ihn als kranken Mann im Rollstuhl auftreten. Dieses Bild eines gebrechlichen Lenin gefällt mir sehr gut, auch wenn mich so manche Episode ein wenig ratlos zurücklässt. Er flicht etwa eine Story um die RAF mit ein, die später dann im Sande verläuft. Solcher Nebenschauplätze hätte es in meinen Augen nicht unbedingt bedurft, Lenin und der Bolschewismus hätten vollauf genügt.

    „Das Philosophenschiff“ bietet einen Einblick in die russische Geschichte um 1922. Gründlich recherchiert, wie es sich für einen wie Köhlmeier gehört. Dabei lässt er seine Protagonistin zurückblicken und vermengt ihre fiktiven Erinnerungen mit dem Historischen und es bleibt nicht aus, Parallelen zu heute zu ziehen. Das Buch regt zum Nachdenken an, ich habe es nach anfänglicher Skepsis dann doch gerne gelesen.

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  • 5 Sterne

    2 von 4 Kunden fanden diese Bewertung hilfreich

    Christine R., 09.01.2024

    Als Buch bewertet

    Michael Köhlmeier, der Autor, ist zum 100. Geburtstag der berühmten Architektin Perleman-Jacob eingeladen. Sie möchte ihm ihre Geschichte erzählen, dass er sie aufschreiben kann, mit der Begründung, die Wahrheit werde ihm eh niemand glauben. Es ist keine vollständige Biographie sondern umfasst grösstenteils die Fahrt auf dem Philosophenschiff, das ist ein Schiff, mit dem nicht gern gesehene, problematische, intellektuelle Bürger "abtransportiert" wurden. Sie mussten Russland, ihre Heimat, verlassen, und so auch die 14- jährige Erzählerin und ihre Eltern. Fast täglich besucht Michael Köhlmeier die 100-Jährige und es sind lehrreiche , interessante Gespräche, die die beiden führen. Sie erzählt, er bringt sie zum Erinnern. "Erinnern macht müde", sind die Worte, mit denen sie eines ihrer Gespräche beendet. Und er verabschiedet sich nach einem Gespräch mit ihr:" Es ist anstrengend, Ihnen zuzuhören."
    Das ist Geschichtsunterricht auf eine etwas andere Art, es ist die Zeit um Trotzki, Lenin und Stalin, und ich habe ihn genossen. Pragmatisch, ab und zu auch mit angedeutetem Humor, erzählt Perleman-Jacob ihre ungewöhnliche Geschichte.

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  • 5 Sterne

    2 von 4 Kunden fanden diese Bewertung hilfreich

    Beatrix R., 30.12.2023

    Als Buch bewertet

    Die Professorin Anouk Perlemann-Jakob beauftragt an ihrem hundertsten Geburtstag einen Schriftsteller ein Buch über Ihr Leben zu schreiben.
    Sie wählt diesen Schriftsteller aus, weil er bekannt dafür ist,  fiktive Geschichten so zu erzählen,  als ob diese wahr wären und umgekehrt.

    Anouk verbringt ihre Kindheit in St. Petersburg und erlebt die Machtübernahme der Bolschewiki. 1922 müssen sie und ihre Eltern St. Petersburg verlassen,  sie sind nicht mehr erwünscht, da sie zur Intelligenzija gehören. Auf einem der sogenannten Philosophenschiffe fahren sie ins Ungewisse. Nur 9 weitere Intellektuelle treten diese Reise auf dem Luxusschiff an.
    Nach ein paar Tagen hält das Schiff,  um einen weiteren Passagier an Bord zu nehmen  - Lenin.

    Der Wechsel zwischen Fiktion und wahrer Geschichte ist sehr gut gelungen.  Der ausdrucksstarke Schreibstil lässt uns an den Schrecken der damaligen Zeit teilhaben. Wir erfahren viel über das politische Geschehen und  deren Folgen.

    Das Cover spiegelt mit der dargestellten Düsternis gut den Inhalt des Buches wieder.

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  • 5 Sterne

    1 von 2 Kunden fanden diese Bewertung hilfreich

    Julia V., 12.02.2024

    Als Buch bewertet

    What if? Interessantes Gedankenspiel
    Das Cover, das einen Auschnitt eines alten Gemäldes zeigt, finde ich ganz okay, wenn auch relativ nichtssagend.
    Von Michael Köhlmeier hatte ich gehört (vorallem im Zusammenhang mit seinen Nacherzählungen griechischer Sagen), aber noch nichts gelesen. Allerdings hat der Klappentext mich neugierig gemacht auf diese doch etwas fantastische Geschichte, und einmal mit der Leseprobe begonnen war ich schnell "gehookt".
    Michael Köhlmeier schreibt in meinen Augen exzellent; sein Schreibstil ist absolut geschliffen, kommt dabei aber leichtfüssig daher, auch humorvoll.
    Über die Geschichte dieses schmalen Bandes lässt sich nicht viel sagen, ohne schon zuviel zu verraten. Ich habe mich gut unterhalten gefühlt; eine Freundin dagegen, der ich das Buch zu lesen gegeben habe, hat sich gestört an der "Verdrehung der geschichtlichen Fakten".

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  • 4 Sterne

    2 von 4 Kunden fanden diese Bewertung hilfreich

    Susanne S., 19.01.2024

    Als Buch bewertet

    Die Geschichte einer alten Dame, Anouk Perleman-Jacob, die sich einem Schriftsteller anvertraut, um ihre Lebensgeschichte - oder einen Teil - zu erzählen. Die Besonderheit dabei ist, dass der Schriftsteller ausgewählt wurde, weil man ihm nicht glaubt, wenn er die Wahrheit schreibt und man ihm glaubt, wenn er lügt/phantasiert. (Zitat S. 11 A. P.-J. “Gesagt werden soll es. Und wenn es keiner glaubt, umso besser. Aber erzählt werden soll es.”;”Was ist Wahrheit … Die Wahrheit ist die Erinnerung an sie.” S. 141)
    Die Geschichte spielt in Österreich, Köhlmeier ist Österreicher und er ist gerne Österreicher (Zitat S. 92, Frau Perleman-Jacob “Schau, dass du in einem unwichtigen Land lebst, das in der Welt geliebt wird. Das treffe auf Österreich zu.”; Seite 128 “Österreich ist eine Hurerei. Der Haider war der lustigste Zuhälter.”). Die alte Dame erzählt ihre Geschichte als Monolog, das Buch besteht zu 80% aus dem Monolog der alten Dame, was es stellenweise etwas schwer macht, ihr zu folgen. Das Philosophenschiff ist dabei der Hauptteil, und alles dreht sich irgendwie um die Zeit auf dem Schiff. Es ist eines der Schiffe, das genutzt wurden von Lenin, die “geistige Elite” aus dem Land zu schaffen. Zusammen mit ihren Eltern und weiteren Intellektuellen wird die damals 14-Jährige aufs Schiff gebracht.
    Die Reihenfolge der Erzählung schwankt vom Schiff auf früher und auf später und wieder zum Schiff. Das Gehüpfe macht es manchmal etwas schwer, zu folgen; aber auch die ganzen Namen sind manchmal verwirrend, wer ist wer, wer ist Freund, wer ist Feind, wer ist gut und wer ist böse …die erste richtige Wendung erfolgt circa in der Mitte des Buches, als ein besonderer Besuch auf dem Schiff auftaucht und mit ihm kommt auch ein frischer Wind ins Buch und ins Geschehen. Und danach erklärt sich einiges und löst sich auch vieles auf …
    Es war mein erstes Buch von Michael Köhlmeier und ich fand seine Art zu schreiben sehr interessant und neu. Es ist bis zum Schluss interessant zu lesen, aber teilweise auch sehr schwer - ich musste Seiten zwei Mal lesen oder einfach abbrechen; Monologe sind immer schwer zu lesen … Es ist kein einfaches Buch, aber was eher der Geschichte geschuldet ist als dem Inhalt an sich …
    Kaum fertig, habe ich mich an Wikipedia gewandt - Lenin, Philosophenschiffe … es lohnt sich nachzuschauen, eben etwas die ander Art von Geschichtsunterricht … und es lohnt sich definitiv, das Buch ein zweites Mal zu lesen.

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  • 5 Sterne

    1 von 2 Kunden fanden diese Bewertung hilfreich

    Sylvia M., 19.02.2024

    Als Buch bewertet

    Michael Köhlmeier ist ein Geschichtenerzähler - ein genialer.
    Er erzählt uns die Geschichte von Anouk Perleman-Jacob, die ihn anlässlich der Feier zu ihrem 100. Geburtstag einlädt, ihre Lebensgeschichte aufzuschreiben.
    Über viele Sitzungen hinweg erzählt sie ihm aus ihrer frühesten Kindheit in St. Petersburg und der Vertreibung aus Russland. Ihre Familie wurde gemeinsam mit einigen Anderen auf einem grossen Passagierschiff ins Exil deportiert. Sie schildert die Angst, die Ungewissheit, das Misstrauen und schlussendlich ihre Begegnung mit dem alten, gebrechlichen und schwerkranken Lenin. Entgegen aller Vorbehalte entsteht so etwas wie eine kurze Freundschaft - zwischen einem 14-jährigen Mädchen und einem alten Mann, der nutzlos geworden ist.
    Wie gesagt - eine geniale Erzählung, die beeindruckt und aufwühlt.

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