Korona
Thriller
Tief im Inneren Ugandas stößt ein Forschertrupp auf die Spuren einer versunkenen Hochkultur. Gorillaforscherin Imelda Walker entdeckt unglaubliche Rätsel - und selbst die Naturgesetze scheinen hier nicht mehr zu gelten: Die Sonne spielt verrückt.
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Produktdetails
Produktinformationen zu „Korona “
Tief im Inneren Ugandas stößt ein Forschertrupp auf die Spuren einer versunkenen Hochkultur. Gorillaforscherin Imelda Walker entdeckt unglaubliche Rätsel - und selbst die Naturgesetze scheinen hier nicht mehr zu gelten: Die Sonne spielt verrückt.
Klappentext zu „Korona “
Gorillaforscherin Amy Walker, seit Monaten unterwegs im Hochgebirge Ostafrikas, hat nur noch Alpträume, seit einMitglied ihres Teams auf mysteriöse Weise verschwand. Ausgerechnet der Ex-Sträfling Ray Cox soll die Gruppe nun
verstärken, zu dem - ausser den Gorillas - niemand so recht Vertrauen fassen will.
Als sich das Forscherteam trotz bedrohlicher Sonnenstürme ins legendenumwitterte Ruwenzori-Gebirge aufmacht, um den Vermissten zu suchen, beginnt ein Abenteuer, das Amy an die Grenzen ihres Verstandes bringt ...
"Nach dem Tod von Michael Crichton ist Thiemeyer endgültig in dessen Fussstapfen getreten."
Alex Dengler, denglers-buchkritik.de
Lese-Probe zu „Korona “
Korona von Thomas Thiemeyer ... mehr
Wo endet Recht? Wo beginnt Rache?
Kann Rache jemals zu Recht werden? Es gibt Verbrechen, die einem Verstoß gegen Naturgesetze gleichen, Verbrechen, die so alt sind wie die Welt selbst. Sie existierten, ehe die ersten Gerichtsgebäude entstanden und die ersten Gesetze geschrieben waren. Verbrechen wie jenes, dass ein Mann zum Verräter an seinem besten Freund wird. Was würden Sie empfinden, wenn die Person, mit der Sie von Kindesbeinen an zusammen waren - der Sie Ihr Leben anvertraut hätten - Ihnen kalt lächelnd ein Verbrechen in die Schuhe schöbe, das Sie gar nicht begangen haben? Glauben Sie nicht, Ihre Seele würde Schaden nehmen? Glauben Sie nicht, Sie würden Fragen stellen? Und wenn Sie keine Antwort erhielten, glauben Sie nicht, es würde Sie mit Wut erfüllen? Mit Hass? Mit dem Wunsch nach Vergeltung? Mir erging es so. In dem Augenblick, als die Zellentür hinter mir zufiel, begrub ich meine Hoffnung, dass diese Geschichte ein gutes Ende nehmen würde. Mein Vertrauen in die Welt versiegte. Es starb, genau wie mein Glaube an das Gute im Menschen. Ich musste mit ansehen, wie kurz die Arme unseres Rechtsstaats sind, wie manipulierbar das System, auf dem unsere gesamte Zivilisation ruht. Diese Erkenntnis erfüllte mich mit tiefer Resignation. Sie machte mir deutlich, wie zerbrechlich unsere kleine Welt doch ist, wie schmal der Weg zwischen Recht und Unrecht. Doch eines gab mir Kraft. Das Versagen unseres Rechtssystems ließ kein Vakuum zurück, o nein. An seine Stelle trat etwas anderes: Ein archaischer Mechanismus, dessen Zahnräder sich erst quietschend, dann mit zunehmender Geschwindigkeit zu drehen begannen. Kolben fingen an sich zu heben und zu senken, Scharniere begannen zu ächzen, Bolzen spannten sich, und Schwungräder nahmen Fahrt auf. Es war, als würde ein urzeitliches Ungeheuer zum Leben erwachen. Ein Wesen, dessen Namen ich längst vergessen hatte und über dessen Lippen nur ein einziges Wort kam: Rache. Wer glaubt, es existiere nicht, irrt. Ich habe es gesehen. Es haust dort, wo die Hölle den Menschen am nächsten ist. Tief in den Eingeweiden von Mountjoy. M. G.
Prolog
Dublin, vor zehn Jahren ... Ungeachtet der schlechten Sichtverhältnisse peitschte der Wagen durch die Dunkelheit. Der Regen trommelte auf das Blech. Die Scheibenwischer bemühten sich redlich, die schwarzen, ölig glänzenden Wassermassen von der Scheibe zu fegen. Die Nacht war schwarz wie das Innere eines Handschuhs. Der metallische Widerschein des Chroms erzeugte helle Spuren auf dem nassen Asphalt. Schleier feinster Wassertropfen stiegen jenseits des Wagens auf und ließen die Rücklichter wie Nachbrenner eines Düsenjets aussehen. Der Asphalt flog nur so unter den Rädern dahin, während das Auto mit über hundert Sachen durch die Nacht raste. Die Schnellstraße, die Richtung Dublin führte, verschmolz zu einem Teppich aus dunklen Flecken und verwaschenen Lichtern, der seltsam unwirklich an ihnen vorbeihuschte. Zum Glück war niemand außer ihnen unterwegs. Nicht um diese Uhrzeit, nicht bei diesem Wetter. Der Jaguar X-300 galt schon jetzt als Klassiker. Ein Geschenk stolzer Eltern an ihren einzigen Sohn. Weinrote Lackierung, Speichenfelgen, Doppelscheinwerfer, der Innenraum ein Traum aus Nussbaum und Leder. Die Geräusche des an Heftigkeit zunehmenden Regens wurden durch die gute Isolierung zu einem dezenten Trommeln gedämpft. Im Inneren war die Stimmung ausgelassen. Feierlaune durchwehte den Fond. Partystimmung, vermischt mit dem Geruch von Whiskey und Zigaretten. Van Morrisons Caravan dröhnte aus den Lautsprechern und ließ die Türen im Rhythmus der Bässe erzittern. Es war ihre Nacht. Sie hatten es geschafft, sie gehörten zu den Besten ihres Jahrgangs. Hazel, William und Matthew war gelungen, was noch keinem vor ihnen geglückt war. Als Iren hatten sie es geschafft, unter die besten Zehn der biologischen Fakultät in Cambridge zu kommen. Das hatte es noch nie gegeben - nicht, seit es Studenten von der Grünen Insel erlaubt war, hier zu studieren. Die Hot Three, so wurden sie am College genannt, und verdammt noch mal, das waren sie. Jung, ehrgeizig und heiß. Van Morrisons rauchige Stimme und die Wärme, die aus der Heizung drang, legten sich samten auf die Nervenenden und unterstrichen die Illusion, auf einem Zauberteppich unterwegs zu sein. Die Semesterferien gingen dem Ende zu. Die letzte Gelegenheit, das vergangene Jahr angemessen zu würdigen und auf die Zukunft anzustoßen. Morgen schon würde es zurück nach London gehen, wo ihnen ein Jahr Schwerstarbeit bevorstand. Vermutlich würden sie einander kaum noch zu Gesicht bekommen, kaum noch Zeit miteinander verbringen. Danach würde jeder von ihnen dem Ruf seines Schicksals folgen. Forschung, Bildung, Wirtschaft, die Möglichkeiten waren für jemanden mit ihrer Qualifikation unbegrenzt. Sie würden ein Leben auf der Überholspur führen. Matthew blickte in die Nacht hinaus. Draußen flogen die Lichter einer Tankstelle vorbei. »He, Will, mach mal 'n bisschen langsamer. « Er zündete eine Zigarette an und nahm einen tiefen Zug. »Wir haben's doch nicht eilig. Jackie wird seinen Laden schon nicht dichtmachen. Nicht ehe wir mit ihm angestoßen haben. Er hat's versprochen.« William, der Fahrer, stieß ein unwilliges Grunzen aus, streckte seinen Arm aus und ließ sich von Hazel die Flasche Tullamore Dew nach vorn reichen. Ohne seinen Blick von der Straße abzuwenden, nahm er einen Schluck. Matthew drehte die Scheibe herunter und warf das Streichholz hinaus. Ein eiskalter Wind pfiff ihm ins Gesicht. »Hast du nicht gehört, was ich gesagt habe? Da vorn kommt schon Rathgar. Ich hab keine Lust, Scherereien zu bekommen. Nicht am letzten Tag.« William tat so, als höre er nichts, drehte den Lautstärkeregler hoch und begann, den Refrain des Songs ebenso lautstark wie falsch mitzusingen: »And the caravan is painted red and white That means everybody's staying overnight Barefoot gypsy player round the campfi re sing and play And a woman tells us of her ways. Everybody sings la, la, la, la.« »Scheiße, Will ...« »Was denn?« »Fuß vom Gas!« »Verdammt, was hast du denn für'n Problem?« »Ich meine es ernst.« Will schien eine Weile zu überlegen, dann sagte er: »Sorry, Mann, aber das kann ich nicht tun.« »Was redest du da? Wieso nicht?« »Schon mal was von Relativitätstheorie gehört?« »Willst du mich verarschen?« »Sieh mal nach vorn.« Vom Lichtkegel der Doppelscheinwerfer erhellt, kam eine Fußgängerbrücke in Sicht. Mit affenartiger Geschwindigkeit rauschte sie heran und zischte dann über ihre Köpfe hinweg. »Haste das gesehen?« »Nichts hab ich gesehen. Du bist viel zu schnell.« »Jetzt stell dich nicht so an. Schau nach vorn.« »Was soll der Blödsinn, Will?« »Hey, sieh doch nur. Nicht wir fahren auf die Brücke zu, die Brücke kommt auf uns zu. Da kommt schon wieder eine.« Der Stahlträger einer weiteren Brücke tauchte vor ihnen in der Dunkelheit auf und sauste wie ein gewaltiges rostiges Schwert an ihrer rechten Seite vorbei. Will brach in Jubelgeschrei aus. Mit einem Grinsen im Gesicht nahm er einen weiteren Schluck. »Du bist ja bescheuert.« »Es ist dieser Wagen«, rief Will. »Diese gottverdammte, chromglänzende Granate. Das schnellste Auto, das ich je unterm Hintern hatte.« »Vermutlich auch dein letztes«, raunte Matthew ungehalten, doch William hörte gar nicht zu. Er war wie in einem Rausch. Mit einer fließenden Bewegung strich er die Lederhandschuhe glatt, die seine Hände wie eine zweite Haut umspannten. Er behauptete, dass sie ihm das Aussehen eines Rennfahrers verliehen. Matthew fand das einfach nur lächerlich. »Ab einer bestimmten Geschwindigkeit bist nicht mehr du es, der sich auf die Dinge zubewegt«, sagte William. »Die Dinge kommen auf dich zu. Das ist der wahre Kern der Relativitätstheorie. Das ist es, was Einstein uns zu erklären versucht hat, wusstest du das nicht?« »Alles, was ich weiß, ist, dass du zu viel getrunken hast. Vielleicht solltest du mich lieber ans Steuer lassen.« »Träum weiter.« »Ja, komm schon.« Hazel rutschte nach vorn. Ihre Stimme war sinnlich und dunkel. Auch sie hatte schon mächtig geladen. »Lass Matt fahren. Er hat von uns allen am wenigsten getrunken. Außerdem ist er der Vernünftigste. Nicht wahr, Matt?« Sie strich ihm mit dem Handrücken über den Hals. »Immer vernünftig, immer so kontrolliert.« Sie küsste ihn auf die Wange. Als er sich überrascht zu ihr umdrehte, lachte sie auf. Er konnte es nicht verhindern, aber er fühlte, dass er rot wurde. Als sie das sah, rückte sie wieder vor. »Hat dir das gefallen?« Sie strich mit der Zungenspitze über ihre Lippen. »Möchtest du mehr?« »Ach, lass mich doch in Ruhe.« »Sei doch nicht so schüchtern, Matt. Komm schon: Gib mir einen Kuss. Diesmal einen richtigen, mit Zunge.« Sie leckte über ihre Lippen. Matthew versuchte, sie zu ignorieren. »Einen Kuss nur«, gurrte sie. »Ich weiß doch, dass du das willst. Du hast das doch schon immer gewollt, habe ich recht? Na komm, das ist vielleicht die letzte Gelegenheit.« William warf einen genervten Blick nach hinten. »Was soll das werden, Hazel? Darf ich dich daran erinnern, dass du immer noch mein Mädchen bist?« Er drückte ihr die Flasche in die Hand. »Hier. Und jetzt bleib hinten und lass Matt in Ruhe. Du bist ja betrunken.« »Na und?«, gab Hazel schnippisch zurück. »Mit wem ich flirte, ist immer noch meine Angelegenheit.« »Augen auf die Straße!« Matthew sah den Pfeiler aus der Dunkelheit hervorschnellen. Wie der Bug eines Schiffes raste er auf sie zu. William stieß einen Fluch aus und trat auf die Bremse. Das Heck brach aus. Es war, als würde das Auto auf Schmierseife fahren. »Runter von der Bremse«, schrie Matt. Sie würden an dem Pfeiler zerschellen, wenn nicht schnell etwas geschah. Mit einer Reaktion, die einem Kampfpiloten zur Ehre gereicht hätte, griff er in das Lenkrad. »Was soll das?« William setzte seinen Bemühungen einigen Widerstand entgegen. »Gegenlenken«, schrie Matt. »Du musst gegenlenken!« Wie durch ein Wunder gelang es ihm, das Lenkrad herumzuziehen. Als William merkte, dass die Schlingerbewegung tatsächlich aufhörte, löste er seinen Griff. Um Haaresbreite sauste der Brückenpfeiler an dem Jaguar vorbei und schlug dabei den rechten Außenspiegel ab. Krachend trennte er auch noch die hintere Stoßstange ab, die funkenschlagend auf der Straße landete. Matt atmete auf. Sie waren vorbei. Sie waren dem schrecklichen Pfeiler entkommen. Doch die Gefahr war noch nicht vorüber, der Wagen war immer noch viel zu schnell. Das merkte auch Will und tat das Verkehrteste, was man tun konnte. Er trat erneut auf die Bremse. Hart. »Nein!«, schrie Matt. Der Wagen brach ein zweites Mal aus, diesmal unhaltbar. Wie ein chromglänzendes Geschoss verließ er die Fahrbahn, raste über die Böschung und hinein in ein Waldstück. Matthew sah die meterdicken Baumstämme heransausen und bereitete sich auf den Aufprall vor. Er stemmte die Beine gegen das Bodenblech, verschränkte die Arme vor dem Kopf, beugte sich vor und murmelte ein Stoßgebet. Wie ein Blitz schoss ihm ins Bewusstsein, dass keiner von ihnen angeschnallt war.
Copyright © 2010 by Knaur Verlag Ein Unternehmen der Droemerschen Verlagsanstalt Th. Knaur Nachf. GmbH & Co. KG, München
Wo endet Recht? Wo beginnt Rache?
Kann Rache jemals zu Recht werden? Es gibt Verbrechen, die einem Verstoß gegen Naturgesetze gleichen, Verbrechen, die so alt sind wie die Welt selbst. Sie existierten, ehe die ersten Gerichtsgebäude entstanden und die ersten Gesetze geschrieben waren. Verbrechen wie jenes, dass ein Mann zum Verräter an seinem besten Freund wird. Was würden Sie empfinden, wenn die Person, mit der Sie von Kindesbeinen an zusammen waren - der Sie Ihr Leben anvertraut hätten - Ihnen kalt lächelnd ein Verbrechen in die Schuhe schöbe, das Sie gar nicht begangen haben? Glauben Sie nicht, Ihre Seele würde Schaden nehmen? Glauben Sie nicht, Sie würden Fragen stellen? Und wenn Sie keine Antwort erhielten, glauben Sie nicht, es würde Sie mit Wut erfüllen? Mit Hass? Mit dem Wunsch nach Vergeltung? Mir erging es so. In dem Augenblick, als die Zellentür hinter mir zufiel, begrub ich meine Hoffnung, dass diese Geschichte ein gutes Ende nehmen würde. Mein Vertrauen in die Welt versiegte. Es starb, genau wie mein Glaube an das Gute im Menschen. Ich musste mit ansehen, wie kurz die Arme unseres Rechtsstaats sind, wie manipulierbar das System, auf dem unsere gesamte Zivilisation ruht. Diese Erkenntnis erfüllte mich mit tiefer Resignation. Sie machte mir deutlich, wie zerbrechlich unsere kleine Welt doch ist, wie schmal der Weg zwischen Recht und Unrecht. Doch eines gab mir Kraft. Das Versagen unseres Rechtssystems ließ kein Vakuum zurück, o nein. An seine Stelle trat etwas anderes: Ein archaischer Mechanismus, dessen Zahnräder sich erst quietschend, dann mit zunehmender Geschwindigkeit zu drehen begannen. Kolben fingen an sich zu heben und zu senken, Scharniere begannen zu ächzen, Bolzen spannten sich, und Schwungräder nahmen Fahrt auf. Es war, als würde ein urzeitliches Ungeheuer zum Leben erwachen. Ein Wesen, dessen Namen ich längst vergessen hatte und über dessen Lippen nur ein einziges Wort kam: Rache. Wer glaubt, es existiere nicht, irrt. Ich habe es gesehen. Es haust dort, wo die Hölle den Menschen am nächsten ist. Tief in den Eingeweiden von Mountjoy. M. G.
Prolog
Dublin, vor zehn Jahren ... Ungeachtet der schlechten Sichtverhältnisse peitschte der Wagen durch die Dunkelheit. Der Regen trommelte auf das Blech. Die Scheibenwischer bemühten sich redlich, die schwarzen, ölig glänzenden Wassermassen von der Scheibe zu fegen. Die Nacht war schwarz wie das Innere eines Handschuhs. Der metallische Widerschein des Chroms erzeugte helle Spuren auf dem nassen Asphalt. Schleier feinster Wassertropfen stiegen jenseits des Wagens auf und ließen die Rücklichter wie Nachbrenner eines Düsenjets aussehen. Der Asphalt flog nur so unter den Rädern dahin, während das Auto mit über hundert Sachen durch die Nacht raste. Die Schnellstraße, die Richtung Dublin führte, verschmolz zu einem Teppich aus dunklen Flecken und verwaschenen Lichtern, der seltsam unwirklich an ihnen vorbeihuschte. Zum Glück war niemand außer ihnen unterwegs. Nicht um diese Uhrzeit, nicht bei diesem Wetter. Der Jaguar X-300 galt schon jetzt als Klassiker. Ein Geschenk stolzer Eltern an ihren einzigen Sohn. Weinrote Lackierung, Speichenfelgen, Doppelscheinwerfer, der Innenraum ein Traum aus Nussbaum und Leder. Die Geräusche des an Heftigkeit zunehmenden Regens wurden durch die gute Isolierung zu einem dezenten Trommeln gedämpft. Im Inneren war die Stimmung ausgelassen. Feierlaune durchwehte den Fond. Partystimmung, vermischt mit dem Geruch von Whiskey und Zigaretten. Van Morrisons Caravan dröhnte aus den Lautsprechern und ließ die Türen im Rhythmus der Bässe erzittern. Es war ihre Nacht. Sie hatten es geschafft, sie gehörten zu den Besten ihres Jahrgangs. Hazel, William und Matthew war gelungen, was noch keinem vor ihnen geglückt war. Als Iren hatten sie es geschafft, unter die besten Zehn der biologischen Fakultät in Cambridge zu kommen. Das hatte es noch nie gegeben - nicht, seit es Studenten von der Grünen Insel erlaubt war, hier zu studieren. Die Hot Three, so wurden sie am College genannt, und verdammt noch mal, das waren sie. Jung, ehrgeizig und heiß. Van Morrisons rauchige Stimme und die Wärme, die aus der Heizung drang, legten sich samten auf die Nervenenden und unterstrichen die Illusion, auf einem Zauberteppich unterwegs zu sein. Die Semesterferien gingen dem Ende zu. Die letzte Gelegenheit, das vergangene Jahr angemessen zu würdigen und auf die Zukunft anzustoßen. Morgen schon würde es zurück nach London gehen, wo ihnen ein Jahr Schwerstarbeit bevorstand. Vermutlich würden sie einander kaum noch zu Gesicht bekommen, kaum noch Zeit miteinander verbringen. Danach würde jeder von ihnen dem Ruf seines Schicksals folgen. Forschung, Bildung, Wirtschaft, die Möglichkeiten waren für jemanden mit ihrer Qualifikation unbegrenzt. Sie würden ein Leben auf der Überholspur führen. Matthew blickte in die Nacht hinaus. Draußen flogen die Lichter einer Tankstelle vorbei. »He, Will, mach mal 'n bisschen langsamer. « Er zündete eine Zigarette an und nahm einen tiefen Zug. »Wir haben's doch nicht eilig. Jackie wird seinen Laden schon nicht dichtmachen. Nicht ehe wir mit ihm angestoßen haben. Er hat's versprochen.« William, der Fahrer, stieß ein unwilliges Grunzen aus, streckte seinen Arm aus und ließ sich von Hazel die Flasche Tullamore Dew nach vorn reichen. Ohne seinen Blick von der Straße abzuwenden, nahm er einen Schluck. Matthew drehte die Scheibe herunter und warf das Streichholz hinaus. Ein eiskalter Wind pfiff ihm ins Gesicht. »Hast du nicht gehört, was ich gesagt habe? Da vorn kommt schon Rathgar. Ich hab keine Lust, Scherereien zu bekommen. Nicht am letzten Tag.« William tat so, als höre er nichts, drehte den Lautstärkeregler hoch und begann, den Refrain des Songs ebenso lautstark wie falsch mitzusingen: »And the caravan is painted red and white That means everybody's staying overnight Barefoot gypsy player round the campfi re sing and play And a woman tells us of her ways. Everybody sings la, la, la, la.« »Scheiße, Will ...« »Was denn?« »Fuß vom Gas!« »Verdammt, was hast du denn für'n Problem?« »Ich meine es ernst.« Will schien eine Weile zu überlegen, dann sagte er: »Sorry, Mann, aber das kann ich nicht tun.« »Was redest du da? Wieso nicht?« »Schon mal was von Relativitätstheorie gehört?« »Willst du mich verarschen?« »Sieh mal nach vorn.« Vom Lichtkegel der Doppelscheinwerfer erhellt, kam eine Fußgängerbrücke in Sicht. Mit affenartiger Geschwindigkeit rauschte sie heran und zischte dann über ihre Köpfe hinweg. »Haste das gesehen?« »Nichts hab ich gesehen. Du bist viel zu schnell.« »Jetzt stell dich nicht so an. Schau nach vorn.« »Was soll der Blödsinn, Will?« »Hey, sieh doch nur. Nicht wir fahren auf die Brücke zu, die Brücke kommt auf uns zu. Da kommt schon wieder eine.« Der Stahlträger einer weiteren Brücke tauchte vor ihnen in der Dunkelheit auf und sauste wie ein gewaltiges rostiges Schwert an ihrer rechten Seite vorbei. Will brach in Jubelgeschrei aus. Mit einem Grinsen im Gesicht nahm er einen weiteren Schluck. »Du bist ja bescheuert.« »Es ist dieser Wagen«, rief Will. »Diese gottverdammte, chromglänzende Granate. Das schnellste Auto, das ich je unterm Hintern hatte.« »Vermutlich auch dein letztes«, raunte Matthew ungehalten, doch William hörte gar nicht zu. Er war wie in einem Rausch. Mit einer fließenden Bewegung strich er die Lederhandschuhe glatt, die seine Hände wie eine zweite Haut umspannten. Er behauptete, dass sie ihm das Aussehen eines Rennfahrers verliehen. Matthew fand das einfach nur lächerlich. »Ab einer bestimmten Geschwindigkeit bist nicht mehr du es, der sich auf die Dinge zubewegt«, sagte William. »Die Dinge kommen auf dich zu. Das ist der wahre Kern der Relativitätstheorie. Das ist es, was Einstein uns zu erklären versucht hat, wusstest du das nicht?« »Alles, was ich weiß, ist, dass du zu viel getrunken hast. Vielleicht solltest du mich lieber ans Steuer lassen.« »Träum weiter.« »Ja, komm schon.« Hazel rutschte nach vorn. Ihre Stimme war sinnlich und dunkel. Auch sie hatte schon mächtig geladen. »Lass Matt fahren. Er hat von uns allen am wenigsten getrunken. Außerdem ist er der Vernünftigste. Nicht wahr, Matt?« Sie strich ihm mit dem Handrücken über den Hals. »Immer vernünftig, immer so kontrolliert.« Sie küsste ihn auf die Wange. Als er sich überrascht zu ihr umdrehte, lachte sie auf. Er konnte es nicht verhindern, aber er fühlte, dass er rot wurde. Als sie das sah, rückte sie wieder vor. »Hat dir das gefallen?« Sie strich mit der Zungenspitze über ihre Lippen. »Möchtest du mehr?« »Ach, lass mich doch in Ruhe.« »Sei doch nicht so schüchtern, Matt. Komm schon: Gib mir einen Kuss. Diesmal einen richtigen, mit Zunge.« Sie leckte über ihre Lippen. Matthew versuchte, sie zu ignorieren. »Einen Kuss nur«, gurrte sie. »Ich weiß doch, dass du das willst. Du hast das doch schon immer gewollt, habe ich recht? Na komm, das ist vielleicht die letzte Gelegenheit.« William warf einen genervten Blick nach hinten. »Was soll das werden, Hazel? Darf ich dich daran erinnern, dass du immer noch mein Mädchen bist?« Er drückte ihr die Flasche in die Hand. »Hier. Und jetzt bleib hinten und lass Matt in Ruhe. Du bist ja betrunken.« »Na und?«, gab Hazel schnippisch zurück. »Mit wem ich flirte, ist immer noch meine Angelegenheit.« »Augen auf die Straße!« Matthew sah den Pfeiler aus der Dunkelheit hervorschnellen. Wie der Bug eines Schiffes raste er auf sie zu. William stieß einen Fluch aus und trat auf die Bremse. Das Heck brach aus. Es war, als würde das Auto auf Schmierseife fahren. »Runter von der Bremse«, schrie Matt. Sie würden an dem Pfeiler zerschellen, wenn nicht schnell etwas geschah. Mit einer Reaktion, die einem Kampfpiloten zur Ehre gereicht hätte, griff er in das Lenkrad. »Was soll das?« William setzte seinen Bemühungen einigen Widerstand entgegen. »Gegenlenken«, schrie Matt. »Du musst gegenlenken!« Wie durch ein Wunder gelang es ihm, das Lenkrad herumzuziehen. Als William merkte, dass die Schlingerbewegung tatsächlich aufhörte, löste er seinen Griff. Um Haaresbreite sauste der Brückenpfeiler an dem Jaguar vorbei und schlug dabei den rechten Außenspiegel ab. Krachend trennte er auch noch die hintere Stoßstange ab, die funkenschlagend auf der Straße landete. Matt atmete auf. Sie waren vorbei. Sie waren dem schrecklichen Pfeiler entkommen. Doch die Gefahr war noch nicht vorüber, der Wagen war immer noch viel zu schnell. Das merkte auch Will und tat das Verkehrteste, was man tun konnte. Er trat erneut auf die Bremse. Hart. »Nein!«, schrie Matt. Der Wagen brach ein zweites Mal aus, diesmal unhaltbar. Wie ein chromglänzendes Geschoss verließ er die Fahrbahn, raste über die Böschung und hinein in ein Waldstück. Matthew sah die meterdicken Baumstämme heransausen und bereitete sich auf den Aufprall vor. Er stemmte die Beine gegen das Bodenblech, verschränkte die Arme vor dem Kopf, beugte sich vor und murmelte ein Stoßgebet. Wie ein Blitz schoss ihm ins Bewusstsein, dass keiner von ihnen angeschnallt war.
Copyright © 2010 by Knaur Verlag Ein Unternehmen der Droemerschen Verlagsanstalt Th. Knaur Nachf. GmbH & Co. KG, München
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Autoren-Porträt von Thomas Thiemeyer
Thomas Thiemeyer, geboren 1963, studierte Geologie und Geographie, ehe er sich selbständig machte und eine Laufbahn als Autor und Illustrator einschlug. Mit seinen Wissenschaftsthrillern und Jugendbuchzyklen, die etliche Preise gewannen, sich über eine halbe Million Mal verkauften und in dreizehn Sprachen übersetzt wurden, ist er mittlerweile eine feste Grösse in der deutschen Unterhaltungsliteratur. Der Autor lebt mit seiner Familie in Stuttgart.
Bibliographische Angaben
- Autor: Thomas Thiemeyer
- 2012, 510 Seiten, Masse: 12,5 x 19 cm, Taschenbuch, Deutsch
- Verlag: Droemer/Knaur
- ISBN-10: 3426638517
- ISBN-13: 9783426638514
- Erscheinungsdatum: 30.07.2012
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