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  • 4 Sterne

    55 von 64 Kunden fanden diese Bewertung hilfreich

    sommerlese, 11.10.2020

    Nach Christian Berkels Familiengeschichte "Der Apfelbaum" folgt nun der Roman "Ada", der wieder den familiären Rahmen Berkels aufgreift und im Ullstein Verlag erscheint.

    Im Februar 1945 wird Ada in Deutschland geboren, ihre ersten neun Lebensjahre verbringt sie vaterlos mit ihrer Mutter in Argentinien. Zurück in Berlin muss sie erst einmal die Sprache und Mentalität ihrer deutschen Landsleute lernen, über die politische Vergangenheit wird geschwiegen. Sie erlebt den Berliner Mauerbau, das Wirtschaftswunder und die 68er-Bewegung mit. Sie sucht nach ihren Wurzeln und erhält auf ihre Fragen hin nur Schweigen.

    Die Vorkenntnis von "Der Apfelbaum" ist nicht erforderlich, es hilft jedoch dabei, die Hintergründe von Sala und Otto besser zu verstehen. In diesem Buch geht es um Ada, ihr Leben gleicht einer Achterbahn von Hochs und Tiefs, ihre Gedanken und Ängste, Wünsche und Erlebnisse schildert sie in Gesprächen während einer Psychotherapie, die sie zu Beginn der 90er Jahre zur Aufarbeitung ihres Selbst macht. Dort erfährt man von ihrer Kindheit, in der sie sich eine normale Familie wünschte. Die Abstammung wird verschwiegen, Antworten über die Vergangenheit ihrer jüdischen Mutter bekommt sie nicht oder über Umwege. Sie grenzt sich von ihrer Familie ab, beginnt ein Studium, probiert die Liebe und die Drogen, erlebt die Studentenbewegung in Berlin mit, reist nach Paris und Woodstock.

    In diesem Roman taucht man mit Ada eindrucksvoll in ihre Vergangenheit ein, erlebt ihren Zwiespalt mit ihrer Identität, die Frage nach ihren Wurzeln und ihre weitere Entwicklung in dieser sich politisch verändernden Zeit der 68er Jahre. Sie ist Deutsche und Argentinierin, katholisch und auch jüdisch. Ihre Mutter Sala verschweigt ihre eigene Vergangenheit, all das Leid und die erlebten Schwierigkeiten möchte sie für immer hinter sich lassen. Adas Fragen werden nicht beantwortet, der später geborene Bruder wird das Lieblingskind der Eltern, sie wird in ein Internat geschickt, das macht ihr zu schaffen. Sie löst sich von ihrer Familie und beginnt einen neuen Lebensweg.

    Sprachlich ist das Buch wieder ein echter Genuss, Christian Berkels Sprachgewandtheit und sein schnörkelloser Erzählfluss sind mitreissend und die Handlung lässt sich spannend verfolgen. Er füllt Adas Persönlichkeit mit Leben und daraus erklärt sich ihre Depression in den 90er Jahren. Dennoch fehlen mir die Erlebnisse der 80er Jahre, um Adas Lebenswege genau zu kennen. Dafür lassen sich die 68er Jahre umso intensiver miterleben.
    Sämtliche Charaktere haben wiedererkennbare Züge, besonders Sala mit ihren Sprüchen und Ausrufen oder Otto mit seiner Heimatverbundenheit. Gefangen in dieser Familienkonstellation erlebt man die Emotionen mit, sieht die Fragen und versteht die Ausgrenzung Adas in der Familie nicht.

    Viele Hintergründe haben mich zum Nachdenken gebracht, wie es dieser Generation von jüdischen Nachfahren in Deutschland erging. Das Schweigen über die Vergangenheit lässt keine Identität zu.

    Ein bewegend erzählter Lebensweg einer interessanten Protagonistin, die sich ihrer jüdischen Abstammung erst spät bewusst wurde. Was macht das mit einem Menschen?

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  • 5 Sterne

    10 von 12 Kunden fanden diese Bewertung hilfreich

    Helena H., 04.11.2020

    „Niemand sprach. Weil nicht sein konnte, was nicht sein durfte, war nichts geschehen. Aber ihre dumpfe Angst, es könnte sich wiederholen, erinnerte sie daran, dass da noch etwas war. Diese Angst wurde zu unserer Mitgift. Auf der Suche nach einem Ventil schleppten wir sie mit uns herum. Unsere Dichtungen waren defekt. Was in uns kochte, schoss eines Tages nach allen Seiten aus uns heraus.“

    Als in Berlin die Mauer fällt, ist Ada vierundvierzig Jahre alt, sie hat seit mehreren Jahren ihre Eltern und ihren jüngeren Bruder nicht gesehen. Sie hadert mit ihrer Geschichte, der Vergangenheit ihrer Eltern, über die sie kaum etwas weiss, und mit ihrer eigenen Identität. Sie entscheidet sich schliesslich, einen Psychiater aufzusuchen, dem sie ihre Geschichte erzählt. Wir, die Leser, dürfen mitlauschen. Ada beginnt mit ihren ältesten Erinnerungen, die sie im Alter von zwei Jahren hat. Mit ihrer Mutter, Sala, lebt sie in Buenos Aires. Erst im Jahr 1954, als Ada neun Jahre alt ist, kehren beide nach Deutschland zurück. Dort wird sie einem Mann namens Otto vorgestellt, verschwommen erinnert sie sich auch an einen Hannes. Sala und Otto heiraten, bekommen drei Jahre später einen Jungen, der von allen Sputnik genannt wird. Turbulente Jahre folgen, in denen Ada gegen die Eltern, den Staat, die gesellschaftlichen Verhältnisse aufbegehrt; Jahre, die sie u. a. nach Paris und Woodstock führen.

    „Ada“ ist eine Art Autofiktion und der Folgeband von „Der Apfelbaum“. Die Eltern des Autors sind real, Adas jüngerer Bruder Sputnik ist der Autor selbst. Die Figur der Ada ist dagegen fiktiv. Christian Berkel hat einen älteren Bruder, aber keine Schwester. Wie der Autor in einem Interview begründet, habe er sich für eine weibliche Ich-Erzählerin entschieden, weil er „eine Mutter-Tochter-Beziehung für die komplexeste und spannungsreichste Beziehung innerhalb einer Familienstruktur halte“. Wer „Ada“ gelesen hat, wird dem unweigerlich zustimmen. Die Geschichte hätte mit einem männlichen Protagonisten nicht funktioniert. Viele Ebenen wären dabei verloren gegangen.

    Christian Berkel tritt in „Ada“ als hervorragender Schriftsteller hervor. Wie er zunächst in die kindliche Psyche eintaucht, ist geradezu entwaffnend echt und treffend: So lernen wir zunächst das Kind kennen, das über eine scharfe Beobachtungsgabe und starkes Empfinden verfügt, dem aber oftmals das tiefere Verständnis für die Geschehnisse fehlt. Die auf diese Weise unweigerlich entstandenen Leerstellen werden von der erwachsenen Ada im Nachhinein auch nicht ausgefüllt, sodass deren Interpretation dem Leser überlassen wird. Ada schildert drastische Situationen und das Gefühl des Verlassenseins. Bereits in dieser Zeit fühlt sie sich von ihrer Mutter oftmals nicht akzeptiert und leidet sehr unter den Trennungen: In Argentinien gibt Sala ihre Tochter in einem Kloster ab und auch später in Deutschland verlässt sie die Familie für mehrere Wochen. Ada fühlt sich weder geliebt noch ernstgenommen. Sie hat ja kaum Vergleichsmöglichkeiten und weiss deshalb nicht, dass in allen Familien geschwiegen wird, erst recht in Bezug auf die Kinder, die man mit der eigenen Vergangenheit nicht belasten will. Auch untereinander reden die Eltern nicht von ihren Erlebnissen. Sala, die aufgrund ihrer halbjüdischen Herkunft in einem Konzentrationslager in Frankreich interniert war, aus dem es ihr gelang zu fliehen, spricht nicht über ihre Erlebnisse. Und Otto, der Frontarzt und mehrere Jahre in russischer Gefangenschaft war, spricht nicht über seine Erlebnisse. Ada kann ihr Schweigen nicht nachvollziehen, denn sie fühlt sich ihrer Herkunft beraubt, die sie für ihr gutes Recht hält. Auch hadert sie mit der Frage, wer ihr leiblicher Vater ist: Ist es tatsächlich Otto oder vielleicht doch Hannes? Immer wieder bedrängt sie ihre Mutter mit der Frage, muss letzendlich aber mit der Ungewissheit darüber weiterleben. Aus Antworten und Erzählungen von ihrem Grossvater in Weimar, von ihrer Grosstante in Paris und einer alten Freundin ihrer Mutter setzt sich Ada Stück für Stück ein Bild zusammen, das jedoch lückenhaft bleibt. Mit dem Heranwachsen erweitert sich Adas Horizont, doch sie leidet weiterhin an dem Schweigen ihrer Eltern. Nichts lässt sie ungenutzt, um gegen das Leben der Elterngeneration und die Politik des Schweigens aufzubegehren: Von Studentenaufständen über die freie Liebe bis hin zum Drogenrausch – nichts lässt Ada unversucht, um der drückenden Vergangenheit der Eltern zu entfliehen. Doch während sie am Anfang noch hilflos an der Oberfläche kratzt, gelangt sie mit der Zeit zu einem immer tiefer werdenden Verständnis der Dinge.

    Christian Berkel hat mich mit „Ada“ so sehr begeistern können, dass ich den Vorgängerband unbedingt nachholen möchte und auch den Folgeband nicht verpassen werde. Er hat in seinem Roman nicht nur ein umfangreiches Zeitbild von Mauerbau bis Mauerfall gezeichnet, sondern auch ein bewegendes Einzelschicksal eines der Nachkriegsgeneration angehörenden Individuums geschildert. Die weibliche Stimme hat der Autor dabei so authentisch eingefangen, dass man während der Lektüre immer wieder vergisst, dass es ein Mann ist, der hinter dem Geschriebenen steht. Der Schreibstil ist mal nüchtern und ungeschönt und dann wieder voller Poesie und literarischer Schönheit – aber stets sehr eindringlich!

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  • 5 Sterne

    8 von 11 Kunden fanden diese Bewertung hilfreich

    Dreamworx, 25.10.2020

    "Allzu tiefes Schweigen macht mich so bedenklich wie zu lauter Schrei ." (Sophokles)
    Die 1945 in Leipzig geborene Ada wächst ihre ersten 9 Lebensjahre allein mit ihrer jüdischen Mutter Sala in Argentinien auf, bevor beide in die alte Heimat zurückkehren und sich in Berlin niederlassen. Für Ada bedeutet das erst einmal Lernen, denn sie beherrscht weder die Sprache noch kennt sie die Kultur und Verhaltensregeln ihrer Mitmenschen. Auch ihrem Vater Otto begegnet sie zum ersten Mal und erlebt ein Familienleben, das versucht, Normalität zu vermitteln, während es unter der Oberfläche schwelt. Ada erlebt nicht nur das deutsche Wirtschaftswunder mit, sondern erlebt auch den Mauerbau hautnah mit. Doch irgendwie bleibt ihr alles fremd, denn Ada fühlt sich in ihrer eigentlichen deutschen Heimat nicht verwurzelt und Fragen zur Vergangenheit werden ignoriert oder nicht beantwortet. Mit Mitte 40 entscheidet sich Ada am Tag des Mauerfalls, einen Psychotherapeuten in Anspruch zu nehmen, um ihre eigene Geschichte aufzuarbeiten und vielleicht endlich einiges verstehen zu lernen….
    Christian Berkel, der mit „Der Apfelbaum“ ein fulminantes Debüt hingelegt hat, lässt mit „Ada“ nun seinen neuesten Roman folgen, das wie eine Vertiefung seines Erstlingswerkes wirkt. Berkels flüssiger, gefühlvoller und mitreissender Schreibstil schafft mit der gewählten Ich-Erzählform eine enge Anbindung des Lesers, denn er erfährt Adas Geschichte praktisch aus erster Hand, indem er ihren Worten „lauscht“ und ihr Werdegang sowie ihre Gedanken- und Gefühlswelt direkt von ihr persönlich herangetragen werden. Dabei überzeugt der Autor mit einer Sensibilität und Empathie, wie man sie selten bei männlichen Schriftstellern erlebt, um ihren weiblichen Protagonisten Lebendigkeit zu verleihen. Neben Adas persönlicher Geschichte, die von Selbstzweifeln und Entwurzelung zeugen, bekommt der Leser begleitend auch viele Informationen über das Leben in der Nachkriegszeit. So geht es über das Wirtschaftswunder, den Mauerbau, die 60er Jahre bis hin zum Mauerfall. Berkel zeichnet ein buntes und realistisches Gesellschaftsbild der damaligen Zeit. Vorrangig aber geht es um Adas Erkenntnis, dass sie jüdischer Abstammung ist, dies erst sehr spät erfährt und nun die Aufarbeitung beginnt, der sich die meisten Deutschen leider versagt haben, um nur nicht an den Massenmord im Zweiten Weltkrieg erinnert zu werden. Man mag sich gar nicht vorstellen, was in einem Menschen vorgeht, der erst im Nachhinein erfährt, was damals passiert ist und der doch eigentlich durch den Zeitpunkt seiner Geburt und die Familienumstände direkt davon betroffen war. Die Sprachlosigkeit innerhalb ihrer Eltern muss für sie eine Art Damoklesschwert gewesen sein, das sie einerseits durchbrechen wollte, aber sich andererseits auch davor fürchtete.
    Lebendige und realistisch gezeichnete Charaktere wachsen dem Leser mit ihren persönlichen Ecken und Kanten schnell ans Herz, die Nähe zu ihnen ermöglicht ihm einen Einblick in ihr Seelenleben und lässt ein Mitbangen und Hinterfragen zu. Ada ist eine Frau, die zwischen zwei Welten hin- und hergezogen wird, weshalb es ihr auch nicht gelingt, sich standfest und sicher zu fühlen. Voller Zweifel und dem Schweigen ausgeliefert, gehört sie zu einer Generation, die Gründe sucht und Antworten haben will. Dabei stürzt sie sich wie viele andere auch eine Art Rebellion, probiert Drogen und Liebe aus, besucht Woodstock und vieles mehr. Mutter Sala ist zwar eine liebenswerte und fürsorgliche Frau, hüllt sich Adas Fragen gegenüber aber immer in Schweigen und lässt ihre Tochter auf ihre Art damit im Stich. Vater Otto ist ein strenger Mann, der wenig Wärme ausstrahlt. Aber auch Mopp und Hannes spielen eine Rolle in dieser Handlung.
    „Ada“ ist eine gefühlvolle und aufwühlende Lebensgeschichte, die nachdenklich stimmt und selbst so einige Fragen beim Leser aufkommen lässt. Absolut empfehlenswert für alle, die sich nicht nur für deutsche Geschichte, sondern auch für die Schicksale dahinter interessieren!

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  • 4 Sterne

    3 von 3 Kunden fanden diese Bewertung hilfreich

    leseratte1310, 26.10.2020

    An „Der Apfelbaum“ bin ich mit einiger Skepsis herangegangen, denn ich dachte „schon wieder ein Prominenter, der sich als Schriftsteller versuchen will“. Doch Christian Berkel hat mich als Autor überzeugt und daher kam ich auch an „Ada“ nicht vorbei.
    In diesem Buch geht es um Ada, eine Frau in den Vierzigern, die auf der Suche nach sich selbst ist. Ada wird 1945 als Tochter einer Jüdin in Leipzig geboren. Sie verbringt daher ihre ersten Jahre in Argentinien und kehrt mit ihrer Mutter als neunjähriges Mädchen nach Deutschland zurück. Sie kommt in ein ihr fremdes Land und muss erst einmal die Sprache lernen. Dann tritt Otto in ihr Leben, der als ihr Vater gilt. Sie leben in Berlin als Familie zusammen und dann bekommt sie noch einen Bruder. Aber ist Otto wirklich ihr Vater? Ihre Fragen bleiben unbeantwortet. Niemand will die vielen Fragen, die sie hat, beantworten, denn niemand will an die Vergangenheit erinnert werden. Erst mit Mitte 40 versucht Ada mit Hilfe eines Psychotherapeuten ihre wahre Identität zu finden und in ihrem Leben anzukommen.
    Christian Berkel erzählt diese Geschichte aus der Perspektive von Ada, so dass ich als Leser mich gut in ihre Gefühlswelt hineinversetzen kann. Der Schreibstil ist schön flüssig zu lesen und wirklich packend. Die Atmosphäre der Nachkriegszeit kommt realistisch rüber. Man will nicht an die Vergangenheit denken, sondern setzt seine ganze Hoffnung auf die Zukunft, die verheissungsvoll aussieht.
    Ada ist eine sympathische junge Frau, auch wenn sie als Jugendliche sehr rebellisch ist. Doch wer kann es ihr verdenken, denn sie fühlt sich nirgendwo geborgen und zuhause. Sie hat viele Fragen, bekommt aber keine Antworten, was dazu führt, dass sie irgendwie entwurzelt ist. Es braucht seine Zeit und einige Umwege, bis sie sich auf die Suche nach sich selbst macht und dabei die Hilfe eines Therapeuten in Anspruch nimmt.
    Das Ende ist ziemlich offen, so dass jeder sich seine Version vom Fortgang der Geschichte machen kann. Das passt, stellt mich aber nicht so ganz zufrieden.
    Eine interessante, aber auch bedrückende Geschichte.

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  • 5 Sterne

    6 von 9 Kunden fanden diese Bewertung hilfreich

    https://lieslos.blog/, 17.10.2020

    Zeitgeschichte, Familiengeschichte und Identitätssuche.

    Es geht in „Ada“ um Selbstfindung und Identitätssuche in der noch jungen Bundesrepubublik...in einer Zeit der Umbrüche, in der bedeutende geschichtliche Ereignisse stattfanden:
    Wirtschaftswunder, Mauerbau, 68-er Bewegung.

    Die 1945 in Leipzig geborene Ich-Erzählerin Ada ist auf der Suche nach sich selbst, ihrer Familie und ihrem Vater.
    Wir begleiten sie bis in die 90-er Jahre hinein, mit einem Schwerpunkt auf den 50-er und 60-er Jahren.

    Bereits kurz nach ihrer Geburt emigriert ihre jüdische Mutter Sala mit ihr nach Buenos Aires/Argentinien und erst 9 Jahre später kehren sie nach Berlin zurück.
    Es ist eine Rückkehr in ein fremdes Land, in dem die jüngste Vergangenheit totgeschwiegen wird und in eine kalte, sprachlosen Stadt. Es ist ein Heimkommen zu völlig unbekannten Leuten mit einer Sprache, die sie kaum spricht.
    Und dann kommt es auch noch zum lang ersehnten Wiedersehen mit ihrem Vater Otto, einem Arzt, den sie bisher nur vom Foto kannte.
    Die drei ziehen zusammen und versuchen, eine Familie zu werden.

    Ada hat viele Fragen und fühlt sich mit ihren Sorgen und Nöten alleingelassen.
    Wie bereits in Argentinien fühlt sie sich nirgends richtig zugehörig.
    Ada erhält keine Antworten, es wird nicht gesprochen.
    Sie lernt früh, ihre Angelegenheiten mit sich selbst auszumachen und wirkt, obwohl sie nicht allein ist, manchmal einsam und in mancher Hinsicht heimatlos.

    Hier zeigt sich die innere Ambivalenz Adas:
    Einerseits ist sie froh, dass ihr schwer erträgliche Geschichten erspart bleiben, andererseits leidet sie unter dem allgegenwärtigen Schweigen.
    Die Sprachlosigkeit dieser Zeit und einer Generation wird im Roman wunderbar abgebildet.
    Darüber hinaus erhält man wunderbare Einblicke in das Leben in Berlin im Nachkriegsdeutschland.

    In der Geschichte geht es um die Identitätsfindung Adas, für die es unerlässlich ist, dass sie ein Bild von ihrer eigenen Vergangenheit und von ihren jüdischen Wurzeln bekommt.
    Es geht darum, dass sie ihre Vergangenheit versteht, um ihren Platz in der Gegenwart zu finden.
    Dabei spielen die Themen Liebe, Selbstbestimmung, Unabhängigkeit und Freiheit natürlich durchgehend eine bedeutende Rolle.

    Mir gefallen Erzählstil und Sprache des Autors.
    Christian Berkel schreibt sehr gewandt, detailliert und wohlformuliert eine lebendige und spannende Familiengeschichte, die sich an wahren Begebenheiten orientiert und die als wichtiges und interessantes Zeitzeugnis gesehen werden kann.
    Der melancholisch getönte Roman wirkt ehrlich und reflektiert und wird unaufdringlich in einer schnörkellosen direkten Sprache geschrieben.

    Obwohl der Roman in einer anderen Zeit spielt und weil es um zeitlose individuelle Themen geht, ist er aufgrund von ähnlichen sozialen, politischen und individuellen Problemen hoch aktuell.
    Die Protagonisten werden authentisch gezeichnet, deren Handlungen nachvollziehbar geschildert und die meist bedrückende, oft kühle und schweigsame Atmosphäre eindrücklich vermittelt.

    Was ich (als Psychoanalytikerin) besonders originell und interessant finde, ist, dass wir Adas Geschichte in Rückblenden im Rahmen einer Psychotherapie, die sie Anfang der 90er Jahre macht, erfahren.
    Vor dem Hintergrund historischer Ereignisse begleiten wir auf diese Weise Ada durch ihre Nachkriegsjugend, in der sie sich nach und nach von ihrer Familie loslöst, erste Erfahrungen mit dem anderen Geschlecht und Drogen sammelt, in der Studentenbewegung der 60er Jahre mitmischt, ruhelos umherreist und schliesslich sogar das legendäre Woodstock-Festival 1969 besucht.
    Ein bisschen schade sind das recht abrupte Ende und der Zeitsprung zwischen Woodstock und Therapiebeginn, weil wir von der Phase dazwischen kaum bis nichts erfahren und die Geschichte für meinen Geschmack etwas zu plötzlich endet.

    Der Roman von Christian Berkel liest sich leicht und flüssig, ist mitreissend, fesselnd und bewegend.

    Ich empfehle ihn sehr gerne weiter!

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  • 4 Sterne

    3 von 4 Kunden fanden diese Bewertung hilfreich

    schokoflocke, 12.10.2020

    Nach der Sintflut

    " Nicht nach uns die Sintflut, nein, wir waren die, die nach der Sintflut kamen. Wir wuchsen in den Trümmern auf, die man uns übrig gelassen hatte. "

    Mit 9 Jahren sieht Ada ihre Heimat Deutschland zum ersten mal. Sie trifft auch zum ersten mal ihren Vater, der in ihren kindlichen Vorstellungen dem Gott glich, sie darf ihn sogar selbst aussuchen...Doch die neue Heimat ist gewöhnungsbedürftig, Ada fühlt sich fremd und missverstanden. Auch das Familienglück bekommt sehr schnell Risse, da vieles verschwiegen wird...
    Nachkriegszeit in Deutschland - Zeit des Wiederaufbaus, aber vor allem ging es um das Vergessen und nach Vorne schauen, mit der schmerzhaften Vergangenheit irgendwie abschliessen zu können. Der Generationskonflikt, in sich nichts Neues, war in der Zeit besonders ausgeprägt. Während die Eltern nicht reden wollten, haben die Kinder selbst Antworten gefunden und die Ankläger gespielt. Ich finde, dass Christian Berkel wirklich gelungen ist, dies komplizierte und schmerzhafte Zeit glaubwürdig und realistisch zu beschreiben. Mit direkter und einfacher Sprache, ohne übetriebenen Sentimentalität bringt er die Problematik auf den Punkt. Dabei geht es neben der Zeitgeschichte ( obwohl ich das persönlich am interessantestem fand ) auch um die Familie, als gesellschaftliches Konstrukt. Wie wichtig die Familie für unsere Entwicklung ist und wie die Familienverhältnisse unsere Persönlichkeit formen. Es ist wirklich eine kluge und nachdenklich machende Geschichte, besonders da der Autor keinen Moralapostel spielt. Er erzählt einfach was er zu erzählen hat, zeigt, dass das Leben nicht schwarz oder weiss ist, sondern aus grautönen besteht, bleibt selbst aber distanziert, die endgültige Schlüsse überlässt er dem Leser. Das fand ich wirklich gut. Das Einzige, was mir nicht gefallen hat - die Sexualität war für mich an manchen Stellen zu stark betont, besonders anfangs fand ich das nicht ganz stimmig. Dafür gibt es zwar kleinen Abzug in meiner Bewertung, aber trotzdem finde ich das Bch wirklich lesenswert und recht anspruchsvoll.

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  • 4 Sterne

    2 von 2 Kunden fanden diese Bewertung hilfreich

    Nele33, 29.10.2020

    Ada von Christian Berkel ist die konsequente Weiterführung seines Debut der Apfelbaum.

    Ada ist Ende 40, sitzt zur Vorstellung ihres Bruders im Theater, als die Mauer fällt. Sie ist eine der vielen Nachkriegskinder die in völligem Schweigen von Seiten der Eltern und Grosseltern aufgewachsen ist und nun eine Psychotherapie beginnt.
    Schnell wurde mir beim Lesen klar, durch die Geschichte ihrer Grosseltern und Eltern hat sie eine Transgenerationale Traumatisierung erlitten, welche sozial zu 4 Generationen weiter gegeben wird. Ada wächst die ersten Lebensjahre bei ihrer Mutter auf, zum grossen Teil in Argentinien, immer in dem Glauben ihre sei katholisch, bis sie als Teenager erfährt, ihre Mutter sei Jüdin. Dies auch nicht von ihren Eltern, sondern einer Freundin und alles unter dem Deckmäntelchen der Verschwiegenhet, des Geheimnisses.
    Eine Jugend geprägt von unbeantworteten Fragen, der Suche nach den eigenen Wurzeln, die Ada unstet haben werden lassen. So spielt dieses Buch in Argentinien, Berlin und Amerika.

    Christian Berkel wählt die Ich-Perspektive für Ada und es ist ihm sehr gut gelungen, die Gefühle und Gedanken von Ada zu transportieren. Er schafft es Adas Entwicklung dem Zeitgeschehen perfekt anzupassen-waren da doch der Mauerbau, die wilden 60, der Krieg Amerikas mit Vietnam und nicht zu vergessen das Wirtschftswunder. Begleitet immer von der Generation, die nicht über "die Schlimmen" Sachen sprechen konnten und wollten.

    Für mich war Ada ebenso ein eindringlicher wie ein ruhiger Roman, den ich sehr gerne gelesen habe.

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  • 3 Sterne

    2 von 2 Kunden fanden diese Bewertung hilfreich

    Lesemaus 34, 27.10.2020 bei bewertet

    Meinung:
    Mit grossen Erwartungen bin ich an diesen Roman herangegangen, da mich der Schreibstil des Autors bereits in einer Leseprobe absolut in seinen Bann ziehen konnte. Und so war es dann auch innerhalb der Geschichte, denn die grosse Stärke des Schriftstellers Christian Berkel liegt definitiv darin, Gefühle und Atmosphäre auf das Blattpapier zu bringen, authentisch, schnörkellos und dabei trotzdem literarisch ansprechend, so lässt sich sein Stil wohl ganz gut beschreiben.

    Doch wie kommt es nun, dass mich dieses Buch dennoch nicht gänzlich von sich überzeugen konnte?
    Für mich war die Handlung und ihre Charaktere leider in einen sehr langatmigen Kontext gesetzt, wodurch mir dieses Buch unendlich dick erschien. Für mich wollte sich kein richtiger Sog und kein wahres Interesse an der Geschichte und den Beteiligten einstellen.

    Dennoch ein solides Buch, welches aber nicht an den Debütroman herankommt.

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  • 5 Sterne

    2 von 3 Kunden fanden diese Bewertung hilfreich

    bookloving, 21.12.2020 bei bewertet

    *Interessante Fortsetzung der faszinierenden Familiengeschichte*
    Mit seinem äusserst erfolgreichen Debütroman „Der Apfelbaum“ hat sich der bekannte deutsche Schauspieler Christian Berkel an ein sehr persönliches Projekt herangewagt, das ihn tief in seine bewegte Familiengeschichte und zu seinen familiären Wurzeln hat abtauchen lassen.
    Mit seinem neuen Roman „Ada“ setzt er nun seine äusserst faszinierende, biografisch inspirierte und als Dreiteiler geplante Familiensaga fort. Obwohl Berkel seine sehr beeindruckende und tiefgründige Familiengeschichte in diesem zweiten Band weiterführt und wir in vielen Episoden seinen Eltern und Grosseltern wiederbegegnen, kann dieser problemlos auch ohne Vorkenntnisse als eigenständiger Roman gelesen werden.
    In der Rahmenhandlung, die zum Mauerfall und der Wende in Deutschland angesiedelt ist, lernen wir die erwachsene Titelheldin und Ich-Erzählerin Ada kennen, die während ihrer psychotherapeutischen Gespräche auf ihre Kindheit, Jugend und ihre schwierige Beziehung zu ihrer dysfunktionalen Familie zurückblickt. Die Haupthandlung spielt somit hauptsächlich in den 1950er und 1960er Jahren. Angelegt ist die Protagonistin Ada als fiktive, ältere Schwester des Autors, die als kleines Mädchen mit ihrer jüdischen Mutter Sala lange Zeit in Argentinien gelebt hat und Mitte der 1950er Jahren schliesslich nach West-Berlin zurückkehrt.
    Abwechslungsreich und einfühlsam lässt uns der Autor aus Sicht seiner jungen Protagonistin an ihrem Einleben in eine ihr gänzlich unbekannte und befremdliche Welt und ihrem schwierigen Gefühlsleben teilhaben. Ada findet sich zwar in ihre Aussenseiterrolle ein. Insbesondere nach der Geburt ihres jüngerer Bruders „Sputnik“, dem Liebling der Eltern, fühlt sie sich unerwünscht und emotional vernachlässigt und ist sich oft selbst überlassen. In vielen anschaulichen Episoden erleben wir aus Adas Sicht, die zugleich stellvertretend für eine ganze Generation des jungen Nachkriegsdeutschland steht, ein Aufwachsen in der prosperierenden Adenauer-Ära und Adas wachsenden Problemen mit ihren Eltern, die sich verbissen über ihre teils traumatischen Erlebnisse während des 2. Weltkriegs und der Nazidiktatur in Schweigen hüllen. Gekonnt thematisiert Christian Berkel in seinem Roman das in Familien der damaligen Nachkriegszeit sehr verbreitete Phänomen des grossen Schweigens und einer plötzlichen Sprachlosigkeit. In der glorreichen Wirtschaftswunderzeit, in der alle hoffnungsvoll nach vorne blickten und endlich all ihre Traumata hinter sich lassen wollten, stösst auch die junge Ada bei ihren Eltern auf eine undurchdringliche Mauer des Schweigens, wenn es um die Vergangenheit geht.
    Gebannt folgt man Adas Jugenderlebnissen mit all ihren Höhen und Tiefen und jeder Menge schmerzvoller Erfahrungen auf der Suche nach ihrer Identität und ihrem Platz im Leben. Auch sie – ganz ein Kind der wilden 68er-Generation – begehrt mit ihrem rebellischen Charakter schliesslich gegen die spiessige, einengende Normalität der „Kriegsgeneration“ und das Verdrängen und Schweigen ihrer Eltern auf, geht als Studentin zum Demonstrieren auf die Strasse und experimentiert mit Drogen.
    Hervorragend hat Berkel seine unterschiedlichen, sehr faszinierenden Charaktere mit all ihren Eigenheit und inneren Dämonen eingefangen und zum Leben erweckt. Ob nun Adas unnahbare, schwierige Mutter Sala, die wegen ihrer jüdischen Wurzeln aus Nazideutschland fliehen musste, oder ihr Vater Otto, Salas Jugendliebe, ein durchsetzungsstarkes Arbeiterkind, das sich zum Arzt hochgearbeitet hatte und Krieg und russische Kriegsgefangenschaft durchleben musste, der aber möglicherweise gar nicht Adas leiblicher Vater ist, - sie alle sind sehr facettenreich und glaubwürdig gezeichnet. Mit seinem sehr ansprechenden, einfühlsamen Schreibstil versteht es Berkel, die zwiespältigen Stimmungen seiner jungen Protagonistin nachvollziehbar einzufangen und eine oftmals sehr bedrückende Atmosphäre entstehen zu lassen.
    Der Roman endet schliesslich mit dem Adas Abnabelungsprozess und ihrer Emanzipation von ihrer Familie recht versöhnlich und hoffnungsvoll. Man darf sehr gespannt sein, wie die mitreissende Familiengeschichte fortgeführt wird, und welche weitere Entwicklung Ada nehmen wird.
    FAZIT
    Eine bewegende und beeindruckende Fortsetzung der Familiengeschichte, äusserst einfühlsam erzählt und eine absolut empfehlenswerte Lektüre!

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  • 4 Sterne

    2 von 3 Kunden fanden diese Bewertung hilfreich

    Petra L., 16.11.2020

    Ada wird 1945 geboren und die ersten Jahre ihres Lebens verbringt sie mit ihrer jüdischen Mutter Sala in Argentinien. Als Ada fast 10 Jahre alt ist, kommen die beiden zurück nach Deutschland und Ada lernt auch endlich ihren Vater kennen (obwohl sie nie sicher ist, ob er überhaupt ihr richtiger Vater ist).
    Endlich hat sie eine ganz normale Familie, wie sie sich das immer schon gewünscht hatte. Doch leider bekommt sie in dieser Familie keine echte Geborgenheit , denn die Eltern sind beide nicht sehr liebevoll. Der Vater , ein Arzt arbeitet immerzu und ist selten zuhause und die Mutter, die als Jüdin eine schlimme Vergangenheit hat und die auch noch ständig ihrer grossen Liebe nachtrauert, hat immer wieder depressive Phasen, in denen man sie mit Samthandschuhen anfassen muss. Für Ada eine schwierige Situation, vor allem, weil sie so viele Fragen hat, die sie aber leider keinem stellen kann, weil einfach nicht über die Vergangenheit gesprochen werden darf. Als Ada dann auch noch ein Geschwisterchen bekommt, das "Goldkind" ihrer Eltern, wird es ganz einsam für das Mädchen. Trotz dieser schwierigen Kindheit gelingt es Ada allerdings, sich zu einer starken Frau zu entwickeln und auch wenn es in ihrem Leben nicht gerade wenige Probleme und Schwierigkeiten gibt, schafft sie es immer wieder, weiterzugehen und sich nicht unterkriegen zu lassen.

    Ich kenne den Vorgänger "Der Apfelbaum" von Christian Berkel, nicht , aber ich denke, das ist auch nicht dringend nötig, um "Ada" zu verstehen, denn es handelt sich um eine in sich abgeschlossene Geschichte. Der Schreibstil gefiel mir sehr gut und das Leben von Ada war sehr fesselnd beschrieben. Ich hatte oft Mitleid mit dem Mädchen, weil ihre Kindheit so einsam und lieblos war, doch sicher ging es zu der damaligen Zeit leider vielen Kindern so, dass man ihre Sorgen und Ängste nicht wirklich ernstnahm und dachte, ihnen noch einen Gefallen zu tun, indem man die schlimmen Vorkommnisse im Krieg einfach verdrängte und keine Fragen darüber beantwortet wurden.

    Ein Buch, das ich auf jeden Fall empfehlen würde, auch, wenn ich mir einige interessante Passagen etwas ausführlicher gewünscht hätte.

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  • 3 Sterne

    1 von 1 Kunden fanden diese Bewertung hilfreich

    Herbstrose, 17.10.2020

    Auf der Suche nach sich selbst …
    Mit ihrer Familie hat Ada schon vor Jahren gebrochen, aber um ihren Bruder wieder zu sehen geht sie ins Theater, es ist der 9. November 1989, der Tag des Mauerfalls. Sie verfehlt ihn, lässt sich dann alleine von den Massen durch die Strassen Berlins schieben und hängt ihren Gedanken nach. Wer ist sie, wo gehört sie hin? Sie ist jetzt 45 Jahre alt, in Argentinien aufgewachsen, lebt aber seit ihrem 9. Lebensjahr wieder in Berlin - aber ist sie hier auch zu Hause? Um ihre Identität zu klären und zu sich selbst zu finden begibt sie sich in die Hände eines Psychologen, dem sie nach und nach ihre Lebensgeschichte erzählt …
    Der Autor Christian Berkel ist ein bekannter deutscher Schauspieler. Er wurde 1957 in West-Berlin geboren und ist mit der Schauspielerin Andrea Sawatzki verheiratet. Das Paar hat zwei Söhne.
    In seinem erstem Roman „Der Apfelbaum“ aus dem Jahr 2018 beschreibt Berkel die Geschichte seiner Familie und setzt sich dabei mit Eltern und Grosseltern auseinander. Sein zweiter Roman „Ada“ ist als Fortsetzung seiner Familiengeschichte gedacht, wobei es sich bei der Protagonistin Ada um eine fiktive Person handelt, denn Berkel hat keine Schwester. Laut Aussage des Autors ist das Ganze als Trilogie geplant und ein dritter Teil bereits in Bearbeitung.
    Es ist Adas Lebensgeschichte die sie nun, 45jährig, bei einem Psychologen aufarbeitet. Sie ist planlos und unzufrieden mit ihrem Leben, zerrissen von Ängsten und Zweifel über ihre Herkunft und ohne Perspektive für die Zukunft. Sie leidet unter dem Schweigen der Eltern, weiss nichts über die NS-Zeit, weiss nicht wie ihre jüdische Mutter den Krieg überstand und wie ihr Vater die Gefangenschaft überlebte. Sie erlebt das Wirtschaftswunder, den Mauerbau und die Studentenrevolten der 68er-Jahre, macht Erfahrungen mit Drogen und fliegt 1969 nach Amerika, um drei Tage in Woodstock dabei zu sein.
    Dieses Buch zu beurteilen fällt mir nicht leicht. Dass der Autor schreiben kann hat er hier wieder bewiesen, dennoch konnte mich die Geschichte nicht packen. Wenn in dieser Familie nicht über die Vergangenheit geredet wurde, dürfte es sich wohl eine Ausnahme handeln und man muss es so hinnehmen. (In anderen Familien, so auch in meiner, war die NS-Zeit und ihre Folgen durchaus ein Thema.) Adas Lebensgeschichte, die sie in Ich-Form dem Leser selbst erzählt, fand ich in Ansätzen tatsächlich interessant, störend und verwirrend jedoch waren für mich die rasanten Zeitsprünge und Adas teils bizarren Gedankengänge. Ebenso seltsam fand ich den Schluss, der wohl das Interesse auf eine Fortsetzung wecken soll.
    Fazit: Ein Buch das unterhält und durch seine Thematik den Leser zum Nachdenken anregt.

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  • 4 Sterne

    3 von 5 Kunden fanden diese Bewertung hilfreich

    Ruth L., 19.10.2020 bei bewertet

    Auf der Suche
    Christian Berkel hat mit „ Ada“ eine Fortsetzung seines Bestsellers „ Der Apfelbaum“ geschrieben.( Das Buch lässt sich aber ohne Kenntnis des Vorgängerromans lesen.). Auch hier bedient er sich seiner komplizierten Familiengeschichte. Im „ Apfelbaum“ stand die Grosseltern- und Elterngeneration im Zentrum; dieses Mal geht es um die Tochter. Allerdings ist hier die Protagonistin eine fiktive Figur.
    Ada, die kurz nach Kriegsende mit ihrer jüdischen Mutter Sala nach Argentinien emigriert ist, kehrt 1954 als Neunjährige nach Deutschland zurück. Alles wirkt fremd und kalt auf das Mädchen, die deutsche Sprache kann sie kaum. Doch Ada hofft, endlich eine richtige Familie zu haben. Als die Mutter ihr nacheinander zwei Männer vorstellt mit der Frage, welchen sie lieber als Vater möchte, entscheidet sich Ada für Otto, der ihr ein Fahrrad geschenkt hat. Doch zeitlebens wird sie sich fragen, ob ihre Entscheidung richtig war und wer wirklich ihr Vater ist. Sala und Otto heiraten. Otto arbeitet zunächst als Arzt in einer Klinik, bevor er sich mit einer eigenen Praxis selbständig macht. Ein kleiner Bruder kommt, Sputnik, der Liebling der Eltern.
    Ada ist ein verschlossenes Kind; Freunde findet sie nur schwer. Antworten auf ihre Fragen bekommt sie nicht.
    Es sind die Jahre des Wirtschaftswunders. Die Deutschen arbeiten an ihrer Zukunft, von der Vergangenheit möchten sie nichts hören. Überall herrscht das grosse Schweigen. „ ...selbst Eheleute schwiegen über das, was sie im Krieg erlebt hatten.“
    Ada erfährt von anderen, dass ihre Mutter Jüdin ist ( und somit sie auch selbst), dass Sala im KZ interniert war.
    Sexualität ist ebenfalls ein Tabuthema, über das nicht geredet wird. Ada macht deshalb völlig unaufgeklärt erste sexuelle Erfahrungen, die nicht ohne Folgen bleiben.
    Als Jugendliche beginnt sie zu rebellieren. Sie sehnt sich nach Freiheit, will weg von den Eltern. Sie zieht in eine Wohngemeinschaft, besucht Rock- Konzerte, probiert Drogen. Sie ist dabei, als gegen den Schah von Persien demonstriert wird, als Benno Ohnesorg erschossen wird. Sogar das legendäre Woodstock- Konzert erlebt sie mit. Ihre Erfahrungen sind typisch für viele der 68- Generation.
    Adas Geschichte bekommen wir im Rückblick geschildert. Sie ist mittlerweile Mitte Vierzig und sucht Hilfe beim Psychotherapeuten. Ihm erzählt sie ihre
    „ ganze verdammte Lebensgeschichte“.
    Christian Berkel konzentriert sich dabei auf die Zeit der 50er und 60er Jahre; danach bleibt eine Leerstelle. Vielleicht erfahren wir im geplanten dritten Teil mehr darüber.
    „ Ada“ ist der Roman einer Generation: Aufgewachsen nach dem Krieg, in einer Zeit des Verdrängens und Verschweigens. Dagegen lehnen sich die Jugendlichen auf; sie wollen endlich Antworten auf ihre Fragen.
    Christian Berkel schreibt schnörkellos und klar. Sehr gut kann er sich einfühlen in die Gefühlswelt eines Mädchens, einer jungen Frau, die auf der Suche ist nach ihrer eigenen Identität und ihrem Platz in der Welt.
    „Ada“ ist ein Buch, das ich gerne gelesen habe und ich bin schon gespannt auf den letzten Teil dieser Familien- und Zeitgeschichte.

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  • 4 Sterne

    2 von 3 Kunden fanden diese Bewertung hilfreich

    Kaffeeelse, 03.11.2020

    Ich habe Ada beendet und es hat mir gefallen, auch wenn es anders geschrieben ist als der Apfelbaum. Den Apfelbaum empfand ich als runder. Obwohl das wahrscheinlich daran liegt, dass die Erzählstimme Ada etwas sperrig wirkt. Dennoch wirkt das Buch Ada vom Schreibstil her in meinen Augen gereifter und ausgefeilter, kommt mir aber auch eckiger und sperriger vor. Die Entscheidung Christian Berkels, mehr Augenmerk auf die Schriftstellerei zu legen, scheint ganz gut gewählt zu sein und ich habe wieder jemanden, dessen Schaffen ich genauer beobachten werde. Obwohl ich Christian Berkel natürlich auch gern auf der Mattscheibe betrachte!

    Der Blick auf einen Charakter der Nachkriegsgeneration und dessen Betrachtung der Elterngeneration scheint einerseits dünnes Eis zu sein, andererseits wieder ist es vollkommen nachvollziehbar. Ein gutes und wichtiges Buch! Der fünfte Stern fehlt nur deshalb, weil mir das Buch zu distanziert rüberkam, was aber wahrscheinlich am sperrigen Hauptcharakter lag und daher wieder gut gemacht ist. Dennoch kratzt die Handlung an meinem Empfinden des Apfelbaums und auch von daher scheint es ein gut geschriebenes Buch zu sein, denn dieses Kratzen erzeugt ja ein Hauptcharakter, der sich von Sala und Otto ungerecht behandelt fühlt. Dennoch weiss ich noch nicht so recht, ob mir diese veränderte Sichtweise auf Sala und Otto gefällt. Ebenso wie ich nicht weiss, ob man die Taten von Sala und Otto und all den Anderen bewerten darf. Hier fällt mir der Begriff des Glücks der späten Geburt ein. Sicher ist auch die fehlende Kommunikation ein Grund für das Unverständnis der älteren Generation gegenüber den Jüngeren. Aber darf man das zurückliegende Geschehen und daraus resultierendes Verhalten bewerten? Irgendwie ein Dilemma. Einerseits ist das Handeln der Alten durch die Geschehnisse im Krieg erklärbar und vielleicht auch verzeihbar, andererseits kann man auch die junge Generation verstehen. Mit diesem Blick ist dieses Buch ein wichtiges Buch und vielleicht ist eine daraus entstehende Debatte noch wichtiger. Denn das Geschehen was zum Ableben von Benno Ohnesorg führte, ist nach wie vor wenig erklärt oder betrachtet oder geahndet worden. Obwohl das eigentlich geschehen sollte, ... irgendwann.

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  • 4 Sterne

    1 von 1 Kunden fanden diese Bewertung hilfreich

    leseratte1310, 26.10.2020 bei bewertet

    An „Der Apfelbaum“ bin ich mit einiger Skepsis herangegangen, denn ich dachte „schon wieder ein Prominenter, der sich als Schriftsteller versuchen will“. Doch Christian Berkel hat mich als Autor überzeugt und daher kam ich auch an „Ada“ nicht vorbei.
    In diesem Buch geht es um Ada, eine Frau in den Vierzigern, die auf der Suche nach sich selbst ist. Ada wird 1945 als Tochter einer Jüdin in Leipzig geboren. Sie verbringt daher ihre ersten Jahre in Argentinien und kehrt mit ihrer Mutter als neunjähriges Mädchen nach Deutschland zurück. Sie kommt in ein ihr fremdes Land und muss erst einmal die Sprache lernen. Dann tritt Otto in ihr Leben, der als ihr Vater gilt. Sie leben in Berlin als Familie zusammen und dann bekommt sie noch einen Bruder. Aber ist Otto wirklich ihr Vater? Ihre Fragen bleiben unbeantwortet. Niemand will die vielen Fragen, die sie hat, beantworten, denn niemand will an die Vergangenheit erinnert werden. Erst mit Mitte 40 versucht Ada mit Hilfe eines Psychotherapeuten ihre wahre Identität zu finden und in ihrem Leben anzukommen.
    Christian Berkel erzählt diese Geschichte aus der Perspektive von Ada, so dass ich als Leser mich gut in ihre Gefühlswelt hineinversetzen kann. Der Schreibstil ist schön flüssig zu lesen und wirklich packend. Die Atmosphäre der Nachkriegszeit kommt realistisch rüber. Man will nicht an die Vergangenheit denken, sondern setzt seine ganze Hoffnung auf die Zukunft, die verheissungsvoll aussieht.
    Ada ist eine sympathische junge Frau, auch wenn sie als Jugendliche sehr rebellisch ist. Doch wer kann es ihr verdenken, denn sie fühlt sich nirgendwo geborgen und zuhause. Sie hat viele Fragen, bekommt aber keine Antworten, was dazu führt, dass sie irgendwie entwurzelt ist. Es braucht seine Zeit und einige Umwege, bis sie sich auf die Suche nach sich selbst macht und dabei die Hilfe eines Therapeuten in Anspruch nimmt.
    Das Ende ist ziemlich offen, so dass jeder sich seine Version vom Fortgang der Geschichte machen kann. Das passt, stellt mich aber nicht so ganz zufrieden.
    Eine interessante, aber auch bedrückende Geschichte.

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  • 4 Sterne

    2 von 3 Kunden fanden diese Bewertung hilfreich

    Martin S., 12.01.2021

    Spannende Zeitreise

    Ada wird kurz nach dem Zweiten Weltkrieg von ihrer jüdischen Mutter zur Welt gebracht. Die beiden fliehen allein nach Argentinien, um neun Jahre später nach Unruhen in Südamerika, wieder zurückzukehren. Ada trifft nun endlich ihren Vater Otto, aber das lang ersehnte Familienleben stellt sich nicht ein. Ada wächst in einer eher lieblosen Familie auf, in der sie spätestens nach der Geburt ihres kleinen Bruders immer nur die zweite Geige spielt. Ihr Leben ist aber geprägt vom Wunsch nach Freiheit und sie stemmt sich gegen das alt eingefahrene Leben ihrer Eltern. So gelangt sie in die Studentenbewegungen der späten 60er Jahre und bricht in den Augen ihrer Eltern alle Tabus...

    Der eigentlich eher als Schauspieler bekannte Autor Christian Berkel hat bereits im Jahre 2018 mit seinem Debüt-Roman "Der Apfelbaum" viel Lob und Aufmerksamkeit gesammelt, so dass ich nun mit einer hohen Erwartungshaltung in sein neues Werk gestartet bin. Er erzählt die bewegende Geschichte von Ada in einem sehr lebendigen und hervorragend zu lesenden Schreibstil, der mich schnell in die Welt der Hauptprotagonistin entführte. Ada ist von Geburt an ein Mädchen, für das Normalität und Untriebsamkeit Fremdwörter sind. Sie entdeckt so ihr eigenes Leben und versucht die Welt ihrer Eltern zu verstehen. Christian Berkel charakterisiert sie als neugierige aber niemals angepasste Person, was dem Roman eine ordentliche Portion Charme verleiht. Es macht Spass Ada zu folgen und so die historischen Etappen der Nachkriegszeit und der wilden 60er bildreich vor Augen geführt zu bekommen.

    Insgesamt ist "Ada" für mich ein gelungener Roman über das bewegende Leben einer besonderen Frau, die ihre eigene Welt leben wollte, wie sie es für richtig hielt. Das Buch hat mich mit einer sympathischen und emanzipierten Protagonistin, sowie mit dem Erzähltalent des Autors überzeugt. Ich kann das Buch gerne weiterempfehlen und bewerte es mit guten vier von fünf Sternen.

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  • 4 Sterne

    1 von 1 Kunden fanden diese Bewertung hilfreich

    Cordula Z., 04.01.2021

    Christian Berkels "Der Apfelbaum" habe ich sehr gern gelesen. Ich wollte nun unbedingt wissen wie diese sehr persönliche Geschichte weitergeht. Ada kehrt mit ihrer jüdischen Mutter Sala nach Berlin zurück. Einst in Leipzig geboren, aus dem Nachkriegsdeutschland nach Argentinien geflohen und vaterlos aufgewachsen, versucht sich Ada nun wieder in ihrer fremden Heimat, deren Sprache sie nicht spricht, zu finden. Sie lernt nun endlich ihren Vater kennen, doch glücklich wird sie nicht. Über zu vieles wird nicht gesprochen, erst recht nicht mit ihr. Als sie dann noch einen kleinen Bruder bekommt, quält sie sich noch mehr, sie rebelliert und ihre Sehnsucht nach Freiheit und Unabhängigkeit wächst.
    Der Autor erzählt sehr eindrücklich von der Zeit der 50er und 60er Jahre im Wirtschaftswunderland Deutschland und von den Problem des Schweigens zwischen den Generationen. Ada hat mich mit ihrem Handeln oft sehr gefordert. Sie ist nicht immer ganz leicht sie zu verstehen und doch ist sie mir sehr ans Herz gewachsen. Das Buch lässt sich locker und leicht lesen. Die vielen Bilder aus der Zeit des Umbruchs, die vielen realen Ereignisse und die Schilderung über die Suche nach sich und die Hoffnung endlich anzukommen haben mich dabei sehr beeindruckt und mich an die Geschichte meiner Familie denken lassen. Christian Berkel ist für mich ein grosser Erzähler und freue mich schon jetzt auf den nächsten Teil.

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  • 5 Sterne

    2 von 4 Kunden fanden diese Bewertung hilfreich

    hennie, 15.10.2020

    Die Sprachlosigkeit einer Generation
    In seinem ersten Buch „Der Apfelbaum“ beschreibt Christian Berkel in eindrucksvoller Weise ein ganzes Jahrhundert deutscher Geschichte anhand der ungewöhnlichen Liebe seiner Eltern Sala und Otto in der Zeit der Nationalsozialisten. Diese aufregende, oft quälende und bittere Story der beiden aus sehr unterschiedlichen Schichten stammenden Menschen bildete den Kern des Buches. Die Familiengeschichte bewirkte den Rahmen, den roten Faden der ganzen Erzählung.

    In „Ada“ nun wird aus der Ich-Perspektive der Hauptfigur eine wesentlich dichtere autofiktionale Geschichte abgebildet. Das geschieht über einen Zeitraum von fast 50 Jahren. Dabei liegt das Hauptaugenmerk auf den 50er und 60er Jahren, die 70er und 80er sind ausgeblendet. Evtl. spielt die ausgesparte Zeit in einem weiteren Buch noch eine wesentliche Rolle?
    Aus dem Bruder Peter des Autors in der Realität wurde in der Fiktion die Schwester Ada, die 1945 nach einer schwierigen Geburt in Leipzig das Licht der Welt erblickt. Kurze Zeit später verlässt die Jüdin Sala mit ihrem kleinen Mädchen das Land und zieht nach Argentinien. Erst als Neunjährige kommt Ada von Buenos Aires nach Berlin, in ein kaputtes, kaltes, ihr völlig fremdes Deutschland. Sie spricht nicht einmal die Sprache. Ihre Mutter setzt sich mit Otto in Verbindung und bald darauf heiraten sie. Das Kind bleibt mit seinen Fragen und der unbekannten Umwelt allein. Wie schon in Argentinien fühlt Ada sich nirgendwo zugehörig.

    [S. 57] „ Ich glaube, meine Mutter bestand darauf, etwas Besseres zu sein. Wir gehörten einfach nirgendwo dazu, wir klebten wie Streichware an immer neuen Brötchenhälften.“

    Was in der Vergangenheit geschah (mit Otto, mit Sala und den anderen), wird totgeschwiegen und kommt nach und nach bröckchenweise ans Licht. Der gesamte Roman zeichnet im wesentlichen recht bemerkenswert die Sprachlosigkeit einer ganzen Generation nach. Sie können nicht über die Vergangenheit sprechen, weder die Täter noch die Opfer. Aus der Sicht Adas wirkt diese Tatsache auf mich oft sehr beklemmend. Sie befand sich in einer widersprüchlichen Lage. Einerseits wollte sie die merkwürdigen Geschichten ihrer vielfältig gearteten Familie nicht hören, konnte sie nicht ertragen. Auf der anderen Seite litt sie unter dem allgegenwärtigen (Ver)Schweigen. Sie macht vieles allein mit sich aus. Ich kann ihre Gefühle nachvollziehen.

    Christian Berkel verarbeitet sowohl im Apfelbaum als auch in Ada autobiografische Wurzeln.
    Als ich seine Biografie las, stiess ich auf Namen, die in seinen beiden Büchern wichtige Rollen spielen. Vor allem den lebensbejahenden Grossvater Johannes Nohl mit seiner aussergewöhnlichen Lebensgeschichte möchte ich nennen.

    Fazit:
    Ein wichtiges Zeitzeugnis, das anhand von Familiengeschichte die Versäumnisse der Geschichtsauf- und –verarbeitung des dritten Reiches deutlich macht. Mich beeindruckte wiederum der sehr gewandte, detaillierte, wohlformulierte Sprachstil des Autors.

    Ich freue mich auf eine Fortsetzung und vergebe meine Höchstbewertung für einen wertvollen Roman.

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  • 5 Sterne

    1 von 2 Kunden fanden diese Bewertung hilfreich

    Inge W., 16.11.2020 bei bewertet

    Die dramatische Liebes- und Familiengeschichte von Ada: Mit ihrer jüdischen Mutter aus Nachkriegsdeutschland nach Argentinien geflohen, vaterlos aufgewachsen in einem katholischen Land, kehrt sie 1955 mit ihrer Mutter Sala nach Berlin zurück. In eine ihr fremde Heimat, deren Sprache sie nicht spricht. Dort trifft sie auf den lange ersehnten Vater Otto, doch das Familienglück bleibt aus. In einer noch immer sehr autoritär geprägten Gesellschaft wächst Adas Sehnsucht nach Freiheit und Unabhängigkeit. Die Studentenbewegungen der sechziger Jahre werden ihre Rettung. In Paris lernt sie bei ihrer Tante Lola die Mode- und Kunstwelt kennen. Am Ende steht Woodstock, das für Ada ein dreitägiges mystisches Erlebnis wird, das sie verändert. ...wenn der Leser Ada begegnet, ist die Bundes republik noch jung. Die dunkle Vergangenheit für sie ein verschlossenes Buch, aus dem die Erwachsenen das entscheidene Kapital gerissen haben. Mitten im Wirtschaftswunder sucht sie nach Teilen, die sich zu einer Identität zusammensetzen lassen und stösst auf eine verwirrende Leere aus Schweigen und Vergessen. Ada will keine Wunder, sie wünscht eine Familie, sie will endlich ihren Vater, aber dann........kommt alles anders. Wirtschaftswunder, Mauerbau, die 68er-Bewegung – und eine vielschichtige junge Frau, die aus dem Schweigen der Elterngeneration heraustritt. Vor eben diesem Hintergrund grosser historischer Ereignisse erzählt der Autor auch von der Schuld und der Liebe, von der Sprachlosigkeit und der Sehnsucht, vom Suchen und Ankommen – und beweist sich einmal mehr als grosser Erzähler. Dieser Roman ist keine leichte Kost, es ist ein grandioser Roman, der virtuos Realität und Fiktion vermischt! Er erzählt Adas Weg, ihre Reise zu sich selbst, von Buenos Aires über Berlin, Paris bis nach Woodstock, in einer vaterlosen Zeit. Er ist eine vielleicht versteckte Biografie, denn Ada erlebt ihre Jugend ungefähr in der Zeit die in die Kindheit des Autors fiel. Ein ungewöhnlich erzählter Roman über eine deutsche Familie, die Glück in einer schwierigen Zeit hatte. So kann es gewesen sein. Nach diesem Roman wird man den Schauspieler mit anderen Augen sehen. Die Wahl seiner Worte ist teils ungewöhnlich, aber wunderbar. Ausgezeichnet und beeindruckend: Das Schicksal von Ada und ihrer Familie. Ein Buch bei dem man mitfühlt, mithofft und das zu Herzen geht, sowohl inhaltlich wie auch sprachlich. Spannende Charaktere in unsteten Zeiten. Eine wahre Familiengeschichte, die tief geht! Wer ein Buch sucht, dass stilistisch aus der Masse heraussticht, findet mit diesem Roman genau das richtige. Ein wunderschönes Buch, selbst wenn mich sein etwas abruptes Ende beinahe hilflos – wie 'den Atem anhaltend' – zurückliess... Aber so fühlt sich echtes Leben erst einmal an, überraschend und kernig! Ein grosser Lesegenuss auf hohem Niveau!!

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  • 5 Sterne

    2 von 4 Kunden fanden diese Bewertung hilfreich

    dj79, 08.11.2020

    Entwurzeltes Leben
    Der Sprung in die Geschichte gelingt mit Ada‘s Entscheidung für psychologische Hilfe. Zunächst war mir die Notwendigkeit eines Psychiaters ein Rätsel. Mit dem Lesen wurde dieses anfänglich fehlende Verständnis dann sukzessive aufgelöst. Wir folgen Ada in ihre Vergangenheit und lernen eine innerlich zerrissene Frau kennen. Bereits aus „Der Apfelbaum“ waren mir die Flucht nach Argentinien und die Lebensumstände für Ada und ihre Mutter dort bekannt. Schön war hier der Perspektivwechsel, da wir nun Ada als Ich-Erzählerin haben und ihre Sicht aufs Geschehen lesen können.

    Mit diesem Wechsel der erzählenden Figur ändert sich auch der Sprachgebrauch. Während im Apfelbaum doch eher die gehobene Sprache der aus einer intellektuellen jüdischen Familie stammenden Sala zum tragen kommt, ist es nun Ada‘s lockere von Berliner Schnodderigkeit beeinflusste Ausdrucksweise, die uns entgegen schlägt. Dadurch wird für mein Empfinden Ada‘s rebellierender Charakter perfekt herausgearbeitet.

    Ada hat es nicht leicht in ihrem Leben. Die ersten Jahre wächst sie in Argentinien ohne Vaterfigur auf, bei einer Mutter, die sie eigentlich nicht haben wollte. Viel Aufmerksamkeit bekommt Ada nicht, ist doch die Mutter voll damit beschäftigt, für den Lebensunterhalt zu sorgen. So beschränkt sich ihr Kümmern um Ada auf Kritik. Nach der Rückkehr nach Berlin und dem Wiedereintritt von Otto als Vater in die Familie tritt für Ada auch keine emotionale Verbesserung ein. Schnell wird ein neues Kind „Sputnik“ geboren, das nun im Mittelpunkt steht. Zudem ist das Leben vom grossen Schweigen gekennzeichnet. Über die Vergangenheit wird nicht gesprochen, an/in den Erinnerungen der Erwachsenen wird nicht (herum)gerührt, erklärt wird der nachfolgenden Generation nichts. Ada‘s Gefühl, ein Unfall und damit unerwünscht zu sein, bleibt, nimmt sogar noch zu.

    So begleiten wir Ada im West-Berlin der Zeit des Wirtschaftswunders, Mauerbaus und durch die 68er-Bewegung. Als weiteres historisches Ereignis wird der Mauerfall 1989 thematisiert. Die Lücke dazwischen ist recht gross, lässt Fragen in Ada‘s Leben offen. So hoffe ich auf einen dritten Roman, der genau diese Lücke schliesst.

    Mir hat Ada sehr gut gefallen. Wie auch schon beim Vorgänger kann ich das Lesen nur empfehlen.

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  • 4 Sterne

    1 von 2 Kunden fanden diese Bewertung hilfreich

    Jenny V., 21.12.2020 bei bewertet

    „Merkt ihr nicht, dass man neben euch erstickt?“ Mit diesem Satz war ich aufgesprungen. Alles in mir brannte, es war dasselbe Feuer der Vernichtung wie in ihren Augen. Wir trugen die Fackel weiter und merkten es nicht.“

    Inhalt

    Dies ist die Geschichte einer jungen Frau namens Ada, geboren 1945 in Deutschland, emigriert nach Brasilien und noch in Kindheitsjahren wieder zurückgekehrt in die Heimat. Es ist die Geschichte eines Heranwachsens, in einer Zeit, wo der Krieg vorüber ist, die Menschen aber seltsam still geworden sind und für Ada bleibt ihre Vergangenheit und vor allem die ihrer Mutter lange Zeit ein Rätsel.

    Es ist eine lebenslange Suche nach Identität und Werten, ein Leben im Aufbruch, weg von den Grundsätzen der Elterngeneration, hin zu einem neuen Lebensgefühl. Und doch bremst gerade das Fehlen einer greifbaren, nachvollziehbaren Vergangenheit, das Aufbruchgefühl in eine bessere Zukunft ganz wesentlich aus. Denn wohin sollen wir gehen, wenn wir nicht wissen, woher wir kommen? Das Rätsel um Adas Herkunft findet sie über die Jahre selbst heraus, doch verstanden fühlt sie sich nicht, obwohl ihre Eltern ein klares Familienmodell etabliert haben. Zunächst regiert das Schweigen und eine Elternliebe, die sich aufs nötigste beschränkt, in ihrer Jugend bricht sie aus, muss aber mit Erschrecken feststellen, das die „neue Zeit“ nicht die Verletzungen heilt, wie sie annahm und schliesslich begibt sie sich in ihren mittleren Lebensjahren in eine Therapie, um aufzuarbeiten, was ihr bisher nicht recht gelungen ist. Zurück bleibt eine Frau, die die Last ihrer Generation schwer auf ihren Schultern trägt, obwohl sie eigentlich keine dramatischen Lebensbedingungen verkraften musste – was sie prägte war eine Distanz zwischen dem Leben selbst und der Hoffnung darauf.

    Meinung

    Dies war mein erstes Buch aus der Feder des deutschen Autors Christian Berkel, der nicht nur in der Filmbranche grosse Erfolge feiert sondern auch schon mit seinem Erstlingsroman „Der Apfelbaum“ für Aufsehen sorgte. Sein Debüt steht bei mir leider noch ungelesen im Regal, doch das werde ich demnächst ändern, denn obwohl ich diese Fortsetzungsgeschichte hier zuerst gelesen habe, hat mich der Erzählstil und die Art und Weise, wie es der Autor vermag seine Protagonisten lebendig werden zu lassen absolut überzeugt. Die Story ist ein gelungener Mix aus persönlicher, berührender Lebensgeschichte in Anlehnung an die historischen Rahmenbedingungen nach dem Krieg, an die Zeit des Wirtschaftswunders, des Mauerbaus und der 68er-Bewegung. Beides fliesst gleichermassen in den Text ein und erschafft ein umfassendes, wenn auch nicht ganz rundes Leseerlebnis mit zahlreichen Facetten und Einblicken in die Zeit meiner Elterngeneration.

    Besonders einprägsam und animierend empfand ich die intensive und teilweise schockierende Ehrlichkeit, mit der die Ich-Erzählerin aufwartet. Sie scheint so gar nicht in das Weltbild ihrer Eltern zu passen, obwohl sie es doch in jungen Jahren noch wünscht, akzeptiert und geliebt zu werden. Ihre emotionale Abstumpfung gegenüber dem Elternhaus, ihr zwanghaftes Suchen nach anderen Wahrheiten hat mich definitiv bewegt, selbst wenn ich nicht immer nachvollziehen konnte, gegen was sie eigentlich rebelliert. Seltsamerweise hat sie im Erwachsenenalter anscheinend die richtige Mischung zwischen Nähe und Distanz gefunden, sie hat sich weitestgehend von ihren Eltern getrennt, doch hält selten aber manchmal noch Kontakt. Gerade der Mittelteil des Buches, in dem sie eine Jugendliche ist, hält viele Sachverhalte bereit, über die es sich nachzudenken lohnt, während mir zum Ende hin etwas gefehlt hat, irgendetwas, was Ada vielleicht an die nächste Generation hätte weitergeben können, doch sie tut es nicht, sie bleibt eine Gefangene ihres eigenen Weltbilds, hadert viel zu lange mit ihrer Vergangenheit und sucht überall auf der Welt nach Wahrheiten, die sie nicht findet oder die sich ganz anders entwickeln als sie dachte.

    Fazit

    Ich vergebe gute 4 Lesesterne für diesen flüssigen, intensiven Roman der oft wie eine Biografie wirkt, weil die Erzählstimme sehr dominant und nah an ihren eigenen Empfindungen bleibt. Der Text liest sich absolut top, man fliegt durch die Seiten, erlebt Szenen und Bilder hautnah, kann sich die Menschen und ihre Handlungen gezielt vorstellen und bekommt darüber hinaus noch das Gesellschaftsporträt einer ganzen Generation geliefert. Definitiv ein umfassender, detaillierter Roman mit Tiefgang. Gefehlt hat mir vor allem das Positive, die schönen Elemente, jenseits von wilden Drogenpartys, die auch nur dazu da waren, den Verstand abzutöten und den grauen Alltag zu vernebeln. Die nicht enden wollende Suche von Ada hat gerade im letzten Drittel des Buches einen eher schaalen Nachgeschmack, denn was meines Erachtens fehlt, ist Adas Aussöhnung mit ihrer Geschichte. Sie bleibt irgendwo zurück und schiebt viele Dinge von sich weg, was ihr versagt wurde, sucht sie nicht mehr, doch sie klagt nach wie vor an und kann nicht vergessen, was geschah, obwohl sie nun selbst zu den Erwachsenen gehört. Leider hat mich dieser letztlich negative Ausgang und die damit verbundene Aussage etwas enttäuscht, eben weil ich Menschen dieser Zeit kenne, die sich ganz anders und viel positiver entwickelt haben, die nicht so sehr im Selbstmitleid versunken sind, wie Ada. Demnach empfinde ich ihre Geschichte als eine äusserst individuelle und nicht als allgemeingültiges Dokument über die Entwicklung der Nachkriegsgeneration.

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