Kopftuchland

Die Autorin unternimmt ein Gedankenexperiment. Eine konservativ-islamische Partei hat die absolute Mehrheit bei einer Bundestagswahl erhalten und setzt nun konsequent ihr Wahlprogramm um. Dieses enthält Elemente aus dem politischen Islam im Iran und in der Türkei. Dieses Gedankenexperiment ist auf den ersten Blick nicht uninteressant, fällt auf den zweiten Blick jedoch enttäuschend bis ärgerlich aus.
- Der Roman ist stilistisch und strukturell schlicht. Für die Recherche wurde wenig Aufwand getrieben und die einzelnen Protagonist*innen sind nicht tiefgehend entwickelt. Ich hatte erwartet, dass im Lauf des Romans Konflikte sichtbar werden, die Personen sich weiterentwickeln, spannende Dynamiken zutage treten, aber nein... Sie gleichen eher Schachfiguren, die ihre jeweilige Rolle verkörpern, aber darüber hinaus keine Charakterentwicklung, innere Widersprüche, Konflikte… aufweisen. Auch ein gründliches Lektorat hätte nicht geschadet, um dem Plot mehr Spannung zu verleihen und lähmende Dialoge zu pointieren. Viel Anspruch kann man hier offenbar nicht erwarten. Mir ist dann aber aufgefallen, dass die Autorin sonst zumeist im Chicklit-Genre unterwegs ist und das merkt man leider allzudeutlich. Insofern verwundert es nicht, dass das Buch weder durch den Erzählverlauf, noch durch die schematischen Dialoge zu fesseln weiss.
- Desweiten stören eine ganze Reihe Widersprüche und inhaltliche Fehler die Lektüre. Sie wären durch eine engagiertere Recherche auszuräumen gewesen. Die Art und Weise, wie der Islam dargestellt ist, ist nicht besonders fundiert. So wird nicht zwischen Islam und Islamismus, Dschihadismus… unterschieden, auch nicht zwischen sunnitischen und shiitischen Traditionen. Auch auf islamische Rechtssysteme wird nicht differenziert eingegangen und dass es jahrhundertealte Traditionen des islamischen Feminismus gibt, erst recht nicht. Was hier als "Islam" vorgestellt wird, ist lediglich ein Klischee, das vor Vorurteilen nur so strotzt. Und ja – würde jemand über das Christentum oder Judentum so schreiben, würde mich das vergleichbar verärgern. Das ist letzten Endes schade um eine originelle Idee. Auch in einem Roman sollten die objektiven Fakten stimmen. Vielleicht hätte die Autorin einfach mehr Zeit investieren sollen.
Insgesamt bleibt so ein eher schaler Eindruck zurück . Die Idee war gar nicht schlecht – aber die Durchführung scheitert an mangelnder Handwerkskunst, an hemdsärmeliger Recherche und ideologischer Verblendung.