Sophie Brinkmann Band 1: Unbescholten
Thriller
Sophie Brinkmann ist eine unbescholtene Frau. Bis sie ihrem neuen Freund begegnet und vor der Frage steht, ob sie für ihn ihre innersten Überzeugungen opfern soll und vielleicht sogar ihr Leben.
"Unbescholten" - der Auftakt zur Thriller-Trilogie...
"Unbescholten" - der Auftakt zur Thriller-Trilogie...
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Produktinformationen zu „Sophie Brinkmann Band 1: Unbescholten “
Sophie Brinkmann ist eine unbescholtene Frau. Bis sie ihrem neuen Freund begegnet und vor der Frage steht, ob sie für ihn ihre innersten Überzeugungen opfern soll und vielleicht sogar ihr Leben.
"Unbescholten" - der Auftakt zur Thriller-Trilogie des schwedischen Bestsellerautors Alexander Söderberg.
Gut und Böse. Für Sophie Brinkmann, Stockholmer Krankenschwester und alleinerziehende Mutter, gibt es eine klare Grenze. Bis sie Hector Guzman kennenlernt und Kommissarin Gunilla Strandberg sie bittet, ihn zu bespitzeln. Plötzlich tauchen unangenehme Fragen auf: Wer ist Hector Guzman wirklich, der sich ihr als charmanter Verleger vorgestellt hat? Und wie weit würde Sophie gehen, um ihrem neuen Freund zu helfen? Doch erst als Hector entführt und Sophies Sohn Albert lebensgefährlich verletzt wird, begreift sie, dass das alles keine Gewissensfrage mehr ist sondern eine auf Leben und Tod ...
Nichts und niemand ist sicher in "Unbescholten" denn es gibt keinen Unterschied zwischen richtig und falsch. Der Schwede Alexander Söderberg schickt seine Heldin auf eine atemlose Flucht vor dem Bösen.
"Unbescholten" - der Auftakt zur Thriller-Trilogie des schwedischen Bestsellerautors Alexander Söderberg.
Gut und Böse. Für Sophie Brinkmann, Stockholmer Krankenschwester und alleinerziehende Mutter, gibt es eine klare Grenze. Bis sie Hector Guzman kennenlernt und Kommissarin Gunilla Strandberg sie bittet, ihn zu bespitzeln. Plötzlich tauchen unangenehme Fragen auf: Wer ist Hector Guzman wirklich, der sich ihr als charmanter Verleger vorgestellt hat? Und wie weit würde Sophie gehen, um ihrem neuen Freund zu helfen? Doch erst als Hector entführt und Sophies Sohn Albert lebensgefährlich verletzt wird, begreift sie, dass das alles keine Gewissensfrage mehr ist sondern eine auf Leben und Tod ...
Nichts und niemand ist sicher in "Unbescholten" denn es gibt keinen Unterschied zwischen richtig und falsch. Der Schwede Alexander Söderberg schickt seine Heldin auf eine atemlose Flucht vor dem Bösen.
Klappentext zu „Sophie Brinkmann Band 1: Unbescholten “
Gut und Böse. Für Sophie Brinkmann, Stockholmer Krankenschwester und alleinerziehende Mutter, gibt es eine klare Grenze. Bis sie Hector Guzman kennenlernt - und Kommissarin Gunilla Strandberg sie bittet, ihn zu bespitzeln. Plötzlich tauchen unangenehme Fragen auf: Wer ist Hector Guzman wirklich, der sich ihr als charmanter Verleger vorgestellt hat? Und wie weit würde Sophie gehen, um ihrem neuen Freund zu helfen? Doch erst als Hector entführt und Sophies Sohn Albert lebensgefährlich verletzt wird, begreift sie, dass das alles keine Gewissensfrage mehr ist - sondern eine auf Leben und Tod... Nichts und niemand ist sicher in "Unbescholten" - denn es gibt keinen Unterschied zwischen richtig und falsch. Der Schwede Alexander Söderberg schickt seine Heldin auf eine atemlose Flucht vor dem Bösen.
Lese-Probe zu „Sophie Brinkmann Band 1: Unbescholten “
Unbescholten von Alexander Söderberg1
Sie sah nicht aus wie eine Krankenschwester. Das behaupteten jedenfalls viele, und sie wusste nie, ob das ein Kompliment oder eine Beleidigung war. Sie hatte langes dunkles Haar und grüne Augen, die immer aussahen, als würde sie gleich lachen.
Die Treppe knarzte unter ihren Füßen. Das Haus, ein kleines gelbes Holzhaus von 1911 mit Sprossenfenstern, ausgetretenen Parkettböden und einem Garten, der etwas größer hätte sein können, war ihr Platz auf dieser Erde. Das hatte sie schon gewusst, als sie es zum ersten Mal sah.
An diesem windstillen Maiabend stand das Küchenfenster offen, und der Duft, der zu ihr hereindrang, erinnerte mehr an Sommer als an Frühling. Eigentlich fing der Sommer erst in ein paar Wochen an, aber in diesem Jahr war es früh warm geworden. Nun lag die Hitze schwer und still über allen Dingen. Sophie war dankbar dafür, sie brauchte Wärme und genoss es, Fenster und Türen offen lassen zu können.
In der Ferne war ein Moped zu hören, eine Drossel irgendwo im Garten.
Sophie nahm Geschirr aus dem Schrank und deckte den Tisch für zwei, mit den besten Tellern, dem feinsten Besteck und den schönsten Gläsern, die sie hatte. Sie wollte heute den Alltag vergessen, und es war ihr egal, dass sie allein essen würde. Albert aß, wenn er hungrig war, was selten mit den regelmäßigen Mahlzeiten zusammenfiel. Sie hörte ihn auf der Treppe - schnelle Sportschuhe auf altem Eichenholz, die Tritte ein bisschen zu schwer und zu hart. Sie lächelte ihm zu, als er in die Küche trat. Er lachte, riss die Tür des Kühlschranks auf, blieb lange davor stehen und starrte hinein.
»Mach den Kühlschrank zu, Albert.«
... mehr
Sophie aß und blätterte in der Zeitung. Dann blickte sie auf und sagte den gleichen Satz noch einmal, strenger.
»Ich kann mich nicht bewegen ...«, sagte Albert theatralisch.
Sie musste lachen. Er hatte Humor. Das machte sie sogar ein bisschen stolz.
»Was hast du heute getrieben?«, fragte sie.
Sie sah, dass er selbst lachen musste. Das kannte sie gut an ihm, er fand seine eigenen Scherze immer lustig.
Albert nahm eine Flasche Mineralwasser aus dem Kühlschrank, warf die Tür zu und setzte sich schwungvoll auf die Arbeitsplatte. Die Kohlensäure sprudelte, als er die Flasche öffnete.
»Die sind alle so gestört«, sagte er und trank einen Schluck. Albert erzählte von seinem Schultag. Sie hörte amüsiert zu, wie er sich über Lehrer und Mitschüler lustig machte, und sah, dass er es genoss, sie zu unterhalten. Und dann hatte er plötzlich genug erzählt. Sophie wusste nie, wann das passierte, er hörte einfach auf zu reden, als würden ihn seine eigenen Witze plötzlich langweilen. Er verschwand im Flur. Einen Moment herrschte Stille, vielleicht zog er sich andere Schuhe an.
»Du schuldest mir einen Tausender«, sagte er vom Flur her.
»Warum?«
»Die Putze war heute da.«
»Putze sagt man nicht.«
Sophie hörte einen Reißverschluss.
»Was sagt man dann?«
Ihr fiel nichts ein. Albert war schon in der Tür. »Küsschen, Mama«, sagte er, und seine Stimme klang plötzlich weich. Die Tür fiel ins Schloss, Sophie hörte seine Schritte auf dem Kiesweg vor dem offenen Fenster.
»Ruf an, wenn du später kommst«, rief sie ihm hinterher.
Sophie tat, was sie immer tat. Sie deckte ab, räumte auf, sah fern und telefonierte mit einer Freundin. Dann legte sie sich hin und versuchte das Buch auf dem Nachttisch zu Ende zu lesen. Doch es langweilte sie, und Sophie wunderte sich, was sie je daran gefunden hatte. Sie schlug das Buch zu und löschte das Licht.
Um Viertel nach sechs wachte sie auf. Sie duschte und wischte den Badspiegel ab, auf dem Wörter zu sehen waren, wenn er beschlug: Albert, AIK und eine Reihe anderer unleserlicher Buchstaben, die er mit dem Zeigefinger schrieb, wenn er sich die Zähne putzte. Sie hatte ihn gebeten, damit aufzuhören, aber das schien ihn nicht zu kümmern, und irgendwie mochte sie das inzwischen auch.
Sie zog sich an, nahm im Stehen ein leichtes Frühstück zu sich und las dabei die erste Seite des Expressen. Sie rief dreimal zu Albert hinauf, dass er aufstehen müsse.
Eine Viertelstunde später saß sie auf ihrem Fahrrad und fuhr in die Klinik nach Danderyd, in der sie angestellt war.
Sie nannten ihn Jeans und glaubten tatsächlich, dass er so hieße. Lachend hatten sie auf ihre Hosen gezeigt. »Jeans!«
Eigentlich hieß er Jens, und er saß zusammen mit drei Russen an einem Tisch, mitten im Dschungel von Paraguay. Ihr Boss hieß Dmitri. Er war groß, um die dreißig Jahre, und er machte nicht den cleversten Eindruck. Seine zwei Kumpel hießen Goscha und Vitali, ihre Augen standen weit auseinander, und ihre halb geöffneten Münder legten die Vermutung nahe, dass sie nicht das Geringste davon begriffen, worüber geredet wurde.
Dmitri mixte Dry Martini in einem Plastikkanister. Er presste Oliven hinein und schüttelte das Ganze, dann schenkte er in ausgespülte Kaffeebecher ein. Er brachte einen russischen Toast aus, und alle nahmen einen Schluck von dem Drink, der ein wenig nach Diesel schmeckte.
Jens bemühte sich, ihnen seine Abneigung nicht zu deutlich zu zeigen.
»Ich zeige euch die Dinger am besten mal«, schlug er vor. Er ging zu dem Jeep hinüber, der in dem staubigen, schwach beleuchteten Innenhof stand.
Weshalb die drei den ganzen Weg bis nach Paraguay gekommen waren, um sich die Ware anzusehen, wusste er nicht. In der Regel bestellte jemand etwas bei ihm, er lieferte und wurde bezahlt. Fertig. Doch das hier war etwas anderes. Es schien, als ob der Waffenkauf eine große Sache für die Russen sei. Was genau sie hier wollten und wozu sie die Waffen brauchten, hatte ihn aber nicht zu interessieren. Sie waren hier, um die Waffen auszuprobieren, Kokain zu schnupfen, zu vögeln und ihm die zweite von drei Zahlungen zu übergeben.
Er hatte eine Maschinenpistole da, eine MP7 Heckler & Koch, sowie ein österreichisches Sturmgewehr. Die übrigen Waffen lagen verpackt in einem Lagerhaus am Hafen von Ciudad del Este und warteten auf den Transport.
Die Russen griffen nach den Waffen und taten, als würden sie aufeinander schießen. »Hände hoch, Hände hoch!« Sie brüllten vor Lachen und machten schnelle Bewegungen.
»Jeans! Wo zum Teufel ist die Munition?«
Er zeigte auf das Heck des Jeeps. Die Russen rissen die Türen auf und suchten nach der Munition. Jens steckte die Hand in die Tasche, er hatte noch ein Nikotinkaugummi übrig. Vor zwei Jahren hatte er mit dem Rauchen aufgehört, vor drei Wochen mit dem Kautabak. Nun war er im Dschungel, vier Meilen von Ciudad del Este entfernt, und sein Körper schrie nach Nikotin. Er steckte sich das Kaugummi in den Mund und blickte mit kaum verhohlenem Ekel auf die Russen. Er wusste, dass er demnächst wieder mit dem Rauchen anfangen würde.
Sophie arbeitete vor allem wegen der Patienten hier und nicht, weil sie fromm war oder den tiefen Wunsch verspürte, anderen zu helfen. Sie mochte es, mit den Menschen zu reden. Die Patienten kamen, weil sie krank waren. Darüber sprachen sie offen und ehrlich und waren ganz sie selbst. Sophie fühlte sich wohl in ihrer Gegenwart und konnte gut mit ihnen umgehen. Die Patienten redeten selten Unsinn, das taten sie erst, wenn es ihnen wieder besser ging, und dann trennten sich ihre Wege meistens wieder. Vielleicht war genau das der Grund, weshalb sie sich damals für diesen Beruf entschieden hatte. Jedenfalls liebte sie es, wenn ihre Patienten ganz bei sich waren. Diese Patienten waren ihre Lieblinge. Es waren fast immer Charakterköpfe. Das war das Wort, das ihr selbst für die Leute eingefallen war: Charakterköpfe. Sie konnten mit einer inneren Ausgeglichenheit über das Leben lächeln, und Sophie erkannte sie meist auf den ersten Blick, ohne zu wissen, wie oder warum.
Sie war mit einem Tablett auf dem Weg zu Hector Guzman in Zimmer elf. Er war vor drei Tagen eingeliefert worden, nachdem er an einem Fußgängerübergang mitten in Stockholm überfahren worden war. Sein rechtes Bein war unterhalb des Knies gebrochen. Die Ärzte hatten auch eine Verletzung der Milz diagnostiziert, deshalb war er noch zur Beobachtung geblieben. Hector war etwa Mitte vierzig, eher interessant als gut aussehend, kräftig, aber nicht dick. Er war Spanier und hatte dunkle Haare. Nase, Wangenknochen und Kinn waren scharf geschnitten und seine Haut angenehm sandfarben.
Hector sprach fließend Schwedisch und war einer von Sophies Charakterköpfen - vielleicht wegen seiner wachen Augen, vielleicht wegen der Leichtigkeit, mit der er sich trotz seiner Größe bewegte. Oder weil er sie stets mit einer natürlichen Gelassenheit anlächelte, wenn sie zu ihm hereinkam. Sie lächelte immer zurück.
Als sie das Zimmer betrat, war Hector Guzman in sein Buch vertieft, saß zurückgelehnt in seinem Bett und hatte die Lesebrille auf der Nase. Sie sortierte die Tabletten und legte sie in kleine Plastikbecher, dann reichte sie ihm einen. Er warf sich die Tabletten in den Mund, nahm ihr das Wasserglas ab und trank. Dabei konzentrierte er sich die ganze Zeit auf sein Buch.
»Immer wieder gut«, sagte er leise und blickte auf. »Sie tragen heute andere Ohrringe, Sophie.«
Sie griff unwillkürlich an ihr Ohr.
»Ja?«, sagte sie.
»Ganz sicher. Und sie stehen Ihnen gut.«
Sie ging zur Tür.
»Könnte ich etwas Saft bekommen? Ginge das?«, fragte er.
»Ja, natürlich«, antwortete Sophie und öffnete die Tür.
Ein Mann kam ihr entgegen, der sich bei seinem letzten Besuch als ein Cousin vorgestellt hatte. Er sah Hector aber keineswegs ähnlich. Er war groß und schlank, hatte schwarzes Haar, wache, eisblaue Augen, die alles zu registrieren schienen. Er nickte Sophie zu. Dann sagte er auf Spanisch etwas zu Hector, Hector antwortete und lachte.
Auf dem Flur saß Gunilla Strandberg mit einem Blumenstrauß in der Hand und sah, wie die Krankenschwester aus Hector Guzmans Zimmer kam. Gunilla betrachtete sie. War das Freude, die sie in ihren Augen sah? Die Frau ging an ihr vorüber. An ihrer linken Brusttasche hing ihr Namensschild, Sophie.
Gunilla schaute Sophie hinterher. Sie bewegte sich leicht, als würden ihre Füße die Erde nur streifen, sehr elegant und weiblich.
Gunilla schaute wieder zu Zimmer Nummer elf, in dem Hector Guzman lag. Sie spürte, dass ihn etwas umgab. Eine Energie, etwas Besonderes, das nicht zu greifen war und von dem Sophie einen Hauch aus dem Zimmer mitgenommen hatte.
Gunilla erhob sich, ging den Flur entlang und schaute in das leere Schwesternzimmer. An der Wand hing der Dienstplan dieser Woche. Sie blickte sich im Flur um, trat dann ein und ging zu der Liste.
Helena ...
Roger ...
Anne ...
Carro ...
Nicke ...
Sophie ... Sophie Brinkmann.
Sie stellte den Blumenstrauß in eine leere Vase auf einem Rollwagen und verließ die Abteilung. Im Aufzug nahm sie ihr Handy heraus, rief im Büro an und bat um die Adresse einer Sophie Brinkmann.
Statt zurück zur Polizeistation in der Brahegatan fuhr sie nach Stocksund, in das Wohngebiet auf der anderen Seite der Autobahn. Vor einem kleinen gelben Holzhaus mit weißen Giebeln hielt sie an.
Sie blieb noch einen Moment im Auto sitzen. Es war eine ruhige Gegend. In den Bäumen hing dichtes Laub, und die Birken standen kurz vor der Blüte. Gunilla stieg aus, der Geruch eines Faulbaums wehte ihr entgegen. Sie sah sich um, betrachtete erst die Nachbarhäuser, dann das von Sophie Brinkmann. Es war schön, kleiner als die anderen und, wie ihr schien, weniger gepflegt. Nein, es war nicht unordentlich. Eher fühlte sich der Anblick der Nachbarhäuser verkehrt an. Dort herrschte ein Perfektionismus, eine traurige, unbeseelte Ordnung. Sophies Haus dagegen wirkte lebendig. Die Fassade war nicht frisch gestrichen, das Gras nicht frisch gemäht, die Fenster nicht gerade sauber ...
Gunilla ging durch die Gartenpforte und über den Kiesweg zum Eingang. Sie schaute durch das Küchenfenster. Sie sah einen Wasserhahn aus Messing, einen Herd mit gusseisernen Türen und eine Arbeitsplatte aus altem Eichenholz. Gunilla trat zurück und blickte an der Fassade hoch. Hinter einem Fenster im oberen Geschoss stand ein schöner Strauß.
Im Auto auf dem Weg zurück in die Stadt dachte sie darüber nach, wie Hector Guzman an eine solche Person kam und in welchem Verhältnis sie zu ihm stand.
2
Leszek Smialy fühlte sich wie ein herrenloser Hund: Wenn er nicht in der Nähe seines Herrchens war, wurde er unruhig. Doch Adalberto Guzman hatte ihm befohlen zu reisen. Also hatte sich Leszek in ein Flugzeug gesetzt und war wenige Stunden später in München gelandet.
In den letzten zehn Jahren war er kaum von Guzmans Seite gewichen, mit Ausnahme der einen Woche Urlaub, zu der er alle drei Monate verpflichtet war. Sein Lebensrhythmus folgte diesen Dreimonatsschichten. Wenn er Urlaub hatte, nahm er sich ein Hotelzimmer und betrank sich von früh bis spät. Wenn er nicht zu betrunken war oder schlief, sah er fern. Er wartete darauf, dass die Woche vorüber war und er wieder arbeiten konnte. Leszek begriff nicht, warum Adalberto auf diesen Zwangsurlauben beharrte.
Leszek saß hinter dem Lenkrad eines Ford Focus in der Villengegend Grünwald außerhalb von München. Überall standen große Häuser mit eingezäunten Gärten, aber weit und breit war kein Mensch zu sehen.
Adalberto Guzman hatte Leszek Fotos von Christian Hanke gegeben, einem fünfundzwanzigjährigen, gepflegt aussehenden jungen Mann mit kurzem braunen Haar. Auf den Vergrößerungen der Bilder war auch sein Vater Ralph Hanke zu sehen. Leszek betrachtete die Abzüge: selbstsicheres Lächeln, maßgeschneiderte Anzüge und sorgfältig gekämmtes Haar.
Leszek hatte Christian Hanke durch das Fernglas beobachtet. Er wusste nur, dass Hanke abends gegen acht nach Hause kam und seinen BMW auf der Straße vor dem Haus parkte. Er bekam Damenbesuch, hatte eine Haushaltshilfe, und in seinem Schlafzimmer brannte bis zwei Uhr morgens Licht. Leszek wusste außerdem, dass Hanke immer morgens um halb acht aus dem schmiedeeisernen Tor trat, die Straße überquerte, sich in seinen Wagen setzte und nach München hineinfuhr.
Aus dem Radio tönte bayerische Schlagermusik. Ein Typ sang, als würde er dabei breit lächeln, und im Hintergrund waren elektronische Streichinstrumente zu hören.
Leszek saß da und atmete ruhig. Es war ein schöner Morgen, die Luft war dunstig. Die Sonnenstrahlen fielen durch das Laub und tauchten die Umgebung in ein gleißendes Licht.
Leszek blickte auf seine Hände. Es war eine schmutzige Angelegenheit gewesen, die Bombe zu installieren. Er hatte das zwar schon öfter gemacht, aber das letzte Mal war schon etwas her, damals war er noch beim Geheimdienst gewesen. Da war es weniger zeitaufwendig gewesen, schon allein wegen der Motorblöcke, die nicht so kompakt gebaut waren wie heute. Er streckte sich und schloss für einen Moment die Augen.
Als er sie wieder öffnete, sah er gerade noch die Silhouette eines Menschen, der hinter parkenden Autos die Straßenseite wechselte. Leszek nahm das Fernglas vom Beifahrersitz und hielt es sich an die Augen. Es war eine Frau, eine junge Frau. Leszek warf einen Blick auf seine Armbanduhr, es war Viertel vor acht. Die Frau war blond, Anfang zwanzig, hatte langes Haar und trug eine große schwarze Sonnenbrille und zerschlissene Designerjeans. In ihren hochhackigen Schuhen ging sie zielstrebig auf den BMW von Hanke zu. Über ihrer Schulter hing eine Handtasche. Wo zum Teufel war Christian Hanke? Statt um den Wagen herum zur Beifahrertür zu gehen, öffnete sie die Tür auf der Fahrerseite, glitt hinter das Lenkrad und legte die Handtasche auf den Sitz neben sich.
Die nächsten fünf Sekunden vergingen wie in Zeitlupe. Leszek überlegte, ob er sie warnen sollte. Doch stattdessen saß er nur da, sah, wie die junge blonde Frau diese kleine Bewegung machte, mit der man einen Motor startet: eine Hand am Lenkrad, ein bisschen vorbeugen und mit der rechten Hand den Startknopf drücken.
In der Millisekunde, in der die Elektrizität von der Batterie zum Motor transportiert wurde, fing ein Stromkabel sie ab und zündete eine Patrone, die wiederum einen Klumpen Plastiksprengstoff zündete, der unter dem Wagen befestigt war.
Die Wucht der Explosion drückte die Frau gegen das Wagendach und brach ihr sofort das Genick. Der Napalmbehälter, den Leszek im Auto angebracht hatte, fing iim selben Augenblick Feuer und verwandelte das Auto in ein brennendes Inferno.
Leszek verließ Grünwald und fand einen abgelegenen Platz im Wald, wo er den Ford in Brand setzte. Dann rief er Adalberto an und hinterließ eine kurze Nachricht auf seiner Mailbox, dass es nicht nach Plan gelaufen war. Anschließend warf er das Handy in einen Gully und lief kreuz und quer durch die Stadt, um sicherzugehen, dass niemand ihn verfolgte. Dann winkte er ein Taxi heran, das ihn zum Flughafen brachte.
Vom ersten Tag seines Krankenhausaufenthaltes an hatte Hector Guzman Sophie Fragen gestellt: über ihr Leben, ihre Jugend, ihre Familie. Er hatte gefragt, was sie mochte und was nicht. Und sie ertappte sich dabei, dass sie seine Fragen wahrheitsgemäß beantwortete. Sie musste sich eingestehen, dass sie seine Aufmerksamkeit genoss, sie hatte Hector Guzman nie als aufdringlich empfunden. Wenn er etwas berührte, über das sie nicht reden wollte, fragte er nicht weiter. Er schien zu wissen, wo ihre Grenze verlief. Und je besser sie sich kennenlernten, desto zurückhaltender verhielt er sich ihr gegenüber.
Ob sie müde sei, fragte er.
»Warum?«
»Sie sehen müde aus.«
Sophie legte ein Handtuch zusammen. »Sie scheinen ja zu wissen, wie man Frauen schmeichelt.«
Er verzog den Mund.
»Ich glaube, Sie werden hier nicht mehr allzu lange liegen«, fuhr Sophie fort.
Hector hob eine Augenbraue.
Sophie öffnete ein Fenster und ließ frische Luft herein. Dann ging sie an seinen Nachttisch, um die leere Wasserkaraffe zu nehmen. Doch Hector griff nach ihrer Hand. Ihr Herz schlug schneller. Sie bewegten sich nicht, als wären sie zwei schüchterne Jugendliche, die einander zum ersten Mal berührten und sich nicht trauten, sich dabei anzusehen. Schließlich machte Sophie sich los und ging zur Tür.
»Brauchen Sie noch etwas?«, fragte sie. Ihre Stimme war belegt, als wäre sie eben erst aufgewacht. Hector betrachtete sie und schüttelte den Kopf.
Sophie trat auf den Flur hinaus. Er war nicht ihr Typ, sagte sie sich. Aber wer war das schon? Sie hatte im Lauf der Jahre viele verschiedene Typen gehabt. Sie redete sich ein, dass es nicht um physische Anziehung ginge, dass er nur jemand wäre, dem sie nah sein wollte. Vielleicht könnte er ihr Liebhaber sein, nicht aber ihr Ehemann oder Freund. Und trotzdem schien er eine wunderbare Mischung all dessen.
Den Rest des Tages hatte Sophie in der Notaufnahme zu tun. Als sie am Nachmittag auf die Station zurückkam, war Hector mitsamt seinen Sachen verschwunden.
Der Abend war verlaufen, wie Jens es vorausgesehen hatte. Nachdem sie ein paar Minuten mit den einheimischen Huren absolviert hatten, begannen die Russen mit Schießübungen. Sie schossen unkontrolliert mit den automatischen Waffen, bis Jens Vitali ins Gesicht schlug, um dem Treiben ein Ende zu machen.
Am nächsten Morgen gingen sie noch einmal die Details durch. Lieferdatum, Logistik und Bezahlung. Dann verabschiedete sich Jens, und die Sache war für ihn erledigt.
Ein Einheimischer nahm ihn mit zurück nach Ciudad del Este. Die Fahrt dauerte zwei Stunden. Der Fahrer war schweigsam, und das Radio dröhnte in voller Lautstärke, wie immer in diesem Land, dachte Jens. Der Empfang war schlecht, auch das war hier normal. Ein scharfer Diskant jaulte aus den beiden Lautsprechern in den Türen. Aber Jens hatte sich daran gewöhnt. Und so hatte er genügend Zeit, seine Planung noch einmal zu durchdenken. Es war nicht perfekt, aber es würde gut gehen - so war es meistens, und es war schon immer gut gegangen.
Jens lehnte selten etwas ab, und man konnte meinen, dass diese Einstellung seinem Gesicht anzusehen war: Eine ungebrochene Neugier blitzte in seinen Augen.
Die Maschinenpistolen, die die Russen von ihm gekauft hatten, sollten per Lastwagen von Ciudad del Este ostwärts in die brasilianische Hafenstadt Paranaguá transportiert werden, um dann mit einem Schiff nach Rotterdam zu gelangen. Von dort würden die Waffen mit dem Auto nach Warschau gebracht werden, und damit war Jens' Auftrag erfüllt.
Dieser Auftrag hatte sich vor zwei Monaten ergeben. Risto hatte ihn aus Moskau angerufen und gesagt, er habe eine Anfrage nach MP7ern und noch effektiveren Waffen.
»Wie viele?«
»Jeweils zehn Stück.«
»Das ist nicht viel.«
»Nein, aber es ist ein Kunde mit Ambitionen. Er wird deine Hilfe noch öfter in Anspruch nehmen. Sieh es als Investition in die Zukunft.«
Ein kleiner Auftrag also, der sich leicht erledigen ließ.
»Okay, ich höre mich um und gebe dir Bescheid.«
Jens kontaktierte seinen Makler. Auf dessen Homepage konnte man sich über Modellflugzeuge informieren. Um den Kontakt zu ihm herzustellen, musste man ein Losungswort im Forum der Seite eingeben. Es war noch nie vorgekommen, dass der Makler abgelehnt hatte oder Jens' Wünschen nicht nachgekommen war. Der Makler vermittelte ihm einen unbekannten Verkäufer. Es war eine sichere Sache: Niemand konnte irgendjemanden verpfeifen. Jens bestellte MP7er und Steyr AUG. Und wie immer hatte der Makler eine Lösung parat. Jens bekam die volle Anzahl der österreichischen Waffen, dazu acht MP7er und zwei MP5er. Das würde gehen.
Risto hatte ihn gebeten, nach Prag zu fahren, um seine Kunden zu treffen.
»Wozu?«, fragte Jens.
»Keine Ahnung. Sie bestehen darauf«, antwortete Risto.
Das Treffen in Prag hatte sich als belanglos herausgestellt. Sie wollten einfach sehen, mit wem sie es zu tun hatten.
Auch dort benahmen sich Dmitri, Goscha und Vitali schon, als befänden sie sich immer noch in einer Art bösartiger Pubertät. Sie tranken Wodka auf Jens' Hotelzimmer. Vitali nahm den Badezimmerspiegel ab, legte ihn auf den Couchtisch und zog mehrere dicke Lines mit einer abgenutzten Diners Card. Dann kamen die Huren, ein paar junge Frauen aus der ehemaligen Sowjetunion, die sichtlich unter Drogen standen. Dmitri lud zum Essen ein. Er bestellte Champagner für alle und lieferte sich einen Hummerkrieg mit Goscha.
Als Jens zurück in seiner Wohnung in Stockholm war, erhielt er eine Nachricht: Buenos Aires in zwei Tagen. Er packte sofort seine Tasche und fuhr am nächsten Morgen wieder nach Arlanda, um via Paris nach Buenos Aires zu fliegen. Er landete in Ezeiza, ruhte sich ein paar Stunden im Hotelzimmer aus und aß mit dem Kurier zu Mittag. Jens bezahlte ihn und nahm einen Autoschlüssel in Empfang, der zu einem Lieferwagen in der Hotelgarage gehörte. Er kontrollierte die Kisten auf der Ladefläche, alles war, wie es sein sollte.
Er fand ein Restaurant, in dem er seine Zeitung lesen konnte, die er aus dem Hotel mitgenommen hatte. Erst reagierte er nicht auf seinen Namen. Aber als er aufblickte, erkannte er Jane sofort wieder. Sie war Sophies jüngere Schwester und sah genauso aus, wie er sie in Erinnerung hatte, obwohl sie damals noch ein Kind gewesen war.
»Jens? Jens Vall! Was machst du denn hier?«
Janes Lächeln wurde zu einem Lachen. Er stand auf und ließ sich von ihrer Wiedersehensfreude anstecken. Sie umarmten sich.
»Hallo, Jane.«
Der schweigsame Mann, der hinter ihr stand, hieß Jesus. Die beiden setzten sich zu ihm an den Tisch, und Jane fing an zu erzählen, noch bevor ihr Hintern den Stuhl berührte. Jens hörte zu und lachte über ihre Geschichten, er begriff schnell, warum sie mit einer schweigsamen Muschel wie Jesus zusammen war. Sie hatten noch keine Kinder und wohnten in Stockholm in einer Dreizimmerwohnung am Järntorget in der Altstadt. Jetzt waren sie in Buenos Aires, um Jesus' Verwandten zu besuchen.
Jens erkundigte sich nach Sophie und erfuhr, dass sie jetzt Brinkmann hieß, Witwe war, einen Sohn hatte und als Krankenschwester arbeitete.
Dann fand Jane, dass sie nun genug geredet hatte, und begann, Fragen zu stellen. Jens erzählte ihr, dass er Kunstdünger verkaufe, viel umherreise und keine Familie habe, aber das könne sich ja noch ändern.
In der Kaffeeküche lag eine Nachricht für Sophie, ein kleiner weißer Umschlag, auf dem in schwarzer Tinte ihr Vorname stand. Während sie darauf wartete, dass ihr Kaffee aus der Maschine lief, öffnete sie ihn. Sie las den Brief und steckte ihn dann in ihre Tasche.
Den ganzen Vormittag über musste an den Zettel denken. Um Viertel vor zwölf ging sie in den Umkleideraum, zog den Schwesternkittel aus, nahm ihre Handtasche und ihre Sommerjacke und ging hinunter in die Eingangshalle.
Hectors Cousin wartete auf sie. Er bat sie, ihm nach draußen zu folgen. Sein Wagen war eines dieser japanischen Umweltautos. Er roch neu, und man saß bequem darin.
»Wir fahren nach Vasastan«, sagte der Cousin.
Seine Augen waren blau, klar und sahen sie intensiv an.
»Wie sind Sie eigentlich verwandt mit Hector?«
»Wir sind vor allem Seelenverwandte.«
Sie lachte.
Und es schien, als wäre das Thema für ihn damit erledigt.
»Ich heiße Aron.«
»Hallo, Aron. Ich heiße Sophie.«
Den Rest der Fahrt über schwiegen sie.
Es gab Tische, Stühle und eine Schwingtür zur Küche. Die Beleuchtung war zu grell, die Bilder an den Wänden zeigten Landschaften, und die Papierdecken auf den Tischen waren kariert. Er hatte sie in ein einfaches Bistro eingeladen.
Sie lächelte, als Hector Guzman ihr von einem Tisch aus zuwinkte, und bahnte sich durch das Lokal einen Weg zu ihm hin.
Er stand höflich auf und bot ihr einen Stuhl an. »Ich hätte dich selbst abgeholt, wenn dieses Bein nicht wäre.«
Sophie setze sich. »Kein Problem. Aron ist ein guter Begleiter, wenn auch ein bisschen schweigsam.«
Hector lächelte. »Du bist gekommen«, sagte er. Er schob ihr eine eingeschweißte Speisekarte hin. »Wir haben uns nicht verabschiedet«, fuhr er fort.
»Nein, das haben wir nicht.«
»Ich komme wegen der Meeresfrüchte hierher«, sagte er, als wolle er sich auf Small Talk verlegen. »Sie machen die besten der ganzen Stadt, aber das weiß kaum jemand.«
»Dann nehme ich sie.«
Sophie rührte die Speisekarte nicht an und behielt die Hände im Schoß. Hector gab dem Mann an der Bar ein diskretes Zeichen.
Hector Guzman außerhalb des Krankenhauses zu treffen fühlte sich merkwürdig an. Als würde er ihre Unsicherheit spüren, begann er zu reden. Er erzählte Anekdoten darüber, wie es war, in Stockholm mit einem Gipsbein unterwegs zu sein und seine Lieblingshosen zerschneiden zu müssen. Er hatte ein Talent für Alltagskomik, und es fiel ihm leicht, die angespannte Situation heiter und ungezwungen werden zu lassen.
Sie hörte ihm dennoch nur mit halbem Ohr zu. Er gefiel ihr, ihr Blick blieb immer wieder an seinen wachen Augen hängen, die unterschiedliche Farben hatten, dunkelblau das rechte, dunkelbraun das linke. Unter bestimmten Lichtverhältnissen änderte sich der Farbton, als ob Hector für einen Moment ein anderer würde.
»Ist es einsam im Krankenhaus ohne mich?«, fragte er lachend.
Sie schüttelte den Kopf und lächelte ihn an. »Nein, es ist wie immer.«
Eine Kellnerin kam mit zwei Gläsern Wein.
»Spanischer Weißwein. Ein guter Hauswein.«
Hector hob sein Glas zu einem Toast. Sophie nahm ihr Weinglas und suchte wohlerzogen Augenkontakt mit ihm. War das hier schon ein Rendezvous?, fragte sie sich.
Hector lehnte sich zurück und betrachtete sie. Er öffnete den Mund, um etwas zu sagen, doch ein flüchtiger Gedanke schien ihn daran zu hindern. Er suchte offenbar plötzlich nach Worten.
»Was?«, fragte sie mit einem kurzen Lachen.
Er setzte sich zurecht. »Ich weiß nicht ... Ich erkenne dich kaum wieder. Du bist anders.«
»Wie anders?«
»Vielleicht, weil du keinen Schwesternkittel anhast.«
»Wäre es besser, wenn ich ihn anhätte?« Ihre Worte schienen ihn peinlich zu berühren, das gefiel ihr. »Aber du erkennst mich schon wieder?«
»Ja, aber ich frage mich auch ...«
»Was fragst du dich?«
»Wer du bist.«
»Das weißt du doch.«
»Ich weiß ein bisschen, ja, aber nicht alles.«
»Warum solltest du alles wissen wollen?«
Hector zuckte mit den Schultern. »Manchmal habe ich es eilig, das zu bekommen, was ich haben möchte ...«
Dann kam das Essen, und Teller wurden vor sie hingestellt. Mit geübten Fingern öffnete Hector die Krustentiere. »Bitte, erzähl doch da weiter, wo du im Krankenhaus unterbrochen worden bist«, sagte er. »Dein Vater war gestorben, und dann traf deine Mutter Tom, und ihr seid in sein Haus gezogen.«
Er begegnete ihrem Blick, als wollte er sie ermuntern. Sophie suchte in ihrer Erinnerung, dann fuhr sie mit ihrer Erzählung fort. Wie es ihr und ihrer Schwester nach dem Tod ihres Vaters allmählich wieder besser gegangen war. Wie sie gemeinsam mit ihrer Mutter in Toms Haus gezogen waren, das nur wenige Minuten von ihrem Elternhaus entfernt lag.
Während sie erzählte, aßen sie Austern, Krebse und Hummer. Sophie ließ für Hector ihr Leben Revue passieren, ihr Austauschjahr in den USA, ihren ersten Job, ihre Asienreise. Die Zeit verging, und irgendwann merkte sie, dass sie pausenlos geredet hatte, ohne ihm die Möglichkeit zu geben, sie zu unterbrechen. Sie fragte, ob sie ihn langweilte, doch Hector schüttelte nur den Kopf.
»Sprich weiter.«
Sie lächelte. So ausführlich hatte sie lange nicht geredet. Dann fuhr sie fort: »Ich lernte David kennen. Wir heirateten, bekamen Albert, und dann flogen die Jahre nur so dahin.«
Sie nahm einen kleinen Bissen von ihrem Teller und wurde nachdenklich. »Mein Leben wurde plötzlich so passiv.«
Es überraschte sie selbst, dass sie das sagte, denn sie hatte noch nie darüber nachgedacht, was in diesen Jahren eigentlich passiert war.
»Was meinst du damit?«, fragte Hector. »In welchem Sinn passiv?«
Sie trank ihr Glas aus und dachte über seine Frage nach, dann zuckte sie mit den Schultern. »Es war wie bei den meisten Müttern, nehme ich an. Mit den Kindern kommt die Einsamkeit. David hat gearbeitet, er reiste viel, und ich war zu Haus. Es passierte einfach nichts mehr in unserem Leben.«
Sie spürte die Falte auf ihrer Stirn, versuchte sie zu glätten und lächelte zaghaft. Dann fuhr sie fort: »Die Jahre vergingen, und dann wurde David krank, den Rest kennst du. Er starb zwei Jahre später an Krebs.«
Der Tonfall ihres letzten Satzes ließ Hector davon absehen, das Thema weiter zu vertiefen. Sie aßen eine Weile schweigend.
»Es ist spät geworden«, sagte Hector schließlich.
Vielleicht sah er ein, dass er zu neugierig gewesen war und zu hartnäckig. Aber er schien es plötzlich auch eilig zu haben, legte die Serviette zusammen und fragte: »Soll Aron dich fahren?«
»Nein danke, diesmal komme ich allein zurecht.«
In der U-Bahn legte Sophie den Kopf an die Scheibe und starrte auf die Umrisse der Betonwände hinter dem Fenster.
Hector war nicht aufdringlich gewesen. Er schien einfach nur verstehen zu wollen, wer sie war und was sie über ihn dachte und über das Leben überhaupt.
Allein zu sein war eintönig, aber auch unkompliziert. Sie kannte diesen Zustand nur zu gut und hatte sich seit einer Ewigkeit darin eingerichtet. Und immer, wenn jemand diese Einsamkeit zu durchbrechen drohte, trat sie einen Schritt zurück und entzog sich ihm. Hectors Erscheinen aber war anders. Wie anders, war ihr noch nicht ganz klar.
Plötzlich blendete die Sonne. Die U-Bahn fuhr hinaus auf die Brücke zwischen Bergshamra und dem Krankenhaus in Danderyd, und die Sonne schien auf die Waggons. Sophie erhob sich und ging zum Ausgang. Der Zug hielt mit quietschenden Bremsen.
Sophie ging zum Krankenhaus hinauf, zog sich um und begann wieder mit der Arbeit, um ihren Gedanken zu entkommen. Jetzt hatte sie keinen Flurliebling mehr, doch sie hoffte, dass es bald wieder einen geben würde.
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Sophie aß und blätterte in der Zeitung. Dann blickte sie auf und sagte den gleichen Satz noch einmal, strenger.
»Ich kann mich nicht bewegen ...«, sagte Albert theatralisch.
Sie musste lachen. Er hatte Humor. Das machte sie sogar ein bisschen stolz.
»Was hast du heute getrieben?«, fragte sie.
Sie sah, dass er selbst lachen musste. Das kannte sie gut an ihm, er fand seine eigenen Scherze immer lustig.
Albert nahm eine Flasche Mineralwasser aus dem Kühlschrank, warf die Tür zu und setzte sich schwungvoll auf die Arbeitsplatte. Die Kohlensäure sprudelte, als er die Flasche öffnete.
»Die sind alle so gestört«, sagte er und trank einen Schluck. Albert erzählte von seinem Schultag. Sie hörte amüsiert zu, wie er sich über Lehrer und Mitschüler lustig machte, und sah, dass er es genoss, sie zu unterhalten. Und dann hatte er plötzlich genug erzählt. Sophie wusste nie, wann das passierte, er hörte einfach auf zu reden, als würden ihn seine eigenen Witze plötzlich langweilen. Er verschwand im Flur. Einen Moment herrschte Stille, vielleicht zog er sich andere Schuhe an.
»Du schuldest mir einen Tausender«, sagte er vom Flur her.
»Warum?«
»Die Putze war heute da.«
»Putze sagt man nicht.«
Sophie hörte einen Reißverschluss.
»Was sagt man dann?«
Ihr fiel nichts ein. Albert war schon in der Tür. »Küsschen, Mama«, sagte er, und seine Stimme klang plötzlich weich. Die Tür fiel ins Schloss, Sophie hörte seine Schritte auf dem Kiesweg vor dem offenen Fenster.
»Ruf an, wenn du später kommst«, rief sie ihm hinterher.
Sophie tat, was sie immer tat. Sie deckte ab, räumte auf, sah fern und telefonierte mit einer Freundin. Dann legte sie sich hin und versuchte das Buch auf dem Nachttisch zu Ende zu lesen. Doch es langweilte sie, und Sophie wunderte sich, was sie je daran gefunden hatte. Sie schlug das Buch zu und löschte das Licht.
Um Viertel nach sechs wachte sie auf. Sie duschte und wischte den Badspiegel ab, auf dem Wörter zu sehen waren, wenn er beschlug: Albert, AIK und eine Reihe anderer unleserlicher Buchstaben, die er mit dem Zeigefinger schrieb, wenn er sich die Zähne putzte. Sie hatte ihn gebeten, damit aufzuhören, aber das schien ihn nicht zu kümmern, und irgendwie mochte sie das inzwischen auch.
Sie zog sich an, nahm im Stehen ein leichtes Frühstück zu sich und las dabei die erste Seite des Expressen. Sie rief dreimal zu Albert hinauf, dass er aufstehen müsse.
Eine Viertelstunde später saß sie auf ihrem Fahrrad und fuhr in die Klinik nach Danderyd, in der sie angestellt war.
Sie nannten ihn Jeans und glaubten tatsächlich, dass er so hieße. Lachend hatten sie auf ihre Hosen gezeigt. »Jeans!«
Eigentlich hieß er Jens, und er saß zusammen mit drei Russen an einem Tisch, mitten im Dschungel von Paraguay. Ihr Boss hieß Dmitri. Er war groß, um die dreißig Jahre, und er machte nicht den cleversten Eindruck. Seine zwei Kumpel hießen Goscha und Vitali, ihre Augen standen weit auseinander, und ihre halb geöffneten Münder legten die Vermutung nahe, dass sie nicht das Geringste davon begriffen, worüber geredet wurde.
Dmitri mixte Dry Martini in einem Plastikkanister. Er presste Oliven hinein und schüttelte das Ganze, dann schenkte er in ausgespülte Kaffeebecher ein. Er brachte einen russischen Toast aus, und alle nahmen einen Schluck von dem Drink, der ein wenig nach Diesel schmeckte.
Jens bemühte sich, ihnen seine Abneigung nicht zu deutlich zu zeigen.
»Ich zeige euch die Dinger am besten mal«, schlug er vor. Er ging zu dem Jeep hinüber, der in dem staubigen, schwach beleuchteten Innenhof stand.
Weshalb die drei den ganzen Weg bis nach Paraguay gekommen waren, um sich die Ware anzusehen, wusste er nicht. In der Regel bestellte jemand etwas bei ihm, er lieferte und wurde bezahlt. Fertig. Doch das hier war etwas anderes. Es schien, als ob der Waffenkauf eine große Sache für die Russen sei. Was genau sie hier wollten und wozu sie die Waffen brauchten, hatte ihn aber nicht zu interessieren. Sie waren hier, um die Waffen auszuprobieren, Kokain zu schnupfen, zu vögeln und ihm die zweite von drei Zahlungen zu übergeben.
Er hatte eine Maschinenpistole da, eine MP7 Heckler & Koch, sowie ein österreichisches Sturmgewehr. Die übrigen Waffen lagen verpackt in einem Lagerhaus am Hafen von Ciudad del Este und warteten auf den Transport.
Die Russen griffen nach den Waffen und taten, als würden sie aufeinander schießen. »Hände hoch, Hände hoch!« Sie brüllten vor Lachen und machten schnelle Bewegungen.
»Jeans! Wo zum Teufel ist die Munition?«
Er zeigte auf das Heck des Jeeps. Die Russen rissen die Türen auf und suchten nach der Munition. Jens steckte die Hand in die Tasche, er hatte noch ein Nikotinkaugummi übrig. Vor zwei Jahren hatte er mit dem Rauchen aufgehört, vor drei Wochen mit dem Kautabak. Nun war er im Dschungel, vier Meilen von Ciudad del Este entfernt, und sein Körper schrie nach Nikotin. Er steckte sich das Kaugummi in den Mund und blickte mit kaum verhohlenem Ekel auf die Russen. Er wusste, dass er demnächst wieder mit dem Rauchen anfangen würde.
Sophie arbeitete vor allem wegen der Patienten hier und nicht, weil sie fromm war oder den tiefen Wunsch verspürte, anderen zu helfen. Sie mochte es, mit den Menschen zu reden. Die Patienten kamen, weil sie krank waren. Darüber sprachen sie offen und ehrlich und waren ganz sie selbst. Sophie fühlte sich wohl in ihrer Gegenwart und konnte gut mit ihnen umgehen. Die Patienten redeten selten Unsinn, das taten sie erst, wenn es ihnen wieder besser ging, und dann trennten sich ihre Wege meistens wieder. Vielleicht war genau das der Grund, weshalb sie sich damals für diesen Beruf entschieden hatte. Jedenfalls liebte sie es, wenn ihre Patienten ganz bei sich waren. Diese Patienten waren ihre Lieblinge. Es waren fast immer Charakterköpfe. Das war das Wort, das ihr selbst für die Leute eingefallen war: Charakterköpfe. Sie konnten mit einer inneren Ausgeglichenheit über das Leben lächeln, und Sophie erkannte sie meist auf den ersten Blick, ohne zu wissen, wie oder warum.
Sie war mit einem Tablett auf dem Weg zu Hector Guzman in Zimmer elf. Er war vor drei Tagen eingeliefert worden, nachdem er an einem Fußgängerübergang mitten in Stockholm überfahren worden war. Sein rechtes Bein war unterhalb des Knies gebrochen. Die Ärzte hatten auch eine Verletzung der Milz diagnostiziert, deshalb war er noch zur Beobachtung geblieben. Hector war etwa Mitte vierzig, eher interessant als gut aussehend, kräftig, aber nicht dick. Er war Spanier und hatte dunkle Haare. Nase, Wangenknochen und Kinn waren scharf geschnitten und seine Haut angenehm sandfarben.
Hector sprach fließend Schwedisch und war einer von Sophies Charakterköpfen - vielleicht wegen seiner wachen Augen, vielleicht wegen der Leichtigkeit, mit der er sich trotz seiner Größe bewegte. Oder weil er sie stets mit einer natürlichen Gelassenheit anlächelte, wenn sie zu ihm hereinkam. Sie lächelte immer zurück.
Als sie das Zimmer betrat, war Hector Guzman in sein Buch vertieft, saß zurückgelehnt in seinem Bett und hatte die Lesebrille auf der Nase. Sie sortierte die Tabletten und legte sie in kleine Plastikbecher, dann reichte sie ihm einen. Er warf sich die Tabletten in den Mund, nahm ihr das Wasserglas ab und trank. Dabei konzentrierte er sich die ganze Zeit auf sein Buch.
»Immer wieder gut«, sagte er leise und blickte auf. »Sie tragen heute andere Ohrringe, Sophie.«
Sie griff unwillkürlich an ihr Ohr.
»Ja?«, sagte sie.
»Ganz sicher. Und sie stehen Ihnen gut.«
Sie ging zur Tür.
»Könnte ich etwas Saft bekommen? Ginge das?«, fragte er.
»Ja, natürlich«, antwortete Sophie und öffnete die Tür.
Ein Mann kam ihr entgegen, der sich bei seinem letzten Besuch als ein Cousin vorgestellt hatte. Er sah Hector aber keineswegs ähnlich. Er war groß und schlank, hatte schwarzes Haar, wache, eisblaue Augen, die alles zu registrieren schienen. Er nickte Sophie zu. Dann sagte er auf Spanisch etwas zu Hector, Hector antwortete und lachte.
Auf dem Flur saß Gunilla Strandberg mit einem Blumenstrauß in der Hand und sah, wie die Krankenschwester aus Hector Guzmans Zimmer kam. Gunilla betrachtete sie. War das Freude, die sie in ihren Augen sah? Die Frau ging an ihr vorüber. An ihrer linken Brusttasche hing ihr Namensschild, Sophie.
Gunilla schaute Sophie hinterher. Sie bewegte sich leicht, als würden ihre Füße die Erde nur streifen, sehr elegant und weiblich.
Gunilla schaute wieder zu Zimmer Nummer elf, in dem Hector Guzman lag. Sie spürte, dass ihn etwas umgab. Eine Energie, etwas Besonderes, das nicht zu greifen war und von dem Sophie einen Hauch aus dem Zimmer mitgenommen hatte.
Gunilla erhob sich, ging den Flur entlang und schaute in das leere Schwesternzimmer. An der Wand hing der Dienstplan dieser Woche. Sie blickte sich im Flur um, trat dann ein und ging zu der Liste.
Helena ...
Roger ...
Anne ...
Carro ...
Nicke ...
Sophie ... Sophie Brinkmann.
Sie stellte den Blumenstrauß in eine leere Vase auf einem Rollwagen und verließ die Abteilung. Im Aufzug nahm sie ihr Handy heraus, rief im Büro an und bat um die Adresse einer Sophie Brinkmann.
Statt zurück zur Polizeistation in der Brahegatan fuhr sie nach Stocksund, in das Wohngebiet auf der anderen Seite der Autobahn. Vor einem kleinen gelben Holzhaus mit weißen Giebeln hielt sie an.
Sie blieb noch einen Moment im Auto sitzen. Es war eine ruhige Gegend. In den Bäumen hing dichtes Laub, und die Birken standen kurz vor der Blüte. Gunilla stieg aus, der Geruch eines Faulbaums wehte ihr entgegen. Sie sah sich um, betrachtete erst die Nachbarhäuser, dann das von Sophie Brinkmann. Es war schön, kleiner als die anderen und, wie ihr schien, weniger gepflegt. Nein, es war nicht unordentlich. Eher fühlte sich der Anblick der Nachbarhäuser verkehrt an. Dort herrschte ein Perfektionismus, eine traurige, unbeseelte Ordnung. Sophies Haus dagegen wirkte lebendig. Die Fassade war nicht frisch gestrichen, das Gras nicht frisch gemäht, die Fenster nicht gerade sauber ...
Gunilla ging durch die Gartenpforte und über den Kiesweg zum Eingang. Sie schaute durch das Küchenfenster. Sie sah einen Wasserhahn aus Messing, einen Herd mit gusseisernen Türen und eine Arbeitsplatte aus altem Eichenholz. Gunilla trat zurück und blickte an der Fassade hoch. Hinter einem Fenster im oberen Geschoss stand ein schöner Strauß.
Im Auto auf dem Weg zurück in die Stadt dachte sie darüber nach, wie Hector Guzman an eine solche Person kam und in welchem Verhältnis sie zu ihm stand.
2
Leszek Smialy fühlte sich wie ein herrenloser Hund: Wenn er nicht in der Nähe seines Herrchens war, wurde er unruhig. Doch Adalberto Guzman hatte ihm befohlen zu reisen. Also hatte sich Leszek in ein Flugzeug gesetzt und war wenige Stunden später in München gelandet.
In den letzten zehn Jahren war er kaum von Guzmans Seite gewichen, mit Ausnahme der einen Woche Urlaub, zu der er alle drei Monate verpflichtet war. Sein Lebensrhythmus folgte diesen Dreimonatsschichten. Wenn er Urlaub hatte, nahm er sich ein Hotelzimmer und betrank sich von früh bis spät. Wenn er nicht zu betrunken war oder schlief, sah er fern. Er wartete darauf, dass die Woche vorüber war und er wieder arbeiten konnte. Leszek begriff nicht, warum Adalberto auf diesen Zwangsurlauben beharrte.
Leszek saß hinter dem Lenkrad eines Ford Focus in der Villengegend Grünwald außerhalb von München. Überall standen große Häuser mit eingezäunten Gärten, aber weit und breit war kein Mensch zu sehen.
Adalberto Guzman hatte Leszek Fotos von Christian Hanke gegeben, einem fünfundzwanzigjährigen, gepflegt aussehenden jungen Mann mit kurzem braunen Haar. Auf den Vergrößerungen der Bilder war auch sein Vater Ralph Hanke zu sehen. Leszek betrachtete die Abzüge: selbstsicheres Lächeln, maßgeschneiderte Anzüge und sorgfältig gekämmtes Haar.
Leszek hatte Christian Hanke durch das Fernglas beobachtet. Er wusste nur, dass Hanke abends gegen acht nach Hause kam und seinen BMW auf der Straße vor dem Haus parkte. Er bekam Damenbesuch, hatte eine Haushaltshilfe, und in seinem Schlafzimmer brannte bis zwei Uhr morgens Licht. Leszek wusste außerdem, dass Hanke immer morgens um halb acht aus dem schmiedeeisernen Tor trat, die Straße überquerte, sich in seinen Wagen setzte und nach München hineinfuhr.
Aus dem Radio tönte bayerische Schlagermusik. Ein Typ sang, als würde er dabei breit lächeln, und im Hintergrund waren elektronische Streichinstrumente zu hören.
Leszek saß da und atmete ruhig. Es war ein schöner Morgen, die Luft war dunstig. Die Sonnenstrahlen fielen durch das Laub und tauchten die Umgebung in ein gleißendes Licht.
Leszek blickte auf seine Hände. Es war eine schmutzige Angelegenheit gewesen, die Bombe zu installieren. Er hatte das zwar schon öfter gemacht, aber das letzte Mal war schon etwas her, damals war er noch beim Geheimdienst gewesen. Da war es weniger zeitaufwendig gewesen, schon allein wegen der Motorblöcke, die nicht so kompakt gebaut waren wie heute. Er streckte sich und schloss für einen Moment die Augen.
Als er sie wieder öffnete, sah er gerade noch die Silhouette eines Menschen, der hinter parkenden Autos die Straßenseite wechselte. Leszek nahm das Fernglas vom Beifahrersitz und hielt es sich an die Augen. Es war eine Frau, eine junge Frau. Leszek warf einen Blick auf seine Armbanduhr, es war Viertel vor acht. Die Frau war blond, Anfang zwanzig, hatte langes Haar und trug eine große schwarze Sonnenbrille und zerschlissene Designerjeans. In ihren hochhackigen Schuhen ging sie zielstrebig auf den BMW von Hanke zu. Über ihrer Schulter hing eine Handtasche. Wo zum Teufel war Christian Hanke? Statt um den Wagen herum zur Beifahrertür zu gehen, öffnete sie die Tür auf der Fahrerseite, glitt hinter das Lenkrad und legte die Handtasche auf den Sitz neben sich.
Die nächsten fünf Sekunden vergingen wie in Zeitlupe. Leszek überlegte, ob er sie warnen sollte. Doch stattdessen saß er nur da, sah, wie die junge blonde Frau diese kleine Bewegung machte, mit der man einen Motor startet: eine Hand am Lenkrad, ein bisschen vorbeugen und mit der rechten Hand den Startknopf drücken.
In der Millisekunde, in der die Elektrizität von der Batterie zum Motor transportiert wurde, fing ein Stromkabel sie ab und zündete eine Patrone, die wiederum einen Klumpen Plastiksprengstoff zündete, der unter dem Wagen befestigt war.
Die Wucht der Explosion drückte die Frau gegen das Wagendach und brach ihr sofort das Genick. Der Napalmbehälter, den Leszek im Auto angebracht hatte, fing iim selben Augenblick Feuer und verwandelte das Auto in ein brennendes Inferno.
Leszek verließ Grünwald und fand einen abgelegenen Platz im Wald, wo er den Ford in Brand setzte. Dann rief er Adalberto an und hinterließ eine kurze Nachricht auf seiner Mailbox, dass es nicht nach Plan gelaufen war. Anschließend warf er das Handy in einen Gully und lief kreuz und quer durch die Stadt, um sicherzugehen, dass niemand ihn verfolgte. Dann winkte er ein Taxi heran, das ihn zum Flughafen brachte.
Vom ersten Tag seines Krankenhausaufenthaltes an hatte Hector Guzman Sophie Fragen gestellt: über ihr Leben, ihre Jugend, ihre Familie. Er hatte gefragt, was sie mochte und was nicht. Und sie ertappte sich dabei, dass sie seine Fragen wahrheitsgemäß beantwortete. Sie musste sich eingestehen, dass sie seine Aufmerksamkeit genoss, sie hatte Hector Guzman nie als aufdringlich empfunden. Wenn er etwas berührte, über das sie nicht reden wollte, fragte er nicht weiter. Er schien zu wissen, wo ihre Grenze verlief. Und je besser sie sich kennenlernten, desto zurückhaltender verhielt er sich ihr gegenüber.
Ob sie müde sei, fragte er.
»Warum?«
»Sie sehen müde aus.«
Sophie legte ein Handtuch zusammen. »Sie scheinen ja zu wissen, wie man Frauen schmeichelt.«
Er verzog den Mund.
»Ich glaube, Sie werden hier nicht mehr allzu lange liegen«, fuhr Sophie fort.
Hector hob eine Augenbraue.
Sophie öffnete ein Fenster und ließ frische Luft herein. Dann ging sie an seinen Nachttisch, um die leere Wasserkaraffe zu nehmen. Doch Hector griff nach ihrer Hand. Ihr Herz schlug schneller. Sie bewegten sich nicht, als wären sie zwei schüchterne Jugendliche, die einander zum ersten Mal berührten und sich nicht trauten, sich dabei anzusehen. Schließlich machte Sophie sich los und ging zur Tür.
»Brauchen Sie noch etwas?«, fragte sie. Ihre Stimme war belegt, als wäre sie eben erst aufgewacht. Hector betrachtete sie und schüttelte den Kopf.
Sophie trat auf den Flur hinaus. Er war nicht ihr Typ, sagte sie sich. Aber wer war das schon? Sie hatte im Lauf der Jahre viele verschiedene Typen gehabt. Sie redete sich ein, dass es nicht um physische Anziehung ginge, dass er nur jemand wäre, dem sie nah sein wollte. Vielleicht könnte er ihr Liebhaber sein, nicht aber ihr Ehemann oder Freund. Und trotzdem schien er eine wunderbare Mischung all dessen.
Den Rest des Tages hatte Sophie in der Notaufnahme zu tun. Als sie am Nachmittag auf die Station zurückkam, war Hector mitsamt seinen Sachen verschwunden.
Der Abend war verlaufen, wie Jens es vorausgesehen hatte. Nachdem sie ein paar Minuten mit den einheimischen Huren absolviert hatten, begannen die Russen mit Schießübungen. Sie schossen unkontrolliert mit den automatischen Waffen, bis Jens Vitali ins Gesicht schlug, um dem Treiben ein Ende zu machen.
Am nächsten Morgen gingen sie noch einmal die Details durch. Lieferdatum, Logistik und Bezahlung. Dann verabschiedete sich Jens, und die Sache war für ihn erledigt.
Ein Einheimischer nahm ihn mit zurück nach Ciudad del Este. Die Fahrt dauerte zwei Stunden. Der Fahrer war schweigsam, und das Radio dröhnte in voller Lautstärke, wie immer in diesem Land, dachte Jens. Der Empfang war schlecht, auch das war hier normal. Ein scharfer Diskant jaulte aus den beiden Lautsprechern in den Türen. Aber Jens hatte sich daran gewöhnt. Und so hatte er genügend Zeit, seine Planung noch einmal zu durchdenken. Es war nicht perfekt, aber es würde gut gehen - so war es meistens, und es war schon immer gut gegangen.
Jens lehnte selten etwas ab, und man konnte meinen, dass diese Einstellung seinem Gesicht anzusehen war: Eine ungebrochene Neugier blitzte in seinen Augen.
Die Maschinenpistolen, die die Russen von ihm gekauft hatten, sollten per Lastwagen von Ciudad del Este ostwärts in die brasilianische Hafenstadt Paranaguá transportiert werden, um dann mit einem Schiff nach Rotterdam zu gelangen. Von dort würden die Waffen mit dem Auto nach Warschau gebracht werden, und damit war Jens' Auftrag erfüllt.
Dieser Auftrag hatte sich vor zwei Monaten ergeben. Risto hatte ihn aus Moskau angerufen und gesagt, er habe eine Anfrage nach MP7ern und noch effektiveren Waffen.
»Wie viele?«
»Jeweils zehn Stück.«
»Das ist nicht viel.«
»Nein, aber es ist ein Kunde mit Ambitionen. Er wird deine Hilfe noch öfter in Anspruch nehmen. Sieh es als Investition in die Zukunft.«
Ein kleiner Auftrag also, der sich leicht erledigen ließ.
»Okay, ich höre mich um und gebe dir Bescheid.«
Jens kontaktierte seinen Makler. Auf dessen Homepage konnte man sich über Modellflugzeuge informieren. Um den Kontakt zu ihm herzustellen, musste man ein Losungswort im Forum der Seite eingeben. Es war noch nie vorgekommen, dass der Makler abgelehnt hatte oder Jens' Wünschen nicht nachgekommen war. Der Makler vermittelte ihm einen unbekannten Verkäufer. Es war eine sichere Sache: Niemand konnte irgendjemanden verpfeifen. Jens bestellte MP7er und Steyr AUG. Und wie immer hatte der Makler eine Lösung parat. Jens bekam die volle Anzahl der österreichischen Waffen, dazu acht MP7er und zwei MP5er. Das würde gehen.
Risto hatte ihn gebeten, nach Prag zu fahren, um seine Kunden zu treffen.
»Wozu?«, fragte Jens.
»Keine Ahnung. Sie bestehen darauf«, antwortete Risto.
Das Treffen in Prag hatte sich als belanglos herausgestellt. Sie wollten einfach sehen, mit wem sie es zu tun hatten.
Auch dort benahmen sich Dmitri, Goscha und Vitali schon, als befänden sie sich immer noch in einer Art bösartiger Pubertät. Sie tranken Wodka auf Jens' Hotelzimmer. Vitali nahm den Badezimmerspiegel ab, legte ihn auf den Couchtisch und zog mehrere dicke Lines mit einer abgenutzten Diners Card. Dann kamen die Huren, ein paar junge Frauen aus der ehemaligen Sowjetunion, die sichtlich unter Drogen standen. Dmitri lud zum Essen ein. Er bestellte Champagner für alle und lieferte sich einen Hummerkrieg mit Goscha.
Als Jens zurück in seiner Wohnung in Stockholm war, erhielt er eine Nachricht: Buenos Aires in zwei Tagen. Er packte sofort seine Tasche und fuhr am nächsten Morgen wieder nach Arlanda, um via Paris nach Buenos Aires zu fliegen. Er landete in Ezeiza, ruhte sich ein paar Stunden im Hotelzimmer aus und aß mit dem Kurier zu Mittag. Jens bezahlte ihn und nahm einen Autoschlüssel in Empfang, der zu einem Lieferwagen in der Hotelgarage gehörte. Er kontrollierte die Kisten auf der Ladefläche, alles war, wie es sein sollte.
Er fand ein Restaurant, in dem er seine Zeitung lesen konnte, die er aus dem Hotel mitgenommen hatte. Erst reagierte er nicht auf seinen Namen. Aber als er aufblickte, erkannte er Jane sofort wieder. Sie war Sophies jüngere Schwester und sah genauso aus, wie er sie in Erinnerung hatte, obwohl sie damals noch ein Kind gewesen war.
»Jens? Jens Vall! Was machst du denn hier?«
Janes Lächeln wurde zu einem Lachen. Er stand auf und ließ sich von ihrer Wiedersehensfreude anstecken. Sie umarmten sich.
»Hallo, Jane.«
Der schweigsame Mann, der hinter ihr stand, hieß Jesus. Die beiden setzten sich zu ihm an den Tisch, und Jane fing an zu erzählen, noch bevor ihr Hintern den Stuhl berührte. Jens hörte zu und lachte über ihre Geschichten, er begriff schnell, warum sie mit einer schweigsamen Muschel wie Jesus zusammen war. Sie hatten noch keine Kinder und wohnten in Stockholm in einer Dreizimmerwohnung am Järntorget in der Altstadt. Jetzt waren sie in Buenos Aires, um Jesus' Verwandten zu besuchen.
Jens erkundigte sich nach Sophie und erfuhr, dass sie jetzt Brinkmann hieß, Witwe war, einen Sohn hatte und als Krankenschwester arbeitete.
Dann fand Jane, dass sie nun genug geredet hatte, und begann, Fragen zu stellen. Jens erzählte ihr, dass er Kunstdünger verkaufe, viel umherreise und keine Familie habe, aber das könne sich ja noch ändern.
In der Kaffeeküche lag eine Nachricht für Sophie, ein kleiner weißer Umschlag, auf dem in schwarzer Tinte ihr Vorname stand. Während sie darauf wartete, dass ihr Kaffee aus der Maschine lief, öffnete sie ihn. Sie las den Brief und steckte ihn dann in ihre Tasche.
Den ganzen Vormittag über musste an den Zettel denken. Um Viertel vor zwölf ging sie in den Umkleideraum, zog den Schwesternkittel aus, nahm ihre Handtasche und ihre Sommerjacke und ging hinunter in die Eingangshalle.
Hectors Cousin wartete auf sie. Er bat sie, ihm nach draußen zu folgen. Sein Wagen war eines dieser japanischen Umweltautos. Er roch neu, und man saß bequem darin.
»Wir fahren nach Vasastan«, sagte der Cousin.
Seine Augen waren blau, klar und sahen sie intensiv an.
»Wie sind Sie eigentlich verwandt mit Hector?«
»Wir sind vor allem Seelenverwandte.«
Sie lachte.
Und es schien, als wäre das Thema für ihn damit erledigt.
»Ich heiße Aron.«
»Hallo, Aron. Ich heiße Sophie.«
Den Rest der Fahrt über schwiegen sie.
Es gab Tische, Stühle und eine Schwingtür zur Küche. Die Beleuchtung war zu grell, die Bilder an den Wänden zeigten Landschaften, und die Papierdecken auf den Tischen waren kariert. Er hatte sie in ein einfaches Bistro eingeladen.
Sie lächelte, als Hector Guzman ihr von einem Tisch aus zuwinkte, und bahnte sich durch das Lokal einen Weg zu ihm hin.
Er stand höflich auf und bot ihr einen Stuhl an. »Ich hätte dich selbst abgeholt, wenn dieses Bein nicht wäre.«
Sophie setze sich. »Kein Problem. Aron ist ein guter Begleiter, wenn auch ein bisschen schweigsam.«
Hector lächelte. »Du bist gekommen«, sagte er. Er schob ihr eine eingeschweißte Speisekarte hin. »Wir haben uns nicht verabschiedet«, fuhr er fort.
»Nein, das haben wir nicht.«
»Ich komme wegen der Meeresfrüchte hierher«, sagte er, als wolle er sich auf Small Talk verlegen. »Sie machen die besten der ganzen Stadt, aber das weiß kaum jemand.«
»Dann nehme ich sie.«
Sophie rührte die Speisekarte nicht an und behielt die Hände im Schoß. Hector gab dem Mann an der Bar ein diskretes Zeichen.
Hector Guzman außerhalb des Krankenhauses zu treffen fühlte sich merkwürdig an. Als würde er ihre Unsicherheit spüren, begann er zu reden. Er erzählte Anekdoten darüber, wie es war, in Stockholm mit einem Gipsbein unterwegs zu sein und seine Lieblingshosen zerschneiden zu müssen. Er hatte ein Talent für Alltagskomik, und es fiel ihm leicht, die angespannte Situation heiter und ungezwungen werden zu lassen.
Sie hörte ihm dennoch nur mit halbem Ohr zu. Er gefiel ihr, ihr Blick blieb immer wieder an seinen wachen Augen hängen, die unterschiedliche Farben hatten, dunkelblau das rechte, dunkelbraun das linke. Unter bestimmten Lichtverhältnissen änderte sich der Farbton, als ob Hector für einen Moment ein anderer würde.
»Ist es einsam im Krankenhaus ohne mich?«, fragte er lachend.
Sie schüttelte den Kopf und lächelte ihn an. »Nein, es ist wie immer.«
Eine Kellnerin kam mit zwei Gläsern Wein.
»Spanischer Weißwein. Ein guter Hauswein.«
Hector hob sein Glas zu einem Toast. Sophie nahm ihr Weinglas und suchte wohlerzogen Augenkontakt mit ihm. War das hier schon ein Rendezvous?, fragte sie sich.
Hector lehnte sich zurück und betrachtete sie. Er öffnete den Mund, um etwas zu sagen, doch ein flüchtiger Gedanke schien ihn daran zu hindern. Er suchte offenbar plötzlich nach Worten.
»Was?«, fragte sie mit einem kurzen Lachen.
Er setzte sich zurecht. »Ich weiß nicht ... Ich erkenne dich kaum wieder. Du bist anders.«
»Wie anders?«
»Vielleicht, weil du keinen Schwesternkittel anhast.«
»Wäre es besser, wenn ich ihn anhätte?« Ihre Worte schienen ihn peinlich zu berühren, das gefiel ihr. »Aber du erkennst mich schon wieder?«
»Ja, aber ich frage mich auch ...«
»Was fragst du dich?«
»Wer du bist.«
»Das weißt du doch.«
»Ich weiß ein bisschen, ja, aber nicht alles.«
»Warum solltest du alles wissen wollen?«
Hector zuckte mit den Schultern. »Manchmal habe ich es eilig, das zu bekommen, was ich haben möchte ...«
Dann kam das Essen, und Teller wurden vor sie hingestellt. Mit geübten Fingern öffnete Hector die Krustentiere. »Bitte, erzähl doch da weiter, wo du im Krankenhaus unterbrochen worden bist«, sagte er. »Dein Vater war gestorben, und dann traf deine Mutter Tom, und ihr seid in sein Haus gezogen.«
Er begegnete ihrem Blick, als wollte er sie ermuntern. Sophie suchte in ihrer Erinnerung, dann fuhr sie mit ihrer Erzählung fort. Wie es ihr und ihrer Schwester nach dem Tod ihres Vaters allmählich wieder besser gegangen war. Wie sie gemeinsam mit ihrer Mutter in Toms Haus gezogen waren, das nur wenige Minuten von ihrem Elternhaus entfernt lag.
Während sie erzählte, aßen sie Austern, Krebse und Hummer. Sophie ließ für Hector ihr Leben Revue passieren, ihr Austauschjahr in den USA, ihren ersten Job, ihre Asienreise. Die Zeit verging, und irgendwann merkte sie, dass sie pausenlos geredet hatte, ohne ihm die Möglichkeit zu geben, sie zu unterbrechen. Sie fragte, ob sie ihn langweilte, doch Hector schüttelte nur den Kopf.
»Sprich weiter.«
Sie lächelte. So ausführlich hatte sie lange nicht geredet. Dann fuhr sie fort: »Ich lernte David kennen. Wir heirateten, bekamen Albert, und dann flogen die Jahre nur so dahin.«
Sie nahm einen kleinen Bissen von ihrem Teller und wurde nachdenklich. »Mein Leben wurde plötzlich so passiv.«
Es überraschte sie selbst, dass sie das sagte, denn sie hatte noch nie darüber nachgedacht, was in diesen Jahren eigentlich passiert war.
»Was meinst du damit?«, fragte Hector. »In welchem Sinn passiv?«
Sie trank ihr Glas aus und dachte über seine Frage nach, dann zuckte sie mit den Schultern. »Es war wie bei den meisten Müttern, nehme ich an. Mit den Kindern kommt die Einsamkeit. David hat gearbeitet, er reiste viel, und ich war zu Haus. Es passierte einfach nichts mehr in unserem Leben.«
Sie spürte die Falte auf ihrer Stirn, versuchte sie zu glätten und lächelte zaghaft. Dann fuhr sie fort: »Die Jahre vergingen, und dann wurde David krank, den Rest kennst du. Er starb zwei Jahre später an Krebs.«
Der Tonfall ihres letzten Satzes ließ Hector davon absehen, das Thema weiter zu vertiefen. Sie aßen eine Weile schweigend.
»Es ist spät geworden«, sagte Hector schließlich.
Vielleicht sah er ein, dass er zu neugierig gewesen war und zu hartnäckig. Aber er schien es plötzlich auch eilig zu haben, legte die Serviette zusammen und fragte: »Soll Aron dich fahren?«
»Nein danke, diesmal komme ich allein zurecht.«
In der U-Bahn legte Sophie den Kopf an die Scheibe und starrte auf die Umrisse der Betonwände hinter dem Fenster.
Hector war nicht aufdringlich gewesen. Er schien einfach nur verstehen zu wollen, wer sie war und was sie über ihn dachte und über das Leben überhaupt.
Allein zu sein war eintönig, aber auch unkompliziert. Sie kannte diesen Zustand nur zu gut und hatte sich seit einer Ewigkeit darin eingerichtet. Und immer, wenn jemand diese Einsamkeit zu durchbrechen drohte, trat sie einen Schritt zurück und entzog sich ihm. Hectors Erscheinen aber war anders. Wie anders, war ihr noch nicht ganz klar.
Plötzlich blendete die Sonne. Die U-Bahn fuhr hinaus auf die Brücke zwischen Bergshamra und dem Krankenhaus in Danderyd, und die Sonne schien auf die Waggons. Sophie erhob sich und ging zum Ausgang. Der Zug hielt mit quietschenden Bremsen.
Sophie ging zum Krankenhaus hinauf, zog sich um und begann wieder mit der Arbeit, um ihren Gedanken zu entkommen. Jetzt hatte sie keinen Flurliebling mehr, doch sie hoffte, dass es bald wieder einen geben würde.
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Autoren-Porträt von Alexander Söderberg
Alexander Söderberg, geboren 1970, arbeitete als Dramaturg, Redakteur und Drehbuchautor für das schwedische Fernsehen. Sein Debüt als Thrillerautor, die auf drei Teile angelegte Serie um die Heldin Sophie Brinkman, verkaufte sich innerhalb kürzester Zeit in 34 Länder Länder, darunter auch die USA und England, wo der Roman 2013 erscheint. Ridley Scott hat sich die Filmrechte für Hollywood gesichert.Bibliographische Angaben
- Autor: Alexander Söderberg
- 2013, 2, 480 Seiten, Masse: 13,5 x 21,5 cm, Kartoniert (TB), Deutsch
- Übersetzung: Granz, Hanna
- Übersetzer: Hanna Granz
- Verlag: Piper
- ISBN-10: 3492055648
- ISBN-13: 9783492055642
- Erscheinungsdatum: 17.09.2013
Rezension zu „Sophie Brinkmann Band 1: Unbescholten “
"Schnell, ein bisschen grausig und sehr vielversprechend!", Brigitte, 25.09.2013 20151120
Kommentar zu "Sophie Brinkmann Band 1: Unbescholten"
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