Was für ein Wunder
Ausgezeichnet mit dem Internationalen Literaturpreis 2020
Port-au-Prince, 12. Januar 2010, Tag des verheerenden Erdbebens in Haiti, das sich dieses Jahr zum zehnten Mal jährt. Ein Überlebender, der sich Bernard nennt, begegnet Amore, einer Neapolitanerin, die für eine NGO arbeitet. Liebe auf den ersten Blick. Um...
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Produktinformationen zu „Was für ein Wunder “
Klappentext zu „Was für ein Wunder “
Port-au-Prince, 12. Januar 2010, Tag des verheerenden Erdbebens in Haiti, das sich dieses Jahr zum zehnten Mal jährt. Ein Überlebender, der sich Bernard nennt, begegnet Amore, einer Neapolitanerin, die für eine NGO arbeitet. Liebe auf den ersten Blick. Um dem Chaos der zerstörten Stadt zu entkommen und um Bernard zu helfen, schlägt Amore ihm eine Reise nach Rom vor. Ein poetischer Roman voll bissigem Humor über Liebe, Sex, Verwirrung, Irrsinn und die absurden Seiten der internationalen Hilfe in einer rhythmischen, magisch-kreativen Sprache, der seinen Titel zu Recht trägt.
Lese-Probe zu „Was für ein Wunder “
[AUF DEM ROLLFELD]Damals war ich völlig verstimmt. Ich war so dermassen verstimmt, dass ich nicht einmal wusste, welcher Tag war, welcher Monat, welches Jahr oder welches Jahr in welchem Monat. Wo befinden wir uns?»Im Irrenhaus des Jahrhunderts. Deine Eier haben noch lange nicht alle Glocken, geschweige denn das letzte Stündlein geschlagen, du Wichser ...«, knallte mir ein Unbekannter, dem ich auf dem Rollfeld des Flughafens Toussaint-Louverture über den Weg lief, an den Kopf. Ein Unbekannter, der einen Schnauzbart trug wie einen schwarzen Urteilsspruch, wie eineschonungslose Wahrheit. Ich kenne den Mann doch gar nicht. Wieso beleidigt er mich, ich habe mich doch eben nur gefragt, wo ich eigentlich bin, beziehungsweise habe versucht, meine eigene Stimme in dem ganzen Gewirr hier ausfindig zu machen? Wo sind wir gerade?Der Himmel über dem Flughafen Toussaint-Louverture ist von Flugzeugen zerschrammt. Seit einem Monat und ein paarGequetschten landen hier ohne Unterlass Maschinen und fliegen wieder ab. Da die Dinger aus allen vier Ecken der Welt kommen, um Hilfe für die Millionen von der Katastrophe Heimgesuchten einzufliegen, ergibt das einen wahren Geräuschmix aus dem Klang sanft abhebender Maschinen und dem Lärm so manch notlandenden Fliegers. Ein Lautgewuchere, in das sich das Kommen und Gehen der Reisenden mischt, die von einem Ende der Welt zum nächsten eintreffen, eine sich aus der Luft lösende Lautlawine: »Das grosse Konzert der Nationen«.Eins ist sicher: Ich wusste weder, welcher Tag, noch welcher Monat, noch welches Jahr in welchem Monat war. Böse Zungen behaupteten, ich hätte meinen Kalender verschludert, die Jungs meinten, ich hätte die Orientierung verloren. Sieben Jahre schon! Der Raum eines in der Erinnerung versunkenen Schmetterlingflügelschlags, der im Ohr rauschte. Verdammte sieben Jahre! Die zu Staub zerfallene Zeit, verpulvert unter dem Flügelabdruck eines im Kalender zerdrückten Viechs.Das grosse Beben, der fiese Feinschmecker, das Vieh Vieh Vieh
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Vielfrass, der Goudougoudou Gourmand, er hat in mir wohl alles durcheinandergebracht, ich verwechsle alles, heule, obwohl es in dieser Stadt gar nicht gern gesehen ist, dass ein Mann heult. Ich heule ohne jeden Grund los, maule ohne jeden Grund. Belle ganz grundlos los, wie ein Hund. Gleichzeitig und im Gegenzug bin ich geil, bin völlig geil auf diesem Flughafen unterwegs, ohne jeden Grund. Persönlich gesehen wollte ich gar nicht weg, ich wollte diese Reise selbst gar nicht. Doch mein bestes Stück schien seit Monaten schon ganz unabhängig von mir reiselustig zu sein. Wie besessen schwingen Lust und Elend des Körpers im Chaos mit.Entregelung aller Sinne. Die Verleumdungs- und Sturmlosbrecher bezeichnen mich als Wortwichser. Es ist immer dasGleiche, wenn man versucht, seinen eigenen Weg zu gehen. Da in meiner Nähe nie eine Frau zu sichten ist, bezeichnet man mich als Wortwichser, als einen Nachtmalocher, der seltsamer Handarbeit nachgeht und dann Spuren auf dem Laken hinterlässt. Jetzt aber, wo die bösen Zungen schliesslich doch eine Frau erblicken, und dazu noch eine gertenlange Schönheit mit Beinen, die nur so auf die Stadt herunterschauten, jetzt, wo diese Schlangen die Anwesenheit von Amore gewittert haben, ja, da träumen sie nur noch davon, ihre Schlangenzunge in ihr Ohr zu züngeln, um sie zu Fall zu bringen oder schlicht umzulegen und mit ihrem Drecksschlangengift zu vergiften.Ich habe mit der Entregelung aller Sinne zu tun gehabt. Hör-, Seh-, Geruchs-, Geschmacks- und Tastsinn. Amore, die icheben erst kennengelernt habe, legt mir nahe, sie nach Italien zu begleiten. Italien aber ist, soweit ich weiss, ein Land, das wegen nichts und wieder nichts zu beben beginnt. Ich halte dieses Land für ein schreckhaftes Pferd, das hier einen Fusstritt setzt, dort mit dem Huf ausschlägt. Ein Pferd mit den Komplexen eines miesen Fussballspielers ...Du bist dran. Amore geht in sich.»Ich gebe zu, dass wir auf Fussball stehen, Bernard. Wenn du so willst, stehen wir auf ziemlic
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Autoren-Porträt von James Noël
James Noël, geboren 1978 in Hinche, Haiti, wurde durch das kreolische Gedicht "Bon nouvèl", ins Französische übertragen von Georges Castera und vertont von Wooly Saint-Louis Jean, praktisch über Nacht berühmt. Dank Gedichtbänden wie "Poèmes à double tranchant" (2005), "Le sang visible du vitrier" (2009) oder "Le Pyromane adolescent" (2013) gehört er heute zu den wichtigsten haitianischen Gegenwartslyrikern. Im Januar 2018 schrieb er einen vielbeachteten offenen Brief an Donald Trump, nachdem dieser mehrere Länder, darunter Haiti, als "shithole countries" bezeichnet hatte. Im selben Jahr erschien bei Litradukt unter dem Titel "Die grösste der Raubkatzen / Le plus grand des félins" eine Auswahl seiner Gedichte in einer zweisprachigen Ausgabe. Was für ein Wunder ist James Noëls erster Roman.
Bibliographische Angaben
- Autor: James Noël
- 2020, 119 Seiten, Masse: 13,4 x 21,3 cm, Kartoniert (TB), Deutsch
- Übersetzer: Rike Bolte
- Verlag: litradukt
- ISBN-10: 3940435325
- ISBN-13: 9783940435323
- Erscheinungsdatum: 13.03.2020
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