draussen (DVD)

„Draussen“ der Regisseurinnen Tama Tobias-Macht und Johanna Sunder-Plassman (beide „Istanbul Collecting“ - 2014) ist ein aussergewöhnlicher Dokumentarfilm über Menschen am Rand der Gesellschaft, der im Rahmen der „Perspektive Deutsches Kino“ auf der 68. „Berlinale“ 2018 uraufgeführt wurde.

Über ein Jahr lang gingen die beiden Frauen der Frage nach, was Obdachlose an Besitztum haben und wie sie sich ohne (Wohn)Raum damit einrichten. Aus diesem „verkopftem“ Ansatz verbunden mit ihrem künstlerischen Anspruch entstand eine eigenwillige, visuell stupende Dokumentation über vier Männer, Elvis, Peter, Sergio und Matze, und deren Habseligkeiten. Diese Gegenstände werden in den Mittelpunkt gerückt, sodass jeder der vier von ihnen ausgehend aus seinem Leben berichtet, sich sein Schicksal, sein Wesen, seine Erfahrungen, Emotionen und Begabungen erschliessen.

Auffallend ist der enorme, andauernde Lärm, der die nahezu unsichtbar neben und ausserhalb der „Zivilisation“ in Köln lebenden Männer umgibt. Ausserdem berührt es, wie sie sich nach und nach aus ihrer Verkrustung lösen und für den Film öffnen, Nahbarkeit, fast Intimität zulassen.

Dieser Film liegt fernab jeder Beobachtung oder Begleitung Wohnsitzloser im Alltag aus Sozialarbeitersicht, sondern stellt vielmehr eine künstlerisch-poetische Betrachtung von Individuen samt ihrem Eigentum dar, die aus verschiedenen Gründen „auf der Strasse“ leben. Statt des gemeinhin überall vermuteten Drecks und Gestanks trifft der Betrachter auf geometrische Ordnung, Sauberkeit und Ästhetik, Fantasie und Kreativität der Porträtierten und wird mit Arrangements konfrontiert, die an Bühnenbilder, Altäre, Schaukästen, Performancekunst oder Installationen erinnern.

„Draussen“ zielt nicht auf das Mitgefühl oder gar Mitleid des Zuschauers ab und lässt bzw. gibt genau deswegen den vier Obdachlosen ihre verdiente Würde. Nach dem Anschauen dieses Films sieht man tatsächlich manchen Obdachlosen mit „anderen Augen“ und urteilt differenzierter bezüglich der Thematik. Insofern haben Tama Tobias-Macht und Sunder-Plassman das von ihnen selbst ausgegebene Ziel erreicht.

Exkurs zu den Filmemacherinnen:

Tama Tobias-Macht ist 1982 in Jerusalem geboren und dort aufgewachsen. Von 2003 - 2008 studierte sie Fotografie an der Jerusalemer Bezalel Akademie für Kunst und Design. Durch das Studium an der Kunsthochschule für Medien in Köln von 2006 bis 2012 fand sie zum Film. Seit 2012 arbeitet sie als freischaffende Regisseurin, Cutterin und Fotografin in Köln und beschäftigt sich in ihren Filmen insbesondere mit den unterschiedlichen Aspekten von Heim und Heimat und als Ausdruck dessen verschiedenen Wohnräumen.

Johanna Sunder-Plassman ist 1983 in München geboren, studierte von 2004 - 2008 an der HBKSaar Freie Kunst/Medienkunst und an der Accademia di Belle Arti di Breira in Mailand sowie von 2008 – 2012 an der Filmschule KHM Köln. Seit 2013 lebt und arbeitet sie in Köln und ist freischaffende Regisseurin und Ausstellungsleiterin für Museen (u.a. Deutsches Filmmuseum Frankfurt, Märkisches Museum Berlin).