Nero und die Deutschen. Der römische Kaiser Nero als ,Erinnerungsort' der deutschen Literatur von 1800 bis zur Gegenwart
Nero - viele sehen in ihm einen Christenverfolger, Muttermörder und Künstlerkaiser, der in seiner Herrscherrolle gescheitert und zum Abziehbild des Tyrannen geworden ist, anderen erscheint er als genialer, aber verkannter Staatenlenker. Vom Mittelalter bis...
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Produktinformationen zu „Nero und die Deutschen. Der römische Kaiser Nero als ,Erinnerungsort' der deutschen Literatur von 1800 bis zur Gegenwart “
Klappentext zu „Nero und die Deutschen. Der römische Kaiser Nero als ,Erinnerungsort' der deutschen Literatur von 1800 bis zur Gegenwart “
Nero - viele sehen in ihm einen Christenverfolger, Muttermörder und Künstlerkaiser, der in seiner Herrscherrolle gescheitert und zum Abziehbild des Tyrannen geworden ist, anderen erscheint er als genialer, aber verkannter Staatenlenker. Vom Mittelalter bis in die Gegenwart spielt der Nero-Mythos eine bedeutende Rolle in der deutschen Kultur, da seine Person zu den am meisten rezipierten historischen Figuren in der deutschen Literatur gehört - umso verwunderlicher ist es, dass bis heute keine Überblicksdarstellung existiert, welche die Gesamtheit der deutschsprachigen Nero-Literatur abbildet. Dieses Buch erfasst zunächst die Quellenüberlieferung der Antike, die den folgenden Jahrhunderten ein negatives, aber beliebig adaptierbares Nero-Bild hinterliess, welches aber ab der Mitte des 19. Jahrhunderts zunehmend in Auflösung begriffen war. Es werden bisher unbekannte Darstellungen erschlossen und Leittexte (etwa von Schiller, Brecht oder Feuchtwanger) werden neu gedeutet. Dabei wird gezeigt, dass Nero eine historische Persönlichkeit ist, in welche deutschsprachige Autoren immer wieder aktuelle politische und ideologische Fragen projizieren, um die Gegenwart anhand und mithilfe der Geschichte zu reflektieren.
Lese-Probe zu „Nero und die Deutschen. Der römische Kaiser Nero als ,Erinnerungsort' der deutschen Literatur von 1800 bis zur Gegenwart “
Textprobe: Kapitel1.2.1 Zur Literarisierung von Geschichte am Beispiel des römischen Kaisers Nero: Im Falle ,literarisierter Geschichte' gilt es zunächst die Problematik zu beachten, dass die Geschichtswissenschaft auf Quellen basiert, die oftmals unvollständig oder widersprüchlich sind. Die Vergangenheit ist also nicht absolut fassbar, sondern enthält mitunter Leerstellen, welche Raum für fiktive Ergänzungen geben. Zunächst muss also immer hinterfragt werden, inwiefern die jeweiligen Autoren diese Leerstellen gefüllt sowie die ihnen vorliegenden Quellen bearbeitet, in ihrem Sinne gedeutet oder ergänzt haben. Im Gegensatz zum Historiker kann sich der Verfasser literarischer Texte den geschichtlichen Ereignissen also subjektiv annähern, frei zwischen Fakten und Fiktion entscheiden sowie eventuelle historische Leerstellen füllen. Damit ist der Begriff ,literarisierte Geschichte' als Oxymoron zu verstehen, das nur schwer zu konkretisieren ist. Um wissenschaftliche Genauigkeit anzustreben, muss sich der Historiker auf verifizierbare Fakten konzentrieren und Ausschmückungen, Mythen oder Ergänzungen ignorieren. Autoren hingegen können ihre Tätigkeit jedoch versehen, indem sie solche fiktiven Zusätze oder Beiwerke billigend in Kauf nehmen, diese sogar noch ausschmücken oder weiterentwickeln, da es ohne solch fiktive Ergänzungen keine schillernde, leidenschaftliche oder farbenfrohe Fiktion gäbe. Schon die Poetik des Aristoteles verweist auf den Unterschied zwischen Historiographie und Dichtung: Aus dem Gesagten ergibt sich auch, dass es nicht Aufgabe des Dichters ist mitzuteilen, was wirklich geschehen ist, sondern vielmehr, was geschehen könnte, d. h. das nach den Regeln der Wahrscheinlichkeit oder Notwendigkeit Mögliche. [...]; sie [Anm., Dichter und Historiker] unterscheiden sich vielmehr dadurch, dass der eine das wirklich Geschehene mitteilt, der andere, was geschehen könnte. Daher ist Dichtung etwas Philosophisches und Ernsthafteres als Geschichtsschreibung; denn die
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Dichtung teilt mehr das Allgemeine, die Geschichtsschreibung hingegen das Besondere mit. Das Allgemeine besteht darin, dass ein Mensch von bestimmter Beschaffenheit nach der Wahrscheinlichkeit oder Notwendigkeit bestimmte Dinge sagt oder tut - eben hierauf zielt die Dichtung, obwohl sie den Personen Eigennamen gibt. Angewendet auf Nero bedeutet der Ansatz des Aristoteles also, dass die Person des römischen Kaisers oftmals in den ihr von den Dichtern und Autoren zugeschriebenen Eigenschaften und Taten etwas ,Allgemeines' repräsentiert: den typischen Tyrannen, der in seiner charakterlichen Entwicklung die Wende zum Negativen durchläuft. Zudem offenbart der Unterschied zwischen Dichtung und Historiographie ein weiteres, hervorstechendes Charakteristikum Neros als literarische Figur: Zwar existieren viele antike Überlieferungsträger, die ein negatives und stereotypes Nero-Bild vermitteln; gleichzeitig liegen jedoch auch positive und differenzierende Belege vor, sodass die Biographie Neros nicht mit Sicherheit zu fassen ist. Aus diesem Grund bleiben gerade bei Nero viele Leerstellen offen, welche den Autoren Raum für die fiktive Ausgestaltung des Stoffes bieten. Darum ist es interessant zu hinterfragen, welche Quellen die Autoren ausgewählt, inwiefern sie den historischen Stoff in ihrem Sinne bearbeitet und welche Schwerpunkte sie bei der literarischen Umsetzung der Figur des letzten Juliers gesetzt haben. Es geht also um den Umgang mit der literarischen Nero-Figur und nicht um den historiographisch überlieferten Nero. Inwiefern die Verfasser der einzelnen Texte allerdings den gattungsspezifischen Hiatus von Fiktion und Historie zu verstecken oder bewusst hervorzuheben versucht haben, bleibt letztlich diesen selbst überlassen. Wesentlich sind im Falle Neros also nicht die historisch verifizierte Faktenlage, sondern die Umsetzung und Bearbeitung der Quellen durch die jeweiligen Autoren. Dabei gilt es jedoch zu beachten, dass in der Regel dramaturgisch geeignete Aspekte aus
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Autoren-Porträt von Christian Böhm
Christian Böhm wurde 1983 in Homburg/Saar geboren. Examiniert in Germanistik und Geschichte, ist der Autor neben seiner Tätigkeit als Lehrer auch als Lehrbeauftragter an der Universität des Saarlandes beschäftigt gewesen. Aufgrund seines Interesses an der Person des römischen Kaisers Nero und in Anbetracht der Vielzahl der literarischen Texte über den letzten Kaiser der julisch-claudischen Dynastie in der deutschen Literatur entstand der Entschluss, sich der Thematik des vorliegenden Buches zu widmen.
Bibliographische Angaben
- Autor: Christian Böhm
- 2021, 424 Seiten, Masse: 15,5 x 22 cm, Kartoniert (TB), Deutsch
- Verlag: disserta
- ISBN-10: 3959355629
- ISBN-13: 9783959355629
Kommentar zu "Nero und die Deutschen. Der römische Kaiser Nero als ,Erinnerungsort' der deutschen Literatur von 1800 bis zur Gegenwart"
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