Immersive Macht
Affekttheorie nach Spinoza und Foucault. Dissertationsschrift
Nicht nur im Silicon Valley oder in Startups, sondern auch in den sozialen Medien und in den populistischen Bewegungen der Gegenwart hat sich eine neue Regierungstechnik etabliert: Menschen werden durch gezielte Stimulierung von Emotionen und Affekten...
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Produktinformationen zu „Immersive Macht “
Nicht nur im Silicon Valley oder in Startups, sondern auch in den sozialen Medien und in den populistischen Bewegungen der Gegenwart hat sich eine neue Regierungstechnik etabliert: Menschen werden durch gezielte Stimulierung von Emotionen und Affekten beeinflusst. Dieses Buch entwickelt eine philosophische Theorie zum Zusammenhang von Affektivität, Macht und Subjektivierung. Zugleich nimmt es die sozialen und ökonomischen Verhältnisse westlicher Gesellschaften in den Blick. Es leistet einen Beitrag zur kritischen Sozialphilosophie und zu einer Theorie der Gouvernementalität.
Klappentext zu „Immersive Macht “
Nicht nur im Silicon Valley oder in Startups, sondern auch in den sozialen Medien und in den populistischen Bewegungen der Gegenwart hat sich eine neue Regierungstechnik etabliert: Menschen werden durch gezielte Stimulierung von Emotionen und Affekten beeinflusst. Dieses Buch entwickelt eine philosophische Theorie zum Zusammenhang von Affektivität, Macht und Subjektivierung. Zugleich nimmt es die sozialen und ökonomischen Verhältnisse westlicher Gesellschaften in den Blick. Es leistet einen Beitrag zur kritischen Sozialphilosophie und zu einer Theorie der Gouvernementalität.
Grossformatiges Paperback. Klappenbroschur
Lese-Probe zu „Immersive Macht “
EinleitungDer Dokumentarfilm "Work Hard Play Hard" von Carmen Losmann (2011) zeigt direkt zu Beginn den Neubau eines Bürogebäudes der Firma Unilever in der Hamburger HafenCity. Ein Architekt des Stuttgarter Architekturbüros Behnisch erläutert das Projekt folgendermassen:"Ich lese einmal ganz kurz [die] Auslobung vor:'Zielsetzung für das Gebäude: Die Wahl für die Errichtung eines Neubaus in der HafenCity, dem Platz in Hamburg, der für Modernität und Dynamik steht, passt voll und ganz zu den Zielen Unilevers. Denn diese Attribute - modern und dynamisch - sollen konsequenterweise in dem zu errichtenden Neubau mit den Mitteln der architektonischen und innenarchitektonischen Gestaltung fortgeführt werden, als Zeichen des Aufbruchs in eine moderne und dynamische Zukunft. Das neue Gebäude soll [...] den neuen Geist der vitality company und den Team-Gedanken des One Unilever verkörpern. Lichtdurchflutete, transparente Büros sollen nicht durch Luxus, sondern durch eine vitalisierende und funktionale Anmutung, Farben, Materialien, Natur-Erlebniswelten Spass am Arbeiten vermitteln.' -Es ist also unsere Aufgabe, [...] ein Gebäude zu entwickeln, das in jedem Quadratmeter das spürbar hält, was hier [beschrieben wird]. Flexibilität ist das eine, aber das andere ist die Arbeitsatmosphäre. Das erlebt man ganz selten, dass in einer Auslobung ein Abschnitt über Arbeitsatmosphäre [enthalten ist]. Also dass die schon eine Gefühlswelt beschreiben, die sie dort generiert sehen wollen. [... Unilever] ist es wichtig, dass ein solches Gebäude vermittelt, dass Arbeiten keinen Zwang darstellen muss. Es sollte auf keinen Fall ein Ort sein, an dem ich erinnert werde, zu arbeiten. [... Das neue Gebäude ist ein Raum], den man gar nicht richtig programmieren kann, sondern dort wird Leben generiert werden. Dort wird eine Kommunikation entstehen [...], die einen Wandel in der Art des Arbeitens miteinander forcieren kann."Was ich in der vorliegenden Untersuchung als immersive Macht beschreibe,
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manifestiert sich bereits in dieser Fallstudie. Ein multinationaler Konzern des produzierenden Gewerbes zielt mit dem Neubau eines Bürokomplexes auf die Schaffung einer "Gefühlswelt" ab. Er imaginiert das Gebäude als einen Raum der spontanen und ungeplanten Begegnungen, als einen Ort, an dem das Arbeiten nicht als Arbeiten empfunden wird. "Wir stellen uns vor [...] dass wir auch in der Möblierung völlig frei werden von jeder Auflage, es soll keinen Bürocharakter haben. Da sollen eher Möbel stehen, die wir aus dem Wohnbereich kennen, aus der Küche." (Ebd.)Nicht bestimmte technische Ausstattungsmerkmale, die für das Gewerbe des Unternehmens spezifisch wären, bilden die ersten Anforderungen dieses Gebäudes. Auch nicht die klassischen Insignien von Geld, Luxus, Repräsentation gilt es zu reproduzieren. Im Mittelpunkt des Konzepts steht ganz schlicht, so erläutert es der Film, "eine neue Kommunikation zu entwickeln" (ebd.). In den früheren Arbeitswelten sei der Anlass gewesen, ins Büro zu gehen, dass sich dort die Mitarbeitenden, die Unterlagen und die Bürotechnik befanden. Doch im Zuge der elektronisch vernetzten und informatisierten Arbeitswelten sei die Bürotechnik heute mobil, genauso die Unterlagen und prinzipiell auch der eigene Arbeitsplatz. "Das heisst, Sie gehen eigentlich nur noch ins Büro, um zu kommunizieren, weil Sie dort Menschen treffen." (Ebd.)In einer fast paradox erscheinenden Wendung gegen den Hype des Home Office, der entgrenzenden Mobilität, der Verfügbarkeit und Erreichbarkeit aller Personen und Informationen an jedem Ort und zu jeder Zeit erfährt ein 'analoges' und immaterielles Gut eine überraschende Renaissance: die persönliche Präsenz und die kommunikative Interaktion in der Nahwelt. "Für ein Unternehmen wie Unilever, das jeden Tag neue Produkte erfinden muss," rücke diese Nahweltinteraktion gerade deshalb in das Zentrum des Interesses, "weil nämlich die informelle Kommunikation die Quelle für Innovation ist - für Innovation und Kreativität. [...] 8
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Inhaltsverzeichnis zu „Immersive Macht “
InhaltEinleitung 11Teil I: Theorie affektiver Resonanz1 Affekt und Immanenz bei Spinoza 311.1 Spinozas Ontologie: Monismus, Parallelismus, Wirkungsimmanenz 35Attribute versus Modi - und die zentrale Perspektivdifferenz 37Das Prinzip der Wirkungsimmanenz, erste Fassung 41"Posse existere potentia est": Zweite Fassung des Immanenzprinzips 43Die Existenz des endlichen Modus 481.2 Affektenlehre und conatus 51Der conatus-Satz 53Conatus und Affekte 591.3 Die relationale Spezifität des Affizierungsvermögens 61Immanenzdenken zwischen Physik und Metaphysik 64Aktivität, Passivität; Varianz und Konstanz des Affizierungsvermögens 661.4 Ethologie, und: Was kann ein Körper? 74Immanenzebene und Agencement 77Das Problem der Gattungen und Arten 79"Was kann ein Körper?" - Was kann ein Begriff? 822 Affektive Resonanz 872.1 Schwingung und Resonanz in der klassischen Physik 90Stoss und Schwingungsanregung 91Resonanz in der klassischen Physik 95Orbit-Orbit-Resonanz der Jupitermonde 982.2 Resonanz als philosophischer Begriff 103Phänomenalität des In-Resonanz-Seins 105Das ontologische Primat der Kräfte 107Resonanz und das Virtuelle 110Virtualität versus Möglichkeit 114Virtualität der Vergangenheit 117'Resonanz': Zusammenfassung und Arbeitsdefinition 1222.3 Dynamik des conatus: Resonanz versus Homöostase 124Conatus als Trägheitsprinzip? 126Conatus als Homöostase? 1292.4 Resonanz als Individuierungsprozess 134Resonanz und Ontogenese bei Gilbert Simondon 135Affektive Individuierung 147Teil II: Phänomene affektiver Resonanz3 Affektive Resonanz als sozialtheoretischer Begriff 1533.1 Affektive Resonanz: Begriffsbestimmung 153Affektive Resonanz als Grundform dynamischer Reziprozität 153Verwandte Begriffe im Umfeld der Affect Studies 156Affektive Resonanz in Geschlechterkonstellationen: Der Fall "Familie Bauer" 162Ambivalenz und kritische Diagnostik der affektiven Resonanz 1663.2 Exkurs: Affektive Resonanz in der Psychoanalyse 168Übertragung-Gegenübertragung als affektive Resonanz 1753.3 Phänomene
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affektiver Resonanz in Gruppenkontexten 179Resonanz, Revolution, Transformation 1843.4 Affektive Resonanz und Massenpsychologie 188Die Masse bei Gustave Le Bon 188Ansteckung und Suggestion in der Masse 191Die Masse bei Sigmund Freud 1974 Affektive Resonanz und Ontogenese 2074.1 Affektive Resonanz in der Eltern-Kind-Dyade: Daniel Stern und affect attunement 209Vitality affects 210Amodale Wahrnehmung 212Affect attunement 214Ontogenese und Subjektgenese 217Ausblick: Affect attunement und Subjektivierung 2194.2 Kontext: Der Interaktionismus in der Entwicklungspsychologie 222Interaktionismus und affektive Relationalität 2274.3 Zur kulturellen Situierung der Stern'schen Theorie 230Das "Selbst" der westlichen Gesellschaften 230Innerlichkeit der Gefühlszustände: Ontologischer Individualismus 232Geschlechterbeziehungen und die Genealogie der Eltern-Kind-Dyade 234Mutterbild bei Stern: Natur versus Kultur und der 'Atomismus der Dyade' 241Fazit: Resonanz als Dispositiv 248Kritik als Onto-Genealogie des eigenen Affizierungsvermögens 250Teil III: Macht, Subjekt und Normalisierung5 Subjekt und Macht bei Michel Foucault 2555.1 Macht, Struktur, Strategie bei Spinoza und Foucault 256Spinoza mit Foucault 256Ein dynamischer Strukturbegriff 257Relationale, strategische, produktive Macht 2595.2 Historische Macht- und Subjektivierungsformationen 262Disziplinarmacht 263Biomacht 266Gouvernementalität und Selbstführung 2685.3 Die Doppelfigur der Subjektivierung 272Das Subjekt als "Machteffekt" 2755.4 Immanenz der Subjektivität 281Wahrheitsspiele und immanente Kausalität 282Kritik als mikrokollektive Praxis 2866 Die normalisierende Spielart der Macht 2916.1 Die Macht der Norm: Sichtbarkeit, Vergleichbarkeit, Kommunikation 292Ökonomie der Sichtbarkeit und Benennbarkeit 2966.2 Produktivität der Norm in der Lacan'schen Psychoanalyse 3006.3 Normalisierung und die Immanenz der Norm 308Normalisierung und das Spiel der Affekte 3127 Judith Butler: Die Verkörperung der Norm 3177.1 Die Norm wird performiert 318Begriff der Performativität in der Sprechakttheorie 319Performativität bei Butler 3217.2 Diskurs und Verkörperung 324Die Macht des Diskurses: Erzwungene Verkörperungen 327Psyche der Macht - Butler als Denkerin ontogenetischer Alterität 329Normalisierung versus Normierung: Zwei Formen der Gewalt 3367.3 Beruht Normalisierung wirklich auf Zitatförmigkeit? 3397.4 Ereignis, Szene, Situation: Die Macht im Affektgeschehen 346Ausblick: Modulation und Immersion 350Teil IV: Immersive Macht8 Von der Normalisierung zur Kontrolle: Immersive Macht 3558.1 Kontrollgesellschaften und Immersionsgefüge 359Macht der Modulation: Kontrollgesellschaften 359Affektanalytik: Dispositiv - Agencement - affektives Arrangement 365Von Inklusion zu Immersion 3718.2 Fallstudie Arbeitsplatz I: Der "Kult des Teams" 374Das Team als betriebliche Organisationsform 375Das Team als Regierungstechnik 379"Affective Labor" und immersive Macht 3868.3 Fallstudie Arbeitsplatz II: Immersion des Selbst 390Immersion als Lebensform: "Life at Google" 392Autoritäre Psychologie von unten: Der "Noogler-Komplex" 401Führerkult des 21 Jahrhunderts: "emergent leadership" 4068.4 Immersion als Regierungskunst: Affective Exploits 4149 Das Subjekt der Immersion 4199.1 Was heisst Subjektivierung in der immersiven Macht? 421Vom Diskurs zur Resonanzsphäre: Die Normen werden unsichtbar 426Selbstbezug und Zugehörigkeit: Sich als Teil eines Wir empfinden 431Immersion als Vereinnahmung und die Praxis der Freiheit 4349.2 Immersive Macht jenseits der Produktionssphäre 437Für eine politische Theorie der Subjektivität (contra Massumi) 44210 Schluss: Kritik der Immersion 45110.1 Relative Immanenzsphären und 'Realitätsblasen' 45210.2 Modulierte "Weltbeziehungen" 45910.3 Die Macht der Selbstkritik 466Strategisch-politische Ontologie: Verhältnisse benennen 469Onto-Genealogie seiner selbst: Gewordenheit explizieren 471Unter Freund_innen: Sich nicht derart affizieren lassen 473Siglen und Zitierweise 477Literatur 479Dank 501
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Autoren-Porträt von Rainer Mühlhoff
Rainer Mühlhoff ist wissenschaftlicher Mitarbeiter am Institut für Philosophie der FU Berlin.
Bibliographische Angaben
- Autor: Rainer Mühlhoff
- 2018, 501 Seiten, Masse: 14,1 x 21,4 cm, Kartoniert (TB), Deutsch
- Verlag: CAMPUS VERLAG
- ISBN-10: 3593508346
- ISBN-13: 9783593508344
- Erscheinungsdatum: 05.03.2018
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