Mein ungezähmtes Herz
Roman. Deutsche Erstausgabe
Derek gerät in Mord, Verrat und Intrigen.
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Produktdetails
Produktinformationen zu „Mein ungezähmtes Herz “
Derek gerät in Mord, Verrat und Intrigen.
Klappentext zu „Mein ungezähmtes Herz “
Colonel Derek Delborough ist in verdeckter Mission unterwegs, um dem gefährlichen Anführer eines Geheimbunds das Handwerk zu legen. Eine junge Dame ist dabei das Letzte, wofür er Zeit erübrigen kann. Die unerschrockene Deliah Duncannon lässt sich indes nicht abweisen und heftet sich hartnäckig an seine Fersen. Unversehens geraten Derek und seine schöne Begleiterin in einen wilden Strudel aus Mord, Verrat und Intrigen. Und schon bald ist nicht nur Dereks Leben in Gefahr, sondern auch sein Herz Lese-Probe zu „Mein ungezähmtes Herz “
Mein ungezähmtes Herz von Stephanie Laurens24. März 1822
Hauptquartier der Ostindischen Kompanie,
Kalkutta, Indien
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»Ich kann gar nicht oft genug betonen, wie wichtig es ist, diesem Scheusal den Kopf abzuschlagen.« Francis RawdonHastings, Marquis of Hastings und seit neun Jahren Generalgouverneur von Indien, stapfte hinter seinem Schreibtisch auf und ab.
Die fünf Offiziere, die lässig in den eleganten Rattansesseln vor dem riesigen Mahagonitisch im Büro des Generalgouverneurs saßen, blieben still und stumm; Hastings Herumgetigere war das Einzige, was die drückend schwüle Luft in Bewegung brachte.
Der alte Herr hatte einen hochroten Kopf, seine Fäuste waren geballt, die Muskeln an Schulter und Armen gespannt. Colonel Derek Delborough, Spitzname Del, der an einem Ende der Sesselreihe saß, registrierte die Hinweise auf die Erregung seines obersten Dienstherrn mit kühler Zurückhaltung. Der Generalgouverneur hatte sich lange Zeit gelassen, ehe er ihre Truppe, die von Hastings selbst ausgewählte Spezialeinheit, zu sich gerufen hatte.
In der weiß verputzten Wand hinter Hastings befanden sich zwei Teakholzfenster, die, obwohl sie von einem breiten Balkon beschattet wurden, wegen der brütenden Hitze mit Läden verschlossen waren. Zwischen den Fenstern hing ein Bild des Königs, gemalt, als er noch als Prinz Florizel der Liebling Europas gewesen war, aus dem er auf diesen Außenposten der reichen und mächtigen englischen Nation herabsah. Das Büro war üppig ausgestattet. Rosenholztische und Teakholz-schränke mit feinen Schnitzereien und Intarsien glänzten im Licht, das durch die geschlossenen Läden fiel und sich in den unzähligen kunstvollen Messingbeschlägen spiegelte.
Der luftige, makellos saubere, reich und exotisch möblierte Raum verströmte trotz seiner Zweckmäßigkeit eine zeitlose Gelassenheit, so wie der ganze Subkontinent, der zu einem großen Teil nun von Hastings verwaltet wurde.
Immun gegen jede beruhigende Ausstrahlung lief Hastings nach wie vor ärgerlich hin und her.
»Diese Überfälle auf unsere Konvois müssen aufhören - mit jedem Tag, der ungenutzt verstreicht, jeder Attacke, die ungesühnt bleibt, büßen wir mehr Autorität ein. «
»Soweit ich weiß ...« - Dels gedehnte Sprechweise, ein Hinweis auf seine unerschütterliche Ruhe, stand in scharfem Kontrast zu Hastings knappem Ton - »... haben die Aktivitäten der Schwarzen Kobra in letzter Zeit stark zugenommen.«
»Ja, verdammt noch mal! Und unser Büro in Bombay hat es bis vor ein paar Monaten nicht einmal für nötig gehalten, das zu melden, geschweige denn, etwas dagegen zu tun, und jetzt jammern sie, dass sie die Situation nicht in den Griff kriegen.« Hastings blieb hinter seinem Schreibtisch stehen, wühlte gereizt in einem Stapel von Dokumenten und legte einige davon auf dem Tisch aus, ehe er sie über die polierte Platte schob.
»Das sind einige der jüngsten Berichte - nur damit Sie wissen, worauf Sie sich einlassen.«
Die vier Männer rechts von Del sahen ihn an. Auf sein Nicken hin nahm jeder einen Bericht, lehnte sich zurück und begann zu lesen.
»Ich habe gehört«, sprach Del weiter, wodurch die Aufmerksamkeit des Generalgouverneurs sich wieder auf ihn richtete, »die Sekte sei 1819 aufgetaucht. Gibt es irgendeine Vorgeschichte, oder hat die Schlange in dem Jahr zum ersten Mal ihr Haupt erhoben?«
»Damals gab es die ersten Gerüchte, selbst die Einheimischen hatten nie zuvor davon gehört. Natürlich kann man nicht sagen, ob die Kobra nicht irgendwo im Hintergrund gelauert hat - in Indien gibt es weiß Gott genug von diesen geheimen Sekten -, aber vor 1819 gibt es keinerlei Hinweise darauf, nicht einmal von älteren Maharadschas.«
»Wenn ein neuer Kult entsteht, ist meist ein neuer Anführer im Spiel.«
»Stimmt, und genau den sollen Sie eliminieren. Wenn das nicht klappt, dezimieren Sie seine Truppen ... « - Hastings deutete auf die Dokumente, die von den anderen vier Männern gelesen wurden - »... diese Fanatiker, die er zum Morden, Vergewaltigen und Plündern einsetzt - damit dieses Scheusal sich wieder unter dem Stein verkriecht, unter dem es hervorgekommen ist.«
»Mit ›Morden, Vergewaltigen und Plündern‹ scheint das Tun der Schwarzen Kobra nur unzureichend beschrieben zu sein.« Major Gareth Hamilton, einer der vier Offiziere, die Del unterstellt waren, schaute auf und heftete seinen braunen Blick auf Hastings.
»Das hier liest sich eher wie eine willkürliche Terrorisierung von Dörfern mit dem Ziel, sie gefügig zu machen. Ziemlich ehrgeizig für eine Sekte - neben der gewöhnlichen Erpressung von Geld und Waren eine Machtübernahme zu versuchen.«
»Und eine Schreckensherrschaft einzurichten.« Captain Rafe Carstairs, drei Sessel von Del entfernt, warf seinen Bericht auch auf den Tisch zurück. Seine aristokratische Züge waren angewidert, beinahe angeekelt verzerrt, was dem Colonel verriet, dass das, was sein Freund soeben gelesen hatte, wirklich schrecklich sein musste.
Die fünf Männer, die vor Hastings' Schreibtisch saßen, hatten allesamt Massaker erlebt, die für die meisten Menschen unvorstellbar waren; sie hatten im Spanischen Unabhängigkeitskrieg gekämpft, gemeinsam in der Kavallerie unter Paget gedient, in Waterloo im dichtesten Getümmel gestanden und sich dann bei der Ehrenwerten Ostindischen Kompanie verdingt, die sie als Spezialeinsatztruppe unter Hastings' Befehl gezielt zu den schlimmsten Aufständen und Unruhen geschickt hatte, die in den vergangenen sieben Jahren auf dem Subkontinent ausgebrochen waren.
Major Logan Monteith, der zwischen Gareth und Rafe saß, verzog den Mund und ließ den Bericht, den er gelesen hatte, mit einer Drehung seines tief gebräunten Handgelenks über den Schreibtisch zu den anderen schlittern.
»Im Vergleich mit der Schwarzen Kobra wirken Kali und ihre Schläger ja geradezu zivilisiert.«
Hinter Rafe saß der letzte und jüngste der fünf, Captain James MacFarlane, der trotz seiner neunundzwanzig Jahre noch sehr jung aussah. Er beugte sich vor und legte das Dokument, das er studiert hatte, bedächtig zu den anderen.
»Hat Bombay keine Ahnung, wer dahinterstecken könnte?
Keine Spur - zu Verbündeten oder in die Gegend, in der der Anführer dieser Sekte sein Hauptquartier haben könnte?«
»Nach mehr als fünf Monaten intensiver Suche hat Bombay tatsächlich nichts weiter als den Verdacht, dass einige Kleinkönige der Marathen die Sekte insgeheim unterstützen. «
Rafe schnaubte.
»Jeder Narr hätte das voraussagen können. Seit wir sie 1818 besiegt haben, sehnen sie sich nach einer Revanche - egal wie, jedes Mittel ist ihnen recht.«
»Exakt,« Hastings Ton war bitter, bissig; »wie Sie wissen, ist augenblicklich Elphinstone Gouverneur in Bombay. In allen anderen Bereichen macht er eine gute Figur, aber er ist ein Diplomat, kein Soldat, und er gibt offen zu, dass er im Hinblick auf die Schwarze Kobra überfordert ist. « Hastings ließ den Blick über die Männer vor seinem Schreibtisch gleiten und schließlich auf Del ruhen.
»An der Stelle kommen Sie ins Spiel.«
»Ich gehe davon aus«, sagte der Colonel, »dass Elphinstone sich nicht vor den Kopf gestoßen fühlt, wenn die Kavallerie einreitet.«
»Ganz im Gegenteil - er wird Sie mit offenen Armen empfangen. Er ist mit seiner Weisheit am Ende, versucht, die Händler zu beruhigen und gleichzeitig schwarze Zahlen für London zu schreiben - nicht leicht, wenn jeder fünfte Transport geplündert wird.« Hastings hielt inne, und einen Augenblick lang war ihm anzusehen, wie anstrengend es war, eine so große Kolonie wie Indien zu regieren. Dann biss er die Zähne zusammen und schaute den Offizieren in die Augen.
»Ich kann die Wichtigkeit dieser Mission gar nicht überbewerten. Die Schwarze Kobra muss aufgehalten werden. Die Verwüstungen und Scheußlichkeiten, die in ihrem Namen angerichtet werden, haben ein Ausmaß erreicht, das nicht nur die Kompanie, sondern England selbst bedroht - denn abgesehen vom Handel nimmt auch unser Einfluss ab, und Sie sind alle lange genug hier, um zu wissen, wie wichtig gerade Letzterer ist, um die Interessen unserer Nation zu wahren. Und schließlich...« - mit dem Kopf deutete er auf die Berichte auf seinem Schreibtisch - »... geht es um Indien, und die Bewohner dieser Dörfer, die von der Schwarzen Kobra befreit werden müssen.«
»Ganz Ihrer Meinung.« Rafe raffte sich aus der für ihn typischen Flegelhaltung auf und erhob sich zusammen mit den anderen.
Hastings musterte die Männer in ihren Uniformen, die Schulter an Schulter vor seinem Schreibtisch standen wie eine undurchdringliche rote Wand. Sie waren allesamt über eins achtzig groß und harte, kampferprobte Exgardisten. Jedem, auch MacFarlane, stand ins Gesicht geschrieben, dass ihm nichts Menschliches mehr fremd war.
Zufrieden mit dem, was er sah, nickte Hastings.
»Gentlemen, Ihr Auftrag lautet, die Schwarze Kobra zu identifizieren, zu fangen und der Justiz zu übergeben. Bei der Wahl der Mittel und Wege haben Sie freie Hand. Mir ist egal, wie Sie es anstellen, Hauptsache, am Ende siegt die Gerechtigkeit. Über die Mittel und Truppen der Kompanie können Sie wie gewöhnlich nach eigenem Ermessen verfügen.«
Wie üblich war es Rafe, der für die ganze Gruppe antwortete, wenn auch mit eigenen Worten.
»Sie haben davon gesprochen, dass wir der Schlange den Kopf abschlagen sollen.« Sein Ton war locker und wie immer versprühte er seinen lässigen Charme, ganz so als befände er sich auf einer Teeparty und spräche über Krocket.
»Bei Sekten ist das normalerweise der beste Ansatz. Können wir davon ausgehen, dass es Ihnen lieber wäre, wenn wir uns den Anführer greifen - oder sollen wir vorsichtig vorgehen und eher versuchen, in erster Linie die Konvois zu schützen?«
Hastings sah Rafe in die arglosen blauen Augen.
»Sie, Captain, wissen doch gar nicht, was Vorsicht ist.«
Dels Mundwinkel zuckten und aus den Augenwinkeln sah er, dass es Gareth ähnlich ging. Rafe, der den Spitznamen »Draufgänger« aus gutem Grund bekommen hatte, bewahrte seine Unschuldsmiene trotz Hastings' zynischem Blick.
Schließlich räusperte sich der Generalgouverneur.
»Ihre Annahme ist korrekt. Ich erwarte von Ihnen, dass Sie die Schwarze Kobra persönlich anvisieren, sie identifizieren und eliminieren. Was den Rest angeht, tun Sie, was möglich ist, aber die Zeit drängt, und Vorsicht können wir uns nicht mehr leisten.«
Wieder musterte Hastings seine Männer.
»Sie dürfen meine Befehle auslegen, wie Sie wollen - nur bringen Sie die Schwarze Kobra vor Gericht.«
...
Übersetzung: Ruth Sander
Copyright © 201 1 für die deutsche Ausgabe
by Blanvalet Verlag, in der Verlagsgruppe Random House, München
»Ich kann gar nicht oft genug betonen, wie wichtig es ist, diesem Scheusal den Kopf abzuschlagen.« Francis RawdonHastings, Marquis of Hastings und seit neun Jahren Generalgouverneur von Indien, stapfte hinter seinem Schreibtisch auf und ab.
Die fünf Offiziere, die lässig in den eleganten Rattansesseln vor dem riesigen Mahagonitisch im Büro des Generalgouverneurs saßen, blieben still und stumm; Hastings Herumgetigere war das Einzige, was die drückend schwüle Luft in Bewegung brachte.
Der alte Herr hatte einen hochroten Kopf, seine Fäuste waren geballt, die Muskeln an Schulter und Armen gespannt. Colonel Derek Delborough, Spitzname Del, der an einem Ende der Sesselreihe saß, registrierte die Hinweise auf die Erregung seines obersten Dienstherrn mit kühler Zurückhaltung. Der Generalgouverneur hatte sich lange Zeit gelassen, ehe er ihre Truppe, die von Hastings selbst ausgewählte Spezialeinheit, zu sich gerufen hatte.
In der weiß verputzten Wand hinter Hastings befanden sich zwei Teakholzfenster, die, obwohl sie von einem breiten Balkon beschattet wurden, wegen der brütenden Hitze mit Läden verschlossen waren. Zwischen den Fenstern hing ein Bild des Königs, gemalt, als er noch als Prinz Florizel der Liebling Europas gewesen war, aus dem er auf diesen Außenposten der reichen und mächtigen englischen Nation herabsah. Das Büro war üppig ausgestattet. Rosenholztische und Teakholz-schränke mit feinen Schnitzereien und Intarsien glänzten im Licht, das durch die geschlossenen Läden fiel und sich in den unzähligen kunstvollen Messingbeschlägen spiegelte.
Der luftige, makellos saubere, reich und exotisch möblierte Raum verströmte trotz seiner Zweckmäßigkeit eine zeitlose Gelassenheit, so wie der ganze Subkontinent, der zu einem großen Teil nun von Hastings verwaltet wurde.
Immun gegen jede beruhigende Ausstrahlung lief Hastings nach wie vor ärgerlich hin und her.
»Diese Überfälle auf unsere Konvois müssen aufhören - mit jedem Tag, der ungenutzt verstreicht, jeder Attacke, die ungesühnt bleibt, büßen wir mehr Autorität ein. «
»Soweit ich weiß ...« - Dels gedehnte Sprechweise, ein Hinweis auf seine unerschütterliche Ruhe, stand in scharfem Kontrast zu Hastings knappem Ton - »... haben die Aktivitäten der Schwarzen Kobra in letzter Zeit stark zugenommen.«
»Ja, verdammt noch mal! Und unser Büro in Bombay hat es bis vor ein paar Monaten nicht einmal für nötig gehalten, das zu melden, geschweige denn, etwas dagegen zu tun, und jetzt jammern sie, dass sie die Situation nicht in den Griff kriegen.« Hastings blieb hinter seinem Schreibtisch stehen, wühlte gereizt in einem Stapel von Dokumenten und legte einige davon auf dem Tisch aus, ehe er sie über die polierte Platte schob.
»Das sind einige der jüngsten Berichte - nur damit Sie wissen, worauf Sie sich einlassen.«
Die vier Männer rechts von Del sahen ihn an. Auf sein Nicken hin nahm jeder einen Bericht, lehnte sich zurück und begann zu lesen.
»Ich habe gehört«, sprach Del weiter, wodurch die Aufmerksamkeit des Generalgouverneurs sich wieder auf ihn richtete, »die Sekte sei 1819 aufgetaucht. Gibt es irgendeine Vorgeschichte, oder hat die Schlange in dem Jahr zum ersten Mal ihr Haupt erhoben?«
»Damals gab es die ersten Gerüchte, selbst die Einheimischen hatten nie zuvor davon gehört. Natürlich kann man nicht sagen, ob die Kobra nicht irgendwo im Hintergrund gelauert hat - in Indien gibt es weiß Gott genug von diesen geheimen Sekten -, aber vor 1819 gibt es keinerlei Hinweise darauf, nicht einmal von älteren Maharadschas.«
»Wenn ein neuer Kult entsteht, ist meist ein neuer Anführer im Spiel.«
»Stimmt, und genau den sollen Sie eliminieren. Wenn das nicht klappt, dezimieren Sie seine Truppen ... « - Hastings deutete auf die Dokumente, die von den anderen vier Männern gelesen wurden - »... diese Fanatiker, die er zum Morden, Vergewaltigen und Plündern einsetzt - damit dieses Scheusal sich wieder unter dem Stein verkriecht, unter dem es hervorgekommen ist.«
»Mit ›Morden, Vergewaltigen und Plündern‹ scheint das Tun der Schwarzen Kobra nur unzureichend beschrieben zu sein.« Major Gareth Hamilton, einer der vier Offiziere, die Del unterstellt waren, schaute auf und heftete seinen braunen Blick auf Hastings.
»Das hier liest sich eher wie eine willkürliche Terrorisierung von Dörfern mit dem Ziel, sie gefügig zu machen. Ziemlich ehrgeizig für eine Sekte - neben der gewöhnlichen Erpressung von Geld und Waren eine Machtübernahme zu versuchen.«
»Und eine Schreckensherrschaft einzurichten.« Captain Rafe Carstairs, drei Sessel von Del entfernt, warf seinen Bericht auch auf den Tisch zurück. Seine aristokratische Züge waren angewidert, beinahe angeekelt verzerrt, was dem Colonel verriet, dass das, was sein Freund soeben gelesen hatte, wirklich schrecklich sein musste.
Die fünf Männer, die vor Hastings' Schreibtisch saßen, hatten allesamt Massaker erlebt, die für die meisten Menschen unvorstellbar waren; sie hatten im Spanischen Unabhängigkeitskrieg gekämpft, gemeinsam in der Kavallerie unter Paget gedient, in Waterloo im dichtesten Getümmel gestanden und sich dann bei der Ehrenwerten Ostindischen Kompanie verdingt, die sie als Spezialeinsatztruppe unter Hastings' Befehl gezielt zu den schlimmsten Aufständen und Unruhen geschickt hatte, die in den vergangenen sieben Jahren auf dem Subkontinent ausgebrochen waren.
Major Logan Monteith, der zwischen Gareth und Rafe saß, verzog den Mund und ließ den Bericht, den er gelesen hatte, mit einer Drehung seines tief gebräunten Handgelenks über den Schreibtisch zu den anderen schlittern.
»Im Vergleich mit der Schwarzen Kobra wirken Kali und ihre Schläger ja geradezu zivilisiert.«
Hinter Rafe saß der letzte und jüngste der fünf, Captain James MacFarlane, der trotz seiner neunundzwanzig Jahre noch sehr jung aussah. Er beugte sich vor und legte das Dokument, das er studiert hatte, bedächtig zu den anderen.
»Hat Bombay keine Ahnung, wer dahinterstecken könnte?
Keine Spur - zu Verbündeten oder in die Gegend, in der der Anführer dieser Sekte sein Hauptquartier haben könnte?«
»Nach mehr als fünf Monaten intensiver Suche hat Bombay tatsächlich nichts weiter als den Verdacht, dass einige Kleinkönige der Marathen die Sekte insgeheim unterstützen. «
Rafe schnaubte.
»Jeder Narr hätte das voraussagen können. Seit wir sie 1818 besiegt haben, sehnen sie sich nach einer Revanche - egal wie, jedes Mittel ist ihnen recht.«
»Exakt,« Hastings Ton war bitter, bissig; »wie Sie wissen, ist augenblicklich Elphinstone Gouverneur in Bombay. In allen anderen Bereichen macht er eine gute Figur, aber er ist ein Diplomat, kein Soldat, und er gibt offen zu, dass er im Hinblick auf die Schwarze Kobra überfordert ist. « Hastings ließ den Blick über die Männer vor seinem Schreibtisch gleiten und schließlich auf Del ruhen.
»An der Stelle kommen Sie ins Spiel.«
»Ich gehe davon aus«, sagte der Colonel, »dass Elphinstone sich nicht vor den Kopf gestoßen fühlt, wenn die Kavallerie einreitet.«
»Ganz im Gegenteil - er wird Sie mit offenen Armen empfangen. Er ist mit seiner Weisheit am Ende, versucht, die Händler zu beruhigen und gleichzeitig schwarze Zahlen für London zu schreiben - nicht leicht, wenn jeder fünfte Transport geplündert wird.« Hastings hielt inne, und einen Augenblick lang war ihm anzusehen, wie anstrengend es war, eine so große Kolonie wie Indien zu regieren. Dann biss er die Zähne zusammen und schaute den Offizieren in die Augen.
»Ich kann die Wichtigkeit dieser Mission gar nicht überbewerten. Die Schwarze Kobra muss aufgehalten werden. Die Verwüstungen und Scheußlichkeiten, die in ihrem Namen angerichtet werden, haben ein Ausmaß erreicht, das nicht nur die Kompanie, sondern England selbst bedroht - denn abgesehen vom Handel nimmt auch unser Einfluss ab, und Sie sind alle lange genug hier, um zu wissen, wie wichtig gerade Letzterer ist, um die Interessen unserer Nation zu wahren. Und schließlich...« - mit dem Kopf deutete er auf die Berichte auf seinem Schreibtisch - »... geht es um Indien, und die Bewohner dieser Dörfer, die von der Schwarzen Kobra befreit werden müssen.«
»Ganz Ihrer Meinung.« Rafe raffte sich aus der für ihn typischen Flegelhaltung auf und erhob sich zusammen mit den anderen.
Hastings musterte die Männer in ihren Uniformen, die Schulter an Schulter vor seinem Schreibtisch standen wie eine undurchdringliche rote Wand. Sie waren allesamt über eins achtzig groß und harte, kampferprobte Exgardisten. Jedem, auch MacFarlane, stand ins Gesicht geschrieben, dass ihm nichts Menschliches mehr fremd war.
Zufrieden mit dem, was er sah, nickte Hastings.
»Gentlemen, Ihr Auftrag lautet, die Schwarze Kobra zu identifizieren, zu fangen und der Justiz zu übergeben. Bei der Wahl der Mittel und Wege haben Sie freie Hand. Mir ist egal, wie Sie es anstellen, Hauptsache, am Ende siegt die Gerechtigkeit. Über die Mittel und Truppen der Kompanie können Sie wie gewöhnlich nach eigenem Ermessen verfügen.«
Wie üblich war es Rafe, der für die ganze Gruppe antwortete, wenn auch mit eigenen Worten.
»Sie haben davon gesprochen, dass wir der Schlange den Kopf abschlagen sollen.« Sein Ton war locker und wie immer versprühte er seinen lässigen Charme, ganz so als befände er sich auf einer Teeparty und spräche über Krocket.
»Bei Sekten ist das normalerweise der beste Ansatz. Können wir davon ausgehen, dass es Ihnen lieber wäre, wenn wir uns den Anführer greifen - oder sollen wir vorsichtig vorgehen und eher versuchen, in erster Linie die Konvois zu schützen?«
Hastings sah Rafe in die arglosen blauen Augen.
»Sie, Captain, wissen doch gar nicht, was Vorsicht ist.«
Dels Mundwinkel zuckten und aus den Augenwinkeln sah er, dass es Gareth ähnlich ging. Rafe, der den Spitznamen »Draufgänger« aus gutem Grund bekommen hatte, bewahrte seine Unschuldsmiene trotz Hastings' zynischem Blick.
Schließlich räusperte sich der Generalgouverneur.
»Ihre Annahme ist korrekt. Ich erwarte von Ihnen, dass Sie die Schwarze Kobra persönlich anvisieren, sie identifizieren und eliminieren. Was den Rest angeht, tun Sie, was möglich ist, aber die Zeit drängt, und Vorsicht können wir uns nicht mehr leisten.«
Wieder musterte Hastings seine Männer.
»Sie dürfen meine Befehle auslegen, wie Sie wollen - nur bringen Sie die Schwarze Kobra vor Gericht.«
...
Übersetzung: Ruth Sander
Copyright © 201 1 für die deutsche Ausgabe
by Blanvalet Verlag, in der Verlagsgruppe Random House, München
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Autoren-Porträt von Stephanie Laurens
Stephanie Laurens begann zu schreiben, um etwas Farbe in ihren trockenen wissenschaftlichen Alltag zu bringen. Ihre Bücher wurden bald so beliebt, dass sie aus ihrem Hobby den Beruf machte. Sie gehört zu den meistgelesenen und populärsten Liebesroman-Autorinnen der Welt. Stephanie Laurens lebt in einem Vorort von Melbourne/Australien.
Bibliographische Angaben
- Autor: Stephanie Laurens
- 2011, 560 Seiten, Masse: 12,5 x 18,7 cm, Taschenbuch, Deutsch
- Übersetzung: Ruth Sander
- Übersetzer: Ruth Sander
- Verlag: Blanvalet
- ISBN-10: 3442377498
- ISBN-13: 9783442377497
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