Kindersucher
Kriminalroman. Kommissar Kraus ermittelt. Deutsche Erstausgabe
1929, mitten in der Weltwirtschaftskrise, werden in Berlin Kinderknochen entdeckt. Ganz in der Nähe findet sich eine Bibel, mit einem Hinweis auf die "Kinder des Zorns". Kommissar Kraus beginnt zu ermitteln und wird plötzlich von dem Fall abberufen. Weil er Jude ist?
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Produktdetails
Produktinformationen zu „Kindersucher “
1929, mitten in der Weltwirtschaftskrise, werden in Berlin Kinderknochen entdeckt. Ganz in der Nähe findet sich eine Bibel, mit einem Hinweis auf die "Kinder des Zorns". Kommissar Kraus beginnt zu ermitteln und wird plötzlich von dem Fall abberufen. Weil er Jude ist?
Klappentext zu „Kindersucher “
Kinder des ZornsWilli Kraus ist der beste Ermittler in Berlin. Als Jude jedoch wird er von seinen Vorgesetzten schikaniert. Als in Berlin immer mehr Kinder verschwinden und an dunklen Orten seltsame Knochen auftauchen, beginnt Kraus zu ermitteln. Buchstäblich im Untergrund der Stadt findet er eine heisse Spur. Dann aber entzieht man ihm den Fall und protegiert einen anderen Polizisten, der sich als Anhänger einer neuen, angeblich patriotischen Partei erweist. Für Kraus wird die Luft im Präsidium immer dünner. Juden gelten plötzlich wieder als Vaterlandsverräter. Doch dann wird der Mordfall immer monströser - und seinen Vorgesetzten bleibt nichts anderes übrig, als Kraus zurückzuholen.Ein Blick in die Abgründe Berlins zum Ende der 1920er Jahre - ein unglaublicher Kriminalfall im Berlin der Wirtschaftskrise.
Lese-Probe zu „Kindersucher “
Kindersucher von Paul GrossmanKraus fuhr mit dem Aufzug, einem Gitterkäfig aus Messing, hinauf, zusammengepfercht mit einem Dutzend anderer Beamten, die zur Achtuhr-Schicht antraten. Kraus räumte ein, dass er wahrlich nicht der aussichtsreichste Kandidat für die Berliner Polizei gewesen war. Seine Eltern, mochten sie in Frieden ruhen, hätten sich das ganz gewiss niemals träumen lassen. Ein jüdischer Kriminalbeamter? Wer hatte denn so etwas je gehört? Seit Jahrhunderten fanden sich die Juden stets am falschen Ende eines Gummiknüppels wieder. Aber diese Tage waren vorbei, davon war Kraus überzeugt. Und er liebte seine Arbeit wirklich. Er glaubte an die Justiz und das Gesetz. Was zutiefst jüdisch war, soweit er das begriff. Auch wenn es keinen großen Unterschied machte.
Selbstverständlich schämte er sich seiner Herkunft nicht, aber er betrachtete sie auch nicht unbedingt als den Grundpfeiler seiner Identität. Er feierte liebend gern die traditionellen Feiertage mit den Kindern, entzündete zum Beispiel Kerzen zu Hanukkah. Das Seder, das Essen zum Passahfest, auch wenn sie es recht liberal gestalteten. Er liebte es, Bücher über die ungeheuren Errungenschaften seines Volkes zu lesen und seinen langen, tränenreichen Weg. Aber im alltäglichen Leben des modernen Berlin bedeutete sein Judentum für ihn kaum etwas.
Die Mordkommission befand sich im obersten Stockwerk.
Kraus' Schreibtisch stand direkt an einem Fenster. Von seinem Stuhl aus konnte er den halben Alexanderplatz überblicken. Sogar den ganzen, wenn er aufstand. Dann begriff er auch den Gesamtplan. Die neue U-Bahn-Station, die mit dem höher gelegenen Bahnhof verbunden sein würde, unter der neuen Verkehrsinsel, von der aus sich der Verkehrsfluss auf fünf große Straßen verteilte.
... mehr
»Guten Morgen, Herr Kriminalsekretär.«
Frau Garber, die Sekretärin der Abteilung, war mit ihrem hölzernen Wägelchen aufgetaucht. Sie war eine schlanke, begehrenswerte Großmutter in den Vierzigern und eine der wenigen Leute auf diesem Stockwerk, die ihm nicht die kalte Schulter zeigte. Mehr als zwei Jahre nach Kraus' Beförderung von Wache 157 in Wilmersdorf zur Mordkommission war er immer noch der Aussätzige der Abteilung. Und seine Kollegen machten ihm auf alle möglichen Arten klar, dass er genau das auch bleiben würde.
»Übrigens hat Dr. Hoffnung angerufen.« Sie schenkte ihm Kaffee aus einer dampfenden Kanne ein und lächelte. »Er lässt Ihnen ausrichten, er wäre dann so weit.« Sie hielt ihm eine Tasse Kaffee hin, genauso wie er ihn mochte, schwarz mit einem Hauch von Zucker. »Das sind neue Bohnen, aus Brasilien. «
»Ihr Kaffee ist einfach der beste, Frau Garber.«
»Mittlerweile ist es Ihnen wohl gestattet, mich Ruta zu nennen, Herr Kriminalsekretär.«
Dr. Hoffnung war einer der kompetentesten Spezialisten, denen Kraus im Präsidium begegnet war. Der Rechtsmediziner war unverblümt und vollkommen gelassen, normalerweise jedenfalls. An diesem Morgen jedoch wirkte der Doktor verstört, das sah Kraus sofort.
»Das ist einer der sonderbarsten und, wie ich mich nicht scheue zu sagen, grauenvollsten Fälle, die mir in meinen zwanzig Jahren untergekommen sind.« Hoffnung schob sich eine schwarze Pfeife zwischen die Zähne. Er knurrte und riss ein Laken zurück. Kraus schnürte sich die Kehle zu. In einer Reihe lagen auf dem Edelstahltisch der Jutesack und die unterschiedlichen Knochen.
»Es macht mir wirklich keine Freude, berichten zu können, dass meine ursprüngliche Einschätzung korrekt war.« Die Pfeife des Doktors hing herunter, während er mit finsterem Blick die sauberen weißen Überreste fixierte. »Es sind die Knochen von Jungen. Insgesamt fünf Jungen im Alter zwischen neun bis vierzehn. Es ist unmöglich, den genauen Todeszeitpunkt festzulegen. Aber«, er streifte sich Baumwollhandschuhe über, »es gibt ein höchst aufschlussreiches Detail.« Vorsichtig öffnete er die ruinierte Bibel und deutete mit seinem Pfeifenstiel auf das immer noch entzifferbare Veröffent li chungs datum. Berlin. 1929. »Also muss diese ›Bestattung‹«, er zuckte mit den Schultern, »wenn man das so bezeichnen kann, innerhalb der letzten neun Monate stattgefunden haben. Der Sack wurde von der Firma Schnitzler und Sohn hergestellt. Die Fasern enthalten immer noch Reste von Tierfutter. Wahrscheinlich waren die Knochen für Rinder bestimmt, möglicherweise auch für Ziegen oder Schweine, das kann ich nicht sagen. Ich bin kein Bauer. Es sieht jedenfalls so aus.« Hoffnung nahm eine Pinzette und hob ein Korn hoch, damit Kraus es inspizieren konnte. Kraus war ebenfalls kein Bauer.
»Und womit genau waren die Knochen nun zusammengebunden? «
»Es sind Sehnen, schon richtig.« Hoffnung zog einen ledernen Beutel aus seinem Laborkittel. »Aber sie stammen ... nicht von Tieren. Sondern es sind, vermute ich jedenfalls«, er seufzte, schob die Pfeife in den Beutel und füllte den Kopf bedächtig mit Tabak, »Sehnen, die einmal an diesen Knochen befestigt waren. Sie wurden getrocknet und mit der Hand gesponnen, wie ein Strick. Wer auch immer das gemacht hat, ist ein ausgezeichneter Handwerker.«
Kraus überkam ein Frösteln. Menschliche Sehnen zu Fäden gesponnen?
»Das ist noch nicht alles.« Hoffnung klopfte eifrig seine Taschen ab. »Diese Knochen wurden, ein besseres Wort fällt mir nicht ein«, Erleichterung zuckte über sein Gesicht, als er seine Streichhölzer fand, »gekocht.«
Kraus schnürte sich die Kehle zusammen. Wie damals, während des Krieges, wenn die Gasgranaten fielen.
»Ich konnte nicht auch nur ein mikroskopisch kleines Stückchen Gewebe an ihnen finden.« Die Flamme des Streichholzes zitterte, als der Doktor seine Pfeife entzündete. »Und es gibt nur eine Möglichkeit, Knochen so sauber zu bekommen, Herr Kriminalsekretär.« Hoffnungs Augen wurden dunkler, als er an der Pfeife paffte. »Man muss sie kochen.« Sein Gesicht verschwand hinter einer Rauchwolke. »Und zwar etliche Stunden.«
Copyright © by Aufbau TB (Verlag)
»Guten Morgen, Herr Kriminalsekretär.«
Frau Garber, die Sekretärin der Abteilung, war mit ihrem hölzernen Wägelchen aufgetaucht. Sie war eine schlanke, begehrenswerte Großmutter in den Vierzigern und eine der wenigen Leute auf diesem Stockwerk, die ihm nicht die kalte Schulter zeigte. Mehr als zwei Jahre nach Kraus' Beförderung von Wache 157 in Wilmersdorf zur Mordkommission war er immer noch der Aussätzige der Abteilung. Und seine Kollegen machten ihm auf alle möglichen Arten klar, dass er genau das auch bleiben würde.
»Übrigens hat Dr. Hoffnung angerufen.« Sie schenkte ihm Kaffee aus einer dampfenden Kanne ein und lächelte. »Er lässt Ihnen ausrichten, er wäre dann so weit.« Sie hielt ihm eine Tasse Kaffee hin, genauso wie er ihn mochte, schwarz mit einem Hauch von Zucker. »Das sind neue Bohnen, aus Brasilien. «
»Ihr Kaffee ist einfach der beste, Frau Garber.«
»Mittlerweile ist es Ihnen wohl gestattet, mich Ruta zu nennen, Herr Kriminalsekretär.«
Dr. Hoffnung war einer der kompetentesten Spezialisten, denen Kraus im Präsidium begegnet war. Der Rechtsmediziner war unverblümt und vollkommen gelassen, normalerweise jedenfalls. An diesem Morgen jedoch wirkte der Doktor verstört, das sah Kraus sofort.
»Das ist einer der sonderbarsten und, wie ich mich nicht scheue zu sagen, grauenvollsten Fälle, die mir in meinen zwanzig Jahren untergekommen sind.« Hoffnung schob sich eine schwarze Pfeife zwischen die Zähne. Er knurrte und riss ein Laken zurück. Kraus schnürte sich die Kehle zu. In einer Reihe lagen auf dem Edelstahltisch der Jutesack und die unterschiedlichen Knochen.
»Es macht mir wirklich keine Freude, berichten zu können, dass meine ursprüngliche Einschätzung korrekt war.« Die Pfeife des Doktors hing herunter, während er mit finsterem Blick die sauberen weißen Überreste fixierte. »Es sind die Knochen von Jungen. Insgesamt fünf Jungen im Alter zwischen neun bis vierzehn. Es ist unmöglich, den genauen Todeszeitpunkt festzulegen. Aber«, er streifte sich Baumwollhandschuhe über, »es gibt ein höchst aufschlussreiches Detail.« Vorsichtig öffnete er die ruinierte Bibel und deutete mit seinem Pfeifenstiel auf das immer noch entzifferbare Veröffent li chungs datum. Berlin. 1929. »Also muss diese ›Bestattung‹«, er zuckte mit den Schultern, »wenn man das so bezeichnen kann, innerhalb der letzten neun Monate stattgefunden haben. Der Sack wurde von der Firma Schnitzler und Sohn hergestellt. Die Fasern enthalten immer noch Reste von Tierfutter. Wahrscheinlich waren die Knochen für Rinder bestimmt, möglicherweise auch für Ziegen oder Schweine, das kann ich nicht sagen. Ich bin kein Bauer. Es sieht jedenfalls so aus.« Hoffnung nahm eine Pinzette und hob ein Korn hoch, damit Kraus es inspizieren konnte. Kraus war ebenfalls kein Bauer.
»Und womit genau waren die Knochen nun zusammengebunden? «
»Es sind Sehnen, schon richtig.« Hoffnung zog einen ledernen Beutel aus seinem Laborkittel. »Aber sie stammen ... nicht von Tieren. Sondern es sind, vermute ich jedenfalls«, er seufzte, schob die Pfeife in den Beutel und füllte den Kopf bedächtig mit Tabak, »Sehnen, die einmal an diesen Knochen befestigt waren. Sie wurden getrocknet und mit der Hand gesponnen, wie ein Strick. Wer auch immer das gemacht hat, ist ein ausgezeichneter Handwerker.«
Kraus überkam ein Frösteln. Menschliche Sehnen zu Fäden gesponnen?
»Das ist noch nicht alles.« Hoffnung klopfte eifrig seine Taschen ab. »Diese Knochen wurden, ein besseres Wort fällt mir nicht ein«, Erleichterung zuckte über sein Gesicht, als er seine Streichhölzer fand, »gekocht.«
Kraus schnürte sich die Kehle zusammen. Wie damals, während des Krieges, wenn die Gasgranaten fielen.
»Ich konnte nicht auch nur ein mikroskopisch kleines Stückchen Gewebe an ihnen finden.« Die Flamme des Streichholzes zitterte, als der Doktor seine Pfeife entzündete. »Und es gibt nur eine Möglichkeit, Knochen so sauber zu bekommen, Herr Kriminalsekretär.« Hoffnungs Augen wurden dunkler, als er an der Pfeife paffte. »Man muss sie kochen.« Sein Gesicht verschwand hinter einer Rauchwolke. »Und zwar etliche Stunden.«
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Autoren-Porträt von Paul Grossman
Paul Grossmann ist Journalist und arbeitete für Magazine wie »Vanity Fair«. Ausserdem hat er erfolgreiche Theaterstücke geschrieben, u. a. über Hannah Arendt sowie den Eichmann-Prozess.Im Aufbau Taschenbuch Verlag liegen seine Kriminalromane mit dem Ermittler Kraus vor: "Schlafwandler", "Kindersucher" und "Schattenmann". Thon, WolfgangWolfgang Thon, geboren 1954 in Mönchengladbach, studierte Sprachwissenschaft, Germanistik und Philosophie in Berlin und Hamburg. Thon arbeitet als Übersetzer und seit 2014 auch als Autor in Hamburg, tanzt leidenschaftlich gern Argentinischen Tango und hat bereits etliche Thriller von u.a. Brad Meltzer, Joseph Finder, Robin Hobb, Steve Barry und Paul Grossman ins Deutsche übertragen.
Bibliographische Angaben
- Autor: Paul Grossman
- 2012, 3. Aufl., 445 Seiten, Masse: 11,5 x 19 cm, Taschenbuch, Deutsch
- Übersetzer: Wolfgang Thon
- Verlag: Aufbau TB
- ISBN-10: 3746628415
- ISBN-13: 9783746628417
- Erscheinungsdatum: 17.09.2012
Pressezitat
» Ungeheuer detailreich und spannend zeichnet der Autor ein Bild der europäischen Metropole Berlin. Eine echte Leseperle. « Stephan Schwammel Eschborner Zeitung 20121013
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