Ist der Herd wirklich aus?
Das Leben könnte so einfach sein - aber es ist tückisch, gemein und kompliziert.
Zum Beispiel, wenn man Urlaub nehmen muss, um den Paketzusteller aufzulauern, wenn man wegen einer Suppenphobie fast seine Freunde verliert oder schnäppchengeile Verkäufer...
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Das Leben könnte so einfach sein - aber es ist tückisch, gemein und kompliziert.
Zum Beispiel, wenn man Urlaub nehmen muss, um den Paketzusteller aufzulauern, wenn man wegen einer Suppenphobie fast seine Freunde verliert oder schnäppchengeile Verkäufer den Unterhosenkauf zur Hölle machen.
Mark Spörrle ist ZEIT-Redakteur und schrieb die Kolumne ''Sitten und Gebräuche''.
Das Leben könnte so einfach sein - aber es ist tückisch, gemein und kompliziert. Zum Beispiel, wenn man Urlaub nehmen muss, um dem Paketzusteller aufzulauern, man wegen einer Suppenphobie fast seine Freunde verliert oder schnäppchengeile Verkäufer einem den Unterhosenkauf zur Hölle machen. Und wenn man am Ende nicht mehr weiss: Ist der Herd wirklich aus?
Ist derHerd wirklich aus? Von MarkSpörrle
LESEPROBE
Retour-Kutsche
Unlängst klingelte das Telefon, und sie war dran. Das Paket, sagte sie, mitmeinen Sachen, die sie mir vor längerer Zeit geschickt habe, es sei schonwieder zurückgekommen, und was ich ihr damit sagen wolle. «Nichts», sagte ich,«ich wollte dir nichts sagen.» - «Und was», fragte sie, «hat das sonst zubedeuten?» - «Die Post», sagte ich. «Das ist alles?», rief sie. «Ein halbesJahr geht das schon, und du behauptest, dass es nur an der Post liegt?» - «Ichschwöre», stammelte ich, «es ist nur die Post, nichts als die Post, ich binlängst wieder in einer anderen Beziehung, ich bin glücklich, bitte, kannst dues mir noch mal, ein letztes Mal ... » - «Ja! », schrie sie und legte auf.
Ich warf mich aufs Sofa und dachte nach. Ich hatte keinbisschen gelogen, ich war gefangen in einem Teufelskreis: Irgendwann, wenn ichaus dem Büro kam, lag im Briefkasten diese Benachrichtigungskarte, derZusteller habe mich nicht angetroffen, aber ich könne die Paketsendung gerne persönlichabholen. Natürlich war die angegebene Abholstelle die abgelegenste allerinfrage kommenden Filialen, und sie hatte bestenfalls arbeitslosenfreundlicheÖffnungszeiten. Nach Eintreffen der letzten Benachrichtigungskarte hatte ichmich an fünf Tagen hintereinander vorzeitig aus dem Büro geschlichen. Zweimalhatte eine S-Bahn-Verspätung alles zunichte gemacht, einmal war ich beimEndspurt durch die Fussgängerzone mit einem Currywurstesser zusammengeprallt.Ein weiteres Mal erreichte ich die Postfiliale fünf Minuten vor demangegebenen Öffnungsschluss, aber die Tür war trotzdem schon abgesperrt undblieb es, sosehr ich mich auch dagegen warf, zum Amüsement der Postleute, diemich durch die Glasscheiben beobachteten. Einmal fing mich mein Chef ab undverwickelte mich in ein unangenehmes Gespräch. Dann war die Lagerfrist von siebenWerktagen abgelaufen, und das Paket ging zurück. An sie. Ausgerechnet.
Es gibtSituationen im Leben, da zählt nicht mehr der Aufwand, der erforderlich ist, umein Ziel zu erreichen.
Zwei Abendelang befragte ich Nachbarn zum Lieferverhalten der Paketboten. Ich würde esvielleicht nicht glauben, sagte die frühpensionierte Frau Schmidtke aus dem zweitenStock, aber sie habe vom Fenster aus beobachtet, wie die Paketmänner in ihremFahrzeug sässen und das Haus observierten, rauchend und mit laufendem Motor. Plötzlichstiegen sie aus, ohne Paket, wohlgemerkt, schlenderten zum Eingang, sähen sichverstohlen um, berührten kurz den Klingelknopf, sprinteten zum Wagen zurück undrasten mit Vollgas davon. «Sie wollen niemanden antreffen. Die Pakete sindschwer», sagte sie in heiserem Flüsterton. «Wer im Erdgeschoss wohnt, der hatvielleicht eine Chance, wenn er schnell, jung und tagsüber zu Hause ist. AberSie, Sie wohnen doch im vierten Stock ... »
Ich nahmein paar Tage Urlaub, meine Liebste erklärte mich für verrückt, kaufteausreichend Vorräte und entwarf einen strikten Tagesplan. Morgens ab sechstrainierte ich eine halbe Stunde Treppenlaufen, anschliessend öffnete ich dasFenster zur Strasse und übte so lange Rufe, die ich aus Polizei- undActionfilmen kannte, bis ich allein durch Stimmeinsatz tief unter mir auf demBürgersteig fahrende Radfahrer zur Vollbremsung bringen konnte. Von acht bis achtzehnUhr postierte ich mich am Fenster.
Nach einpaar Tagen kannte ich die Arbeitszeiten der Bewohner der umliegenden Häuserauswendig und hatte ausserdem herausgefunden, dass schräg gegenüber jemand einillegales Bordell betrieb. Am Donnerstag, eben hatte ich meinen Urlaub «auswichtigem privatem Grund» verlängert, machte mich Frau Schmidtke telefonischauf einen verdächtigen Transporter aufmerksam, der sich als der des Gemüsehändlersentpuppte. Nachmittags um 14.12 Uhr näherte sich erstmals ein langsamfahrendes Postfahrzeug. Ein Mann stieg aus, ohne Paket. Er sah sich nach allenSeiten um und schlich verstohlen auf das Haus zu.
Ichschnellte hoch, bewältigte die Treppen in Rekordzeit, riss die Haustür auf,donnerte: «Halt! Stehen bleiben! », und sah, wie der Mann in den Blumenbottichan der Ecke pinkelte. Bevor ich mich entschuldigen konnte, löste er sich aus seinerErstarrung und floh.
Am Freitagverfolgte ich einen heftigen Ehekrach schräg gegenüber und verständigte Polizeiund Krankenwagen.
Am Montagum 11.02 Uhr hielt wieder ein Postwagen vor dem Haus. Ein Gelbgekleideter stiegaus.
Er hieltetwas in der Hand. Es war ein Päckchen. Ich polterte nach unten und stiess dieHaustür mit einem gellenden Schrei auf. Der Paketlieferant, den Finger geradeauf halbem Weg zum Klingelschild, starrte mich mit geweiteten Augen an. Ichentriss ihm das Päckchen und knallte die Tür zu. Es war an meinen NachbarnPeter adressiert. (...)
© 2005 byRowohlt Verlag GmbH
- Autor: Mark Spörrle
- 2005, 11. Aufl., 160 Seiten, mit farbigen Abbildungen, mit Abbildungen, Masse: 11,5 x 19 cm, Taschenbuch, Deutsch
- Verlag: Rowohlt TB.
- ISBN-10: 3499240483
- ISBN-13: 9783499240485
- Erscheinungsdatum: 01.06.2005
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