Weissglut
Thriller
Sayre erfährt, dass ihr Bruder tot ist. War es Mord? Sie beginnt, nach der Wahrheit zu suchen. Und begibt sich auf gefährliches Terrain.
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Produktdetails
Produktinformationen zu „Weissglut “
Sayre erfährt, dass ihr Bruder tot ist. War es Mord? Sie beginnt, nach der Wahrheit zu suchen. Und begibt sich auf gefährliches Terrain.
Klappentext zu „Weissglut “
512 Seiten - und bei jeder werden Sie durchs Feuer gehen!Sie hatte sich geweigert seinen Anruf entgegen zu nehmen. Niemals wieder Kontakt zu ihrer Familie, niemals zurück nach Destiny, Louisiana! Jetzt steht Sayre Hoyle am Grab ihres jüngeren Bruders und eins steht fest: Der Mörder kommt aus der eigenen Familie. Sayre sucht die Wahrheit, auch gegen den Willen von Beck Merchant, dem Anwalt ihres Vaters. Seine faszinierende Ausstrahlung zieht Sayre mit der Kraft eines Magneten an - doch Beck ist ein Mann mit sehr gefährlichen Plänen ...
Lese-Probe zu „Weissglut “
Weißglut von Sandra Brown LESEPROBE
Prolog
Manche meinten, wenn er sich wirklich hatte umbringen wollen,
hätte er sich keinen besseren Tag aussuchen können.
Das Leben war an diesem Sonntagnachmittag wahrhaftig
nicht besonders lebenswert, und die meisten Organismen arbeiteten
nur auf Sparflamme. Die Luft war dick und heiß wie Maisgrütze.
Sie entzog jedem Lebewesen sämtliche Energien, egal ob
Pflanze oder Tier.
Alle Wolken verdampften unter der Grausamkeit der Sonne.
Ein Schritt aus dem Haus ins Freie war wie das Betreten eines
der Hochöfen in Hoyles Gießerei. Vor der familieneigenen Angelhütte
am Bayou Bosquet - so genannt wegen der mit Zypressen
bewachsenen Insel in der Mitte des gemächlich dahintreibenden
Gewässers - backte ein ausgestopfter, zwei Meter langer
Alligator in der glühenden Hitze des Gartens. In seinen glasigen
Augen spiegelte sich das Flirren des glosenden Himmels. Die
Flagge des Staates Louisiana hing wie ausgewrungen am Mast.
Selbst die Zikaden waren zu träge zum Musizieren, nur gelegentlich
störte ein besonders ehrgeiziges Insekt die schlaftrunkene
Atmosphäre mit einem bestenfalls halbherzigen Zirpen
auf. Die Fische blieben wohlweislich unter der Wasseroberfläche
und der dichten, grünen Decke aus Wasserlinsen. Sie verharrten
in den schattigen, modrigen Tiefen und zeigten nur
durch das periodische Pulsieren ihrer Kiemen an, dass sie noch
lebten. Eine Mokassinschlange lag faul am Ufer, drohend, aber
reglos.
Der Sumpf war ein natürliches Vogelparadies, aber heute
schien alles, was Federn trug, ein Nickerchen im eigenen Nest zu
halten. Bis auf einen einsamen Falken. Er hockte auf dem Wipfel
eines Baumes, der Jahrzehnte zuvor durch einen Blitzschlag abgestorben
war. Die Elemente hatten das nackte
... mehr
Geäst weiß gewaschen
wie ein säuberlich abgenagtes Gerippe.
Der geflügelte Jäger behielt die kleine Hütte unten fest im Blick.
Vielleicht hatte er die Maus erspäht, die zwischen dem Pfahlwerk
des Angelsteges umherhuschte. Wahrscheinlicher aber war, dass
ihn sein Instinkt vor der drohenden Gefahr warnte.
Der Knall des Schusses war nicht so laut, wie man vielleicht
erwartet hätte. Die Luft, dicht wie ein Daunenkissen, schien die
Schallwellen zu dämpfen. Der Schuss löste kaum eine Reaktion
im Sumpf aus. Die Flagge blieb verwickelt und schlaff an ihrem
Mast hängen. Der ausgestopfte Alligator zuckte nicht. Nur die
Mokassinschlange glitt mit einem leisen Plätschern ins Bayou,
weniger aufgeschreckt als vielmehr pikiert, dass man sie aus ihrem
sonntäglichen Schlummer aufgestört hatte.
Der Falke erhob sich in die Lüfte, fast ohne einen Flügelschlag
auf der Thermik reitend, um nach etwas Gehaltvollerem als der
kleinen Maus Ausschau zu halten.
An den Toten in der Hütte verschwendete er keinen Gedanken.
1
»Erinnerst du dich an Slap Watkins?«
»An wen?«
»Den Typen, der damals in der Bar rumgestänkert hat.«
»Etwas genauer, bitte. In welcher Bar? Wann?«
»An dem Abend, als du hier aufgetaucht bist.«
»Das war vor drei Jahren.«
»Yeah, aber das hast du bestimmt nicht vergessen.« Chris Hoyle
beugte sich vor, um dem Gedächtnis seines Freundes auf die
Sprünge zu helfen. »Das Großmaul, das den Streit angefangen
hat? Mit einer Hackfresse, dass die Uhr stehen bleibt. Und Elefantenohren.«
»Ach, den. Klar. Mit den « Beck hielt die Hände seitlich an
den Kopf, als wären es riesige Ohren.
»Deshalb hat ihn jeder Slap genannt«, sagte Chris.
Beck zog eine Braue hoch.
»Immer wenn es windig wurde, sind ihm die Ohren «
»An den Kopf geklatscht«, vollendete Beck den Satz.
»Wie ein offenes Gatter im Sturm.« Grinsend erhob Chris
seine Bierflasche zu einem stummen Prost.
Die Blenden im Fernsehzimmer der Hoyles waren fest geschlossen,
um die bohrenden Strahlen der Spätnachmittagssonne abzuhalten.
Daher lag der Raum in einem angenehmen Halbdunkel,
in dem das Fernsehbild wesentlich besser zu erkennen war.
Es lief gerade ein Spiel der Braves. Ende des neunten Inning,
und Atlanta konnte nur noch auf ein Wunder hoffen. Aber trotz
des unerfreulichen Spielstandes gab es unangenehmere Arten,
den Sonntagnachmittag zu verbringen, als in einem dunklen, klimagekühlten
Fernsehzimmer eiskaltes Bier zu trinken.
Chris Hoyle und Beck Merchant hatten schon viele Stunden in
diesem Raum vergeudet. Mit dem Riesenfernseher und der Surround-
Anlage war er das perfekte Männer-Spielzimmer. Es gab
hier eine komplett ausgestattete Bar mit eingebautem Eiswürfelautomaten,
einen Kühlschrank voller Soft Drinks und Bier, einen
Billardtisch, ein Dartboard und einen runden Kartentisch
mit sechs Ledersesseln, von denen jeder so weich und anschmiegsam
war wie der Busen des Covergirls auf der aktuellen Ausgabe
von Maxim. Das Zimmer war mit Walnusswurzelholz verkleidet
und mit massiven Möbeln eingerichtet, die sich nur wenig abnutzten
und kaum Pflege brauchten. Die Luft roch nach Tabak
und war testosterongeschwängert.
Beck öffnete die nächste Flasche Bier. »Und was ist mit diesem
Slap?«
»Er ist wieder da.«
»Ich wusste gar nicht, dass er weg war. Wenn ich es recht
überlege, habe ich ihn sowieso nur das eine Mal gesehen, und da
waren mir die Augen zugeschwollen.«
Chris erinnerte sich lächelnd. »Für eine Barkeilerei ging es
damals ganz schön zur Sache. Du hast dir eine ganze Salve von
Slaps gut gesetzten Schlägen eingefangen. Mit den Fäusten
konnte er schon immer umgehen. Das hat er gelernt, weil er
immerzu die Klappe aufreißen musste.«
»Wahrscheinlich, weil ihn dauernd jemand wegen seiner Ohren
verarschen wollte.«
»Bestimmt. Jedenfalls hat ihm seine Klappe einen Haufen Ärger
eingebracht. Schon bald nach unserer kleinen Meinungsverschiedenheit
begann er eine Fehde mit dem Ex seiner Schwester.
Es ging um einen Rasenmäher, glaube ich. An einem Abend beim
Krabbenkochen spitzte sich die Sache so zu, dass Slap seinem
Exschwager mit einem Messer hinterher ist.«
»Hat er ihn erwischt?«
»Es war nur eine Fleischwunde. Aber die ging quer über den
Bauch des Typen und war immerhin so blutig, dass sie Slap eine
Anklage wegen schwerer Körperverletzung einbrachte, die wahr-
scheinlich auf versuchten Totschlag hätte lauten müssen. Sogar
Slaps eigene Schwester hat damals gegen ihn ausgesagt. Die
letzten drei Jahre hat er in Angola abgesessen, und jetzt ist er auf
Bewährung rausgekommen.«
»Wie schön für uns.«
Chris sah ihn ernst an. »Nicht wirklich. Slap hat es auf uns
abgesehen. Jedenfalls hat er das gesagt, als er vor drei Jahren im
Streifenwagen weggefahren wurde. Er fand es unfair, dass er
verhaftet wurde und wir nicht. Damals hat er Beleidigungen und
Drohungen ausgestoßen, bei denen es mir heute noch kalt über
den Rücken läuft.«
»Kann mich gar nicht erinnern.«
»Wahrscheinlich, weil du da auf der Toilette warst, um deine
Wunden auszuspülen. Jedenfalls«, fuhr Chris fort, »ist Slap ein
aggressiver und wenig vertrauenswürdiger Loser, ein echter
Assi, der nichts kann außer streiten, aber das dafür erstklassig.
Wir haben ihm damals eine schwere Schlappe zugefügt, und ich
bezweifle, dass das vergeben und vergessen ist, auch wenn er
hackedicht war. Nimm dich vor ihm in Acht.«
»Ich betrachte mich hiermit als gewarnt.« Beck schaute über
die Schulter in Richtung Küche. »Bin ich zum Essen eingeladen?«
»Wie immer.«
Beck rutschte noch tiefer in das Sofa, auf dem er sich breitgemacht
hatte. »Super. Ich weiß nicht, was da im Ofen ist, aber
mir wird schon vom Duft der Mund wässrig.«
»Kokoskuchen. Niemand macht besseren Kokoskuchen als
Selma.«
»Da kann ich nicht widersprechen.«
Chris Vater Huff Hoyle trat in den Raum, das erhitzte Gesicht
mit einem Strohhut befächelnd. »Gebt mir sofort ein Bier.
Ich bin so verflucht durstig, dass ich keinen Tropfen Spucke zusammenkriegen
würde, selbst wenn mein Schwanz in Flammen
stände.«
Er hängte den Hut an einen Garderobenständer, ließ sich
schwer in seinen Fernsehsessel fallen und wischte mit dem Ärmel
über seine Stirn. »Verflucht, ist das eine Scheißhitze.« Seufzend
sank er in die kühlen Lederpolster zurück. »Danke, Sohn.« Er
nahm die eiskalte Bierflasche entgegen, die Chris ihm geöffnet
hatte, und deutete damit auf den Fernseher. »Wer gewinnt?«
»Atlanta bestimmt nicht. Außerdem ist es gerade vorbei.«
Beck drehte den Fernseher stumm, während die Kommentatoren
das Spiel sezierten. »Wen interessiert schon, warum sie verloren
haben. Der Endstand sagt alles.«
Huff grunzte zustimmend. »Die Braves konnten die Saison
von dem Moment an abschreiben, als sie zugelassen haben, dass
diese überbezahlten, ausländischen Primadonnen den Besitzern
vorschreiben, wo s langgeht. Ein entscheidender Fehler. Das
hätte ich ihnen gleich sagen können.« Er nahm einen langen
Schluck, mit dem er die Flasche praktisch leerte.
»Hast du den ganzen Nachmittag Golf gespielt?«, fragte Chris.
»Zu heiß.« Huff zündete sich eine Zigarette an. »Wir haben
drei Löcher gespielt, dann haben wir Scheiß drauf gesagt und
sind ins Clubhaus, um Gin Rummy zu spielen.«
»Wie viel hast du ihnen heute abgenommen?«
Die Frage war nicht, ob Huff gewonnen oder verloren hatte.
Er hatte noch immer gewonnen.
»Ein paar Hunderter.«
»Gut gelaufen«, kommentierte Chris.
»Wenn du nicht gewinnst, brauchst du auch nicht zu spielen.«
Er zwinkerte erst seinem Sohn, dann Beck zu. Mit einem tiefen
Schluck leerte er sein Bier. »Hat einer von euch was von Danny
gehört?«
»Der wird irgendwann hier auftauchen«, sagte Chris. »Das
heißt, wenn er den Besuch irgendwo zwischen dem Sonntagsgottesdienst
und dem Abendgebet unterbringen kann.«
Huffs Blick wurde düster. »Versau mir nicht die Laune, indem
du davon sprichst. Ich will mir nicht den Appetit verderben.«
Wie Huff gern und oft predigte, waren Gebete, fromme Gesänge
und Gottesdienste nur etwas für Weiber oder für Männer,
die wie Weiber waren. Für ihn stand die organisierte Religion
auf einer Stufe mit dem organisierten Verbrechen, nur dass die
Kirchen straffrei blieben und Steuervorteile genossen, und
darum waren ihm diese heiligen Brüder genauso zuwider wie
Schwule oder Gewerkschafter.
Chris lenkte das Gespräch taktvoll von seinem jüngeren Bruder
und dessen jüngster Hinwendung zur Spiritualität weg. »Ich
habe Beck eben erzählt, dass Slap Watkins auf Bewährung freigekommen
ist.«
»Asozialer Dreck«, knurrte Huff und streifte mit den Zehen
die Schuhe vom Fuß. »Und zwar der ganze Haufen, angefangen
mit Slaps Großvater, dem verkommensten Halunken auf Gottes
weiter Welt. Sie haben ihn schließlich im Straßengraben gefunden,
mit einer zerbrochenen Whiskyflasche in der Kehle. Offenbar
hat er einmal zu oft Streit gesucht. In der Familie muss es
irgendwo Inzucht gegeben haben. Die ganze Sippe ist hässlich
wie die Sünde und dumm wie Brot.«
Beck lachte. »Möglich. Aber ich stehe trotzdem in Slaps
Schuld. Wenn er nicht gewesen wäre, säße ich nicht hier und
würde mich bekochen lassen.«
In Huffs Blick lag eine Zuneigung, die er sonst nur seinen
Söhnen gegenüber zeigte. »Nein, Beck, es war dir von Anfang an
bestimmt, auf Gedeih und Verderb einer von uns zu werden.
Dass wir dich gefunden haben, hat diesen ganzen Gene-Iverson-
Schlamassel letztendlich aufgewogen. Du warst das einzig Gute
an der ganzen Geschichte«
»Du und die gespaltene Jury«, ergänzte Chris. »Diese zwölf
dürfen wir nicht vergessen. Wenn sie nicht gewesen wären, säße
ich nicht hier und würde aufs Sonntagsessen warten. Stattdessen
könnte ich mir mit Typen wie Slap Watkins eine Zelle teilen.«
Chris mokierte sich oft darüber, dass man ihn des Mordes an
Gene Iverson angeklagt hatte. Seine launigen Scherze über diesen
Vorfall verursachten bei Beck unweigerlich ein flaues Gefühl,
so wie jetzt auch. Er wechselte das Thema. »Ich spreche
nur ungern an einem Sonntag eine Geschäftsangelegenheit an.«
»In meinem Kalender ist jeder Tag ein Werktag«, wies ihn
Huff zurecht.
Chris stöhnte. »In meinem Kalender nicht, o nein. Ist es was
Unangenehmes, Beck?«
»Möglicherweise.«
»Kann es dann nicht bis nach dem Essen warten?«
»Klar, wenn euch das lieber ist.«
»Auf keinen Fall«, sagte Huff. »Du weißt, wie ich zu schlechten
Nachrichten stehe. Ich höre sie lieber früher als später. Und
ganz bestimmt will ich damit nicht bis nach dem Essen warten.
Also, worum geht es, Beck? Sag nicht, dass uns das Umweltamt
schon wieder eine Strafzahlung aufgedrückt hat, weil die Kühlteiche «
»Nein, darum geht es nicht. Nicht direkt.«
»Worum dann?«
»Moment noch. Ich schenke uns erst mal was zu trinken ein«,
meinte Chris zu Huff. »Du hörst schlechte Nachrichten lieber
früher als später, ich höre sie am liebsten mit einem Glas Bourbon
in der Hand. Willst du auch einen?«
»Viel Eis, kein Wasser.«
»Beck?«
»Für mich nicht, danke.« ( )
© Blanvalet Verlag
Übersetzung: Christoph Göhler
wie ein säuberlich abgenagtes Gerippe.
Der geflügelte Jäger behielt die kleine Hütte unten fest im Blick.
Vielleicht hatte er die Maus erspäht, die zwischen dem Pfahlwerk
des Angelsteges umherhuschte. Wahrscheinlicher aber war, dass
ihn sein Instinkt vor der drohenden Gefahr warnte.
Der Knall des Schusses war nicht so laut, wie man vielleicht
erwartet hätte. Die Luft, dicht wie ein Daunenkissen, schien die
Schallwellen zu dämpfen. Der Schuss löste kaum eine Reaktion
im Sumpf aus. Die Flagge blieb verwickelt und schlaff an ihrem
Mast hängen. Der ausgestopfte Alligator zuckte nicht. Nur die
Mokassinschlange glitt mit einem leisen Plätschern ins Bayou,
weniger aufgeschreckt als vielmehr pikiert, dass man sie aus ihrem
sonntäglichen Schlummer aufgestört hatte.
Der Falke erhob sich in die Lüfte, fast ohne einen Flügelschlag
auf der Thermik reitend, um nach etwas Gehaltvollerem als der
kleinen Maus Ausschau zu halten.
An den Toten in der Hütte verschwendete er keinen Gedanken.
1
»Erinnerst du dich an Slap Watkins?«
»An wen?«
»Den Typen, der damals in der Bar rumgestänkert hat.«
»Etwas genauer, bitte. In welcher Bar? Wann?«
»An dem Abend, als du hier aufgetaucht bist.«
»Das war vor drei Jahren.«
»Yeah, aber das hast du bestimmt nicht vergessen.« Chris Hoyle
beugte sich vor, um dem Gedächtnis seines Freundes auf die
Sprünge zu helfen. »Das Großmaul, das den Streit angefangen
hat? Mit einer Hackfresse, dass die Uhr stehen bleibt. Und Elefantenohren.«
»Ach, den. Klar. Mit den « Beck hielt die Hände seitlich an
den Kopf, als wären es riesige Ohren.
»Deshalb hat ihn jeder Slap genannt«, sagte Chris.
Beck zog eine Braue hoch.
»Immer wenn es windig wurde, sind ihm die Ohren «
»An den Kopf geklatscht«, vollendete Beck den Satz.
»Wie ein offenes Gatter im Sturm.« Grinsend erhob Chris
seine Bierflasche zu einem stummen Prost.
Die Blenden im Fernsehzimmer der Hoyles waren fest geschlossen,
um die bohrenden Strahlen der Spätnachmittagssonne abzuhalten.
Daher lag der Raum in einem angenehmen Halbdunkel,
in dem das Fernsehbild wesentlich besser zu erkennen war.
Es lief gerade ein Spiel der Braves. Ende des neunten Inning,
und Atlanta konnte nur noch auf ein Wunder hoffen. Aber trotz
des unerfreulichen Spielstandes gab es unangenehmere Arten,
den Sonntagnachmittag zu verbringen, als in einem dunklen, klimagekühlten
Fernsehzimmer eiskaltes Bier zu trinken.
Chris Hoyle und Beck Merchant hatten schon viele Stunden in
diesem Raum vergeudet. Mit dem Riesenfernseher und der Surround-
Anlage war er das perfekte Männer-Spielzimmer. Es gab
hier eine komplett ausgestattete Bar mit eingebautem Eiswürfelautomaten,
einen Kühlschrank voller Soft Drinks und Bier, einen
Billardtisch, ein Dartboard und einen runden Kartentisch
mit sechs Ledersesseln, von denen jeder so weich und anschmiegsam
war wie der Busen des Covergirls auf der aktuellen Ausgabe
von Maxim. Das Zimmer war mit Walnusswurzelholz verkleidet
und mit massiven Möbeln eingerichtet, die sich nur wenig abnutzten
und kaum Pflege brauchten. Die Luft roch nach Tabak
und war testosterongeschwängert.
Beck öffnete die nächste Flasche Bier. »Und was ist mit diesem
Slap?«
»Er ist wieder da.«
»Ich wusste gar nicht, dass er weg war. Wenn ich es recht
überlege, habe ich ihn sowieso nur das eine Mal gesehen, und da
waren mir die Augen zugeschwollen.«
Chris erinnerte sich lächelnd. »Für eine Barkeilerei ging es
damals ganz schön zur Sache. Du hast dir eine ganze Salve von
Slaps gut gesetzten Schlägen eingefangen. Mit den Fäusten
konnte er schon immer umgehen. Das hat er gelernt, weil er
immerzu die Klappe aufreißen musste.«
»Wahrscheinlich, weil ihn dauernd jemand wegen seiner Ohren
verarschen wollte.«
»Bestimmt. Jedenfalls hat ihm seine Klappe einen Haufen Ärger
eingebracht. Schon bald nach unserer kleinen Meinungsverschiedenheit
begann er eine Fehde mit dem Ex seiner Schwester.
Es ging um einen Rasenmäher, glaube ich. An einem Abend beim
Krabbenkochen spitzte sich die Sache so zu, dass Slap seinem
Exschwager mit einem Messer hinterher ist.«
»Hat er ihn erwischt?«
»Es war nur eine Fleischwunde. Aber die ging quer über den
Bauch des Typen und war immerhin so blutig, dass sie Slap eine
Anklage wegen schwerer Körperverletzung einbrachte, die wahr-
scheinlich auf versuchten Totschlag hätte lauten müssen. Sogar
Slaps eigene Schwester hat damals gegen ihn ausgesagt. Die
letzten drei Jahre hat er in Angola abgesessen, und jetzt ist er auf
Bewährung rausgekommen.«
»Wie schön für uns.«
Chris sah ihn ernst an. »Nicht wirklich. Slap hat es auf uns
abgesehen. Jedenfalls hat er das gesagt, als er vor drei Jahren im
Streifenwagen weggefahren wurde. Er fand es unfair, dass er
verhaftet wurde und wir nicht. Damals hat er Beleidigungen und
Drohungen ausgestoßen, bei denen es mir heute noch kalt über
den Rücken läuft.«
»Kann mich gar nicht erinnern.«
»Wahrscheinlich, weil du da auf der Toilette warst, um deine
Wunden auszuspülen. Jedenfalls«, fuhr Chris fort, »ist Slap ein
aggressiver und wenig vertrauenswürdiger Loser, ein echter
Assi, der nichts kann außer streiten, aber das dafür erstklassig.
Wir haben ihm damals eine schwere Schlappe zugefügt, und ich
bezweifle, dass das vergeben und vergessen ist, auch wenn er
hackedicht war. Nimm dich vor ihm in Acht.«
»Ich betrachte mich hiermit als gewarnt.« Beck schaute über
die Schulter in Richtung Küche. »Bin ich zum Essen eingeladen?«
»Wie immer.«
Beck rutschte noch tiefer in das Sofa, auf dem er sich breitgemacht
hatte. »Super. Ich weiß nicht, was da im Ofen ist, aber
mir wird schon vom Duft der Mund wässrig.«
»Kokoskuchen. Niemand macht besseren Kokoskuchen als
Selma.«
»Da kann ich nicht widersprechen.«
Chris Vater Huff Hoyle trat in den Raum, das erhitzte Gesicht
mit einem Strohhut befächelnd. »Gebt mir sofort ein Bier.
Ich bin so verflucht durstig, dass ich keinen Tropfen Spucke zusammenkriegen
würde, selbst wenn mein Schwanz in Flammen
stände.«
Er hängte den Hut an einen Garderobenständer, ließ sich
schwer in seinen Fernsehsessel fallen und wischte mit dem Ärmel
über seine Stirn. »Verflucht, ist das eine Scheißhitze.« Seufzend
sank er in die kühlen Lederpolster zurück. »Danke, Sohn.« Er
nahm die eiskalte Bierflasche entgegen, die Chris ihm geöffnet
hatte, und deutete damit auf den Fernseher. »Wer gewinnt?«
»Atlanta bestimmt nicht. Außerdem ist es gerade vorbei.«
Beck drehte den Fernseher stumm, während die Kommentatoren
das Spiel sezierten. »Wen interessiert schon, warum sie verloren
haben. Der Endstand sagt alles.«
Huff grunzte zustimmend. »Die Braves konnten die Saison
von dem Moment an abschreiben, als sie zugelassen haben, dass
diese überbezahlten, ausländischen Primadonnen den Besitzern
vorschreiben, wo s langgeht. Ein entscheidender Fehler. Das
hätte ich ihnen gleich sagen können.« Er nahm einen langen
Schluck, mit dem er die Flasche praktisch leerte.
»Hast du den ganzen Nachmittag Golf gespielt?«, fragte Chris.
»Zu heiß.« Huff zündete sich eine Zigarette an. »Wir haben
drei Löcher gespielt, dann haben wir Scheiß drauf gesagt und
sind ins Clubhaus, um Gin Rummy zu spielen.«
»Wie viel hast du ihnen heute abgenommen?«
Die Frage war nicht, ob Huff gewonnen oder verloren hatte.
Er hatte noch immer gewonnen.
»Ein paar Hunderter.«
»Gut gelaufen«, kommentierte Chris.
»Wenn du nicht gewinnst, brauchst du auch nicht zu spielen.«
Er zwinkerte erst seinem Sohn, dann Beck zu. Mit einem tiefen
Schluck leerte er sein Bier. »Hat einer von euch was von Danny
gehört?«
»Der wird irgendwann hier auftauchen«, sagte Chris. »Das
heißt, wenn er den Besuch irgendwo zwischen dem Sonntagsgottesdienst
und dem Abendgebet unterbringen kann.«
Huffs Blick wurde düster. »Versau mir nicht die Laune, indem
du davon sprichst. Ich will mir nicht den Appetit verderben.«
Wie Huff gern und oft predigte, waren Gebete, fromme Gesänge
und Gottesdienste nur etwas für Weiber oder für Männer,
die wie Weiber waren. Für ihn stand die organisierte Religion
auf einer Stufe mit dem organisierten Verbrechen, nur dass die
Kirchen straffrei blieben und Steuervorteile genossen, und
darum waren ihm diese heiligen Brüder genauso zuwider wie
Schwule oder Gewerkschafter.
Chris lenkte das Gespräch taktvoll von seinem jüngeren Bruder
und dessen jüngster Hinwendung zur Spiritualität weg. »Ich
habe Beck eben erzählt, dass Slap Watkins auf Bewährung freigekommen
ist.«
»Asozialer Dreck«, knurrte Huff und streifte mit den Zehen
die Schuhe vom Fuß. »Und zwar der ganze Haufen, angefangen
mit Slaps Großvater, dem verkommensten Halunken auf Gottes
weiter Welt. Sie haben ihn schließlich im Straßengraben gefunden,
mit einer zerbrochenen Whiskyflasche in der Kehle. Offenbar
hat er einmal zu oft Streit gesucht. In der Familie muss es
irgendwo Inzucht gegeben haben. Die ganze Sippe ist hässlich
wie die Sünde und dumm wie Brot.«
Beck lachte. »Möglich. Aber ich stehe trotzdem in Slaps
Schuld. Wenn er nicht gewesen wäre, säße ich nicht hier und
würde mich bekochen lassen.«
In Huffs Blick lag eine Zuneigung, die er sonst nur seinen
Söhnen gegenüber zeigte. »Nein, Beck, es war dir von Anfang an
bestimmt, auf Gedeih und Verderb einer von uns zu werden.
Dass wir dich gefunden haben, hat diesen ganzen Gene-Iverson-
Schlamassel letztendlich aufgewogen. Du warst das einzig Gute
an der ganzen Geschichte«
»Du und die gespaltene Jury«, ergänzte Chris. »Diese zwölf
dürfen wir nicht vergessen. Wenn sie nicht gewesen wären, säße
ich nicht hier und würde aufs Sonntagsessen warten. Stattdessen
könnte ich mir mit Typen wie Slap Watkins eine Zelle teilen.«
Chris mokierte sich oft darüber, dass man ihn des Mordes an
Gene Iverson angeklagt hatte. Seine launigen Scherze über diesen
Vorfall verursachten bei Beck unweigerlich ein flaues Gefühl,
so wie jetzt auch. Er wechselte das Thema. »Ich spreche
nur ungern an einem Sonntag eine Geschäftsangelegenheit an.«
»In meinem Kalender ist jeder Tag ein Werktag«, wies ihn
Huff zurecht.
Chris stöhnte. »In meinem Kalender nicht, o nein. Ist es was
Unangenehmes, Beck?«
»Möglicherweise.«
»Kann es dann nicht bis nach dem Essen warten?«
»Klar, wenn euch das lieber ist.«
»Auf keinen Fall«, sagte Huff. »Du weißt, wie ich zu schlechten
Nachrichten stehe. Ich höre sie lieber früher als später. Und
ganz bestimmt will ich damit nicht bis nach dem Essen warten.
Also, worum geht es, Beck? Sag nicht, dass uns das Umweltamt
schon wieder eine Strafzahlung aufgedrückt hat, weil die Kühlteiche «
»Nein, darum geht es nicht. Nicht direkt.«
»Worum dann?«
»Moment noch. Ich schenke uns erst mal was zu trinken ein«,
meinte Chris zu Huff. »Du hörst schlechte Nachrichten lieber
früher als später, ich höre sie am liebsten mit einem Glas Bourbon
in der Hand. Willst du auch einen?«
»Viel Eis, kein Wasser.«
»Beck?«
»Für mich nicht, danke.« ( )
© Blanvalet Verlag
Übersetzung: Christoph Göhler
... weniger
Autoren-Porträt von Sandra Brown
Autoren-Porträt von Sandra Brown Nein, faul ist Sandra Brown nun wahrlich nicht, und auch über mangelnden Erfolg kann sie nicht klagen: Gut 70 Romane hat sie verfasst, und seit 1990 schafften alle ihre Bücher den Sprung in die Bestsellerlisten. Insgesamt über 70 Millionen Exemplare ihrer Bücher fanden bisher den Weg zu ihren Lesern, darunter Übersetzungen in insgesamt 33 Sprachen.
Sandra Brown ist bekennende Texanerin: Sie wurde in Waco geboren, wuchs in Fort Worth auf und studierte Anglistik an der Texas Christian University. Bevor sie 1981 mit dem Schreiben begann, hatte sie als Model und beim Fernsehen gearbeitet, wo sie Wettervorhersagen ebenso charmant zu präsentieren wusste wie die Sendung „PM Magazine“. Heute lebt sie zusammen mit ihrem Mann Michael Brown in Arlington im Bundesstaat – genau – Texas.
... mehr
Nicht nur ihre Leser, auch die Kritiker schätzen Sandra Browns Bücher. Unter den zahlreichen Auszeichnungen, die ihr zuteil wurden, sind der „Lifetime Achievement Award“ der „Romance Writers of America“ und der Titel „Thriller Master for 2008“, den sie von der „International Thriller Writers Association“ erhielt. Wie ihre Ehrungen, so lässt sich auch das Werk von Sandra Brown zumindest grob in die Kategorien „Romance“ und „Thriller“ einteilen. Mit „Verliebt in einen Fremden“ fing alles an. Das Buch erzählt die Geschichte von Camille, die sich einem Fremden hingibt, ihn aus den Augen verliert und zu vergessen sucht, um ihn dann nach Jahren wieder zu treffen – und seiner Faszination erneut zu erliegen. In „Warnschuss“, einem der jüngsten Bücher der Autorin, zeigt sie, warum sie auch mit ihren Thrillern so unglaublich erfolgreich ist. Detective Duncan Hunter versteht die Welt nicht mehr: Er hat einen Drogenbaron überführt – und der zuständige Richter stellt das Verfahren gegen ihn wegen eines „Verfahrensfehlers“ ein. Als die Frau des besagten Richters, der Duncan sehr zugetan ist, einen Einbrecher tötet, nimmt die Verwirrung des Ermittlers noch mehr zu: War sie das Ziel eines Komplotts? Oder benutzt sie ihn für seine Zwecke? Duncan riskiert alles, um Antworten auf diese Fragen zu erhalten...
Ob Liebesgeschichte oder Thriller: Man darf auf weitere Bücher der Star-Autorin gespannt sein – vorausgesetzt, sie widersteht auch weiterhin tapfer allen Lockungen des Müßiggangs. Doch wer wollte daran zweifeln?
Ob Liebesgeschichte oder Thriller: Man darf auf weitere Bücher der Star-Autorin gespannt sein – vorausgesetzt, sie widersteht auch weiterhin tapfer allen Lockungen des Müßiggangs. Doch wer wollte daran zweifeln?
... weniger
Bibliographische Angaben
- Autor: Sandra Brown
- 2008, 1, 508 Seiten, Masse: 11,4 x 18 cm, Taschenbuch, Deutsch
- Übersetzung: Göhler, Christoph
- Übersetzer: Christoph Göhler
- Verlag: Blanvalet
- ISBN-10: 344236986X
- ISBN-13: 9783442369867
Rezension zu „Weissglut “
"Super, diese Brown!" Alex Dengler in Bild am Sonntag
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