Gespenster (Hörbuch (Download))

„Ghosting“ bedeutet Wikipedia zufolge, dass eine zwischenmenschliche Beziehung ohne vorherige Ankündigung vollständig abgebrochen wird. „Gespenster“ von Dolly Alderton behandelt genau dieses Thema – der Titel ist Programm: Die erfolgreiche Kochbuch-Autorin Nina George lernt in einer Dating-App Max kennen und zwischen den beiden funkt es gewaltig. Doch dann ist Max plötzlich wie vom Erdboden verschluckt, reagiert weder auf Nachrichten noch auf Anrufe.

Am Anfang der Geschichte ist Nina, in der Blüte ihres Lebens und auf der Suche nach dem Mann ihres Lebens. Als Hilfsmittel dient die Dating-App. Eine Geschichte ganz im Stile von Bridget Jones möchte man meinen, der britische Humor erweckt anfänglich auch den Anschein. Doch wer hinter die Kulissen blickt, merkt schnell, dass „Gespenster“ noch viel mehr ist. Nina lernt nicht nur Max kennen, der sich in Luft auflöst, sondern auch ihr dementer Vater entschwindet ihr langsam. Seine Erkrankung wird nie genannt, doch mit dem Thema sehr behutsam und einfühlsam umgegangen. Diese Story hat Tiefe und Substanz. Gleichzeitig erkennt Nina auf ihrem Weg (trotz aller Enttäuschungen) auch, dass nicht alle Menschen in ihrem Leben verschwinden, sondern manche auch bleiben. Und das gilt es zu schätzen … und zu bewahren.

Alderton thematisiert aber noch etwas in „Gespenster“, das manchmal einen bissig-kratzigen, manchmal aber auch einen sehr liebevollen Ton hat (wobei die Sprecherin dies wunderbar umsetzt)– nämlich das Diktat der Männer, was Beziehungen angeht. Ja, man glaube es kaum, und das im 21. Jahrhundert! Denn während sich die Frauen im Datingwahn ab einem gewissen Alter verzweifelt an die Männer kleben, da sie wissen, dass ihnen für die Familiengründung nicht mehr viel Zeit bleibt, geniessen die Männer doch das Privileg, dass auch eine späte Vaterschaft häufig problemlos klappt. An willigen Frauen mangelt es nicht. So ist Aldertons Hörbuch auch ein wenig eine Gesellschaftskritik …

Dieses Hörbuch ist ein wahres Vergnügen, da es nicht nur kurzweilig ist, sondern auch Tiefe besitzt und zum Nachdenken anregt – meine Empfehlung geht an beide Geschlechter, besonders ans Herz lege ich es jedoch Single-Frauen Ü30!

Diese interessante Geschichte aus Grossbritannien habe ich gern gehört, denn sie beschäftigt sich mit aktuellen, teils brisanten Themen, wie dauerhaftes Singledasein, erschwerte Partnersuche, Frauenfreundschaften, Mutter-Tochter- Beziehungen, Demenz eines Elternteils usw.

Sehr einfühlsam und mit viel Ernsthaftigkeit wird von den kleinen und grossen Kümmernissen des Alltags erzählt. Die junge Protagonistin Nina hat es nicht leicht, denn langsam gerät sie unter Erfolgsdruck. Gefühlt alle anderen Bekannten ihres Alters haben bereits Familie oder wenigstens einen festen Partner. Sie aber fällt leider immer auf die falschen Männer herein.

Und dann gibt es auch noch die Eltern, die es ihr nicht leicht machen, einen nervenden Nachbarn sowie einiges mehr.

Aber Nina erkennt auch irgendwann, dass man gar nichts besser macht, indem man sich selbst unter Druck setzt. Sie will am Ende alles entspannter angehen und das Leben mehr auf sich zukommen lassen.

Auch der Humor kommt nicht zu kurz. An einigen Stellen konnte ich wirklich herzhaft lachen.