Die Baugeschichte der Cheopspyramide (ePub)

Seit ihrer Entstehung faszinieren die ägyptischen Pyramiden. Vieles wurde über sie publiziert, aber eine umfassende und technisch überzeugende Antwort darauf, wie sie gebaut wurden, gibt es bis heute nicht. Dies gilt auch für die grösste Pyramide, die Cheopspyramide. Viele der bisher bekannten Erklärungsansätze basieren auf spekulativen Bautechniken und Annahmen, für deren Existenz es zur Zeit des Pyramidenbaus entweder keine wissenschaftlich gesicherten Erkenntnisse gibt oder die einer bautechnischen Überprüfung nicht standhalten. Der Autor, Joachim Sass, verfolgt einen anderen Ansatz. Auf der Grundlage von wissenschaftlich abgesicherten technischen Fähigkeiten der damaligen Zeit entwirft er seine Theorie über den Bau der Cheopspyramide und begründet mit der langjährigen Erfahrungen eines Bauingenieurs ihre technische und baupraktische Machbarkeit.
Sein Buch lässt sich in mehrere Abschnitte einteilen, die aufeinander aufbauen: Zunächst gibt er einen chronologischen Überblick über die bekanntesten europäischen Bauwerke vor der Pyramidenzeit und zieht erste Rückschlüsse auf die bautechnischen Fähigkeiten der Erbauer.
Nach Ausführungen über die Entstehung der Ägyptischen Kultur diskutiert er den Bau der Vorgängerpyramiden und zeigt anhand der stetig zunehmenden Pyramidengrösse die eindrucksvolle Steigerung der altägyptischen Pyramidenbautechnik, die im Bau der Cheopspyramide kulminiert. Ein kurzer Exkurs über die Pyramiden Mittelamerikas rundet diesen Abschnitt ab.
Der eigentliche Hauptabschnitt des Buches bezieht sich auf den Bau der Cheopspyramide mit ihrer imponierenden Datenbasis. Hier diskutiert er zunächst die am häufigsten verbreiteten Bautheorien und bewertet ihre realistische Machbarkeit. Dann beschreibt er die Annahmen, auf denen seine Theorie beruht. Kern dieser Theorie ist eine Rampe, die sich auf einer kegelförmigen Sandschüttung bis zur Spitze der Pyramide windet. Wie er ausführt, erlaubt diese kegelförmige Rampe in allen definierten Bauabschnitten die Durchführung des erforderlichen bautechnischen, messtechnischen und logistischen Baubetriebs, den er facettenreich zusammen mit den konstruktiven Voraussetzungen des Pyramidenbaus in den Unterabschnitten detailliert beschreibt und begründet. Berechnungen zum Bauzeitplan schliessen den Hauptabschnitt ab.
Abschliessend unternimmt der Autor einen Zeitsprung ins 20. Jahrhundert und geht auf die Errichtung des Assuan Hochdamms und die gelungene Umsetzung der Felsentempel von Abu Simbel ein, die von den Herausforderungen her mit dem Bau der Pyramiden als vergleichbar angesehen werden.
Der Titel des Buches „Die Baugeschichte der Cheopspyramide-Genialität in der Einfachheit“ ist zutreffend gewählt. Mit der präzisen Sprache eines Bauingenieurs beschreibt der Autor seine Sicht der Baugeschichte der Cheopspyramide in einer gut lesbaren und verständlichen Form. Zahlreiche Ausführungsdetails, Bautechniken und Arbeitsabläufe werden beschrieben und zur besseren Verständlichkeit mit vielen Zeichnungen erläutert. Trotzdem ist es kein Buch, das man in die Hand nimmt und in einem Zug durchliest. Dazu ist es mit seiner enormen Informationsdichte und dem Schwerpunkt auf der Bautechnik mit den erläuternden technischen Berechnungen zu anspruchsvoll. Die Inhalte der einzelnen Kapitel sind unter Hinweis auf die jeweils zitierte Literatur sehr gut recherchiert. Besonders hervorzuheben ist die oben vorgestellte neue Theorie des Autors. Seine aus den Annahmen gezogenen Schlussfolgerungen sind schlüssig und nachvollziehbar. So könnte der Bau der Cheopspyramide erfolgt sein. Da sich jedoch Theorien durch Verifikation nicht beweisen lassen, sie aber durch Falsifikation widerlegt werden können, wird erst eine breite Diskussion letztlich zeigen, inwieweit seine Theorie wissenschaftlich belastbar ist.
Dieses sehr empfehlenswerte Buch bereichert mit seiner neuen Theorie und den zahlreichen Informationen über die ägyptischen Pyramiden die vorhandene Fachliteratur und richtet sich mit seiner Intention genauso an die interessierte Öffentlichkeit wie auch an die archäologisch geschulte Fachwelt. Der Rezensent, der in den letzten Jahrzehnten mehrere Studienreisen nach Ägypten und Mittelamerika unternommen hat und auch viele der frühgeschichtlichen Bauwerke aus dem europäischen Neolithikum aus eigener Anschauung kennt, hätte sich gewünscht, dass dieses informative Buch bereits zu einem viel früheren Zeitpunkt erschienen wäre.