Wie wir uns täglich die Zukunft versauen
Raus aus der Kurzfrist-Falle
Kurzfristig glücklich oder langfristig klug?
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Produktinformationen zu „Wie wir uns täglich die Zukunft versauen “
Kurzfristig glücklich oder langfristig klug?
Klappentext zu „Wie wir uns täglich die Zukunft versauen “
Menschen handeln unvernünftig: Couch oder Bewegung? Kredit oder Sparprogramm? Luxuswagen oder Klimaschutz? Zahlreiche Studien belegen, dass wir fast immer die kurzfristig angenehmste Option wählen - auch wenn wir wissen, dass andere Alternativen langfristig sinnvoller wären. Das bringt jeden Einzelnen und die ganze Menschheit in grösste Schwierigkeiten. Der Zukunftsmanager Dr. Pero Micic erklärt anhand von Erkenntnissen aus Psychologie, Verhaltensökonomie und Neurowissenschaft anschaulich und aufschlussreich, wie wir die Kurzfrist-Falle im Kopf überwinden können.
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Wie wir uns täglich die Zukunft versauen von Pero Micic Vorwort
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Sie und ich leben heute in der besten Welt, die es jemals gegeben hat. Ich jedenfalls würde mit niemandem aus irgendeiner Zeit in der Vergangenheit tauschen wollen. Wir leben länger, gesünder und komfortabler. Die Chancen stehen gut, dass unsere Lebensqualität auch in Zukunft steigen wird.
Oberflächlich betrachtet ist unsere Zukunft glänzend. Doch darunter sind wir auf dem besten Wege, unsere Existenzgrundlagen zu zerstören. Die Party ist in vollem Gange, aber das Haus beginnt zu brennen.
Unsere heutige Welt haben wir mit einem Gehirn geschaffen, das sich seit mehreren zehntausend Jahren kaum verändert hat. Als Jäger und Sammler brauchten wir zum Überleben allenfalls eine Ahnung vom Phänomen Zukunft. Es reichte aus, den Instinkten zu folgen. Seitdem haben wir uns eine hochkomplexe Welt mit einer Vielzahl an Systemen geschaffen: Sozial- und Wirtschaftssysteme, politische Systeme, Verkehrs- und Energieinfrastruktur, Produktionsanlagen und Finanzmärkte bis hin zu den Organisationen und Unternehmen, in denen wir täglich unser Werk verrichten, um gemeinsam Ziele zu erreichen.
Solche Systeme können nur mit langfristigen Denk- und Handlungshorizonten nachhaltig erfolgreich gesteuert werden. Menschen sind erfolgreicher, gesünder und glücklicher, wenn sie bei wichtigen Entscheidungen ihr gesamtes Leben im Blick haben. Organisationen sind signifikant erfolgreicher, wenn sie nicht den kurzfristigen Gewinn, sondern das langfristige Wohl zum Maßstab ihres Handelns machen. Doch genau dafür ist der Mensch nicht gemacht. Wir sind gebaut für ein Leben in der Gegenwart. Wir sind Homo praesens.
Deshalb tappen wir täglich in die Kurzfrist-Falle. Auf allen Ebenen. Wir greifen in unfassbarem Maße in die Biosphäre ein, weil uns der Gewinn heute wichtiger ist als unser Leben morgen. Wir haben unsere Staaten weltweit in eine finanzielle Lage manövriert, die man nur katastrophal nennen kann. Die Sucht der Politiker nach Wiederwahl wird in einem gewaltigen Zusammenbruch enden. Wir fahren unsere Unternehmen immer häufiger gegen die Wand, weil vor allem das Jetzt zählt, auf Kosten der Zukunft, der Gesundheit und letztlich der Gesellschaft. Wir konsumieren und faulenzen uns arm und tot, weil wir uns lieber im Heute wohlfühlen als im Morgen. Wir sind in der modernen Welt immer weniger in der Lage intelligent zu handeln.
Die größten Probleme in Umwelt, Politik, Wirtschaft und Privatleben haben ihre Ursachen in der chronischen Kurzfrist-Orientierung des Menschen. Vieles, was uns im Moment glücklich macht, schadet uns später. Weil wir nicht bereit sind, heute auf Belohnung zu verzichten, verpassen wir große Chancen für unsere Zukunft.
Seit mehr als 20 Jahren arbeite ich mit Menschen in Unternehmen und anderen Organisationen an ihrer Zukunft. Ich habe mich immer gefragt, warum manche vollen Nutzen daraus ziehen, aber viel zu viele weit hinter ihren Möglichkeiten bleiben. Sie bleiben lieber im vertrauten Jetzt und arrangieren sich im Rahmen ihrer Gewohnheiten mit dem, was sich gerade gut anfühlt. Manche können die Zukunft recht gut vorausdenken. Sie aber wirklich zu gestalten, in der Gegenwart zukunftsfähige Entscheidungen zu treffen und zu verwirklichen, das schaffen viel zu viele nicht. Leider finden sich diese Kurzfrist-Wesen massenhaft in Führungs- und Machtpositionen. Ich habe zu viele Menschen und Unternehmen in die Kurzfrist-Falle tappen sehen. Wir sind auf dem besten Wege, uns als Gesellschaft und sogar als Menschheit unsere Zukunft zu versauen.
In den letzten Jahren habe ich mich immer häufiger gefragt, warum der Mensch so kurzsichtig ist. Wie kann es sein, dass wir so faszinierend viel gelernt und erreicht haben, aber uns trotzdem so offensichtlich zukunftsdumm verhalten? Können wir überhaupt irgendetwas an der Kurzfrist-Orientierung des Menschen ändern, wenn unser Gehirn so gebaut ist? Gibt es einen Ausweg aus der Kurzfrist-Falle? Wir haben doch auch schonandere existentielle Probleme zu lösen gelernt. So kam es zu diesem Buch.
Kommen Sie! Gehen wir gemeinsam auf eine Erkenntnis- Reise. Vielleicht finden wir eine Erklärung für die allgegenwärtige Kurzfrist-Falle. Vielleicht finden wir einen Weg, für Sie in Ihrem Leben, für Ihr Unternehmen, für unsere Gesellschaft, für unser Land und für unseren Planeten. Wenn wir jetzt lernen, uns wirklich zukunftsintelligent zu verhalten, ist es möglicherweise noch nicht zu spät. Wenn!
Pero Micic Eltville im Januar 2014
Teil I: Von gestern
So weit ging's gut
Ich halte das für einen schweren Fehler, Herr Bundeskanzler.« Der untersetzte, sonst so gemütlich wirkende Mann hat Mühe, seiner Erregung Herr zu bleiben. »Sogar für einen katastrophalen Fehler, für den nachkommende Generationen bitter bezahlen werden.«
Scheinbar ruhig und gefasst sitzt er in einem der beigefarbenen Polstersessel, mit denen das Arbeitszimmer seines Chefs ausgestattet ist. Doch er zieht so stark an seiner dicken Zigarre, dass ihr hellrot aufglühendes Ende mit dem durch die schweren Gardinen fallenden Sonnenlicht wetteifern könnte.
»Noch einmal: Das neue Rentenmodell kann nur dann funktionieren, wenn wir weiter auf Wachstumskurs bleiben und wenn uns die Alterspyramide keinen Strich durch die Rechnung macht«, führt er weiter aus. »Warum sollten wir dieses enorme Risiko eingehen? Wir werden in absehbarer Zeit Probleme bekommen. Erstens wird das Wirtschaftswachstum nicht auf ewig so hoch sein. Zweitens werden wir deutlich mehr ältere Menschen und damit Rentner und wesentlich weniger junge Bürger als Beitragszahler haben. Dann wird das Umlagesystem wie ein Kartenhaus in sich zusammenfallen. Das ist politisch verantwortungslos! «
Bundeskanzler Konrad Adenauer fällt ihm verärgert ins Wort. »Mein lieber Erhard«, sagt er zu seinem Wirtschaftsminister. »Ich verstehe nicht, warum Sie immer weiter opponieren müssen. Wir haben doch alles hinlänglich besprochen.«
Adenauer hat Erhard nie leiden können, nur ungern duldet er ihn als Wirtschaftsminister in seinem Kabinett. Auch später wird er mit all seinen Kräften noch zu verhindern suchen, dass
Ludwig Erhard, der Vater des Wirtschaftswunders, ihm als Bundeskanzler folgt. »Der Generationenvertrag wird gleich mehrere unserer großen innenpolitischen Probleme auf einen Schlag lösen. Also lassen Sie es gut sein. Die Entscheidung ist gefallen, die Gesetzesänderung wird morgen vom Bundestag und später vom Bundesrat bestätigt werden.«
Erhard schweigt. Er weiß, dass die Chancen der CDU auf Wiederwahl ziemlich schlecht stehen. Und dass Adenauer mit einer schnellen Anhebung der Renten die Stimmung bei den Wählern drehen will. Adenauer hat recht, mit der geplanten Rentenreform werden sie vielleicht noch einmal die Wahlen gewinnen können. Doch er ist sich auch sicher, dass der »Generationenvertrag «, wie das neue Rentensystem euphemistisch genannt wird, nicht zukunftsfähig ist. Er hat die verschiedenen Szenarien durchrechnen lassen, und die Zahlen lügen nicht. Er weiß, wie unvernünftig die geplante Rentenreform ist.
Aber er weiß auch, wann er verloren hat.
Spindeln und Pyramiden
Ich weiß nicht, ob es ein solches Gespräch zwischen Adenauer und Erhard 1957, kurz vor der Verabschiedung des neuen Rentengesetzes, gegeben hat. Aber es hätte gut sein können. Die fiktive Auseinandersetzung dieser beiden Alphatiere ist typisch für Kontrahenten, von denen einer die sofortige Lösung von Problemen im Blick hat, während der andere über den absehbaren Zeithorizont hinausschaut und in der fernen Zukunft drohende Folgen bedenkt und berücksichtigt wissen möchte.
Die aus dieser Entscheidungssituation resultierende Geschichte der bundesdeutschen Rentenversicherung mit ihren Kaskaden aus aufeinanderfolgenden Fehlentscheidungen, mit ihren eingebauten Defekten und Interessenkonflikten ist ein typisches, ja geradezu klassisches Lehrbeispiel für die Kurzfrist- Falle. Obwohl wir sehr genau wissen, dass wir einen Fehler machen, obwohl wir sogar nachrechnen können, wie sich unsere Fehlentscheidung zum Nachteil auswirken wird, obwohl wir guten Willens und bei Trost sind, tun wir letztendlich trotzdem das Falsche. Auf den ersten Blick sind die Entscheidungen, die unsere Altersfinanzierung zu einem so widersinnig konstruierten, auf Dauer nicht finanzierbaren und auf Dauer nicht funktionsfähigen System gemacht haben, kaum nachvollziehbar. Es liegt nahe, sie schlicht dumm zu nennen.
Aber das hilft uns nicht. Um der wahren Natur der Kurzfrist- Falle auf die Spur zu kommen, lohnt es sich, das Durchwurschteln beim Rentensystem etwas genauer zu analysieren. Ich verwende das Rentensystem als Beispiel, weil es deutlich macht, dass Kurzfrist-Denke nicht nur ein persönliches Problem ist wie etwa die Aufschieberitis oder unser kurzsichtig ungesundes Konsumverhalten. Je nach Entscheidungssituation verbindet sich die individuelle Präferenz für die kleine, kurzfristige Belohnung im Jetzt nämlich mit großen, langfristigen Problemen für ganze Organisationen und Gesellschaften, ja für die gesamte Menschheit. Diesen Zusammenhang zu begreifen, macht aus dem kleinen persönlichen Thema ein großes, gesellschaftliches und globales.
Wie kam es also bei der Rente zu dieser Misere? Kanzler Adenauer sah im Generationenvertrag die schnelle Chance, gleich mehrere Fliegen mit einer Klappe zu schlagen. Denn die junge Bundesrepublik musste nicht nur außenpolitisch wieder den Anschluss an die Welt finden, auch innenpolitisch waren große Probleme zu überwinden. Der Staat musste immense Summen für 4,5 Millionen Kriegsversehrte aufbringen, die notwendige Aufstockung der Renten für Witwen und Waisen kam noch hinzu. Der bestehende Rententopf, in den diese Menschen ihr Leben lang eingezahlt hatten, war keine große Hilfe. So wie die privaten Spar- und Versicherungsguthaben war auch sein Wert mit der Währungsreform von 1949 über Nacht auf ein Zehntel geschrumpft.
Zudem brummte die Wirtschaft. Eigentlich eine gute Nachricht, doch damit stieg auch die Inflationsrate. Löhne und Preise schraubten sich in immer neue Höhen, nicht aber die Renten, weil sie festgeschrieben waren. Die Rentner waren finanziell längst abgehängt worden und hätten bittere Not leiden müssen, wenn nicht der Staat eingesprungen wäre. Eine Reform des Rentensystems musste dringend her!
Da kam der Plan, den der Wirtschaftswissenschaftler Wilfrid Schreiber Mitte der fünfziger Jahre zu Papier gebracht hatte, gerade recht. Die Arbeiter und Angestellten sollten nicht mehr wie seit Bismarcks Zeiten in eine Kasse einzahlen, aus der sie ihre Einlage dann später, wenn sie das Rentenalter erreichten, in monatlichen Raten wiederbekamen - übrigens ohne Verzinsung. Nein, die Rente sollte dynamisch, also an das Lohnniveau angekoppelt werden. Und vor allem: Das Geld, das einer heute einzahlte, war nicht mehr das, was er morgen auch wieder herausbekam. Vielmehr bezahlten die Jungen, Arbeitsfähigen von heute auch die Rentner von heute. Die Rente sollte also nicht mehr durch Rücklagen, sondern durch laufende Einnahmen gesichert werden. Die Gegenwart versorgt sich selbst - ganz unabhängig von Vergangenheit und Zukunft. Von der Hand des einen in den Mund des anderen.
Die Frage ist nur: Wie lange kann so etwas gutgehen?
Erhard wusste, dass das neue System nur dann funktionieren konnte, wenn gleich mehrere Faktoren mehr oder weniger konstant bleiben würden: die gute Wirtschaftslage, die Anzahl der Kinder pro Familie und die Anzahl der Jahre, in denen die Bürger ihre Rente beziehen würden. Also die Zeitspanne, die zwischen Ende des Erwerbslebens und Ende des biologischen Lebens lag. Für Adenauer, Vater von acht Kindern, war das keine Frage: »Kinder bekommen die Leute immer!« Auch angesichts der damaligen hohen Wirtschaftsleistung sowie der vergleichsweise niedrigen Lebenserwartung der Bürger war seine Zukunftsannahme, dass es keine Veränderung geben werde.
Die folgenden Jahre zeigten bald, dass diese vermeintlichen Konstanten sehr wohl variabel waren. Schon Mitte der sechziger Jahre setzte der Pillenknick ein, immer weniger Kinder wurden geboren. Waren es vor dem Pillenknick noch bis zu 1,35 Millionen Neugeborene pro Jahr, wurde ab Anfang der siebziger Jahre die 900 000er-Marke nicht mehr überschritten. Es war eine einfache Rechnung, dass aus fehlenden Kindern fehlende Arbeiter und Angestellte und damit fehlende Rentenbeiträge werden würden. Hinzu kam, dass die Menschen dank der guten medizinischen Fortschritte und der Veränderung der Arbeitswelt in Richtung weniger körperlich anstrengender Arbeit immer älter wurden. Die durchschnittliche Rentenbezugsdauer erhöhte sich dadurch von 10,1 Jahren (1960) auf 16 Jahre (2010), Tendenz weiter zunehmend: Für 2030 wird eine Rentenbezugszeit von 18 Jahren erwartet. Spätestens Mitte der 70er Jahre, als auch noch die Wirtschaft in Deutschland erstmals auf breiter Front lahmte und die Arbeitslosenzahlen begannen eine Millionenmarke nach der anderen zuknacken, wurde es offensichtlich: Das dynamische Rentensystemwird für den Betragszahler immer teurer, für den Beitragsempfänger immer ungünstiger, das Verhältnis zwischen eingezahltem und empfangenem Geld wird für den Einzelnen immer schlechter. Die Rechnung geht nicht mehr auf.
Durch Verleugnen, erdrängen bis hin zu offensichtlichen Lügen ist es Politikern aber bis ins neue Jahrtausend erfolgreich gelungen, das Thema Rente aus den Köpfen der Bürger herauszuhalten und so die dringend notwendig gewordene Rentenreform immer wieder aufzuschieben. Den bedauerlichen Höhepunkt bot Norbert Blüm, 1982 bis 1998 Bundesminister für Arbeit und Soziales, mit seinem Mantra: »Die Rente ist sicher«. Hier und da gab es einige Flickschustereien am bestehenden Rentensystem. Aber niemand wollte grundlegend an die gewaltige Aufgabe heran. Lieber die Staatsverschuldung weiter in die Höhe treiben, als schmerzhafte Schnitte durchsetzen, die einem womöglich noch die politische Karriere verhagelt hätten.
Unterm Strich hat es sich die Gesellschaft von 1957 bis in die siebziger Jahre hinein mit dem Rentensystem gutgehen lassen. Die Rentner freuten sich bei Einführung des sogenannten Dynamischen Rentensystems über eine Rentenerhöhung von etwa 65 Prozent. Bis 1969 wurden die Bezüge sogar insgesamt mehr als verdoppelt. Die erheblichen Überschüsse aus dieser Zeit - bis 1967 war ja auch noch »altes« Geld im Rententopf - wurden nicht etwa als Reserve zurückbehalten, sondern kurzerhand an andere Ressorts im Bundeshaushalt verteilt und verbraucht. Die Abgaben der arbeitenden Bevölkerung an die Rentenkasse lagen zunächst bei 14 Prozent, mussten aber immer wieder angehoben werden, ab 1981 fast jährlich.
Nach knapp 20 fetten Jahren folgte die unausweichliche Katerstimmung. Heute wissen wir, dass viele Menschen, auch die, die ein Leben lang für den Lebensunterhalt der Bestandsrentner aufkamen, beim Renteneintritt nicht genug zum Leben haben werden. Warum das so ist, zeigen die Zahlen unmissverständlich: 1960 kamen auf 18,8 Millionen Beitragszahler 4,1 Millionen Rentner - das entspricht einer Quote von 21,8 Prozent. 2000waren es bereits 33,8 Millionen Beitragszahler, die 13,4 Millionen Rentner unterhalten mussten. Eine Quote von 39,6 Prozent. Auf 100 Beitragszahler kamen in diesem Jahr also 40 Rentner, fast doppelt so viele wie 1960. Ein Ende dieser Entwicklung ist nicht absehbar, im Gegenteil. Das Verhältnis verschiebt sich immer schneller immer weiter zuungunsten aller Beteiligten.
Als die Altersrente 1889 eingeführt wurde, blieben den Rentnern nach dem Abschied aus dem Erwerbsleben nur noch wenige Jahre: Sie waren verbraucht und von schwerer Arbeit erschöpft. Im Durchschnitt lag die Lebenserwartung bei 50 Jahren, die Rentenzahlung begann im Prinzip im 70. (!) Lebensjahr. Ein großer Teil der arbeitenden Bevölkerung erreichte das Rentenalter gar nicht. Vor diesem Hintergrund erscheinen die heutigen Proteste gegen längere Lebensarbeitszeiten reichlich absurd und unverantwortlich. Und reichlich unnötig, denn im Gegensatz zu damals sind die heutigen Rentner noch lange arbeitsfähig, vor allem dann, wenn sie eine Arbeit haben, die ihrem Alter Rechnung trägt und die sie lieben oder wenigstens mögen. Natürlich soll der Dachdecker nicht mit 70 aufs Dach. Auf lange Sicht haben wir nur die Wahl zwischen längerer Lebensarbeitszeit oder noch größerer Staatsverschuldung und einem langfristigen finanziellen Desaster.
Die eigentliche Überraschung ist bei genauerem Hinsehen, dass das alles keine Überraschung ist.
© ECON Verlag
Sie und ich leben heute in der besten Welt, die es jemals gegeben hat. Ich jedenfalls würde mit niemandem aus irgendeiner Zeit in der Vergangenheit tauschen wollen. Wir leben länger, gesünder und komfortabler. Die Chancen stehen gut, dass unsere Lebensqualität auch in Zukunft steigen wird.
Oberflächlich betrachtet ist unsere Zukunft glänzend. Doch darunter sind wir auf dem besten Wege, unsere Existenzgrundlagen zu zerstören. Die Party ist in vollem Gange, aber das Haus beginnt zu brennen.
Unsere heutige Welt haben wir mit einem Gehirn geschaffen, das sich seit mehreren zehntausend Jahren kaum verändert hat. Als Jäger und Sammler brauchten wir zum Überleben allenfalls eine Ahnung vom Phänomen Zukunft. Es reichte aus, den Instinkten zu folgen. Seitdem haben wir uns eine hochkomplexe Welt mit einer Vielzahl an Systemen geschaffen: Sozial- und Wirtschaftssysteme, politische Systeme, Verkehrs- und Energieinfrastruktur, Produktionsanlagen und Finanzmärkte bis hin zu den Organisationen und Unternehmen, in denen wir täglich unser Werk verrichten, um gemeinsam Ziele zu erreichen.
Solche Systeme können nur mit langfristigen Denk- und Handlungshorizonten nachhaltig erfolgreich gesteuert werden. Menschen sind erfolgreicher, gesünder und glücklicher, wenn sie bei wichtigen Entscheidungen ihr gesamtes Leben im Blick haben. Organisationen sind signifikant erfolgreicher, wenn sie nicht den kurzfristigen Gewinn, sondern das langfristige Wohl zum Maßstab ihres Handelns machen. Doch genau dafür ist der Mensch nicht gemacht. Wir sind gebaut für ein Leben in der Gegenwart. Wir sind Homo praesens.
Deshalb tappen wir täglich in die Kurzfrist-Falle. Auf allen Ebenen. Wir greifen in unfassbarem Maße in die Biosphäre ein, weil uns der Gewinn heute wichtiger ist als unser Leben morgen. Wir haben unsere Staaten weltweit in eine finanzielle Lage manövriert, die man nur katastrophal nennen kann. Die Sucht der Politiker nach Wiederwahl wird in einem gewaltigen Zusammenbruch enden. Wir fahren unsere Unternehmen immer häufiger gegen die Wand, weil vor allem das Jetzt zählt, auf Kosten der Zukunft, der Gesundheit und letztlich der Gesellschaft. Wir konsumieren und faulenzen uns arm und tot, weil wir uns lieber im Heute wohlfühlen als im Morgen. Wir sind in der modernen Welt immer weniger in der Lage intelligent zu handeln.
Die größten Probleme in Umwelt, Politik, Wirtschaft und Privatleben haben ihre Ursachen in der chronischen Kurzfrist-Orientierung des Menschen. Vieles, was uns im Moment glücklich macht, schadet uns später. Weil wir nicht bereit sind, heute auf Belohnung zu verzichten, verpassen wir große Chancen für unsere Zukunft.
Seit mehr als 20 Jahren arbeite ich mit Menschen in Unternehmen und anderen Organisationen an ihrer Zukunft. Ich habe mich immer gefragt, warum manche vollen Nutzen daraus ziehen, aber viel zu viele weit hinter ihren Möglichkeiten bleiben. Sie bleiben lieber im vertrauten Jetzt und arrangieren sich im Rahmen ihrer Gewohnheiten mit dem, was sich gerade gut anfühlt. Manche können die Zukunft recht gut vorausdenken. Sie aber wirklich zu gestalten, in der Gegenwart zukunftsfähige Entscheidungen zu treffen und zu verwirklichen, das schaffen viel zu viele nicht. Leider finden sich diese Kurzfrist-Wesen massenhaft in Führungs- und Machtpositionen. Ich habe zu viele Menschen und Unternehmen in die Kurzfrist-Falle tappen sehen. Wir sind auf dem besten Wege, uns als Gesellschaft und sogar als Menschheit unsere Zukunft zu versauen.
In den letzten Jahren habe ich mich immer häufiger gefragt, warum der Mensch so kurzsichtig ist. Wie kann es sein, dass wir so faszinierend viel gelernt und erreicht haben, aber uns trotzdem so offensichtlich zukunftsdumm verhalten? Können wir überhaupt irgendetwas an der Kurzfrist-Orientierung des Menschen ändern, wenn unser Gehirn so gebaut ist? Gibt es einen Ausweg aus der Kurzfrist-Falle? Wir haben doch auch schonandere existentielle Probleme zu lösen gelernt. So kam es zu diesem Buch.
Kommen Sie! Gehen wir gemeinsam auf eine Erkenntnis- Reise. Vielleicht finden wir eine Erklärung für die allgegenwärtige Kurzfrist-Falle. Vielleicht finden wir einen Weg, für Sie in Ihrem Leben, für Ihr Unternehmen, für unsere Gesellschaft, für unser Land und für unseren Planeten. Wenn wir jetzt lernen, uns wirklich zukunftsintelligent zu verhalten, ist es möglicherweise noch nicht zu spät. Wenn!
Pero Micic Eltville im Januar 2014
Teil I: Von gestern
So weit ging's gut
Ich halte das für einen schweren Fehler, Herr Bundeskanzler.« Der untersetzte, sonst so gemütlich wirkende Mann hat Mühe, seiner Erregung Herr zu bleiben. »Sogar für einen katastrophalen Fehler, für den nachkommende Generationen bitter bezahlen werden.«
Scheinbar ruhig und gefasst sitzt er in einem der beigefarbenen Polstersessel, mit denen das Arbeitszimmer seines Chefs ausgestattet ist. Doch er zieht so stark an seiner dicken Zigarre, dass ihr hellrot aufglühendes Ende mit dem durch die schweren Gardinen fallenden Sonnenlicht wetteifern könnte.
»Noch einmal: Das neue Rentenmodell kann nur dann funktionieren, wenn wir weiter auf Wachstumskurs bleiben und wenn uns die Alterspyramide keinen Strich durch die Rechnung macht«, führt er weiter aus. »Warum sollten wir dieses enorme Risiko eingehen? Wir werden in absehbarer Zeit Probleme bekommen. Erstens wird das Wirtschaftswachstum nicht auf ewig so hoch sein. Zweitens werden wir deutlich mehr ältere Menschen und damit Rentner und wesentlich weniger junge Bürger als Beitragszahler haben. Dann wird das Umlagesystem wie ein Kartenhaus in sich zusammenfallen. Das ist politisch verantwortungslos! «
Bundeskanzler Konrad Adenauer fällt ihm verärgert ins Wort. »Mein lieber Erhard«, sagt er zu seinem Wirtschaftsminister. »Ich verstehe nicht, warum Sie immer weiter opponieren müssen. Wir haben doch alles hinlänglich besprochen.«
Adenauer hat Erhard nie leiden können, nur ungern duldet er ihn als Wirtschaftsminister in seinem Kabinett. Auch später wird er mit all seinen Kräften noch zu verhindern suchen, dass
Ludwig Erhard, der Vater des Wirtschaftswunders, ihm als Bundeskanzler folgt. »Der Generationenvertrag wird gleich mehrere unserer großen innenpolitischen Probleme auf einen Schlag lösen. Also lassen Sie es gut sein. Die Entscheidung ist gefallen, die Gesetzesänderung wird morgen vom Bundestag und später vom Bundesrat bestätigt werden.«
Erhard schweigt. Er weiß, dass die Chancen der CDU auf Wiederwahl ziemlich schlecht stehen. Und dass Adenauer mit einer schnellen Anhebung der Renten die Stimmung bei den Wählern drehen will. Adenauer hat recht, mit der geplanten Rentenreform werden sie vielleicht noch einmal die Wahlen gewinnen können. Doch er ist sich auch sicher, dass der »Generationenvertrag «, wie das neue Rentensystem euphemistisch genannt wird, nicht zukunftsfähig ist. Er hat die verschiedenen Szenarien durchrechnen lassen, und die Zahlen lügen nicht. Er weiß, wie unvernünftig die geplante Rentenreform ist.
Aber er weiß auch, wann er verloren hat.
Spindeln und Pyramiden
Ich weiß nicht, ob es ein solches Gespräch zwischen Adenauer und Erhard 1957, kurz vor der Verabschiedung des neuen Rentengesetzes, gegeben hat. Aber es hätte gut sein können. Die fiktive Auseinandersetzung dieser beiden Alphatiere ist typisch für Kontrahenten, von denen einer die sofortige Lösung von Problemen im Blick hat, während der andere über den absehbaren Zeithorizont hinausschaut und in der fernen Zukunft drohende Folgen bedenkt und berücksichtigt wissen möchte.
Die aus dieser Entscheidungssituation resultierende Geschichte der bundesdeutschen Rentenversicherung mit ihren Kaskaden aus aufeinanderfolgenden Fehlentscheidungen, mit ihren eingebauten Defekten und Interessenkonflikten ist ein typisches, ja geradezu klassisches Lehrbeispiel für die Kurzfrist- Falle. Obwohl wir sehr genau wissen, dass wir einen Fehler machen, obwohl wir sogar nachrechnen können, wie sich unsere Fehlentscheidung zum Nachteil auswirken wird, obwohl wir guten Willens und bei Trost sind, tun wir letztendlich trotzdem das Falsche. Auf den ersten Blick sind die Entscheidungen, die unsere Altersfinanzierung zu einem so widersinnig konstruierten, auf Dauer nicht finanzierbaren und auf Dauer nicht funktionsfähigen System gemacht haben, kaum nachvollziehbar. Es liegt nahe, sie schlicht dumm zu nennen.
Aber das hilft uns nicht. Um der wahren Natur der Kurzfrist- Falle auf die Spur zu kommen, lohnt es sich, das Durchwurschteln beim Rentensystem etwas genauer zu analysieren. Ich verwende das Rentensystem als Beispiel, weil es deutlich macht, dass Kurzfrist-Denke nicht nur ein persönliches Problem ist wie etwa die Aufschieberitis oder unser kurzsichtig ungesundes Konsumverhalten. Je nach Entscheidungssituation verbindet sich die individuelle Präferenz für die kleine, kurzfristige Belohnung im Jetzt nämlich mit großen, langfristigen Problemen für ganze Organisationen und Gesellschaften, ja für die gesamte Menschheit. Diesen Zusammenhang zu begreifen, macht aus dem kleinen persönlichen Thema ein großes, gesellschaftliches und globales.
Wie kam es also bei der Rente zu dieser Misere? Kanzler Adenauer sah im Generationenvertrag die schnelle Chance, gleich mehrere Fliegen mit einer Klappe zu schlagen. Denn die junge Bundesrepublik musste nicht nur außenpolitisch wieder den Anschluss an die Welt finden, auch innenpolitisch waren große Probleme zu überwinden. Der Staat musste immense Summen für 4,5 Millionen Kriegsversehrte aufbringen, die notwendige Aufstockung der Renten für Witwen und Waisen kam noch hinzu. Der bestehende Rententopf, in den diese Menschen ihr Leben lang eingezahlt hatten, war keine große Hilfe. So wie die privaten Spar- und Versicherungsguthaben war auch sein Wert mit der Währungsreform von 1949 über Nacht auf ein Zehntel geschrumpft.
Zudem brummte die Wirtschaft. Eigentlich eine gute Nachricht, doch damit stieg auch die Inflationsrate. Löhne und Preise schraubten sich in immer neue Höhen, nicht aber die Renten, weil sie festgeschrieben waren. Die Rentner waren finanziell längst abgehängt worden und hätten bittere Not leiden müssen, wenn nicht der Staat eingesprungen wäre. Eine Reform des Rentensystems musste dringend her!
Da kam der Plan, den der Wirtschaftswissenschaftler Wilfrid Schreiber Mitte der fünfziger Jahre zu Papier gebracht hatte, gerade recht. Die Arbeiter und Angestellten sollten nicht mehr wie seit Bismarcks Zeiten in eine Kasse einzahlen, aus der sie ihre Einlage dann später, wenn sie das Rentenalter erreichten, in monatlichen Raten wiederbekamen - übrigens ohne Verzinsung. Nein, die Rente sollte dynamisch, also an das Lohnniveau angekoppelt werden. Und vor allem: Das Geld, das einer heute einzahlte, war nicht mehr das, was er morgen auch wieder herausbekam. Vielmehr bezahlten die Jungen, Arbeitsfähigen von heute auch die Rentner von heute. Die Rente sollte also nicht mehr durch Rücklagen, sondern durch laufende Einnahmen gesichert werden. Die Gegenwart versorgt sich selbst - ganz unabhängig von Vergangenheit und Zukunft. Von der Hand des einen in den Mund des anderen.
Die Frage ist nur: Wie lange kann so etwas gutgehen?
Erhard wusste, dass das neue System nur dann funktionieren konnte, wenn gleich mehrere Faktoren mehr oder weniger konstant bleiben würden: die gute Wirtschaftslage, die Anzahl der Kinder pro Familie und die Anzahl der Jahre, in denen die Bürger ihre Rente beziehen würden. Also die Zeitspanne, die zwischen Ende des Erwerbslebens und Ende des biologischen Lebens lag. Für Adenauer, Vater von acht Kindern, war das keine Frage: »Kinder bekommen die Leute immer!« Auch angesichts der damaligen hohen Wirtschaftsleistung sowie der vergleichsweise niedrigen Lebenserwartung der Bürger war seine Zukunftsannahme, dass es keine Veränderung geben werde.
Die folgenden Jahre zeigten bald, dass diese vermeintlichen Konstanten sehr wohl variabel waren. Schon Mitte der sechziger Jahre setzte der Pillenknick ein, immer weniger Kinder wurden geboren. Waren es vor dem Pillenknick noch bis zu 1,35 Millionen Neugeborene pro Jahr, wurde ab Anfang der siebziger Jahre die 900 000er-Marke nicht mehr überschritten. Es war eine einfache Rechnung, dass aus fehlenden Kindern fehlende Arbeiter und Angestellte und damit fehlende Rentenbeiträge werden würden. Hinzu kam, dass die Menschen dank der guten medizinischen Fortschritte und der Veränderung der Arbeitswelt in Richtung weniger körperlich anstrengender Arbeit immer älter wurden. Die durchschnittliche Rentenbezugsdauer erhöhte sich dadurch von 10,1 Jahren (1960) auf 16 Jahre (2010), Tendenz weiter zunehmend: Für 2030 wird eine Rentenbezugszeit von 18 Jahren erwartet. Spätestens Mitte der 70er Jahre, als auch noch die Wirtschaft in Deutschland erstmals auf breiter Front lahmte und die Arbeitslosenzahlen begannen eine Millionenmarke nach der anderen zuknacken, wurde es offensichtlich: Das dynamische Rentensystemwird für den Betragszahler immer teurer, für den Beitragsempfänger immer ungünstiger, das Verhältnis zwischen eingezahltem und empfangenem Geld wird für den Einzelnen immer schlechter. Die Rechnung geht nicht mehr auf.
Durch Verleugnen, erdrängen bis hin zu offensichtlichen Lügen ist es Politikern aber bis ins neue Jahrtausend erfolgreich gelungen, das Thema Rente aus den Köpfen der Bürger herauszuhalten und so die dringend notwendig gewordene Rentenreform immer wieder aufzuschieben. Den bedauerlichen Höhepunkt bot Norbert Blüm, 1982 bis 1998 Bundesminister für Arbeit und Soziales, mit seinem Mantra: »Die Rente ist sicher«. Hier und da gab es einige Flickschustereien am bestehenden Rentensystem. Aber niemand wollte grundlegend an die gewaltige Aufgabe heran. Lieber die Staatsverschuldung weiter in die Höhe treiben, als schmerzhafte Schnitte durchsetzen, die einem womöglich noch die politische Karriere verhagelt hätten.
Unterm Strich hat es sich die Gesellschaft von 1957 bis in die siebziger Jahre hinein mit dem Rentensystem gutgehen lassen. Die Rentner freuten sich bei Einführung des sogenannten Dynamischen Rentensystems über eine Rentenerhöhung von etwa 65 Prozent. Bis 1969 wurden die Bezüge sogar insgesamt mehr als verdoppelt. Die erheblichen Überschüsse aus dieser Zeit - bis 1967 war ja auch noch »altes« Geld im Rententopf - wurden nicht etwa als Reserve zurückbehalten, sondern kurzerhand an andere Ressorts im Bundeshaushalt verteilt und verbraucht. Die Abgaben der arbeitenden Bevölkerung an die Rentenkasse lagen zunächst bei 14 Prozent, mussten aber immer wieder angehoben werden, ab 1981 fast jährlich.
Nach knapp 20 fetten Jahren folgte die unausweichliche Katerstimmung. Heute wissen wir, dass viele Menschen, auch die, die ein Leben lang für den Lebensunterhalt der Bestandsrentner aufkamen, beim Renteneintritt nicht genug zum Leben haben werden. Warum das so ist, zeigen die Zahlen unmissverständlich: 1960 kamen auf 18,8 Millionen Beitragszahler 4,1 Millionen Rentner - das entspricht einer Quote von 21,8 Prozent. 2000waren es bereits 33,8 Millionen Beitragszahler, die 13,4 Millionen Rentner unterhalten mussten. Eine Quote von 39,6 Prozent. Auf 100 Beitragszahler kamen in diesem Jahr also 40 Rentner, fast doppelt so viele wie 1960. Ein Ende dieser Entwicklung ist nicht absehbar, im Gegenteil. Das Verhältnis verschiebt sich immer schneller immer weiter zuungunsten aller Beteiligten.
Als die Altersrente 1889 eingeführt wurde, blieben den Rentnern nach dem Abschied aus dem Erwerbsleben nur noch wenige Jahre: Sie waren verbraucht und von schwerer Arbeit erschöpft. Im Durchschnitt lag die Lebenserwartung bei 50 Jahren, die Rentenzahlung begann im Prinzip im 70. (!) Lebensjahr. Ein großer Teil der arbeitenden Bevölkerung erreichte das Rentenalter gar nicht. Vor diesem Hintergrund erscheinen die heutigen Proteste gegen längere Lebensarbeitszeiten reichlich absurd und unverantwortlich. Und reichlich unnötig, denn im Gegensatz zu damals sind die heutigen Rentner noch lange arbeitsfähig, vor allem dann, wenn sie eine Arbeit haben, die ihrem Alter Rechnung trägt und die sie lieben oder wenigstens mögen. Natürlich soll der Dachdecker nicht mit 70 aufs Dach. Auf lange Sicht haben wir nur die Wahl zwischen längerer Lebensarbeitszeit oder noch größerer Staatsverschuldung und einem langfristigen finanziellen Desaster.
Die eigentliche Überraschung ist bei genauerem Hinsehen, dass das alles keine Überraschung ist.
© ECON Verlag
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Autoren-Porträt von Pero Micic
Micic, PeroPero Micic studierte Wirtschaftswissenschaft und Future Studies in Deutschland und den USA und promovierte in Grossbritannien. Heute ist er einer der weltweit führenden Experten für Zukunftsmanagement.Pero Micic ist Autor von zahlreichen Büchern und Artikeln zum Thema Zukunft.
Bibliographische Angaben
- Autor: Pero Micic
- 2014, 2, 336 Seiten, Masse: 14,6 x 22,1 cm, Gebunden, Deutsch
- Verlag: ECON
- ISBN-10: 3430201608
- ISBN-13: 9783430201605
- Erscheinungsdatum: 28.02.2014
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