Sommerfest (DVD)

"Sommerfest" ist die Filmadaption des 2012 erschienenen gleichnamigen Romans von Frank Goosen, der am 31. Mai 1966 in Bochum geboren wurde. Regie führte Sönke Wortmann, am 25.08.1959 in Marl geboren. Interessanterweise schickte Wortmann in "Kleine Haie" vor 26 Jahren seine Protagonisten Ingo Hermann (Jürgen Vogel), Johannes Scheffler (Kai Wiesinger) und Albrecht von Korweiler (Gedeon Burkhard) vom Ruhrgebiet nach München zur Schauspielschule. Nun tritt der aus Bochum stammende Stefan Zöllner (Lucas Gregorowicz), der in München als mässig erfolgreicher Theaterschauspieler arbeitet, in "Sommerfest" die Reise zurück in den Ruhrpott an. Seit 15 Jahren war Stefan nicht in seiner Heimat. Jetzt, da sein Vater verstorben ist, setzt er sich, noch im Kostüm, Hals über Kopf in den Zug, um sich um die Beerdigung und den Nachlass zu kümmern.

In der alten Heimat angekommen erlebt Stefan ein Wochenende im Sommer, an dem sich sein zerfasertes Leben verdichtet und neu ausrichtet, da er Freunden von früher begegnet, trotz Zögern seine Jugendliebe Charlie (Anna Bederke) wiedersieht, verschüttete Erinnerungen und verdrängte Gefühle, die Probleme der Gegenwart und des Alltags im Ruhrgebiet auf ihn wirken, ihn verwirren und seine Sinne durchrütteln.

Diese moderne Heimatfilmkomödie ist lebhaft, direkt, witzig, herzhaft und herzlich, ironisch und authentisch, bietet echte Typen und lebensnahe Dialoge sowie lockere Sprüche und philosophische Gedankengänge aus dem Alltagsgebrauch. Hinzu kommt eine ehrliche, unkitschige Nostalgie und angebrachte, melancholische Kritik am "Dauerstrukturwandel", unter dem die Region zu leiden hat.

Klischees und Vorurteile werden zelebriert und gleichzeitig aufgebrochen, sodass eine erfrischend unverstellte Hommage an Bochum und den Pott, die Kindheit und die (erste) (Jugend)Liebe entstanden ist.

Wunderbar finde ich auch die kleinen Zugaben für Insider wie den Auftritt des Romanautors Goosen bei einem Fussballspiel oder die Frage, ob man Stefan alias Lucas Gregorowicz als Schauspieler kennen müsse, er im "Tatort" spiele (das nicht, aber seit 2015 im "Polizeiruf 110") und den Blick hinter die Kulissen des "Residenztheaters" in München, an dem der Protagonist des Films tätig sein soll (zu sehen ist die Inszenierung von Schillers "Die Räuber") und an dem der Schauspieler Thomas Loibl, der hier in "Sommerfest" in einer kleinen Rolle als Bestatter zu sehen ist, tatsächlich als Ensemblemitglied engagiert ist.

"Sommerfest" weist viele Tonlagen und Zwischentöne auf und spiegelt somit den Charakter der Buchvorlage. Ich finde, es lohnt sich, sich hineinzufühlen und hineinzuhorchen, sich mitnehmen und unterhalten zu lassen, auch wenn und weil manches, vor allem die Zukunft, offen bleibt.