Sommer unseres Lebens
Roman. Deutsche Erstausgabe
Claire wird von dem charmanten George an den Willow Lake eingeladen. Hier hofft sie, auf andere Gedanken zu kommen. Doch Georges Enkel Ross traut Claire nicht und lässt sie beschatten. Nicht ahnend, dass er damit einen Mörder auf ihre Spur bringt.
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Produktdetails
Produktinformationen zu „Sommer unseres Lebens “
Claire wird von dem charmanten George an den Willow Lake eingeladen. Hier hofft sie, auf andere Gedanken zu kommen. Doch Georges Enkel Ross traut Claire nicht und lässt sie beschatten. Nicht ahnend, dass er damit einen Mörder auf ihre Spur bringt.
Klappentext zu „Sommer unseres Lebens “
Claire ist ganz hingerissen von ihrem neuen Patienten. Der alte George Bellamy ist ein Charmeur und Gentleman, wie er im Buche steht. Darum zögert sie auch nicht, als er sie bittet, ihn den Sommer über an den Willow Lake zu begleiten. Vielleicht wird sie hier in der Abgeschiedenheit der Berge endlich vergessen können, was ihr so schwer auf der Seele liegt.Georges Enkel Ross ist die mysteriöse Claire nicht ganz geheuer - obwohl sein Herz jedes Mal in Flammen steht, wenn er in ihrer Nähe ist. Er beschließt, sie zu beschatten - nicht ahnend, dass er damit einen Mörder auf ihre Spur bringt, der sie bis in die idyllische Welt am Rande der Berge verfolgen wird.
Claire ist ganz hingerissen von ihrem neuen Patienten. Der alte George Bellamy ist ein Charmeur und Gentleman, wie er im Buche steht. Darum zögert sie auch nicht, als er sie bittet, ihn den Sommer über an den Willow Lake zu begleiten. Vielleicht wird sie hier in der Abgeschiedenheit der Berge endlich vergessen können, was ihr so schwer auf der Seele liegt. Georges Enkel Ross ist die mysteriöse Claire nicht ganz geheuer - obwohl sein Herz jedes Mal in Flammen steht, wenn er in ihrer Nähe ist. Er beschliesst, sie zu beschatten - nicht ahnend, dass er damit einen Mörder auf ihre Spur bringt, der sie bis in die idyllische Welt am Rande der Berge verfolgen wird.
Lese-Probe zu „Sommer unseres Lebens “
Sommer unseres Lebens von Susan WiggsGesucht: Private Krankenschwester (Upstate New York)
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PROLOG
Korengal-Tal, Provinz Kunar, Afghanistan
... mehr
Sein Frühstück bestand aus Pommes frites, die schmeckten wie Schuhsohlen. Dazu servierte man Rührei aus Eierkonzentrat, das ihn aus dem in kleine Fächer unterteilten Tablett anstarrte. Sein Becher war mit einer kaffeeähnlichen Substanz gefüllt, die von einem weißlichen Pulver aufgehellt wurde. Um ihn herum herrschte der übliche Kantinen-Lärm.
Am Ende seines zweijährigen Einsatzes fiel es Ross Bellamy schwer, dieses Essen auch nur anzusehen. Er war an seine Grenzen gekommen. Zum Glück war heute sein letzter Tag. Er kam ihm allerdings vor wie jeder andere Tag auch: langweilig und doch angespannt aufgrund der ständig in der Luft liegenden Bedrohung. Das Knistern von Funkgeräten bildete das Hintergrundgeräusch zum Klappern des Bestecks; ein Geräusch, das ihm inzwischen so vertraut war, dass er es kaum noch hörte. Am Kommandostand wartete jemand aus der Dustoff-Einheit darauf, dass das nächste medizinische Evakuierungsteam angefordert wurde. Denn ein Sanitätstrupp wie der von Ross musste jeden Tag, jede Stunde damit rechnen, in den Helikopter zu springen, um zu einem Noteinsatz geflogen zu werden.
Als das Walkie-Talkie losging, das an seiner Hemdtasche klemmte, schob er sein unappetitliches Frühstück ohne einen Blick des Bedauerns zur Seite. Der Ruf war das Signal für die diensthabende Crew, sofort alles stehen und liegen zu lassen - auch die Gabel, mit der man gerade ein Stück undefinierbares Fleisch zum Mund führen wollte. Ein Pokerspiel, bei dem man gerade auf der Gewinnerstraße war. Einen Brief an seine Liebste, der mitten im Satz abgebrochen und vielleicht nie mehr vollendet würde. Ein Traum von zu Hause, wenn man schläft. Ein Mann mitten im Gebet oder erst zur Hälfte rasiert.
Die Rettungshubschraubereinheiten waren stolz auf ihre Reaktionszeiten - fünf bis sechs Minuten vom Alarm bis zum Abheben. Männer und Frauen setzten sich in Bewegung, einige kauten noch, andere trockneten sich nicht mal mehr zu Ende ab, während sie in die Rollen schlüpften, die so hart und ihnen vertraut waren wie ihre Stiefel mit den Stahlkappen.
Ross biss die Zähne zusammen und fragte sich, was der Tag wohl für ihn bereithielt. Er hoffte, dass er ihn überstehen würde, ohne getötet zu werden. Er brauchte seine Entlassung, und er brauchte sie jetzt. Sein Großvater war krank, schon eine ganze Weile. Ross vermutete, dass es wesentlich ernster um ihn stand, als die Familie zugab. Es war schwer, sich seinen Großvater krank vorzustellen. Granddad war immer ein überlebensgroßes Vorbild gewesen. Von seiner Leidenschaft fürs Reisen bis zu seinem herzhaften Lachen, das einen ganzen Saal voller Menschen zum Lächeln bringen konnte. Für Ross war er mehr als ein Großvater. Was während seiner Kindheit geschehen war, hatte ein besonderes Band zwischen ihnen erschaffen, das bis heute ihre Beziehung bestimmte.
Aus einem Impuls heraus schnappte er sich den letzten Brief seines Großvaters und steckte ihn in die Brusttasche seiner Fliegerjacke, sodass er ihn nah am Herzen trug. Dass er diesen Drang verspürte, sah Ross nicht gerade als gutes Omen.
"Gehen wir, Leroy!", sagte Nemo, der Crew Chief der Einheit. Dann sang er wie immer die ersten Zeilen von Get up Offa That Thing von James Brown.
Die Wege in der Army waren genauso unergründlich, wie man es von Gottes Wegen sagte, und so hatte Ross hier den Spitznamen Leroy verpasst bekommen. Es hatte angefangen, als sein Platoon ein wenig - viel zu wenig - über seinen familiären Hintergrund erfahren hatte. Die hochtrabenden Schulen, die Ivy League, die berühmte Familie - das alles hatte ihn zum perfekten Ziel für ihren Spott gemacht. Nemo hatte ihn "Little Lord Fauntleroy" genannt, nach Der kleine Lord. Daraus war dann Leroy geworden und bis heute geblieben.
"Ich bin dabei." Ross ging mit großen Schritten in Richtung Helipad. Ranger und er würden den Vogel heute fliegen.
"Viel Glück mit dem FNG!"
FNG stand für "Fucking New Guy" und bedeutete, dass Ross einen Neuling an Bord haben würde. Er schwor sich, nett zu ihm zu sein. Denn wenn es die neuen Jungs nicht gäbe, würde er hier für immer festsitzen. Doch laut dem Befehl, den er bekommen hatte, stand er kurz davor, sein "für immer" endlich zu beenden. In wenigen Tagen war er wieder in den Staaten, vorausgesetzt, er ließ sich heute nicht umbringen.
Die Kampfhubschrauber drehten ab, um die Gegenden zu beschießen, aus denen das Mündungsfeuer aufblitzte. Das sorgte für ausreichend Ablenkung, damit die Rettungshubschrauber langsam herunterkommen konnten.
Ross und Ranger, der andere Pilot, konzentrierten sich darauf, die Entfernung zwischen sich und dem Ziel dieses Notrufs zu überwinden. Trotz aller Informationen, die ihnen gegeben worden waren, wussten sie nie, was sie wirklich erwartete. Die Hälfte ihrer Einsätze diente dazu, afghanische Zivilisten und Sicherheitspersonal zu evakuieren. Das Land besaß eine lausige medizinische Infrastruktur, und so kam es, dass sie mal für einen Krankentransport, mal für im Kampf zugezogene Verletzungen, mal für Unfälle und sogar für Hundebisse eingesetzt wurden. Die Einheit von Ross hatte alles gesehen, was es an Pech und Grauen gab. Aber von ihrem Ziel her zu urteilen würde es heute nicht um einen einfachen Krankentransport zur Bagram Air Base gehen. Diese Region war die tödlichste im Land der Taliban und wurde auch "Tal des Todes" genannt.
Der Helikopter näherte sich dem Aufnahmepunkt und setzte zur Landung an. Die Wipfel der majestätischen Kiefern wankten unter dem Wind des Rotors vor und zurück und boten somit kurze Ausblicke auf das Terrain. Zwischen den Wänden des Tals lag eine Ansammlung von Hütten, deren Dächer aus getrockneter Erde bestanden. Ross sah hin und her eilende Zivilisten und Truppen, einige schwärmten auf der Suche nach dem Feind aus, andere bewachten die Verwundeten und warteten darauf, dass Hilfe eintraf.
Mündungsfeuer blitzte in den Bergen um das Tal herum auf. Ross wusste sofort, dass es unten zu viel Beschuss aus Handfeuerwaffen gab. Sie hatten zu wenige Kampfhubschrauber dabei.
Das Risiko, unter feindlichen Beschuss zu geraten, war groß, und als Pilot musste er eine Entscheidung treffen. Sich zurückziehen und die Crew schützen - oder landen und das Leben der Menschen dort unten retten. Wie immer war es eine quälende Entscheidung, die er aber schnell traf und dann mit eiserner Entschlossenheit durchsetzte. Hier war keine Zeit für lange Überlegungen.
Er lenkte den Hubschrauber nach unten und schwebte so nah er konnte über der Landemarke, doch er konnte nicht landen. Der andere Pilot schüttelte energisch den Kopf. Das Gelände war zu uneben. Sie würden eine Trage hinunterlassen müssen.
Nemo hing an der Lastentür und ließ das Kabel durch seine behandschuhten Hände gleiten. Eine Trage wurde hinuntergelassen, und der erste Soldat - derjenige, der am schlimmsten verwundet war - wurde hineingelegt. Ross hob ab und ließ die Winde die Trage hinaufziehen.
Der Korb war beinahe im Helikopter, als Ross eine frische Rauchwolke entdeckte - ein Raketenwerfer. In einer Höhe von gerade einmal fünfzig Fuß hatte er keine Zeit, ein Ausweichmanöver zu starten. Die Flugabwehrrakete schlug direkt in seinen Helikopter ein.
Ein weißer Blitz schoss durch den Innenraum. Alles regnete auf sie herab - Granatsplitter, Ausrüstung, abgeplatzte Farbe und ein gruseliges Gestöber aus getrocknetem Blut von vorangegangenen Einsätzen. Dann brach ein Feuer aus und schüttelte den Heli durch. Weitere Schüsse durchschlugen die Außenhaut. Der Hubschrauber buckelte und vibrierte, warf Aluminiumteile, Gurte, zerbrochenes Equipment inklusive einiger Funkgeräte von sich, während Ross seinen ersten Notruf an die Jungs im Kommandostand absetzte, die die Mission überwachten.
Er spürte, wie Kugeln in seinen gepanzerten Sitz einschlugen, in die Schutzscheibe vor seinem Gesicht und das obere Fenster. Irgendwas traf ihn im Rücken und ließ ihm den Atem stocken. Stirb nicht, befahl er sich. Wag es ja nicht, zu sterben! Er blieb am Leben, denn wenn er sich töten ließ, würde er alle mit in den Tod reißen. Einen besseren Grund, um am Leben zu bleiben, konnte es im Moment nicht geben.
Er hatte schon mal einen getroffenen Helikopter gelandet, aber nicht unter diesen Bedingungen. Es gab kein Wasser in der Nähe, auf dem er heruntergehen konnte. Er hoffte inbrünstig, dass er ihn auf den Boden bekam, ohne dass noch jemand zu Schaden käme. Er wusste nicht, ob die Crew den Korb inzwischen reingeholt hatte. Doch darüber durfte er nicht mal nachdenken - dass womöglich ein verwundeter Soldat unter seinem sich wild hin- und herwerfenden Heli baumelte.
Ranger versuchte es mit einem anderen Funkgerät. Die rote Spur einer Rauchgranate blühte auf und wurde dann vom Wind fortgetragen. Ross erblickte genau in dem Moment ein Stück flaches Land, als sie von einer weiteren Salve getroffen wurden. Die Verkleidung platzte ab, Stücke trafen ihn an der Schulter, am Helm. Der Helikopter wirbelte herum, als wäre er in einen gigantischen Mixer geworfen worden. Er hatte jegliche Kontrolle über ihn verloren. Sie hatten keinen Auftrieb mehr, nichts. Das Pfeifen und Weinen des sterbenden Choppers erfüllte seinen Kopf.
Als die Erde ihnen entgegenraste, fielen Ross die seltsamsten Dinge auf. Ein ramponiertes Werbeplakat für Babymilch. Ein kaputtes Fußballtor. Der Hubschrauber kreischte auf, als er auf dem Boden aufschlug. Noch mehr der Stahlverkleidung platzte ab. Der Aufprall fuhr Ross in jeden Knochen seines Körpers. Seine Backenzähne schlugen aufeinander. Ein Rotorblatt hatte sich gelöst und mähte alles ab, was ihm in den Weg kam. Ross war auf den Beinen, bevor der Hubschrauber gänzlich zur Ruhe gekommen war. Der Geruch nach JP4-Treibstoff drohte ihn zu ersticken. Er streckt eine Hand aus und packte Rangers Schulter, froh, dass der andere Pilot noch lebte.
Nemo kämpfte mit seinem Gurt, der ihn während der Manöver im Hubschrauber sicherte. Die Gurte hatten sich verheddert, und er hing an einem Hebel fest, der an der aufgerissenen Verkleidung festgemacht war. Ranger kroch zu ihm, um ihm zu helfen. Gemeinsam zogen sie dann den verwundeten Soldaten auf der Trage fort, die zum Glück noch rechtzeitig vor dem Absturz ins Innere des Hubschraubers gezogen worden war.
...
Übersetzung: Ivonne Senn
© MIRA Taschenbuch
Sein Frühstück bestand aus Pommes frites, die schmeckten wie Schuhsohlen. Dazu servierte man Rührei aus Eierkonzentrat, das ihn aus dem in kleine Fächer unterteilten Tablett anstarrte. Sein Becher war mit einer kaffeeähnlichen Substanz gefüllt, die von einem weißlichen Pulver aufgehellt wurde. Um ihn herum herrschte der übliche Kantinen-Lärm.
Am Ende seines zweijährigen Einsatzes fiel es Ross Bellamy schwer, dieses Essen auch nur anzusehen. Er war an seine Grenzen gekommen. Zum Glück war heute sein letzter Tag. Er kam ihm allerdings vor wie jeder andere Tag auch: langweilig und doch angespannt aufgrund der ständig in der Luft liegenden Bedrohung. Das Knistern von Funkgeräten bildete das Hintergrundgeräusch zum Klappern des Bestecks; ein Geräusch, das ihm inzwischen so vertraut war, dass er es kaum noch hörte. Am Kommandostand wartete jemand aus der Dustoff-Einheit darauf, dass das nächste medizinische Evakuierungsteam angefordert wurde. Denn ein Sanitätstrupp wie der von Ross musste jeden Tag, jede Stunde damit rechnen, in den Helikopter zu springen, um zu einem Noteinsatz geflogen zu werden.
Als das Walkie-Talkie losging, das an seiner Hemdtasche klemmte, schob er sein unappetitliches Frühstück ohne einen Blick des Bedauerns zur Seite. Der Ruf war das Signal für die diensthabende Crew, sofort alles stehen und liegen zu lassen - auch die Gabel, mit der man gerade ein Stück undefinierbares Fleisch zum Mund führen wollte. Ein Pokerspiel, bei dem man gerade auf der Gewinnerstraße war. Einen Brief an seine Liebste, der mitten im Satz abgebrochen und vielleicht nie mehr vollendet würde. Ein Traum von zu Hause, wenn man schläft. Ein Mann mitten im Gebet oder erst zur Hälfte rasiert.
Die Rettungshubschraubereinheiten waren stolz auf ihre Reaktionszeiten - fünf bis sechs Minuten vom Alarm bis zum Abheben. Männer und Frauen setzten sich in Bewegung, einige kauten noch, andere trockneten sich nicht mal mehr zu Ende ab, während sie in die Rollen schlüpften, die so hart und ihnen vertraut waren wie ihre Stiefel mit den Stahlkappen.
Ross biss die Zähne zusammen und fragte sich, was der Tag wohl für ihn bereithielt. Er hoffte, dass er ihn überstehen würde, ohne getötet zu werden. Er brauchte seine Entlassung, und er brauchte sie jetzt. Sein Großvater war krank, schon eine ganze Weile. Ross vermutete, dass es wesentlich ernster um ihn stand, als die Familie zugab. Es war schwer, sich seinen Großvater krank vorzustellen. Granddad war immer ein überlebensgroßes Vorbild gewesen. Von seiner Leidenschaft fürs Reisen bis zu seinem herzhaften Lachen, das einen ganzen Saal voller Menschen zum Lächeln bringen konnte. Für Ross war er mehr als ein Großvater. Was während seiner Kindheit geschehen war, hatte ein besonderes Band zwischen ihnen erschaffen, das bis heute ihre Beziehung bestimmte.
Aus einem Impuls heraus schnappte er sich den letzten Brief seines Großvaters und steckte ihn in die Brusttasche seiner Fliegerjacke, sodass er ihn nah am Herzen trug. Dass er diesen Drang verspürte, sah Ross nicht gerade als gutes Omen.
"Gehen wir, Leroy!", sagte Nemo, der Crew Chief der Einheit. Dann sang er wie immer die ersten Zeilen von Get up Offa That Thing von James Brown.
Die Wege in der Army waren genauso unergründlich, wie man es von Gottes Wegen sagte, und so hatte Ross hier den Spitznamen Leroy verpasst bekommen. Es hatte angefangen, als sein Platoon ein wenig - viel zu wenig - über seinen familiären Hintergrund erfahren hatte. Die hochtrabenden Schulen, die Ivy League, die berühmte Familie - das alles hatte ihn zum perfekten Ziel für ihren Spott gemacht. Nemo hatte ihn "Little Lord Fauntleroy" genannt, nach Der kleine Lord. Daraus war dann Leroy geworden und bis heute geblieben.
"Ich bin dabei." Ross ging mit großen Schritten in Richtung Helipad. Ranger und er würden den Vogel heute fliegen.
"Viel Glück mit dem FNG!"
FNG stand für "Fucking New Guy" und bedeutete, dass Ross einen Neuling an Bord haben würde. Er schwor sich, nett zu ihm zu sein. Denn wenn es die neuen Jungs nicht gäbe, würde er hier für immer festsitzen. Doch laut dem Befehl, den er bekommen hatte, stand er kurz davor, sein "für immer" endlich zu beenden. In wenigen Tagen war er wieder in den Staaten, vorausgesetzt, er ließ sich heute nicht umbringen.
Die Kampfhubschrauber drehten ab, um die Gegenden zu beschießen, aus denen das Mündungsfeuer aufblitzte. Das sorgte für ausreichend Ablenkung, damit die Rettungshubschrauber langsam herunterkommen konnten.
Ross und Ranger, der andere Pilot, konzentrierten sich darauf, die Entfernung zwischen sich und dem Ziel dieses Notrufs zu überwinden. Trotz aller Informationen, die ihnen gegeben worden waren, wussten sie nie, was sie wirklich erwartete. Die Hälfte ihrer Einsätze diente dazu, afghanische Zivilisten und Sicherheitspersonal zu evakuieren. Das Land besaß eine lausige medizinische Infrastruktur, und so kam es, dass sie mal für einen Krankentransport, mal für im Kampf zugezogene Verletzungen, mal für Unfälle und sogar für Hundebisse eingesetzt wurden. Die Einheit von Ross hatte alles gesehen, was es an Pech und Grauen gab. Aber von ihrem Ziel her zu urteilen würde es heute nicht um einen einfachen Krankentransport zur Bagram Air Base gehen. Diese Region war die tödlichste im Land der Taliban und wurde auch "Tal des Todes" genannt.
Der Helikopter näherte sich dem Aufnahmepunkt und setzte zur Landung an. Die Wipfel der majestätischen Kiefern wankten unter dem Wind des Rotors vor und zurück und boten somit kurze Ausblicke auf das Terrain. Zwischen den Wänden des Tals lag eine Ansammlung von Hütten, deren Dächer aus getrockneter Erde bestanden. Ross sah hin und her eilende Zivilisten und Truppen, einige schwärmten auf der Suche nach dem Feind aus, andere bewachten die Verwundeten und warteten darauf, dass Hilfe eintraf.
Mündungsfeuer blitzte in den Bergen um das Tal herum auf. Ross wusste sofort, dass es unten zu viel Beschuss aus Handfeuerwaffen gab. Sie hatten zu wenige Kampfhubschrauber dabei.
Das Risiko, unter feindlichen Beschuss zu geraten, war groß, und als Pilot musste er eine Entscheidung treffen. Sich zurückziehen und die Crew schützen - oder landen und das Leben der Menschen dort unten retten. Wie immer war es eine quälende Entscheidung, die er aber schnell traf und dann mit eiserner Entschlossenheit durchsetzte. Hier war keine Zeit für lange Überlegungen.
Er lenkte den Hubschrauber nach unten und schwebte so nah er konnte über der Landemarke, doch er konnte nicht landen. Der andere Pilot schüttelte energisch den Kopf. Das Gelände war zu uneben. Sie würden eine Trage hinunterlassen müssen.
Nemo hing an der Lastentür und ließ das Kabel durch seine behandschuhten Hände gleiten. Eine Trage wurde hinuntergelassen, und der erste Soldat - derjenige, der am schlimmsten verwundet war - wurde hineingelegt. Ross hob ab und ließ die Winde die Trage hinaufziehen.
Der Korb war beinahe im Helikopter, als Ross eine frische Rauchwolke entdeckte - ein Raketenwerfer. In einer Höhe von gerade einmal fünfzig Fuß hatte er keine Zeit, ein Ausweichmanöver zu starten. Die Flugabwehrrakete schlug direkt in seinen Helikopter ein.
Ein weißer Blitz schoss durch den Innenraum. Alles regnete auf sie herab - Granatsplitter, Ausrüstung, abgeplatzte Farbe und ein gruseliges Gestöber aus getrocknetem Blut von vorangegangenen Einsätzen. Dann brach ein Feuer aus und schüttelte den Heli durch. Weitere Schüsse durchschlugen die Außenhaut. Der Hubschrauber buckelte und vibrierte, warf Aluminiumteile, Gurte, zerbrochenes Equipment inklusive einiger Funkgeräte von sich, während Ross seinen ersten Notruf an die Jungs im Kommandostand absetzte, die die Mission überwachten.
Er spürte, wie Kugeln in seinen gepanzerten Sitz einschlugen, in die Schutzscheibe vor seinem Gesicht und das obere Fenster. Irgendwas traf ihn im Rücken und ließ ihm den Atem stocken. Stirb nicht, befahl er sich. Wag es ja nicht, zu sterben! Er blieb am Leben, denn wenn er sich töten ließ, würde er alle mit in den Tod reißen. Einen besseren Grund, um am Leben zu bleiben, konnte es im Moment nicht geben.
Er hatte schon mal einen getroffenen Helikopter gelandet, aber nicht unter diesen Bedingungen. Es gab kein Wasser in der Nähe, auf dem er heruntergehen konnte. Er hoffte inbrünstig, dass er ihn auf den Boden bekam, ohne dass noch jemand zu Schaden käme. Er wusste nicht, ob die Crew den Korb inzwischen reingeholt hatte. Doch darüber durfte er nicht mal nachdenken - dass womöglich ein verwundeter Soldat unter seinem sich wild hin- und herwerfenden Heli baumelte.
Ranger versuchte es mit einem anderen Funkgerät. Die rote Spur einer Rauchgranate blühte auf und wurde dann vom Wind fortgetragen. Ross erblickte genau in dem Moment ein Stück flaches Land, als sie von einer weiteren Salve getroffen wurden. Die Verkleidung platzte ab, Stücke trafen ihn an der Schulter, am Helm. Der Helikopter wirbelte herum, als wäre er in einen gigantischen Mixer geworfen worden. Er hatte jegliche Kontrolle über ihn verloren. Sie hatten keinen Auftrieb mehr, nichts. Das Pfeifen und Weinen des sterbenden Choppers erfüllte seinen Kopf.
Als die Erde ihnen entgegenraste, fielen Ross die seltsamsten Dinge auf. Ein ramponiertes Werbeplakat für Babymilch. Ein kaputtes Fußballtor. Der Hubschrauber kreischte auf, als er auf dem Boden aufschlug. Noch mehr der Stahlverkleidung platzte ab. Der Aufprall fuhr Ross in jeden Knochen seines Körpers. Seine Backenzähne schlugen aufeinander. Ein Rotorblatt hatte sich gelöst und mähte alles ab, was ihm in den Weg kam. Ross war auf den Beinen, bevor der Hubschrauber gänzlich zur Ruhe gekommen war. Der Geruch nach JP4-Treibstoff drohte ihn zu ersticken. Er streckt eine Hand aus und packte Rangers Schulter, froh, dass der andere Pilot noch lebte.
Nemo kämpfte mit seinem Gurt, der ihn während der Manöver im Hubschrauber sicherte. Die Gurte hatten sich verheddert, und er hing an einem Hebel fest, der an der aufgerissenen Verkleidung festgemacht war. Ranger kroch zu ihm, um ihm zu helfen. Gemeinsam zogen sie dann den verwundeten Soldaten auf der Trage fort, die zum Glück noch rechtzeitig vor dem Absturz ins Innere des Hubschraubers gezogen worden war.
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Übersetzung: Ivonne Senn
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Autoren-Porträt von Susan Wiggs
Susan Wiggs, die an der Harvard Universität studiert hat, ist leidenschaftlich gern Autorin. Zudem ist sie Mutter, Ehefrau und überzeugte Feministin. Ihre Hobbys sind lesen, reisen und stricken. Sie lebt mit ihrem Mann, ihrer Tochter und dem Hund auf einer Insel im nordwestlichen Pazifik.Susan Wiggs hat für ihre Romane viele Auszeichnungen erhalten, unter anderem den begehrten RITA Award, der von den Romance Writers of America verliehen wird.
Bibliographische Angaben
- Autor: Susan Wiggs
- 2012, 428 Seiten, Masse: 12,5 x 18,6 cm, Taschenbuch, Deutsch
- Übersetzung: Senn, Ivonne
- Übersetzer: Ivonne Senn
- Verlag: MIRA Taschenbuch
- ISBN-10: 3862783138
- ISBN-13: 9783862783137
Rezension zu „Sommer unseres Lebens “
"Susan Wiggs läuft wieder zu Höchstform auf." - Booklist
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