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  • 5 Sterne

    3 von 5 Kunden fanden diese Bewertung hilfreich

    Celia K., 09.09.2022

    Als Buch bewertet

    Das Cover von diesem Buch finde ich sehr interessant, aber vom Cover alleine konnte ich mir nicht vorstellen, was mich bei diesem Buch erwartet und ich hatte bisher auch noch nichts gehört über die Autorin, bei deren Recherche ich allerdings herausgefunden habe, dass sie schon bei ihrem Debut für Preise nominiert war.
    Die Umschlagzusammenfassung hat mich jedoch interessiert, da es mich ein wenig an T.C. Boyles Terranauten erinnert hat.

    Das Buch wird zu Beginn auf zwei Ebenen erzählt. Einmal aus der Sicht von Yada die auf der Seestadt wohnt, einer völlig autarken, künstlichen Insel in der Ostsee in der Nähe von Berlin, von der sie nicht herunter darf, da die Welt zerstört ist. Dies hat jedenfalls ihr Vater ihr erzählt, der der Erbauer und Erfinder der Seestadt ist. Im Grunde hat man das Gefühl es ist einen moderne Arche auf die sich ein kleiner Kreis von Menschen zurückgezogen hat, die dem Untergang entgangen sind.
    Die zweite Eben ist die von Helena, einer Künstlerin in Berlin die sich irgendwie in die Position eines Oracle oder Oberhaupt einer Sekte manövriert hat, aber offensichtlich dies garnicht beabsitigte. Schnell wird dem Leser klar, dass Helena in der aktuellen Welt in Berlin lebt und die Welt überhaupt nicht zerstört ist und auch Yada kommt bald dahinter und es entspinnt sich der Wunsch von ihr, der Seestadt zu entfliehen und die Lügen ihres Vaters aufzudecken.

    Das Besondere an diesem Buch ist die dritte Ebene.
    Sie wird das Archiv genannt. Hier deckt die Autorin Hintergründe auf und gibt dem Leser Informationen über diverse Dinge die dem aufmerksamen Leser interessante Informationen zur Seestadt geben oder zu dem Konstrukt. Das ist wirklich toll. Eigentlich ist es Helena die dieses Archiv führt, aber für mich war das wirklich ganz toll, langsam vielen die Informationen aus dem Archiv und die Geschichte zusammen, wie Puzzle stücke die langsam ein Bild ergeben.
    Ich muss sagen, mich hat das Buch wirklich begeistert und die Autorin ist zu recht für Preise nominiert, denn der Stil und die Idee selbst ist wirklich etwas ganz besonderes. Ohne mit dem erhobenen Zeigefinger dazustehen, nimmt sie die aktuellen Themen auf und schreibt gesellschaftskritisch ohne dass es langeweilig oder deprimierend ist.

    Für mich war dieses Buch wirklich etwas besonderes und eine sehr positive Überraschung.

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  • 5 Sterne

    1 von 2 Kunden fanden diese Bewertung hilfreich

    Alina, 19.08.2022

    Als Buch bewertet

    Fesselnde und erschreckend realistische Zukunftsvision

    Eine vor der Ostsee schwimmende, mehr oder weniger autarke Stadt und Sonderwirtschaftszone ist das Zuhause von Yada, Tochter des Gründers eben jener Stadt. An ihre vor Jahren verstorbene Mutter hat sie kaum noch Erinnerungen und das Leben in der schwimmenden Stadt hat schon lange an Glanz verloren. Gefangen in den Routinen und Kontrollen ihres Lebens, beginnt die 17-Jährige Yada auf eigene Faust Nachforschungen zu dem Projekt ihres Vaters anzustellen. Gleichzeitig begleiten wir Helena, eine auf dem Festland lebende Künstlerin, die dort mit ihren ganz eigenen Probleme zu kämpfen hat. Wie hängt das Leben dieser Frauen zusammen?

    Theresia Enzensberger zeichnet in „Auf See“ ein spannendes und sehr realistisches Zukunftsszenario. Erzählt wird abwechselnd aus Yada’s und Helena’s Perspektive, wodurch sich auch die Unterschiede zwischen den beiden Lebenswelten wunderbar herausstellen. Gespickt wird die Erzählung mit Archiv Einträgen, die uns helfen Teile der gesellschaftlichen, wirtschaftlichen Entwicklungen und Hintergründe besser nachzuvollziehen.

    Nicht jeder Beweggrund oder jede Entscheidung der Protagonistinnen wird bis aufs letzte Detail erklärt oder erschien mir immer sofort nachvollziehbar - und dennoch hat mich „Auf See“ in kürzester Zeit in seinen Bann gezogen und begeistert. Enzensberger schafft es die Spannung fortwährend hochzuhalten und ihre ganz eigene Mischung auf Dystopie und Gesellschaftskritik zu finden. Dabei bedient sie sich neoliberaler und libertäre Theorien und Strukturen ebenso wie Utopieerzählungen, Sekten und ihren gefährlichen Dynamiken und zeichnet aus ihnen eine glaubhafte, wenn auch wenig erstrebenswerte Zukunftsvision.
    Die Welt in „Auf See“ ist eine andere wie heute und dennoch scheint sie schon übermorgen möglich.

    Für mich war „Auf See“ sowohl fesselnde Unterhaltung, die ich in einem Rutsch verschlungen habe, als auch eine wichtige Abrechnung mit libertären Theorien, die auch in der heutigen (Tech-) Start Up Szene leider wieder grossen Anklang finden. Ein Buch was vor allem im Nachgang in mir weiterarbeitet hat - von mir gibt es eine klare Leseempfehlung!

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  • 4 Sterne

    Helena H., 25.10.2022

    Als Buch bewertet

    Ort: Das Meer, in unmittelbarer Nähe zum Festland. Zeitpunkt: Ein nicht näher spezifizierter Zeitraum in der Zukunft. Yada, fast achtzehn Jahre alt, lebt mit ihrem Vater und einigen anderen Bewohnern auf einer Seestatt, denn das Festland ist aufgrund von Naturkatastrophen in einem chaotischen Zustand. An ihre Mutter kann Yada sich kaum erinnern, es heisst, sie wäre ihrer psychischen Krankheit unterlegen. Um die Tochter vor demselben Schicksal zu bewahren, wird Yada von ihrem Vater beschützt – oder sollte man lieber sagen: überwacht? Denn die Ungereimtheiten häufen sich und als Yada eines Tages die Flucht aufs Festland gelingt, stellt sie fest, dass ihr Vater nicht nur in Bezug auf die Zustände in Deutschland, sondern auch in Bezug auf ihre Mutter gelogen hat. Ein über Jahre hinweg sorgfältig aufgebautes Kartenhaus an Lügen stürzt zusammen und Yada findet sich in einer Realität wieder, in der sie erst lernen muss, sich zurechtzufinden. Womit sie am wenigsten gerechnet hat: Yada findet ihre totgeglaubte Mutter wieder, die als freischaffende Künstlerin in Berlin lebt. Sie ist eine Berühmtheit, weil sie einst Prophezeiungen über die Zukunft verkündete, von denen viele in Erfüllung gingen. Seitdem wird sie als „das Orakel“ bezeichnet, wogegen Helena unermüdlich ankämpft – doch ohne Erfolg. Als wieder eine ihrer Verkündungen wahr wird, beschliesst sie gemeinsam mit ihrer Tochter und ein paar engen Freunden ihre Stimme für eine gute Sache zu nutzen.

    Dem Roman „Auf See“ liegt nicht nur eine äusserst interessante Idee zugrunde, sondern auch ein ungewöhnliches Konzept. Wir tauchen abwechselnd in die Perspektive der Tochter, Yada, und der Mutter, Helena, ein – gegen Ende des Romans kommen noch weitere Stimmen hinzu. Die Passagen, die Yada und Helena gewidmet werden, werden von Essays zu historischen Themen unterbrochen. Sie gehören romanintern zu dem von Helena erarbeiteten und sukzessive erweitereten Archiv, sind aber gleichzeitig Themen, die die Autorin selbst brennend interessieren – die, so lässt sich vermuten, sie zu ihrem dystopischen Werk inspiriert haben – und die sie für uns, die Leser, in ansprechender und spannender Form interpretiert und zusammengefasst hat. So erfahren wir über den Betrüger Gregor MacGregor, der sein Geld damit verdiente, dass er Land einer von ihm erfundenen Insel verkaufte; wir lernen Ernest Hemingways jüngeren Bruder Leicester kennen; wir erhalten Geschichtsunterricht für die Insel Nauru und wie deren reiche Phosphatreserven – nichts anderes als Vogelscheisse – das Leben seiner Einwohner über Jahrzehnte hinweg bestimmen sollte; wir erhalten einen groben Überblick über die Entstehung der Sekte Scientology und dürfen zusammen mit der Autorin zu dem Geburtsort des modernen Neoliberalismus reisen – um nur einige Beispiele zu nennen. Wir haben hier somit einen utopischen Roman vorliegen, der um eine Essaysammlung bereichert wurde. Mit anderen Worten, uns liegt mit „Auf See“ ein fiktional-wissenschaftliches Konglomerat vor – wenn das mal keine innovative und spannende Idee ist! Ich habe die Lektüre von „Auf See“ sehr genossen und habe mich gerne auf derartig anregende Weise weiterbilden lassen. Allerdings gerät zugunsten der historischen Einschübe die fiktive Ebene teilweise zu kurz, was mich zu der Schwachstelle des Romans kommen lässt, und zwar löst sich die Geschichte gegen Ende etwas zu schnell und abrupt in Wohlgefallen auf, wodurch einige Fragen unbeantwortet und einige Nebenhandlungen unaufgelöst bleiben. Nichtsdestotrotz handelt es sich bei „Auf See“ um einen wertvollen und nachdenklich stimmenden Roman, den ich allen Lesern, die ich sich sowohl für utopische/dystopische Ideen als auch für historische Themen interessieren, aufs Wärmste empfehlen kann.

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  • 4 Sterne

    2 von 4 Kunden fanden diese Bewertung hilfreich

    Frederike Z., 07.09.2022

    Als Buch bewertet

    Je ernster die wirtschaftliche Weltlage wird, je deutlicher die Zeichen des Klimawandels zutage treten, die Augen sich vor den Folgen, vor einer möglichen, unausweichlichen Zukunft nicht mehr verschliessen lassen, desto mehr wünscht man sich einen Plan B herbei. Eine Möglichkeit, dem anthropogenen Untergang zu entkommen. Unglaublich klug und über allem das Menschliche, Weiche nicht verlierend, entwirft Theresia Enzensberger in „Auf See“ das Bild einer dem Untergang geweihten Seestatt, deren utopische Motivation allmählich zu einer Dystopie verfällt. Gebaut auf Geld und Einfluss, ist Vineta eine futuristische Art der Zweiklassengesellschaft: Während auf den Waben der Seestatt die überwiegend männliche, elitäre Neureiche und Wissenschaftler wohnen, treibt nebenher ein altes Kreuzfahrtschiff mit ausländischen Mitarbeiter*innen. Kinder gibt es auf der Seestatt nicht, sie sind Parasiten, wie Yadas Vater ihr einmal sagte. Freunde hat sie deswegen keine; sie wächst in einer sterilen, streng überwachten Umgebung auf, erhält wissenschaftlichen Unterricht via Videocall. Jeder Raum für Fantasie und Kreativität wird ihr unterbunden. Doch Yada nutzt jede Chance, die Allmacht ihres Vaters, seine Idee einer Utopie zu unterwandern und rebelliert. Enzensberger macht aus ihrer jungen Ich-Erzählerin eine Heroin, die für sich selbst einsteht, für ihre Zukunft, ihr Leben kämpft, die klug und gewitzt ist, gleichermassen verletzlich wie zäh ist.

    Aus einer auktorialen, etwas distanzierteren Perspektive hingegen tritt Helena auf den Plan. Ihr Leben ist eine andere Art der Dystopie, von den Zeichen der gesellschaftlichen Armut und neoliberalen Machthungers gezeichnet. Menschen leben auf den Strassen, in Autos, in Zelten, das Leben ist unbezahlbar, die Zukunft dunkelgrau. Während das World Building in Yadas Passagen grossformatig, in bunten Farben und Details geschieht, liegt der Fokus in Helenas Passagen eher auf dem Innenleben der Protagonistin, auf ihrer Gegenwart und möglichen Zukunft. Nach und nach wird Helenas Charakter komplexer, mysteriöser, die Frage um ihre Vergangenheit lauter. Und die nach der Rolle des Archivs in ihrem Leben: Immer wieder lässt Enzensberger mosaikartig kurze, historische Texte zu Inseln, den Versuchen der Staatengründung und Landeroberung einfliessen, deren Bezüge und Verknotungen mit den Handlungssträngen immer mehr zutage treten.

    Die Klugheit, Komplexität und Sanftheit der Beschreibungen, die zugrundeliegende Gesellschaftskritik und die Einzigartigkeit der Idee haben mich gleichermassen begeistert wie beschäftigt: Welche Zukunft wollen wir gemeinsam gestalten, wie wollen wir leben – ohne, dass Macht, Einfluss und Geld uns vorschreiben, wie wir es zu tun haben? Nicht immer fand ich mit Yada und Helena zusammen, war zwischenzeitlich genervt und fand den Plot stellenweise konstruiert und vorhersehbar, doch manchmal braucht man auch ein bisschen Zeit und Distanz, um das Gegenüber besser zu verstehen. Und so wirkte die Geschichte nach, veränderten sich meine Perspektive und die stürmische Seeluft tat ihr Übriges, mich wieder ins Boot zu ziehen.

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  • 4 Sterne

    Rinoa, 02.09.2022

    Als Buch bewertet

    Yada ist 17 und lebt auf einer schwimmenden Stadt in der Ostsee. Ihr Vater hat die Seestatt entworfen, um dem Chaos und Untergang der Zivilisation auf dem Festland zu entgehen. Yada lebt mit der (von ihrem Vater geschürten) Angst, ähnlich psychisch labil zu sein wie ihre verstorbene Mutter, deshalb wird vieles von ihr ferngehalten. Doch immer mehr fragt sie sich, ob die Welt da draussen wirklich im Chaos versinkt und dann macht sie auch noch eine Entdeckung, die alles bisher Geglaubte in Frage stellt…

    So ein bisschen ratlos hat mich „Auf See“ zurückgelassen. Einerseits habe ich die Lektüre sehr genossen, sie war unterhaltsam und auch fesselnd. Auf der anderen Seite hatte ich zunächst das Gefühl, vielleicht den Sinn dahinter nicht ganz verstanden zu haben.

    Das Buch ist abwechselnd aus Sicht von Yada (in Ich-Form) und Helena, einer charismatischen und eher durch Zufall zum Orakel erklärten Künstlerin, die in Berlin lebt, geschrieben. Dazwischen gibt es immer wieder Kapitel mit Geschichten aus Helenas „Archiv“, historische Fakten (die mir bis dato völlig unbekannt waren) über utopische Zukunftsfantasien, Gründungen von neuen, autarken Staaten, (versuchte) Territorialübernahmen etc. die es scheinbar immer schon gegeben hat.

    Der Aufbau hat mir wirklich gut gefallen, auch die Überschriften zu den einzelnen (grösseren) Teilen, das Zusammenspiel mit den historischen Fakten, das war alles sehr stimmig und durchdacht und gepaart mit dem Schreibstil der Autorin für mich spannend zu lesen.

    Insbesondere die Charakterisierung von Helena fand ich sehr gut gelungen (wogegen Yada für mich so ein bisschen blass blieb, allerdings passiert auf der Seestatt vielleicht auch nicht so viel wie im trubeligen Berlin und Yada ist viel auf sich allein gestellt, obwohl das sicher nicht als (alleiniger) Grund herhalten kann). Obwohl sie ganz anders ist als ich habe ich mich ihr irgendwie nahe gefühlt.

    Zuletzt muss ich noch erwähnen (und das habe ich in einer Rezension noch nie gemacht), dass ich das Cover, besonders in natura, einfach umwerfend finde. Es erinnert mich so ein bisschen an die alten Science-Fiction-„Schinken“ meines Vaters, deren Cover ich früher auch immer schon bewundert habe (mit deren Inhalt ich allerdings weniger anfangen konnte).

    Mit ein paar Tagen Abstand kann ich sagen, dass mir „Auf See“ wirklich gut gefallen hat und ich mich mit dem Gedanken angefreundet habe, dass es vielleicht auch gar keinen tieferen Sinn (zumindest für mich) geben muss. Tatsächlich könnte ich mir sogar vorstellen, das Buch später noch einmal zu lesen, was ich über nicht allzu viele Bücher behaupten kann.
    Von mir gibt es eine klare Leseempfehlung! Es lohnt sich wirklich, sich auf die Geschichte (und die Geschichten dahinter) einzulassen.

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  • 4 Sterne

    Sophie, 30.08.2022

    Als eBook bewertet

    Ein schleichender Weltuntergang

    „Auf See“ von Theresia Enzensberger ist auf den ersten Blick eine Dystopie, wie man sie aus Hollywood-Filmen kennt: eine jugendliche Heldin in einer Enklave auf dem Meer, die nach dem Kollaps der modernen Gesellschaft ein isoliertes Dasein fristet. Auf den zweiten Blick werden aber die vielen interessanten Ebenen offensichtlich, die die Autorin geschickt zu einem bewegenden und vor allem nachdenklich machenden Ganzen verwebt.

    Die junge Yada lebt in der Seestatt, einer künstlichen Insel vor der Küste Deutschlands, die ihr Vater als futuristische Rettungsarche entworfen hat. An ihre Mutter kann Yada sich kaum erinnern, und auch sonst hat sie kaum persönliche Kontakte und schlägt sich mit Einsamkeit und Langeweile herum, die erst durchbrochen wird, als ihr Vater mit seiner Geheimnistuerei ihr Misstrauen weckt. Während Yada Nachforschungen anstellt, eröffnet ein zweiter Erzählstrang die bizarre Welt der alternden, immens erfolgreichen Künstlerin Helena, deren Werk aus dem Ruder gelaufen ist. Wie diese beiden Geschichten verknüpft sind, enthüllt das Buch erst nach und nach.

    Der Zauber von „Auf See“ besteht in der Ernüchterung, die den geschilderten bahnbrechenden Ereignissen immer zugleich innewohnt. Die Seestatt ist kein High-Tech-Paradies, das noble Aussteiger auffängt, sondern ein langsam zerfallendes Experiment, das sich kaum allein auf den Beinen halten kann. Helena ist kein künstlerisches Ausnahmetalent, sondern rutscht zufällig und ungewollt in den Fokus der öffentlichen Wahrnehmung. Diese Nüchternheit setzt die Autorin auch mit Einschüben zu scheinbar unzusammenhängenden Berichten über die Welt- und Naturgeschichte fort, die nach und nach grössere Zusammenhänge offenlegen. Mit oft zynischem Blick seziert Theresia Enzensberger die Schwächen der modernen Gesellschaft: den unbedingten Glauben an Innovation, den Wunsch nach Vernetzung und Anerkennung um jeden Preis, das ungesunde Verhältnis zur Natur und nicht zuletzt die schwindende Solidarität. Dabei entgleiten ihr jedoch manchmal ihre Charaktere: Trotz des intensiven Fokus auf zwei Protagonistinnen kommt man als Leserin nicht richtig an die Figuren ran. Das Buch ist insofern eher politisch als persönlich, und auch das Tempo leidet manchmal etwas unter der Ausgestaltung bestimmter Themenkomplexe. Nichtsdestrotrotz kann es damit durchaus überzeugen.

    „Auf See“ ist ein politischer Roman, der viele gesellschaftliche Themen anschneidet und dabei nicht auf grosse Gesten und heldenhafte Charaktere setzt. Im Vordergrund stehen die grossen Zusammenhänge und Entwicklungen, die seine Lesenden herausfordern und zum Nachdenken anregen. Eine lohnenswerte Lektüre!

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  • 4 Sterne

    MeinSohnPrinzAndreas, 25.08.2022

    Als Buch bewertet

    Yada wächst in einer abgeschotteten Community auf einer künstlichen Insel vor der Küste Deutschlands auf. Einst wurde diese Schwimmende Bastion errichtet, um einen sicheren Zufluchtsort vor den Katastrophen und gesellschaftlichen Umwälzungen zu bieten, die den Rest der Erde heimsuchen. Doch mittlerweile scheint das Projekt mehr und mehr zu verkommen. Dann ist da auch noch Yadas Vater, einer der Mitbegründer der Seestatt, wie die Kolonie heisst, der seine Tochter vor allen äusseren Einflüssen der alten Welt schützen will. So auch vor dem Einfluss von Yadas Mutter, die unter einer seltsamen psychischen Krankheit litt. Doch mehr und mehr zeigt sich, dass Yada überall nur auf Lügen stösst.

    --Ich erhoffte mir ehrlich gesagt einen rasanten und dystopischen Roman, der gleichzeitig mich auch noch mit literarischen Aspekten in Sprache und Stil begeistern konnte. Allerdings stellte sich Yadas Welt aus heutiger sicht eher weniger dystopisch heraus. Ich erwartete mir, Deutschland in Trümmern zu sehen, in denen keine grossartige Zivilisation mehr Fuss fassen kann, allerdings ist das Deutschland in diesem Buch einfach nur das Deutschland, das wir kennen, nur dass sich die bekannten Probleme drastisch zugespitzt haben. Probleme mit der Nahrungsmittelversorgung, Massenobdachlosigkeit und das Gespenst des Neoliberalismus sind bekannte Gesichter in der Geschichte. Wie dem auch sei, das Setting gefiel mir trotzdem, denn bei dystopischen Büchern kann man auch sehr schnell übertreiben, sodass das ganze ziemlich abgespact wird, was hier zum Glück nicht der Fall war. Für mich hat alles seine Glaubwürdigkeit. Auch ist die Handlung rasant und spannend, allerdings stellte sich bei mir keine Sogwirkung ein, da ich die Protagonisten als sehr schwach gestaltet empfinde. Davon abgesehen fehlt mir irgendwie auch ein Ende, da es weder zu einem Showdown kommt oder ähnlichem, sondern viel mehr ein Motto nach dem Ende "wir lassen jetzt einfach mal alles im Sand verlaufen". Wir haben zwei Hauptprotagonistinnen, durch deren Augen die Geschichte erzählt wird. Doch keine der beiden wird gefühlsnahe und authentisch beschrieben, sodass sich bei mir nicht wirklich Sympathien einstellten. Für mich also nur Trägerinnen der Geschichte und keine Menschen zum Mitfiebern. Das gilt auch für die Nebencharaktere, die immer halb im Schatten verschwinden und nicht wirklich bedeutsam sind. Schade.

    Abschliessend hat man also einen soliden Roman in der Hand, der einen Ausblick in eine sehr realistische Ferne blickt. Lesenswert, auch wenn das Figurenset wirklich zu wünschen übrig lässt.

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  • 4 Sterne

    Kaffeeelse, 29.09.2022

    Als Buch bewertet

    Dieses Buch hatte für mich laut Klappentext einen recht dystopischen Klang, der aber nach der Lektüre etwas in den Hintergrund tritt und den Roman mehr gesellschaftskritisch erscheinen lässt. Was nicht schlecht ist! Denn das Buch "Auf See" ist ein sehr interessanter, absolut lehrreicher und schnell zu lesender Roman. "Auf See" überzeugt mich auch, dennoch habe ich den Eindruck, dass noch irgendetwas fehlt. Denn angezündet bin ich nicht.
    Die Charaktere sind intensiv, ja, die Geschichte ist interessant, definitiv. Aber richtig zu mir durch dringt das Geschriebene nicht. Es ist eine schöne Geschichte, die viele lehrreiche Informationen präsentiert, ein Nachschlagen im Netz während der Lektüre lohnt sich hier auf jeden Fall, aber das letzte Fünkchen fehlt hier in meinen Augen noch.
    "Auf See" ist ein Blick auf eine mögliche Zukunft, durch die momentane Entwicklung im Energiesektor ist "Auf See" noch authentischer und passender in meinen Augen. Aber genauso ist dieses Buch auch ein Blick auf einen Rosenkrieg und auf die Opfer dieses Krieges. Und ebenso seziert Theresia Enzensberger auch einen kranken und paranoiden Geist und dies ist auch etwas, was in die heutige Zeit passt, denn manch paranoides Denken heutzutage wird ja durch vielerlei Ereignisse noch getriggert, es wird schwerer manch eine Paranoia als genau dies einzuordnen. Weil die Welt, unsere Welt paranoider, aggressiver und dysphorischer wird. Also von der Warte passt dieses Buch momentan perfekt in unsere Zeit.
    Eine Utopie wird zu einer Dystopie und auch diese bleibt nicht in dieser Bedeutung. Denn eine Paranoia und ein manipulativer Mensch mit Macht und Geld erschaffen die Realität, ein Mensch spielt Gott, wird ein Diktator aus einer angeblichen Hilfe heraus. Eine Flucht vor welcher Gefahr? Denn die Gefahren der heutigen Zeit sind selbst verursachtes Elend. Durch die Gier verursachtes Elend. Männer und die Paranoia, die Suche nach Verbindungen sind hier auch interessante Gedankengänge. Denn einige Männer haben in ihren eigenen paranoiden Vorstellungen oft Angst vor dem eigenen Tun, bzw. dem Tun der männlichen Exemplare der Gattung Mensch. Wobei auch eine gewisse Schuldfrage in dieser Gesellschaftskritik in meinen Augen durchschimmert.
    Aber dennoch fehlt etwas. Ist das Buch zu aufgesetzt? Sind die Charaktere und hier besonders das Mutter-Tochter-Gespann etwas zu wenig ausgeleuchtet. Vielleicht eine Mischung aus beidem. Auf jeden Fall bin ich sicher, hier geht noch mehr und auch Theresia Enzensbergers Schaffen werde ich weiter beobachten.

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  • 4 Sterne

    Island, 22.08.2022

    Als Buch bewertet

    "Auf See" ist der zweite Roman von Theresia Enzensberger. Die auffällige Covergestaltung erinnert stark an Romane der 70er Jahre, allerdings spielt ihre Geschichte nicht in der Vergangenheit, sondern ist eine Dystopie, deren Handlung in der relativ nahen Zukunft geschieht.

    Es wird die Geschichte von Yada und Helena erzählt, wobei zunächst unklar bleibt, welche Verbindung zwischen den beiden besteht. Yada lebt mit ihrem Vater in der Seestatt, einer künstlichen Insel vor der deutschen Ostseeküste. Diese Seestatt gründete er gemeinsam mit anderen anfangs enthusiastischen Mitstreiter:innen, um dort ein möglichst autarkes Leben zu führen, während es mit der restlichen Welt abwärts geht. Aber, der Putz bröckelt mittlerweile stark, einige der zu Beginn beteiligten Wissenschaftler:innen haben sich schon wieder von dem Projekt und der Insel verabschiedet und die einfachen Arbeitskräfte werden dort ebenso schlecht oder gar noch schlechter behandelt, wie am europäischen Festland. Yada selbst wird komplett von der Welt ausserhalb dieser Insel abgeschirmt.

    Helena dagegen lebt in Berlin als Künstlerin, die unbeabsichtigt für eine Art Guru gehalten wird, der in die Zukunft sehen kann. Sie verabscheut diesen Rummel um ihre Person aber und flüchtet immer wieder vor der Aufmerksamkeit und führt so ein recht chaotisches und unstetes Leben.

    Der Roman verbindet die Leben der beiden Frauen im Laufe der Geschichte miteinander, was für eine gewisse Spannung sorgt. Etwas zu dürftig für meinen Geschmack bleibt aber die Schilderung des Zusammenlebens in der utopischen Seestatt mit all den damit verbundenen Konsequenzen und auch die von "Helenas Welt" im Berlin und im Europa der nahen Zukunft. Dadurch, dass alles aus der Perspektive der beiden Frauen beschrieben ist, kann man sich aber gut in sie hineinversetzen. Unterbrochen wird die Handlung immer wieder durch kurze Einschübe unter der Überschrift "Archiv", die "echte" utopische Ideen zum Zusammenleben aus den letzten Jahrhunderten vorstellen und kritisch kommentieren, das fand ich recht interessant, da so deutlich wird, dass die Handlung gar nicht so abwegig und aus der Luft gegriffen ist. Auch ansonsten ist der Schreibstil der Autorin sehr ansprechend, wenn auch schon teilweise relativ anspruchsvoll mit einer recht hohen Dichte an Fachbegriffen.

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  • 4 Sterne

    Anita, 19.11.2022

    Als Buch bewertet

    gut lesbar und leider nicht unrealistisch

    Worum geht es?
    Yada wächst auf einer schwimmenden Stadt auf während die Kontinente im Chaos untergehen. Doch je älter Yada wird, desto eher hinterfragt sie die Gegebenheiten und begibt sich neugierig auf die Suche nach Informationen.

    Worum geht es wirklich?
    Lebenswerte Welten, Verantwortung und Selbstbestimmung.

    Lesenswert?
    Ja, man liest hier über eine interessante dystopische Welt. Die aber leider gar nicht so unrealistisch ist, wie man es sich wünschen würde. Zu Beginn gibt es nur Yadas Perspektive, das Leben auf dem Meer und ihre Beschäftigung mit dem eigenen Dasein. Sie beginnt ihre Gedanken und Grundsätze zu hinterfragen und wie zunehmend neugierig und betreibt heimliche Recherchen.
    Eine weitere Sichtweise von jemandem auf dem Festland wird ebenfalls erzählt, dazu noch kurze Auszüge aus historischen Archiven.
    Alle drei Einblicke fand ich spannend und gut erzählt mit sehr gut vorstellbaren Persönlichkeiten.
    Mir hat sehr gefallen, wie gut lesbar dieses Buch war und auch wie verständlich die Handlung war. Bei Nominierungen zum Buchpreis habe ich oft Sorge, nicht „gut genug“ dafür zu lesen oder nicht folgen zu können. Diese Sorge war hier absolut unbegründet und ich wurde positiv überrascht. Schreibstil ist angenehm und der Aufbau der Handlung meist gut nachvollziehbar.
    Sehr schön auch die philosophischen Ansätze und politischen Gedanken, die rund um diese schwimmende Stadt entstehen und die Art, wie man Yada beim Erwachsenwerden begleitet. Sie war eine sympathische Protagonistin und die unterschiedlichen Perspektiven und Ansätze finde ich sowohl für junge Erwachsene als auch für ältere Lesende spannend. Dennoch macht die eigentliche Handlung nachdenklich, weil sie sie Frage aufwirft, wie sich unsere Welt in den nächsten Jahrzehnten entwickeln wird. Leider ist die hier dargestellte Situation nicht so unrealistisch, wie man es manchmal gerne hätte.
    Ich würde dieses Buch empfehlen, wenn man eine Art literarische Dystopie lesen möchte oder einfach mal in ein neues Genre eintauchen will.

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  • 4 Sterne

    Christine K., 21.08.2022

    Als Buch bewertet

    Ungewöhnlich und interessant – aber keine wirkliche Dystopie

    Das war wirklich ein ungewöhnliches Buch und definitiv eine interessante und stellenweise lehrreiche Lektüre. Dem Klappentext nach habe ich eine Dystopie mit dem Fokus auf eine schwimmende und selbstversorgende Insel erwartet. Das war es tatsächlich nicht.

    Im Buch haben wir zunächst drei Erzählstränge. Da ist zum Einen der Teenager Jada, die sich recht isoliert auf einer Insel vor Deutschland befindet. Warum und wieso – so genau erfährt man das anfänglich nicht. Ich fand das Ganze sehr mysteriös und empfand diese Kapitel als sehr spannend.

    Dann gibt es noch Helena, die auf dem Festland lebt. Das es den Menschen dort nicht unbedingt so gut geht wie aktuell, wird schnell klar. Von einer dystopischen Welt scheint man aber noch weit entfernt zu sein. Dieser Gegensatz zwischen den Geschichten von Jada und Helena haben mich zwar irritiert, aber auch immer dazu angeregt weiter zu lesen, um herauszufinden, was denn nun wirklich passiert ist.

    Im dritten Erzählstrang (Archiv genannt) erfahren wir historische Begebenheiten, in denen es immer um kuriose Gründungen von Staaten geht – in der Regel auf kleinen Inseln. Diese Kapitel fand ich am Besten, zudem es sich um wahre Begebenheiten handelte.

    Wie diese drei Perspektiven zusammenhängen, wird in der zweiten Buchhälfte aufgeklärt und ich war stellenweise überrascht.

    Der Schreibstil hat mir gut gefallen, auch wenn die Verwendung von (recht unbekannten) Fremdwörtern ungewöhnlich zahlreich war. Da musste ich ab und zu auch mal Google bemühen.

    Insgesamt hat mir das Buch gut gefallen, so dass ich es mit vier Sternen bewerten möchte.

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  • 4 Sterne

    Caro.booklover, 24.10.2022

    aktualisiert am 19.01.2023

    Als Buch bewertet

    Gesellschaftskritik
    Ein zunächst dystopisch anmutender Roman entpuppt sich im Laufe der Geschichte als eher gut verpackte Gesellschaftskritik. Die Endzeitstimmung ist nicht real - das entdeckt die 17-jährige Yada beim Durchstöbern geheimer Dokumente. Sie kommt ihrer eigenen Geschichte auf die Spur. Der zweite Erzählstrang fokussiert sich auf Helena, die unfreiwillig zum Orakel und aus einer Experimentierlaune heraus zur Sektenführerin wird. In diesen Kapiteln wurden die absurden Ausmasse, die die Gepflogenheiten unserer heutigen Gesellschaft annehmen können, besonders gut herausgestellt. Ich fand den Roman spannend und habe Yada sehr gern auf ihrer Reise zur Erkenntnis begleitet. Irgendwann werden die Zusammenhänge aufgelöst, aber danach tut sich nicht mehr viel. Dadurch lässt die Geschichte einen nicht ganz zufriedenstellenden Eindruck zurück. Ich kann das nicht ganz genau benennen, aber irgendetwas fehlte mir. Der besondere Clou vielleicht. Oder eine starke Botschaft, die am Ende stehen bleibt.

    Fazit:
    Eine schön herausgearbeitete Gesellschaftskritik, der aber in letzter Konsequenz das kleine Quentchen zum "Wow"-Buch fehlt.

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  • 4 Sterne

    Katrin E., 17.08.2022

    Als eBook bewertet

    Ungewöhnlich

    Bei dem Cover musste ich direkt daran denken, dass es auch irgendwann in der 80ern geschrieben sein könnte und die Zukunft heutzutage beschreiben möchte. Es hebt sich auf jeden fall ab und daher hatte es mich auch interessiert.

    Die Story passt dann auch dazu. Es geht um Yada, die als Bürgerin einer schwimmenden Stadt in der Ostsee aufwächst. Doch auch Helena lernen wir kennen. Zwei sehr unterschiedliche Persönlichkeiten und Leben.

    Die Idee fand ich spannend, doch so richtig mitreissen konnte es mich am Ende leider nicht. Die Figuren bleiben recht flach und auch die Geschichte hat zwar eine solide Grundlage, doch das Ende hat es für mich etwas zerstört. Da hätte man vermutlich einiges mehr rausholen können.

    Die Aufteilung der Kapitel ist ok, doch die Einschübe durch das "Archiv" (Beschreibungen aus der Vergangenheit und Informationen) haben den Lesefluss doch immer mal gestört. Es war interessant, aber hat nicht so gut direkt in den Roman gepasst.

    Dennoch war es alles in allem ein kurzweiliges Lesevergnügen.

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  • 4 Sterne

    Anna S., 28.08.2022

    Als Buch bewertet

    In zu grossen Fussstapfen?
    Das Cover finde ich auf Anhieb genial. Vintage oder Retrolook. Erinnert an Science Fiction der 70er Jahre. Fast schon klassisch.
    Enzensberger? Verwandt mit Hans Magnus Enzensberger? Nach Recherche die Tochter. Da hat sich Theresia Enzensberger ja in ganz grosse Fusssstapfen vorgewagt. SF Klassiker und ein Autor, der es zu Lebzeiten in der Schulunterricht geschafft hat.
    Wenn man das alles im Hinterkopf hat und dann das Buch liest, arme Autorin.
    Ein erster Schmunzler: das Inhaltsverzeichnis erinnert an den englischen Grammatikunterricht.
    Ich habe zudem den Eindruck, dass Theresia Enzensberger von einer ganz anderen Position aus schreibt, Leser müssen da erst einmal hinkommen. Ihr Postskriptum unter dem Titel Lektüre ist eine Ansammlung von Autoren, Veröffentlichungen und Querverweisen, die ich nicht einmal dem Namen nach kenne. Und auch Lord Byron als Anfangszitat im Buch ist hoch gegriffen.
    Ansonsten ein ganz lesenswertes Buch, bei dem ich immer den Eindruck hatte, als Leser nicht zu genügen.

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  • 3 Sterne

    Irisblatt, 10.09.2022

    aktualisiert am 10.09.2022

    Als Buch bewertet

    Utopia dekonstruiert oder doch ein dystopisch anmutender Familienroman?
    Es fällt mir ausgesprochen schwer, eine Rezension über Theresia Enzensbergers Roman „Auf See“ zu schreiben.
    Die Handlung ist in der näheren Zukunft angesiedelt. Im Mittelpunkt steht zunächst das Leben auf der „Seestatt Vineta“, einer künstlich angelegten schwimmenden „Wohn- und Forschungsinsel“ mitten in der Ostsee. Sie wurde ursprünglich als Zufluchtsort errichtet, weil die Welt auf dem Festland durch klimatische Veränderungen und soziale Unruhen zu zerbrechen droht(e). Enzensberger greift in ihrem Roman die Idee des „Seasteading“ auf - Siedlungen, die quasi im rechts- und steuerfreien Raum in internationalen Gewässern entstehen. Auf diesen Inseln, die sich der Kontrolle durch Staaten entziehen, sind die unterschiedlichsten Modelle menschlichen Zusammenlebens möglich, niemand ist Rechenschaft schuldig und auch Forschende können frei von sämtlichen Regularien arbeiten.
    Die 17-jährige Yada ist die Tochter des Seestattgründers Vineta. Sie lebt dort völlig isoliert von der äusseren Welt. Ihr Tagesablauf ist streng getaktet - die Beschäftigungen legt der Vater fest, Kontakt hat sie fast ausschliesslich zu ihm und ihren Lehrern. Die ursprüngliche Idee eines autarken Seasteading-Projekts wurde aber auch nach vielen Jahren nicht umgesetzt. Noch immer werden zahlreiche Lebensmittel ausserhalb gekauft, die Nachhaltigkeitsziele scheinen keine Priorität zu haben, immer wieder verlassen Wissenschaftler enttäuscht das Projekt. Über Yada hängt drohend eine möglicherweise durch ihre Mutter vererbte Krankheit. Medikamente sollen das Ausbrechen verhindern. Irgendwann kommen Yada Zweifel am Weltbild, das ihr vermittelt wurde. Warum wurde die Seestatt wirklich errichtet? Kann sie ihrem Vater vertrauen? Sie merkt, dass es viele Ungereimtheiten gibt und beginnt heimlich zu recherchieren.
    Ein weiterer Erzählstrang ist auf dem Festland angesiedelt. Wir folgen Helena durch ihren Alltag. Sie ist Künstlerin, Sektenführerin und Orakel, aber in erster Linie plan-, halt- und antriebslos. Ganz zufällig wurde sie durch die Macht der sozialen Medien sowie durch den Einfluss zahlreicher Influencer:innen zum Orakel und zur Sektenführerin. Die Rollen sind ihr lästig, niemand will glauben, dass nur ein Missverständnis vorliegt, irgendwann gibt sie auf, sich zu erklären und ihren Anhänger:innen das, was diese zu erwarten scheinen. Das einzige, was Helena zu faszinieren scheint, ist ihr Archiv. Sie sammelt dort wenig bekannte historische Fakten über Visionäre, Utopisten, Sektenführer, Hochstapler und Betrüger, die ihren eigenen Staat gründen wollten oder vorgaben dies zu tun. Die Archivaufzeichnungen fand ich sehr spannend, weil sie unglaubliche, wenig bekannte Geschichten erzählen, die tatsächlich historisch belegt sind.
    Insgesamt gefällt mir die Idee hinter diesem Roman und auch die Figur der Helena, bei der die öffentliche Wahrnehmung überhaupt nicht mit dem echten Menschen in Einklang steht, sehr gut. Enzensberger thematisiert Ausbeutung, alternative Wahrheiten, unterschiedliche Möglichkeiten menschlichen Zusammenlebens, entlarvt Projekte, die nur oberflächlich gesehen im Dienste der Menschheit stehen, als egozentrische Vorhaben.
    Auf See liest sich gut, ist thematisch interessant und trotzdem merkwürdig unspektakulär. Ich empfand eine grosse Distanz zu den Figuren und der Erzählweise. Nach der Lektüre bleibt bei mir trotz vieler toller Ideen ein Gefühl der Unzufriedenheit zurück, ohne dass ich so genau festmachen könnte, woran das eigentlich liegt.

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  • 4 Sterne

    Lisa M., 14.10.2022

    Als Buch bewertet

    Beunruhigende Dystopie
    Mit "Auf See" gelingt Theresia Enzensberger ein grossartiges und zeitweise verstörend realistisches Zukunftskonstrukt, das mich zeitweise nachdenklich zurück gelassen hat. Von der ersten Seite an fesselt das Buch und zieht seine Leser*innen unweigerlich in eine erstaunlich abwechslungsreiche Geschichte, die auch Fragen für unsere eigene Zukunft aufwirft. Wie sollen wir uns verhalten? Was ist sicher und was erwartet uns? Sind Freiheit und Sicherheit in einer Zukunft, in der die Natur durch Klimawandel und andere menschengemachte Katastrophen langsam zerstört wird überhaupt noch zusammen möglich? Wissenschaftliche Innovation in Form der "Seestatt" entwickelt sich von der schön geglaubten Utopie eines autarken Systems zur Dystopie eines Zerfalls menschlicher Innovationskraft. Hier zeigt sich auch, dass diejenigen, die mächtig sind nicht zwangsweise auch diejenigen sind, die Macht haben sollten.
    Eine unbedingte Leseempfehlung!

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  • 4 Sterne

    lustaufbuch, 21.09.2022

    Als Buch bewertet

    Eine schwimmende Stadt in der Ostsee
    Die, aus Berlin stammende, Autorin Theresia Enzensberger hat mit ihrem Roman "Auf See" ein Buch geschrieben, welches schon alleine wegen des Covers dem möglichen Leser ins Auge sticht. Dieses Cover wurde mit kräftigen sowie sehr gut deckenden Farben und äusserst prägnanten Kontrasten gestaltet.
    "Auf See" ist ein Roman voller Fiktion, welcher doch auch wiederum ganz nah am wirklichen Leben spielt.
    Die Protagonistin, Yada genannt, wächst dabei von klein auf in dieser schwimmenden Stadt heran, da die ganze restliche Welt, schon seit einiger Zeit, nach und nach zerfällt und zugrunde geht.
    Doch auch dieser Inselstadt ist nach einer sehr blühenden Zeit keine all andauernde Blütezeit geschenkt und dieser verfällt nun langsam immer mehr und wird selber alt sowie unbrauchbar. Doch eines Tages macht Yada eine Entdeckung...
    Lest selber die spannende Geschichte!

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  • 4 Sterne

    iur83, 26.08.2022

    Als Buch bewertet

    Das Cover hat etwas nostalgisches an sich, was mir schon sehr gut gefällt.
    Es wird von Yada (lebt isoliert auf einer Insel vor Deutschland) und Helena (sie lebt auf dem Festland) geschrieben, zwei unterschiedliche Frauen, deren Leben in Laufe der Geschichte sich miteinander verbindet.
    Auch die Kapitel "Archiv" fand ich sehr interessant und ich habe einige Dinge dazu gelernt (ich habe es parallel sogar gegoogelt).

    Der Schreibstil ist toll. Der Leser kommt schnell in die Geschichte und kann sich alles sehr gut vorstellen.

    Das Buch spielt nicht in der heutigen Zeit, sondern in der Zukunft. Es ist auf jeden Fall mal was ganz anderes, was ich bisher gelesen habe.

    "Auf See" ist schön geschrieben, allerdings ist mir das Ende zu salopp. Mir fehlen hier noch Antworten. Es wurde mit Tempo begonnen, aber zum Schluss hat es etwas nachgelassen.

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  • 3 Sterne

    Alice, 14.09.2022

    Als Buch bewertet

    Die Grundidee des Buchs ist eigentlich sehr vielversprechend, inspiriert von der Sage Vinetas und der Geschichte versuchter Staatsneugründungen, Kommunen und fiktiver Staaten wirft die Autorin einen Blick in die Zukunft, auf die Seestatt VINETA vor der deutschen Ostseeküste. Dort wächst Yada heran. Durch ihren Vater, den Gründer der Seestatt, weiss sie, dass die restliche Welt durch klimatische Katastrophen im Chaos versunken ist und sie nur in der Seestatt sicher ist. Doch mit der Zeit beginnt sie das ihr über Jahre vermittelte Weltbild und ihr abgeschirmtes Leben immer mehr zu hinterfragen...
    Während Yada die ersten Recherchen anstellt, erfährt der Leser bereits durch einen zweiten auf dem Festland angesiedelten Erzählstrang, dass die Welt keineswegs im Chaos versunken ist, sondern die gesellschaftlichen und politischen Strukturen noch intakt sind. Helena lebt in Berlin und führt ein unstetes Leben als Künstlerin, Orakel und Sektengründerin, ihr Ruhm ist aber eher zufällig und durch die sozialen Medien herbeigeführt. Sie treibt ziellos durch ihr Leben, lediglich ihr durch eigene Recherchen zusammengestelltes Archiv von Visionären und Utopien scheint ihr Halt zu geben.

    Die Autorin hat viele Ideen und Einfälle, mit denen sie ihre utopische Welt fühlt und ihr im Hinblick auf politische und gesellschaftliche Strukturen Tiefe verleiht. So ist das Leben auf dem Festland zwar nicht im Chaos versunken, aber die heute schon bestehenden Probleme haben sich weiter verschärft: der Klimawandel führt dazu, dass es im Sommer schneit, man kann sich trotz eines gut bezahlten Jobs keine Wohnung in Berlin mieten, es gibt Zeltstädte und Slums in heruntergekommenen Hochhäusern, die sozialen Medien haben die Kraft jemand zu grossem Ruhm zu verhelfen oder ihn für ewig zu verstossen. Der Kapitalismus regiert die Welt, letztlich auch die Seestatt mit ihren steuerlichen Vorteilen und der Ausbeutung der Mitarbeiter.
    Leider nimmt sich die Autorin nicht die Zeit, diese Ideen auszuerzählen und die Geschichte erhält dadurch eine gewisse Oberflächlichkeit, die bei mir ein Gefühl der Unzufriedenheit hinterlässt. Vor allem die Archivkapitel wirkten auf mich teilweise sprachlich unnötig komplex und wenn die Geschichte mal ein bisschen in Fahrt kam, folgte meist ein Kapitel, dass sie wieder etwas ausbremste. Die Unvollständigkeit sehe ich auch bei den Figuren, so nimmt beispielsweise Yadas Vater eine zentrale Rolle in der Geschichte ein und man erfährt viel über ihn, aber nur wenig von ihm, es wäre interessant und für die Geschichte bereichernd gewesen, wenn seine Perspektive auf die Seestatt und ihre Probleme mehr Raum gekriegt hätte.

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  • 3 Sterne

    dj79, 22.09.2022

    Als Buch bewertet

    Beschwerliches Leseerlebnis
    Der neue Roman von Theresia Enzensberger beschäftigt sich mit zwei Frauen, Yada und Helena. Yada wohnt auf einer künstlichen Insel auf See. Diese sogenannte Seestatt wurde einst von ihrem Vater als Abgrenzung zur Welt im Chaos gegründet, die anfängliche Euphorie dafür ist längst verflogen. Die vollständige Selbstversorgung funktioniert nicht, einseitiges Essen ist die Folge. Als Gründertochter mit Zugang zu optimaler Ausbildung wird Yada kritisch beäugt.

    Helena hat einst als Experiment versucht, eine Sekte zu gründen, was ihr durch zutreffende Vorhersagen überraschend gut gelungen ist. Das Interesse an ihr ist gross, finanzielle Probleme scheinen ihr fremd zu sein. Trotzdem wirkt sie gelangweilt und irgendwie abgestumpft. In diesem Kontext schlingert die Geschichte zwischen den beiden Hauptcharakteren hin und her. Hin und wieder ist ein Archiv-Kapitel eingefügt, das zu den Geschehnissen einigermassen passend Wiki-mässige Abhandlungen zur tiefergehenden Auseinandersetzung beinhaltet.

    Diese mäandernde Herangehensweise hat mir das Lesen erschwert. Ich habe überdurchschnittlich lange gebraucht, um diesen Roman eher übersichtlichen Umfangs zu Ende zu lesen. Der stetige Wechsel hat meinen Lesefluss gestört. Die beiden Charaktere waren mir auch nicht wirklich sympathisch, so dass in dieser Hinsicht kein Ausgleich erfolgen konnte. Zudem habe ich nicht verstanden, was die Autorin uns tatsächlich sagen will. Natürlich habe ich wahrgenommen, dass, wenn man es geschickt anstellt, Menschen leicht beeinflussbar sind und einem ggf. überall hin folgen. Darüberhinaus wird auch in diesem Roman die zwangsläufige Erhebung von Eliten über den Rest der eigenen Welt in allen Gesellschaftsformen deutlich. Die gesetzten Regeln und Vorgaben gelten für sie nicht oder nur eingeschränkt. Grundsätzlich hätte ich mir zur Botschaft der Autorin mehr Leserführung gewünscht.

    Im Übrigen wird im Roman zeitweise gegendert und obwohl ich mich diesbezüglich anders eingeschätzt hatte, hat es mich gar nicht gestört. Kommt also immer mal wieder auf einen Versuch an.

    In Summe konnte ich leider kein richtiges Lesevergnügen empfinden. Die Lektüre war mir einfach zu anstrengend und auch ein stückweit langatmig.

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