Überman (ePub)
Der Roman
Vom Vollidioten zum Millionär - und zurück ...
Spätestens seit es bei meinem griechischen Finanzberater keine leckeren Kekse mehr gab zu den Besprechungen, hätte ich etwas ahnen müssen. Den letzten Keks gab es, als ich einen...
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Produktinformationen zu „Überman (ePub)“
Vom Vollidioten zum Millionär - und zurück ...
Spätestens seit es bei meinem griechischen Finanzberater keine leckeren Kekse mehr gab zu den Besprechungen, hätte ich etwas ahnen müssen. Den letzten Keks gab es, als ich einen rumänischen Waldfonds erwarb und gehebelte Discountzertifikate auf Magerschwein - das ist so eine Art verschärfte Wette darauf, dass der Preis für Magerschwein stabil bleibt, und das ist gar nichts Besonderes, weil das gibt es auch für Rinder und Baumwolle und fettes Schwein. Immer wieder scherzten Kosmás Nikifóros Sarantakos und ich über all die Teilzeit-Apokalyptiker, die sich aus Angst vor der Eurokrise zitternd Goldmünzen unter die Salamischeiben ihrer Tiefkühlpizzas steckten.
Und dann kam der Tag, an dem mir Sarantakos in nahezu arglistiger Beiläufigkeit offenbarte, dass mein Plan nicht wirklich aufgegangen sei.
»Warum denn plötzlich 'mein Plan'?«, hörte ich mich noch fragen, aber erst in der Tiefgarage begriff ich, was die minus 211,2 Prozent in meinem Portfolio-Report wirklich bedeuteten: Privatinsolvenz, Gosse und Drogensucht mit nachfolgendem Ausfall der Schneidezähne. Nicht mal das Studium meiner Freundin würde ich noch finanzieren können. Der einzige Ausweg lag darin, mich ebenso schnell wie klammheimlich wieder aus dieser unsäglichen griechischen Scheiße zu ziehen - ich musste zum Überman werden!
Die mit Abstand bekloppteste Geschichte über »Vollidiot« Simon Peters!
»Tommy Jaud - Deutschlands witzigste Seite.«
Alex Dengler, Bild am Sonntag
Lese-Probe zu „Überman (ePub)“
Überman von Tommy JaudKeine Kekse mehr
Noch acht Tage
Spätestens seit es bei meinem Finanzberater keine leckeren Kekse mehr gab zu den Besprechungen, hätte ich ahnen müssen, dass irgendetwas nicht stimmt.
Den letzten Keks gab es, als ich mein letztes Finanzprodukt erwarb. Es handelte sich dabei um einen überaus leckeren Keks, denn er hatte Krokantsplitter obendrauf und eine fluffige Marzipanfüllung. Dann scherzten Kosmás Nikifóros Sarantakos und ich über dumme Fußballprofis, die ihr ganzes Geld für teure Autos verballern, und ich zeichnete eine steueroptimierte Beteiligung an einem Fonds, der über die Cayman Islands Flugzeugturbinen an namhafte brasilianische Airlines verleast, sowie gehebelte Discountzertifikate auf Magerschwein, das ist so eine Art verschärfte Wette darauf, dass der Preis für Magerschwein stabil bleibt oder steigt oder zumindest nicht schlimm fällt, und das ist gar nichts Besonderes, weil es das nicht nur für Magerschwein gibt, sondern auch für Baumwolle und fettes Schwein. »Essen werden die Leute immer«, hatte Sarantakos gesagt, und das leuchtete mir ein, weil man mich mit essbaren Argumenten sowieso immer kriegt. Dies hatte offenbar auch mein Finanzberater mit seinem dünnen schwarzen Haar und der schmalen Lederkrawatte schon bemerkt.
Das Seltsame war: Obwohl ich nie auch nur die geringste Ahnung hatte, warum ich etwas daran verdienen sollte, wenn jemand ein Magerschwein hebelt, so vertraute ich Kosmás Nikifóros Sarantakos doch, schließlich hatte ich seine Visitenkarte nicht von irgendwem, sondern von Phil Konrad, dem einzigen meiner Freunde, der es zu etwas gebracht hatte, also außer Flik vielleicht, Paula und den anderen.
... mehr
Am besten gefiel mir an meinem Finanzberater aber, dass er so gerissen war. Wer, wenn nicht Sarantakos, würde auf die Idee kommen, für ein bereits bezahltes Mehrfamilienhaus nachträglich einen Kredit aufzunehmen und Mieteinnahmen und Steuerersparnis in rumänische Waldfonds zu stecken? So etwas konnte nur Sarantakos! Er gab mir das Gefühl der Überlegenheit, er ließ mich lachen über den Börsenbericht in der ARD und die Eurokrise, denn Sarantakos und ich, wir waren ja schlauer als das verschreckte Fußvolk, das sich nach jeder Krisen-Talkshow zitternd winzige Goldbarren aus Flughafenautomaten zog und Schweizer Franken ins Kissen nähte.
Gut, inzwischen weiß ich es besser, aber hinterher ist man ja bekanntlich immer schlauer. Vorwürfe, ich sei naiv gewesen, würde ich wahnsinnig gerne von mir weisen, denn natürlich hab ich mich vor meinen Investitionen sorgsam umgehört: Keiner hatte Schlechtes zu berichten über Sarantakos (was natürlich in erster Linie damit zu tun hatte, dass ihn keiner kannte außer Phil, aber es hätte ihn ja auch jemand kennen können und dann Schlechtes berichten und dann hätte ich ihm keinen Euro anvertraut).
Auch im Netz hab ich mich schlaugemacht und erfahren, dass Sarantakos leidenschaftlicher Radrennfahrer ist (Platz 589 bei der Teutoburger-Wald-Rundfahrt), dreifacher Familienvater (jeweils ohne Sorgerecht) und 211 Freunde bei Facebook hat, darunter auch den ehemaligen Bundesliga-Star und RTL-Dschungel-Kandidat Ailton. Wie Sarantakos mir einmal persönlich verriet, betreute er darüber hinaus das Vermögen von unzähligen Promis aus Politik, Sport und Film. Er tat dies überaus professionell und diskret, denn ich habe in seinem Büro nie einen Promi zu Gesicht bekommen.
Und dann kam heute Vormittag der Moment, an dem mir Sarantakos in nahezu arglistiger Beiläufigkeit offenbarte, dass mein Plan nicht wirklich aufgegangen sei.
»Warum denn plötzlich ›mein Plan‹?«, hab ich Sarantakos gefragt, wo er doch sonst immer Formulierungen benutzt hatte wie »Das machen WIR so, mein lieber Herr Peters« oder »Da fahren WIR auf jeden Fall in den grünen Bereich«, aber plötzlich saß da ein ganz anderer Mann vor mir als der Sarantakos, den ich zu kennen glaubte, und der sagte plötzlich Sätze ohne das Wort »wir«, Sätze wie: »Wenn die Märkte runtergehen, können die Leute nicht zaubern«, oder: »Man kann der Wirtschaft nicht in den Kopf gucken.«
Ob er damit nun eine Taverne meinte oder die Wirtschaft insgesamt, hätte ich früher bestimmt gefragt, doch meine Scherze hatten sich bereits irgendwo zwischen Magerschwein und Mischwald verheddert. Es wäre ohnehin keine Zeit mehr gewesen zum Scherzen, denn Sarantakos' nächster Termin stand bereits an, sicherlich ein Promi, und dann wünschte mir Sarantakos noch alles Gute und sagte, Geld sei dann ja auch nicht alles im Leben.
Meine 22-seitige Vermögensübersicht habe ich im faden Neonlicht der Tiefgarage gelesen, und mit jeder Spalte von ebenso verlustreichen wie schwachsinnigen Finanzinstrumenten bin ich tiefer in den Sitz meines schwarzen Toyota Hilux gerutscht. Zwischen meiner Offshore-Windpark-Beteiligung und einem todsicheren Filmfonds (weil Justin Timberlake mitspielt) ging Gott sei Dank das Licht aus.
Und dann kam die Wut. Wie eine gigantische Welle brach sie über mich herein und riss alles mit, was sich ihr in den Weg stellte: die Vernunft, den dunklen Stoffdachhimmel meines Autos und natürlich ganz besonders jede einzelne der erbärmlichen Anti-Wut-Techniken aus dem Wutseminar. Für eine Sekunde dachte ich tatsächlich kurz daran, die Worte ›Liebe‹ und ›Frieden‹ in mein Wutbuch zu schreiben, doch da war meine rechte Hand schon durch den japanischen Dachhimmel, der Stoff riss ein und die Haut meiner Knöchel mit dazu. »ICH! IDIOT!«, schrie ich, und rasch wurde mein Auto zur Gummizelle. Das Bizarre: Ich war weder auf Phil wütend noch auf Sarantakos, sondern auf mich. ICH war es schließlich gewesen, der jeden noch so dämlichen Investment-Tipp aufgesaugt hatte wie ein frisch geborenes Kalb die Milch seiner Mutter. ICH hatte den rumänischen Mischwald unterschrieben, das fette Schwein und das brasilianische Triebwerk. ICH war hier der IDIOT!
Eine Viertelstunde lang saß ich einfach so da im Dunklen, und mit jeder Minute, in der ich auf das bunte Lämpchen für die Zündung starrte, begriff ich ein wenig mehr, was die minus 211,2 Prozent in meinem Portfolio bedeuteten: Sie bedeuteten, dass ich am Arsch war. Dass ich keinen verschissenen Cent mehr hatte. Dass ich nicht mal mehr den Kredit würde zahlen können für das Haus, in dem ja unsere Wohnung war.
Mir wurde schlecht, denn nun blühte mir exakt das, was mir mein Gehirn in diversen Low-Budget-Alpträumen seit Monaten präsentierte: Pfändung, Enteignung, Gosse, Prostitution sowie Drogensucht mit nachfolgendem Ausfall der Schneidezähne.
Mein Magen schrumpfte auf die Größe eines Pinienkerns, die Zähne begannen, sich selbst zu Staub zu mörsern, und als mein Körper mitbekam, was einzelne Teile von ihm so veranstalteten, da fing das Zittern an. Ein weiteres Mal hämmerte meine Faust gegen mein Auto, dieses Mal war es die Hupe. Nööööööööökkkk!, hallte es durch die Tiefgarage. Wie peinlich das alles war! Was würden die anderen sagen? Und Annabelle?
Irgendwann zog ich mich am eiskalten Lenkrad nach oben, und obgleich meine Knöchel pochten vor Schmerz und Wut, wusste ich, was ich meiner Freundin von all dem erzählen würde: einen Scheiß! Annabelle würde es nicht erfahren, NIEMAND würde überhaupt IRGENDWAS erfahren, bis ich mich selbst wieder aus dieser unsäglichen griechischen Scheiße gezogen hatte.
Aber wie sollte ich das machen? Ich, der selbsternannte Spaßpräsident, der sich seit dem erfolgreichen Verkauf seiner Internetseite vornehmlich mit Partys, Fernsehen und sonstigem Unsinn die Zeit vertrieben hatte und dessen größte Wochenaufgabe es war, die leere Kiste Kölsch durch eine volle zu ersetzen? Wie sollte so jemand schnell wieder zu Geld kommen?
Apathisch zog ich mein Smartphone aus der Jeans und klickte mich zu meinem ewigen Ideenzettel. Ideen hatte ich viele und die meisten waren nur deswegen so gut, weil kein Mensch sie je umsetzen konnte. So wie die »Cloud für echte Sachen«, die ich vor einer Woche nach sieben Gin Tonic mit meinem Kumpel und Bürokollegen Manni Friedemeyer erfand: Warum sollte man nur zu Musik, Fotos und Daten überall und jederzeit Zugriff haben? Warum nicht zum Beispiel in Köln den Kühlschrank vollmachen und im Ferienhaus auf Mallorca steht eine Sekunde später exakt das Gleiche drin? Und würden Frauen nicht zalandoesk ausrasten, wäre ihre komplette Schuhsammlung von zu Hause bereits im Hotel inklusive Koffer und Abendkleid? Nicht auszudenken, wenn auch alle Freunde immer schon da wären, wo man selbst ist, und man sich gar nicht mehr verabreden müsste ... Wie gesagt: sieben Gin Tonic.
Ich klickte mich weiter über »tragbarer U-Bahn-Eingang«, »Bierbike Las Vegas« bis zu »Jamie Oliver verklagen«, wobei ich mich daran erinnerte, dass ich hierbei durchaus Potential sah. Leider hatte ich vergessen, weswegen ich Jamie Oliver verklagen wollte. Weil man seine indischen Kolonial-Zutaten nirgendwo bekam? Weil man seine komplizierten Rezepte auch nach dem zehnten Durchlesen nicht verstand? Weil er ... Engländer war?
Ratlos schaltete ich mein Smartphone aus, legte es auf den Beifahrersitz und beschloss, dass ich zuallererst wieder mit dem Rauchen anfangen würde. Dann flackerten die Neonröhren, und ein silbergrauer Jaguar mit Düsseldorfer Kennzeichen glitt zur Tiefgaragenausfahrt, von wo er lautlos in der tiefstehenden Winter- sonne verschwand. Am Steuer saß ein Mann mit dünnem schwarzen Haar und einer schmalen Lederkrawatte.
Hatte Sarantakos nicht immer gesagt, Autos seien die schlechteste Geldanlage überhaupt? In meinem Fall war es noch die beste. Entschlossen gab ich ›Autohaus Karst‹ ins Navi und startete den Motor.
Copyright © S. Fischer Verlag GmbH, Frankfurt am Main
Am besten gefiel mir an meinem Finanzberater aber, dass er so gerissen war. Wer, wenn nicht Sarantakos, würde auf die Idee kommen, für ein bereits bezahltes Mehrfamilienhaus nachträglich einen Kredit aufzunehmen und Mieteinnahmen und Steuerersparnis in rumänische Waldfonds zu stecken? So etwas konnte nur Sarantakos! Er gab mir das Gefühl der Überlegenheit, er ließ mich lachen über den Börsenbericht in der ARD und die Eurokrise, denn Sarantakos und ich, wir waren ja schlauer als das verschreckte Fußvolk, das sich nach jeder Krisen-Talkshow zitternd winzige Goldbarren aus Flughafenautomaten zog und Schweizer Franken ins Kissen nähte.
Gut, inzwischen weiß ich es besser, aber hinterher ist man ja bekanntlich immer schlauer. Vorwürfe, ich sei naiv gewesen, würde ich wahnsinnig gerne von mir weisen, denn natürlich hab ich mich vor meinen Investitionen sorgsam umgehört: Keiner hatte Schlechtes zu berichten über Sarantakos (was natürlich in erster Linie damit zu tun hatte, dass ihn keiner kannte außer Phil, aber es hätte ihn ja auch jemand kennen können und dann Schlechtes berichten und dann hätte ich ihm keinen Euro anvertraut).
Auch im Netz hab ich mich schlaugemacht und erfahren, dass Sarantakos leidenschaftlicher Radrennfahrer ist (Platz 589 bei der Teutoburger-Wald-Rundfahrt), dreifacher Familienvater (jeweils ohne Sorgerecht) und 211 Freunde bei Facebook hat, darunter auch den ehemaligen Bundesliga-Star und RTL-Dschungel-Kandidat Ailton. Wie Sarantakos mir einmal persönlich verriet, betreute er darüber hinaus das Vermögen von unzähligen Promis aus Politik, Sport und Film. Er tat dies überaus professionell und diskret, denn ich habe in seinem Büro nie einen Promi zu Gesicht bekommen.
Und dann kam heute Vormittag der Moment, an dem mir Sarantakos in nahezu arglistiger Beiläufigkeit offenbarte, dass mein Plan nicht wirklich aufgegangen sei.
»Warum denn plötzlich ›mein Plan‹?«, hab ich Sarantakos gefragt, wo er doch sonst immer Formulierungen benutzt hatte wie »Das machen WIR so, mein lieber Herr Peters« oder »Da fahren WIR auf jeden Fall in den grünen Bereich«, aber plötzlich saß da ein ganz anderer Mann vor mir als der Sarantakos, den ich zu kennen glaubte, und der sagte plötzlich Sätze ohne das Wort »wir«, Sätze wie: »Wenn die Märkte runtergehen, können die Leute nicht zaubern«, oder: »Man kann der Wirtschaft nicht in den Kopf gucken.«
Ob er damit nun eine Taverne meinte oder die Wirtschaft insgesamt, hätte ich früher bestimmt gefragt, doch meine Scherze hatten sich bereits irgendwo zwischen Magerschwein und Mischwald verheddert. Es wäre ohnehin keine Zeit mehr gewesen zum Scherzen, denn Sarantakos' nächster Termin stand bereits an, sicherlich ein Promi, und dann wünschte mir Sarantakos noch alles Gute und sagte, Geld sei dann ja auch nicht alles im Leben.
Meine 22-seitige Vermögensübersicht habe ich im faden Neonlicht der Tiefgarage gelesen, und mit jeder Spalte von ebenso verlustreichen wie schwachsinnigen Finanzinstrumenten bin ich tiefer in den Sitz meines schwarzen Toyota Hilux gerutscht. Zwischen meiner Offshore-Windpark-Beteiligung und einem todsicheren Filmfonds (weil Justin Timberlake mitspielt) ging Gott sei Dank das Licht aus.
Und dann kam die Wut. Wie eine gigantische Welle brach sie über mich herein und riss alles mit, was sich ihr in den Weg stellte: die Vernunft, den dunklen Stoffdachhimmel meines Autos und natürlich ganz besonders jede einzelne der erbärmlichen Anti-Wut-Techniken aus dem Wutseminar. Für eine Sekunde dachte ich tatsächlich kurz daran, die Worte ›Liebe‹ und ›Frieden‹ in mein Wutbuch zu schreiben, doch da war meine rechte Hand schon durch den japanischen Dachhimmel, der Stoff riss ein und die Haut meiner Knöchel mit dazu. »ICH! IDIOT!«, schrie ich, und rasch wurde mein Auto zur Gummizelle. Das Bizarre: Ich war weder auf Phil wütend noch auf Sarantakos, sondern auf mich. ICH war es schließlich gewesen, der jeden noch so dämlichen Investment-Tipp aufgesaugt hatte wie ein frisch geborenes Kalb die Milch seiner Mutter. ICH hatte den rumänischen Mischwald unterschrieben, das fette Schwein und das brasilianische Triebwerk. ICH war hier der IDIOT!
Eine Viertelstunde lang saß ich einfach so da im Dunklen, und mit jeder Minute, in der ich auf das bunte Lämpchen für die Zündung starrte, begriff ich ein wenig mehr, was die minus 211,2 Prozent in meinem Portfolio bedeuteten: Sie bedeuteten, dass ich am Arsch war. Dass ich keinen verschissenen Cent mehr hatte. Dass ich nicht mal mehr den Kredit würde zahlen können für das Haus, in dem ja unsere Wohnung war.
Mir wurde schlecht, denn nun blühte mir exakt das, was mir mein Gehirn in diversen Low-Budget-Alpträumen seit Monaten präsentierte: Pfändung, Enteignung, Gosse, Prostitution sowie Drogensucht mit nachfolgendem Ausfall der Schneidezähne.
Mein Magen schrumpfte auf die Größe eines Pinienkerns, die Zähne begannen, sich selbst zu Staub zu mörsern, und als mein Körper mitbekam, was einzelne Teile von ihm so veranstalteten, da fing das Zittern an. Ein weiteres Mal hämmerte meine Faust gegen mein Auto, dieses Mal war es die Hupe. Nööööööööökkkk!, hallte es durch die Tiefgarage. Wie peinlich das alles war! Was würden die anderen sagen? Und Annabelle?
Irgendwann zog ich mich am eiskalten Lenkrad nach oben, und obgleich meine Knöchel pochten vor Schmerz und Wut, wusste ich, was ich meiner Freundin von all dem erzählen würde: einen Scheiß! Annabelle würde es nicht erfahren, NIEMAND würde überhaupt IRGENDWAS erfahren, bis ich mich selbst wieder aus dieser unsäglichen griechischen Scheiße gezogen hatte.
Aber wie sollte ich das machen? Ich, der selbsternannte Spaßpräsident, der sich seit dem erfolgreichen Verkauf seiner Internetseite vornehmlich mit Partys, Fernsehen und sonstigem Unsinn die Zeit vertrieben hatte und dessen größte Wochenaufgabe es war, die leere Kiste Kölsch durch eine volle zu ersetzen? Wie sollte so jemand schnell wieder zu Geld kommen?
Apathisch zog ich mein Smartphone aus der Jeans und klickte mich zu meinem ewigen Ideenzettel. Ideen hatte ich viele und die meisten waren nur deswegen so gut, weil kein Mensch sie je umsetzen konnte. So wie die »Cloud für echte Sachen«, die ich vor einer Woche nach sieben Gin Tonic mit meinem Kumpel und Bürokollegen Manni Friedemeyer erfand: Warum sollte man nur zu Musik, Fotos und Daten überall und jederzeit Zugriff haben? Warum nicht zum Beispiel in Köln den Kühlschrank vollmachen und im Ferienhaus auf Mallorca steht eine Sekunde später exakt das Gleiche drin? Und würden Frauen nicht zalandoesk ausrasten, wäre ihre komplette Schuhsammlung von zu Hause bereits im Hotel inklusive Koffer und Abendkleid? Nicht auszudenken, wenn auch alle Freunde immer schon da wären, wo man selbst ist, und man sich gar nicht mehr verabreden müsste ... Wie gesagt: sieben Gin Tonic.
Ich klickte mich weiter über »tragbarer U-Bahn-Eingang«, »Bierbike Las Vegas« bis zu »Jamie Oliver verklagen«, wobei ich mich daran erinnerte, dass ich hierbei durchaus Potential sah. Leider hatte ich vergessen, weswegen ich Jamie Oliver verklagen wollte. Weil man seine indischen Kolonial-Zutaten nirgendwo bekam? Weil man seine komplizierten Rezepte auch nach dem zehnten Durchlesen nicht verstand? Weil er ... Engländer war?
Ratlos schaltete ich mein Smartphone aus, legte es auf den Beifahrersitz und beschloss, dass ich zuallererst wieder mit dem Rauchen anfangen würde. Dann flackerten die Neonröhren, und ein silbergrauer Jaguar mit Düsseldorfer Kennzeichen glitt zur Tiefgaragenausfahrt, von wo er lautlos in der tiefstehenden Winter- sonne verschwand. Am Steuer saß ein Mann mit dünnem schwarzen Haar und einer schmalen Lederkrawatte.
Hatte Sarantakos nicht immer gesagt, Autos seien die schlechteste Geldanlage überhaupt? In meinem Fall war es noch die beste. Entschlossen gab ich ›Autohaus Karst‹ ins Navi und startete den Motor.
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Autoren-Porträt von Tommy Jaud
Tommy Jaud wurde in Schweinfurt geboren und arbeitete dort nach dem Abitur für genau zwei Tage bei McDonald's (zuständig für Mc Rib). Er begann ein Germanistikstudium in Bamberg und moderierte bei Antenne Thüringen, zog dann nach Köln, wo er für die "Wochenshow" arbeitete und als Creative Producer bei "Ladykracher". 2004 schrieb Jaud seinen ersten Roman, weitere folgten. Tommy Jaud schrieb auch die Drehbücher zu den Komödien "Vollidiot", "Resturlaub" und "Zwei Weihnachtsmänner". Derzeit lebt und schreibt Tommy Jaud als freier Autor vor allem in Köln.
Bibliographische Angaben
- Autor: Tommy Jaud
- 2012, 1. Auflage, 368 Seiten, Deutsch
- Verlag: FISCHER E-Books
- ISBN-10: 3104017697
- ISBN-13: 9783104017693
- Erscheinungsdatum: 14.11.2012
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eBook Informationen
- Dateiformat: ePub
- Grösse: 1.37 MB
- Ohne Kopierschutz
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Rezension zu „Überman (ePub)“
"Tommy Jaud - Deutschlands witzigste Seite." (Alex Dengler, Bild am Sonntag)
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