Im Schatten der Wälder
Fiona Bristow ist die einzige Überlebende eines Serienkillers. Sie lebt seitdem zurückgezogen auf einer Insel vor der Küste Seattles. Doch Fionas einstiger Verfolger hat offensichtlich einen »Schüler« und der hat nur ein Ziel ...
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Produktinformationen zu „Im Schatten der Wälder “
Fiona Bristow ist die einzige Überlebende eines Serienkillers. Sie lebt seitdem zurückgezogen auf einer Insel vor der Küste Seattles. Doch Fionas einstiger Verfolger hat offensichtlich einen »Schüler« und der hat nur ein Ziel ...
Klappentext zu „Im Schatten der Wälder “
Rot wie die Liebe. Rot wie die Wut. Rot wie der Tod.Fiona Bristow lebt als Hundetrainerin und Mitglied einer Hunderettungsstaffel auf der idyllischen Orcas Island vor der Küste Seattles. Keiner weiss, dass die Insel Fionas Refugium ist, um einen Albtraum zu vergessen. Sie ist die einzige Überlebende eines Serienkillers, der junge Frauen mit einem roten Schal erwürgte und auch Fionas Verlobten ermordete.
Mit Fionas Ruhe ist es vorbei, als der knurrige Künstler Simon mit seinem Hund Jaw in ihr Leben stolpert. Simon wollte nie einen Welpen, und definitiv will er keine Frau. Als Fiona mit Jaw trainiert und Simon lernt, sowohl Hund als auch Trainerin mehr und mehr zu schätzen, bricht die Vergangenheit in Fionas Leben ein. Fionas Verfolger sitzt im Gefängnis, aber eines ist klar: Er hat einen Schüler, draussen in den Wäldern von Orcas, der nur ein Ziel hat den roten Schal um den Hals der Frau zu schlingen, die damals entkommen ist ...
'Nichts für schwache Nerven.' -- Neue Woche
'Klare Sprache, packende Handlung, brandneu - ein famoser Thriller!' -- Gong/Super TV/Bild + Funk
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Lese-Probe zu „Im Schatten der Wälder “
Im Schatten der Wälder von Nora Roberts1
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An einem kalten, verregneten Morgen im Februar liebten Devin und Rosie Cauldwell sich langsam und schläfrig.
Es war der dritte Tag ihres einwöchigen Urlaubs - und seit zwei Monaten versuchten sie, zum zweiten Mal schwanger zu werden. Ihr dreijähriger Sohn, Hugh, war das Ergebnis eines langen Wochenendes auf Orcas Island in den San Juans und - davon war Rosie überzeugt - eines verregneten Nachmittags und einer Flasche Pinot Noir.
Sie hofften, ihren Erfolg bei einem weiteren Besuch auf Orcas wiederholen zu können, und machten sich fröhlich an die Arbeit, während ihr kleiner Sohn mit seinem geliebten Wubby im Nebenzimmer schlief.
Für Wein war es noch viel zu früh am Tag, aber Rosie nahm den leichten Nieselregen als gutes Omen.
Als sie sich danach erhitzt und gelöst vom Sex aneinander kuschelten, lächelte sie.
»Wer hatte die allerbeste Idee?«
Devin kniff ihr in den Hintern. »Du.«
»Warte mal, gerade ist mir noch etwas eingefallen.« »Ich glaube, ich brauche erst noch ein paar Minuten.«
Lachend stützte sie sich auf seine Brust und grinste ihn an.
»Denk nicht immer nur an das Eine.«
»Ich glaube, dafür brauche ich auch noch ein paar Minuten. «
»Wir brauchen Pfannkuchen. Regnerischer Morgen, unser gemütliches Haus - das schreit geradezu nach Pfannkuchen.«
Er blinzelte sie an. »Wer macht sie?«
»Lassen wir das Schicksal entscheiden.«
Sie setzte sich auf, und dann überließen sie die Entscheidung, wie es bei den Cauldwells seit jeher üblich war, Schere, Stein, Papier.
»Verdammt«, murmelte sie, als er ihre Schere mit seinem Stein zermalmte.
»Der Beste siegt eben.«
»Ach, du liebe Güte. Aber fair ist fair, und außerdem muss ich sowieso aufs Klo. « Sie gab ihm einen schmatzenden Kuss und sprang aus dem Bett. »Ich liebe Urlaub«, sagte sie, als sie ins Badezimmer lief.
Vor allem diesen Urlaub, dachte sie, mit ihren beiden gut aussehenden Männern. Wenn der Regen noch anhielt, konnten sie drinnen spielen, aber wenn es aufhörte, konnten sie Hugh in seinen Kindersitz setzen und Fahrrad fahren oder vielleicht einen langen Spaziergang machen.
Hugh war überaus gerne hier. Er liebte die Vögel, den See, die Rehe, die sie ab und zu sahen, und natürlich die Kaninchen - alles Geschwister seines treuen Wubby.
Und möglicherweise hatte er ja im Herbst ebenfalls ein Geschwisterchen. Sie hatte einen Eisprung - aber es war nicht so, dass sie davon besessen war, schwanger zu werden. Es hatte doch nichts mit Besessenheit zu tun, wenn man die Tage zählte, dachte sie, als sie ihre vom Schlaf zerzausten Haare mit einem Band zurücknahm. Sie hatte nur ein gesundes Körperbewusstsein.
Sie ergriff ein Sweatshirt und eine Flanellhose und warf noch einen Blick auf Devin, der schon wieder eingedöst war. Sie hatten es wirklich gut.
Rasch zog sie sich dicke Socken über, dann blickte sie auf ihre Armbanduhr, die auf dem Nachttisch lag.
»Es ist ja schon nach acht. Dass Hugh so lange schläft!«
»Liegt wahrscheinlich am Regen«, murmelte Devin. »Ja, wahrscheinlich.«
Trotzdem schaute sie in seinem Zimmer nach, wie sie es jeden Morgen tat. Sie bewegte sich leise, damit er nicht aufwachte - es war selten genug, dass sie eine Tasse Kaffee trinken konnte, bevor sie das erste Mommy des Tages hörte.
Vorsichtig spähte sie ins Zimmer, in der Erwartung, ihn an sein Stoffhäschen gekuschelt vorzufinden. Das leere Bett versetzte sie nicht in Panik. Er war bestimmt aufgestanden, um Pipi zu machen, schließlich war er schon fast sauber.
Sie geriet auch noch nicht in Panik, als sie ihn in dem kleinen Badezimmer hinten am Flur nicht fand. Da er für gewöhnlich früh wach wurde, hatten sie ihn ermuntert, noch ein bisschen zu spielen, bevor er sie weckte. Sonst hatte sie ihn immer gehört, wenn er mit seinen Spielsachen redete oder seine Autos fahren ließ, aber der Feriensex hatte sie abgelenkt.
Gott, dachte sie und lief die Treppe hinunter, wenn er nun ins Zimmer geschaut hatte, als sie es taten? Nein, dann wäre er hineingekommen und hätte gefragt, was sie da spielten.
Halb lachend wandte sie sich zu dem hübschen Wohnzimmer, wobei sie erwartete, ihren kleinen Jungen umgeben von seinen Lieblingsspielsachen auf dem Boden sitzen zu sehen.
Als das jedoch nicht der Fall war, stieg zum ersten Mal leises Unbehagen in ihr auf.
Sie rief seinen Namen und rannte los, ihre Socken rutschten auf den Holzdielen.
Jetzt schlug die Panik zu, scharf wie ein Messer.
Die Küchentür stand weit offen.
Kurz nach neun hielt Fiona Bristow vor dem kleinen Ferienhaus mitten im Moran State Park. Stetig fiel feiner Nieselregen, was schlecht für die Spurensuche war. Sie gab ihrem Partner ein Zeichen, im Wagen zu bleiben, dann stieg sie aus und trat auf einen der Polizisten zu.
» Davey. «
»Hey, Fee. Du bist aber schnell hier.«
»Ich hatte es nicht weit. Die anderen sind auch schon unterwegs. Können wir das Haus als Basis benutzen, oder sollen wir es hier draußen aufschlagen?«
»Nein, wir nehmen das Haus. Du willst sicher selbst mit den Eltern reden, aber ich kann dir ja schon mal das Wichtigste sagen. Hugh Cauldwell, drei Jahre alt, blond und blauäugig. Trug zuletzt einen Spiderman-Pyjama.«
Fiona sah, dass er seine Lippen ein wenig zusammenpresste. Davey hatte ebenfalls einen Jungen in dem Alter, und er besaß wahrscheinlich genauso einen Spiderman-Pyjama.
»Gegen acht Uhr fünfzehn ist der Mutter zum ersten Mal aufgefallen, dass er verschwunden war«, fuhr Davey fort. »Die Hintertür stand offen. Keine sichtbaren Zeichen von gewaltsamem Eindringen oder einem Einbrecher. Die Mutter sagte dem Vater Bescheid. Sie haben direkt bei uns angerufen und haben unmittelbar um das Haus herum nach ihm gesucht und gerufen.«
Und den gesamten Bereich für die Spurensuche unbrauchbar gemacht, dachte Fiona. Aber wer konnte es ihnen verdenken?
»Wir haben Haus und Grundstück sorgfältig durchsucht, um sicherzugehen, dass er sich nicht nur versteckt hat. « Davey wandte sich wieder zu Fiona. Vom Schirm seiner Kappe tropfte der Regen. »Er ist nicht im Haus, und seine Mutter sagt, er hat sein Plüschhäschen dabei. Er schläft immer damit und schleppt es überall mit sich herum. McMahon und Matt haben sich schon auf die Suche gemacht«, fügte er hinzu. Das waren die Namen des Sheriffs und seines jungen Deputy.
»McMahon hat mich auch angewiesen, deine Einheit anzufordern. Ich soll hier vor Ort bleiben.«
»Ja, wir legen gleich los. Zuerst möchte ich aber mit den Eltern sprechen, wenn es dir recht ist.«
Davey wies aufs Haus. »Sie haben Angst, wie du dir denken kannst - und sie möchten am liebsten sofort nach ihm suchen. Vielleicht kannst du mir helfen, es ihnen auszureden.«
»Ich werde zusehen, was ich tun kann.« Sie trat wieder an ihr Auto, öffnete die Tür und ließ ihren Partner heraus. Peck sprang heraus und ging mit ihr und Davey zum Haus.
Fiona trat zu dem Paar, das eng umschlungen auf der Couch gesessen hatte und jetzt aufstand. Die Frau umklammerte ein kleines rotes Feuerwehrauto.
»Mr und Mrs Cauldwell, ich bin Fiona Bristow von der Hunderettungsstaffel. Das ist Peck.« Sie legte die Hand auf den Kopf eines schokoladenbraunen Labradors. »Der Rest meiner Einheit ist unterwegs. Wir werden bei der Suche nach Hugh helfen.«
»Sie müssen sofort losgehen. Jetzt, sofort. Er ist erst drei.«
»Ja, Ma'am. Der Rest meiner Einheit muss jeden Moment hier sein. Es würde uns helfen, wenn ich zuerst einige Informationen bekommen könnte.«
»Wir haben der Polizei und den Rangers schon alles gesagt.« Devin blickte zum Fenster. »Ich muss hinaus und nach ihm suchen. Wir vergeuden hier nur Zeit.«
»Glauben Sie mir, Mr Cauldwell, die Polizei und die Ranger tun ihr Bestes, um Hugh zu finden. Sie haben uns hinzugezogen, weil wir speziell für solche Suchen ausgebildet sind. Für uns ist es oberste Priorität, Ihren kleinen Jungen zu finden. Wir arbeiten mit der Polizei und den Rangern zusammen, aber ich muss mich vergewissern, dass wir alle nötigen Informationen haben, damit wir unsere Ressourcen optimieren können. Sie haben gegen acht Uhr fünfzehn gemerkt, dass Hugh nicht da war, ist das richtig?«
Rosies Augen schwammen in Tränen. »Ich hätte früher nach ihm gucken sollen. Er schläft eigentlich nie länger als bis sieben. Ich hätte ... «
»Mrs Cauldwell ... Rosie«, sagte Fiona und benutzte den Vornamen, damit sie die Frau besser trösten konnte. »Machen Sie sich keine Vorwürfe. Kleine Jungs sind nun mal neugierig. Hat Hugh noch nie das Haus allein verlassen?«
»Nein, noch nie. Ich dachte zuerst, er wäre zum Spielen heruntergegangen, aber dann konnte ich ihn nicht finden und ging in die Küche. Und die Tür ... die Tür stand offen. Weit offen. Und ich konnte ihn nicht finden.«
»Eventuell könnten Sie es mir zeigen.« Fiona gab Peck ein Zeichen, ihr zu folgen. »Trägt er seinen Schlafanzug?«
»Ja, einen Spiderman-Pyjama. Ihm ist bestimmt kalt, und er ist nass und hat Angst.« Ihre Schultern bebten, als sie zur Küche ging. »Ich verstehe nicht, was Sie anderes machen können als die Polizei.«
»Wir verfügen über andere Hilfsmittel. Peck ist darauf trainiert. Wir haben ihn schon bei zahllosen Suchen eingesetzt.«
Rosie wischte sich die Tränen von den Wangen. »Hugh mag Hunde. Er mag alle Tiere. Wenn der Hund bellt, hört Hugh es vielleicht und kommt zurück.«
Fiona schwieg. Sie öffnete die Tür und hockte sich hin, um den Blickwinkel eines Dreijährigen einzunehmen. Er mag alle Tiere. »Hier in der Gegend gibt es bestimmt jede Menge Tiere. Rehe, Füchse, Kaninchen.«
»Ja. Ja. Es ist ganz anders als in Seattle. Er guckt stundenlang aus dem Fenster oder von der Terrasse. Und wir haben Wanderungen und Fahrradtouren gemacht.«
»Ist Hugh schüchtern?«
»Nein. O nein. Er ist abenteuerlustig und kontaktfreudig. Furchtlos. Oh, Gott.«
Instinktiv legte Fiona Rosie den Arm um die zuckenden Schultern. »Rosie, wir werden uns hier in der Küche versammeln, wenn das für Sie okay ist. Ich brauche von Ihnen fünf Sachen, die Hugh kürzlich angehabt hat. Die Socken von gestern, Unterwäsche, ein T-Shirt, so etwas. Fünf kleine Kleidungsstücke. Fassen Sie sie nur mit spitzen Fingern an, und stecken Sie sie hier hinein.«
Fiona reichte ihr Plastikbeutel.
»Wir sind zu fünft. Fünf Hundeführer, fünf Hunde. Wir brauchen alle etwas von Hugh, damit die Hunde seine Fährte aufnehmen können.«
»Sie ... sie spüren seine Fährte auf?«
Fiona nickte. Wozu sollte sie jetzt komplizierte Erklärungen abgeben? Der Junge war schon seit über einer Stunde verschwunden. »Ja, genau. Mag er irgendeine Süßigkeit besonders gerne? Vielleicht etwas, was er bekommt, wenn er artig war?«
Rosie zupfte an ihren Haaren und blickte sich um. »Ach so, ja. Er mag Gummibärchen.«
»Wunderbar. Haben Sie welche da?«
»Ich... ja.«
»Wenn Sie bitte die Kleidungsstücke und die Gummibärchen holen könnten«, bat Fiona sie lächelnd. »Ich höre meine Einheit schon. Wir machen uns jetzt bereit.«
»Okay. Okay. Bitte ... er ist erst drei.«
Rosie eilte aus dem Zimmer. Fiona warf Peck einen kurzen Blick zu und begann mit den Vorbereitungen.
Als ihre Leute hereinkamen, schilderte sie ihnen kurz die Lage und zeigte ihnen auf den Karten ihre Sektoren. Sie kannte das Gebiet wie ihre Westentasche.
Ein Paradies, dachte sie, für die, die für eine Zeit lang der Hektik der Städte entkommen wollten und Ruhe und Landschaft suchten. Für einen kleinen Jungen jedoch, der sich ver-
irrt hatte, eine Welt voller Gefahren. Schluchten, Seen, Felsen.
Mehr als fünfzig Kilometer Wanderpfade, dachte sie, mehr als zwanzig Quadratkilometer Wald, die einen Dreijährigen und sein Plüschhäschen verschlucken konnten.
»Es regnet, deshalb halten wir die Suchgitter engmaschig und decken diesen Bereich ab.« Fiona umrandete die Sektionen ihrer Mitarbeiter auf der Karte, während Davey die entsprechenden Daten auf einer großen weißen Tafel auflistete. »Die Abschnitte überlappen einander, aber wir sollten auf gute Kommunikation achten, damit wir uns nicht auf die Füße treten.«
»Mittlerweile ist er bestimmt nass und durchgefroren.« Meg Greene, selbst Mutter zweier Kinder und seit Kurzem Großmutter, warf ihrem Mann Chuck einen Blick zu. »Der arme kleine Kerl.«
»Ein Kind in diesem Alter hat ja bestimmt noch keinen Orientierungssinn. Er wird Gott weiß wo herumlaufen.« James Hutton überprüfte stirnrunzelnd sein Funkgerät.
»Vielleicht ist er auch müde geworden und hat sich einfach irgendwo zum Schlafen hingelegt.« Lori Dyson nickte zu ihrem Schäferhund Pip. »Er hört wahrscheinlich gar nicht, wie wir nach ihm rufen, aber unsere Jungs werden ihn schon erschnüffeln. «
»So habe ich mir das vorgestellt. Haben alle ihre Koordinaten? Funkgeräte und Rucksäcke überprüft? Vergewissert euch, dass ihr den Kompass dabei habt. Mai hat einen Notfall und Davey muss allein die Stellung halten, also meldet euch regelmäßig bei ihm.«
Sie hielt inne, als die Cauldwells hereinkamen.
»Ich habe ...« Rosies Kinn bebte. »Ich habe die Sachen geholt.«
»Wunderbar.« Fiona trat zu ihr und legte der völlig verängstigten Mutter die Hände auf die Schultern. »Denken Sie positiv. Jeder da draußen hat nur eins im Sinn: Hugh zu finden und ihn nach Hause zu bringen.«
Sie ergriff die Tüten und reichte sie ihren Leuten. »Okay, dann wollen wir mal los.«
Sie trat mit den anderen nach draußen und streifte ihren Rucksack über. Peck stand neben ihr. Ein leichtes Beben seines Körpers war das einzige Zeichen dafür, dass er endlich anfangen wollte. Jeder nahm seine Position ein und richtete den Kompass aus.
Sie öffnete die Tüte, die eine kleine Socke enthielt, und hielt sie Peck vor die Nase.
»Das ist Hugh. Hugh. Hugh ist ein kleiner Junge, Peck. Das ist Hugh.«
Der Hund schnüffelte enthusiastisch - er kannte seinen Job. Er warf ihr einen Blick zu, schnüffelte erneut, dann blickte er sie aufmerksam an, und sein Körper bebte, als wolle er sagen: Okay, ich habe verstanden! Lass uns loslegen!
»Such Hugh. « Sie machte ein Handzeichen, und Peck hob die Nase in die Luft. »Los, such Hugh!«
Sie beobachtete, wie er einen Bogen schlug und die Witterung aufnahm, dann überließ sie ihm die Führung. Der stetige Nieselregen war ein Hindernis, aber Peck arbeitete gut im Regen.
Sie blieb, wo sie war, und ermunterte ihn verbal. Der Regen tropfte auf ihren hellgelben Anorak.
Als er sich nach Osten wandte, folgte sie ihm in den Wald.
Peck war fünf Jahre alt, ein siebzig Pfund schwerer, schokoladenbrauner Labrador - stark, klug und unermüdlich. Fiona wusste, er würde stundenlang unter allen Bedingungen, in jedem Gelände nach lebenden oder toten Personen suchen. Sie musste es nur von ihm verlangen.
Zusammen bewegten sie sich durch den tiefen Wald, über den weichen Boden, der hoch mit den Nadeln der riesigen Douglasfichten und uralten Zedern bedeckt war. Hier und dort standen Gruppen von Pilzen, gefallene Baumstämme waren mit dickem, grünem Moos bedeckt, und dornige Ranken wucherten darüber. Fiona achtete auf die Körpersprache ihres Partners, blickte auf ihren Kompass, merkte sich, wo sie entlanggingen. Ab und zu sah Peck sie an, damit sie wusste, dass er bei der Arbeit war.
»Such Hugh. Lass uns Hugh suchen, Peck.«
Er schnüffelte am Boden um einen gefallenen Baumstamm.
»Hast du etwas gefunden? Das ist gut. Guter Hund.« Sie kennzeichnete die Stelle mit einem hellblauen Klebeband, dann blickte sie sich um und rief Hughs Namen. Um besser hören zu können, schloss sie die Augen.
Aber sie hörte nur das leise Rauschen des Regens und das Wispern des Windes in den Bäumen.
Peck stupste sie an, und sie öffnete die Tüte, damit Peck den Geruch erneut aufnehmen konnte.
»Such Hugh «, wiederholte sie. »Such Hugh, Peck.«
Er lief wieder los, und Fiona kletterte in ihren kräftigen Stiefeln über den Baumstamm und folgte ihm. Als Peck sich nach Süden wandte, gab sie ihre neue Position an Davey durch und verständigte sich mit den Mitgliedern ihres Teams.
Das Kind war mindestens seit zwei Stunden draußen, dachte sie. Eine Ewigkeit für besorgte Eltern.
Aber Kleinkinder hatten kein wirkliches Zeitgefühl. Kinder in seinem Alter waren sehr mobil und verstanden noch nicht, dass man sich verirren konnte. Sie liefen ziellos herum, abgelenkt durch das, was sie sahen und hörten, und bewiesen oft beachtliche Ausdauer. Es konnte Stunden dauern, bevor Hugh müde wurde und nach seiner Mutter verlangte.
Sie schaute einem Kaninchen nach, das ins Gebüsch sprang.
Übersetzung: Margarethe van Pée
Copyright © für die deutsche Ausgabe 2010
by Blanvalet Verlag, in der Verlagsgruppe Random House GmbH,
München
An einem kalten, verregneten Morgen im Februar liebten Devin und Rosie Cauldwell sich langsam und schläfrig.
Es war der dritte Tag ihres einwöchigen Urlaubs - und seit zwei Monaten versuchten sie, zum zweiten Mal schwanger zu werden. Ihr dreijähriger Sohn, Hugh, war das Ergebnis eines langen Wochenendes auf Orcas Island in den San Juans und - davon war Rosie überzeugt - eines verregneten Nachmittags und einer Flasche Pinot Noir.
Sie hofften, ihren Erfolg bei einem weiteren Besuch auf Orcas wiederholen zu können, und machten sich fröhlich an die Arbeit, während ihr kleiner Sohn mit seinem geliebten Wubby im Nebenzimmer schlief.
Für Wein war es noch viel zu früh am Tag, aber Rosie nahm den leichten Nieselregen als gutes Omen.
Als sie sich danach erhitzt und gelöst vom Sex aneinander kuschelten, lächelte sie.
»Wer hatte die allerbeste Idee?«
Devin kniff ihr in den Hintern. »Du.«
»Warte mal, gerade ist mir noch etwas eingefallen.« »Ich glaube, ich brauche erst noch ein paar Minuten.«
Lachend stützte sie sich auf seine Brust und grinste ihn an.
»Denk nicht immer nur an das Eine.«
»Ich glaube, dafür brauche ich auch noch ein paar Minuten. «
»Wir brauchen Pfannkuchen. Regnerischer Morgen, unser gemütliches Haus - das schreit geradezu nach Pfannkuchen.«
Er blinzelte sie an. »Wer macht sie?«
»Lassen wir das Schicksal entscheiden.«
Sie setzte sich auf, und dann überließen sie die Entscheidung, wie es bei den Cauldwells seit jeher üblich war, Schere, Stein, Papier.
»Verdammt«, murmelte sie, als er ihre Schere mit seinem Stein zermalmte.
»Der Beste siegt eben.«
»Ach, du liebe Güte. Aber fair ist fair, und außerdem muss ich sowieso aufs Klo. « Sie gab ihm einen schmatzenden Kuss und sprang aus dem Bett. »Ich liebe Urlaub«, sagte sie, als sie ins Badezimmer lief.
Vor allem diesen Urlaub, dachte sie, mit ihren beiden gut aussehenden Männern. Wenn der Regen noch anhielt, konnten sie drinnen spielen, aber wenn es aufhörte, konnten sie Hugh in seinen Kindersitz setzen und Fahrrad fahren oder vielleicht einen langen Spaziergang machen.
Hugh war überaus gerne hier. Er liebte die Vögel, den See, die Rehe, die sie ab und zu sahen, und natürlich die Kaninchen - alles Geschwister seines treuen Wubby.
Und möglicherweise hatte er ja im Herbst ebenfalls ein Geschwisterchen. Sie hatte einen Eisprung - aber es war nicht so, dass sie davon besessen war, schwanger zu werden. Es hatte doch nichts mit Besessenheit zu tun, wenn man die Tage zählte, dachte sie, als sie ihre vom Schlaf zerzausten Haare mit einem Band zurücknahm. Sie hatte nur ein gesundes Körperbewusstsein.
Sie ergriff ein Sweatshirt und eine Flanellhose und warf noch einen Blick auf Devin, der schon wieder eingedöst war. Sie hatten es wirklich gut.
Rasch zog sie sich dicke Socken über, dann blickte sie auf ihre Armbanduhr, die auf dem Nachttisch lag.
»Es ist ja schon nach acht. Dass Hugh so lange schläft!«
»Liegt wahrscheinlich am Regen«, murmelte Devin. »Ja, wahrscheinlich.«
Trotzdem schaute sie in seinem Zimmer nach, wie sie es jeden Morgen tat. Sie bewegte sich leise, damit er nicht aufwachte - es war selten genug, dass sie eine Tasse Kaffee trinken konnte, bevor sie das erste Mommy des Tages hörte.
Vorsichtig spähte sie ins Zimmer, in der Erwartung, ihn an sein Stoffhäschen gekuschelt vorzufinden. Das leere Bett versetzte sie nicht in Panik. Er war bestimmt aufgestanden, um Pipi zu machen, schließlich war er schon fast sauber.
Sie geriet auch noch nicht in Panik, als sie ihn in dem kleinen Badezimmer hinten am Flur nicht fand. Da er für gewöhnlich früh wach wurde, hatten sie ihn ermuntert, noch ein bisschen zu spielen, bevor er sie weckte. Sonst hatte sie ihn immer gehört, wenn er mit seinen Spielsachen redete oder seine Autos fahren ließ, aber der Feriensex hatte sie abgelenkt.
Gott, dachte sie und lief die Treppe hinunter, wenn er nun ins Zimmer geschaut hatte, als sie es taten? Nein, dann wäre er hineingekommen und hätte gefragt, was sie da spielten.
Halb lachend wandte sie sich zu dem hübschen Wohnzimmer, wobei sie erwartete, ihren kleinen Jungen umgeben von seinen Lieblingsspielsachen auf dem Boden sitzen zu sehen.
Als das jedoch nicht der Fall war, stieg zum ersten Mal leises Unbehagen in ihr auf.
Sie rief seinen Namen und rannte los, ihre Socken rutschten auf den Holzdielen.
Jetzt schlug die Panik zu, scharf wie ein Messer.
Die Küchentür stand weit offen.
Kurz nach neun hielt Fiona Bristow vor dem kleinen Ferienhaus mitten im Moran State Park. Stetig fiel feiner Nieselregen, was schlecht für die Spurensuche war. Sie gab ihrem Partner ein Zeichen, im Wagen zu bleiben, dann stieg sie aus und trat auf einen der Polizisten zu.
» Davey. «
»Hey, Fee. Du bist aber schnell hier.«
»Ich hatte es nicht weit. Die anderen sind auch schon unterwegs. Können wir das Haus als Basis benutzen, oder sollen wir es hier draußen aufschlagen?«
»Nein, wir nehmen das Haus. Du willst sicher selbst mit den Eltern reden, aber ich kann dir ja schon mal das Wichtigste sagen. Hugh Cauldwell, drei Jahre alt, blond und blauäugig. Trug zuletzt einen Spiderman-Pyjama.«
Fiona sah, dass er seine Lippen ein wenig zusammenpresste. Davey hatte ebenfalls einen Jungen in dem Alter, und er besaß wahrscheinlich genauso einen Spiderman-Pyjama.
»Gegen acht Uhr fünfzehn ist der Mutter zum ersten Mal aufgefallen, dass er verschwunden war«, fuhr Davey fort. »Die Hintertür stand offen. Keine sichtbaren Zeichen von gewaltsamem Eindringen oder einem Einbrecher. Die Mutter sagte dem Vater Bescheid. Sie haben direkt bei uns angerufen und haben unmittelbar um das Haus herum nach ihm gesucht und gerufen.«
Und den gesamten Bereich für die Spurensuche unbrauchbar gemacht, dachte Fiona. Aber wer konnte es ihnen verdenken?
»Wir haben Haus und Grundstück sorgfältig durchsucht, um sicherzugehen, dass er sich nicht nur versteckt hat. « Davey wandte sich wieder zu Fiona. Vom Schirm seiner Kappe tropfte der Regen. »Er ist nicht im Haus, und seine Mutter sagt, er hat sein Plüschhäschen dabei. Er schläft immer damit und schleppt es überall mit sich herum. McMahon und Matt haben sich schon auf die Suche gemacht«, fügte er hinzu. Das waren die Namen des Sheriffs und seines jungen Deputy.
»McMahon hat mich auch angewiesen, deine Einheit anzufordern. Ich soll hier vor Ort bleiben.«
»Ja, wir legen gleich los. Zuerst möchte ich aber mit den Eltern sprechen, wenn es dir recht ist.«
Davey wies aufs Haus. »Sie haben Angst, wie du dir denken kannst - und sie möchten am liebsten sofort nach ihm suchen. Vielleicht kannst du mir helfen, es ihnen auszureden.«
»Ich werde zusehen, was ich tun kann.« Sie trat wieder an ihr Auto, öffnete die Tür und ließ ihren Partner heraus. Peck sprang heraus und ging mit ihr und Davey zum Haus.
Fiona trat zu dem Paar, das eng umschlungen auf der Couch gesessen hatte und jetzt aufstand. Die Frau umklammerte ein kleines rotes Feuerwehrauto.
»Mr und Mrs Cauldwell, ich bin Fiona Bristow von der Hunderettungsstaffel. Das ist Peck.« Sie legte die Hand auf den Kopf eines schokoladenbraunen Labradors. »Der Rest meiner Einheit ist unterwegs. Wir werden bei der Suche nach Hugh helfen.«
»Sie müssen sofort losgehen. Jetzt, sofort. Er ist erst drei.«
»Ja, Ma'am. Der Rest meiner Einheit muss jeden Moment hier sein. Es würde uns helfen, wenn ich zuerst einige Informationen bekommen könnte.«
»Wir haben der Polizei und den Rangers schon alles gesagt.« Devin blickte zum Fenster. »Ich muss hinaus und nach ihm suchen. Wir vergeuden hier nur Zeit.«
»Glauben Sie mir, Mr Cauldwell, die Polizei und die Ranger tun ihr Bestes, um Hugh zu finden. Sie haben uns hinzugezogen, weil wir speziell für solche Suchen ausgebildet sind. Für uns ist es oberste Priorität, Ihren kleinen Jungen zu finden. Wir arbeiten mit der Polizei und den Rangern zusammen, aber ich muss mich vergewissern, dass wir alle nötigen Informationen haben, damit wir unsere Ressourcen optimieren können. Sie haben gegen acht Uhr fünfzehn gemerkt, dass Hugh nicht da war, ist das richtig?«
Rosies Augen schwammen in Tränen. »Ich hätte früher nach ihm gucken sollen. Er schläft eigentlich nie länger als bis sieben. Ich hätte ... «
»Mrs Cauldwell ... Rosie«, sagte Fiona und benutzte den Vornamen, damit sie die Frau besser trösten konnte. »Machen Sie sich keine Vorwürfe. Kleine Jungs sind nun mal neugierig. Hat Hugh noch nie das Haus allein verlassen?«
»Nein, noch nie. Ich dachte zuerst, er wäre zum Spielen heruntergegangen, aber dann konnte ich ihn nicht finden und ging in die Küche. Und die Tür ... die Tür stand offen. Weit offen. Und ich konnte ihn nicht finden.«
»Eventuell könnten Sie es mir zeigen.« Fiona gab Peck ein Zeichen, ihr zu folgen. »Trägt er seinen Schlafanzug?«
»Ja, einen Spiderman-Pyjama. Ihm ist bestimmt kalt, und er ist nass und hat Angst.« Ihre Schultern bebten, als sie zur Küche ging. »Ich verstehe nicht, was Sie anderes machen können als die Polizei.«
»Wir verfügen über andere Hilfsmittel. Peck ist darauf trainiert. Wir haben ihn schon bei zahllosen Suchen eingesetzt.«
Rosie wischte sich die Tränen von den Wangen. »Hugh mag Hunde. Er mag alle Tiere. Wenn der Hund bellt, hört Hugh es vielleicht und kommt zurück.«
Fiona schwieg. Sie öffnete die Tür und hockte sich hin, um den Blickwinkel eines Dreijährigen einzunehmen. Er mag alle Tiere. »Hier in der Gegend gibt es bestimmt jede Menge Tiere. Rehe, Füchse, Kaninchen.«
»Ja. Ja. Es ist ganz anders als in Seattle. Er guckt stundenlang aus dem Fenster oder von der Terrasse. Und wir haben Wanderungen und Fahrradtouren gemacht.«
»Ist Hugh schüchtern?«
»Nein. O nein. Er ist abenteuerlustig und kontaktfreudig. Furchtlos. Oh, Gott.«
Instinktiv legte Fiona Rosie den Arm um die zuckenden Schultern. »Rosie, wir werden uns hier in der Küche versammeln, wenn das für Sie okay ist. Ich brauche von Ihnen fünf Sachen, die Hugh kürzlich angehabt hat. Die Socken von gestern, Unterwäsche, ein T-Shirt, so etwas. Fünf kleine Kleidungsstücke. Fassen Sie sie nur mit spitzen Fingern an, und stecken Sie sie hier hinein.«
Fiona reichte ihr Plastikbeutel.
»Wir sind zu fünft. Fünf Hundeführer, fünf Hunde. Wir brauchen alle etwas von Hugh, damit die Hunde seine Fährte aufnehmen können.«
»Sie ... sie spüren seine Fährte auf?«
Fiona nickte. Wozu sollte sie jetzt komplizierte Erklärungen abgeben? Der Junge war schon seit über einer Stunde verschwunden. »Ja, genau. Mag er irgendeine Süßigkeit besonders gerne? Vielleicht etwas, was er bekommt, wenn er artig war?«
Rosie zupfte an ihren Haaren und blickte sich um. »Ach so, ja. Er mag Gummibärchen.«
»Wunderbar. Haben Sie welche da?«
»Ich... ja.«
»Wenn Sie bitte die Kleidungsstücke und die Gummibärchen holen könnten«, bat Fiona sie lächelnd. »Ich höre meine Einheit schon. Wir machen uns jetzt bereit.«
»Okay. Okay. Bitte ... er ist erst drei.«
Rosie eilte aus dem Zimmer. Fiona warf Peck einen kurzen Blick zu und begann mit den Vorbereitungen.
Als ihre Leute hereinkamen, schilderte sie ihnen kurz die Lage und zeigte ihnen auf den Karten ihre Sektoren. Sie kannte das Gebiet wie ihre Westentasche.
Ein Paradies, dachte sie, für die, die für eine Zeit lang der Hektik der Städte entkommen wollten und Ruhe und Landschaft suchten. Für einen kleinen Jungen jedoch, der sich ver-
irrt hatte, eine Welt voller Gefahren. Schluchten, Seen, Felsen.
Mehr als fünfzig Kilometer Wanderpfade, dachte sie, mehr als zwanzig Quadratkilometer Wald, die einen Dreijährigen und sein Plüschhäschen verschlucken konnten.
»Es regnet, deshalb halten wir die Suchgitter engmaschig und decken diesen Bereich ab.« Fiona umrandete die Sektionen ihrer Mitarbeiter auf der Karte, während Davey die entsprechenden Daten auf einer großen weißen Tafel auflistete. »Die Abschnitte überlappen einander, aber wir sollten auf gute Kommunikation achten, damit wir uns nicht auf die Füße treten.«
»Mittlerweile ist er bestimmt nass und durchgefroren.« Meg Greene, selbst Mutter zweier Kinder und seit Kurzem Großmutter, warf ihrem Mann Chuck einen Blick zu. »Der arme kleine Kerl.«
»Ein Kind in diesem Alter hat ja bestimmt noch keinen Orientierungssinn. Er wird Gott weiß wo herumlaufen.« James Hutton überprüfte stirnrunzelnd sein Funkgerät.
»Vielleicht ist er auch müde geworden und hat sich einfach irgendwo zum Schlafen hingelegt.« Lori Dyson nickte zu ihrem Schäferhund Pip. »Er hört wahrscheinlich gar nicht, wie wir nach ihm rufen, aber unsere Jungs werden ihn schon erschnüffeln. «
»So habe ich mir das vorgestellt. Haben alle ihre Koordinaten? Funkgeräte und Rucksäcke überprüft? Vergewissert euch, dass ihr den Kompass dabei habt. Mai hat einen Notfall und Davey muss allein die Stellung halten, also meldet euch regelmäßig bei ihm.«
Sie hielt inne, als die Cauldwells hereinkamen.
»Ich habe ...« Rosies Kinn bebte. »Ich habe die Sachen geholt.«
»Wunderbar.« Fiona trat zu ihr und legte der völlig verängstigten Mutter die Hände auf die Schultern. »Denken Sie positiv. Jeder da draußen hat nur eins im Sinn: Hugh zu finden und ihn nach Hause zu bringen.«
Sie ergriff die Tüten und reichte sie ihren Leuten. »Okay, dann wollen wir mal los.«
Sie trat mit den anderen nach draußen und streifte ihren Rucksack über. Peck stand neben ihr. Ein leichtes Beben seines Körpers war das einzige Zeichen dafür, dass er endlich anfangen wollte. Jeder nahm seine Position ein und richtete den Kompass aus.
Sie öffnete die Tüte, die eine kleine Socke enthielt, und hielt sie Peck vor die Nase.
»Das ist Hugh. Hugh. Hugh ist ein kleiner Junge, Peck. Das ist Hugh.«
Der Hund schnüffelte enthusiastisch - er kannte seinen Job. Er warf ihr einen Blick zu, schnüffelte erneut, dann blickte er sie aufmerksam an, und sein Körper bebte, als wolle er sagen: Okay, ich habe verstanden! Lass uns loslegen!
»Such Hugh. « Sie machte ein Handzeichen, und Peck hob die Nase in die Luft. »Los, such Hugh!«
Sie beobachtete, wie er einen Bogen schlug und die Witterung aufnahm, dann überließ sie ihm die Führung. Der stetige Nieselregen war ein Hindernis, aber Peck arbeitete gut im Regen.
Sie blieb, wo sie war, und ermunterte ihn verbal. Der Regen tropfte auf ihren hellgelben Anorak.
Als er sich nach Osten wandte, folgte sie ihm in den Wald.
Peck war fünf Jahre alt, ein siebzig Pfund schwerer, schokoladenbrauner Labrador - stark, klug und unermüdlich. Fiona wusste, er würde stundenlang unter allen Bedingungen, in jedem Gelände nach lebenden oder toten Personen suchen. Sie musste es nur von ihm verlangen.
Zusammen bewegten sie sich durch den tiefen Wald, über den weichen Boden, der hoch mit den Nadeln der riesigen Douglasfichten und uralten Zedern bedeckt war. Hier und dort standen Gruppen von Pilzen, gefallene Baumstämme waren mit dickem, grünem Moos bedeckt, und dornige Ranken wucherten darüber. Fiona achtete auf die Körpersprache ihres Partners, blickte auf ihren Kompass, merkte sich, wo sie entlanggingen. Ab und zu sah Peck sie an, damit sie wusste, dass er bei der Arbeit war.
»Such Hugh. Lass uns Hugh suchen, Peck.«
Er schnüffelte am Boden um einen gefallenen Baumstamm.
»Hast du etwas gefunden? Das ist gut. Guter Hund.« Sie kennzeichnete die Stelle mit einem hellblauen Klebeband, dann blickte sie sich um und rief Hughs Namen. Um besser hören zu können, schloss sie die Augen.
Aber sie hörte nur das leise Rauschen des Regens und das Wispern des Windes in den Bäumen.
Peck stupste sie an, und sie öffnete die Tüte, damit Peck den Geruch erneut aufnehmen konnte.
»Such Hugh «, wiederholte sie. »Such Hugh, Peck.«
Er lief wieder los, und Fiona kletterte in ihren kräftigen Stiefeln über den Baumstamm und folgte ihm. Als Peck sich nach Süden wandte, gab sie ihre neue Position an Davey durch und verständigte sich mit den Mitgliedern ihres Teams.
Das Kind war mindestens seit zwei Stunden draußen, dachte sie. Eine Ewigkeit für besorgte Eltern.
Aber Kleinkinder hatten kein wirkliches Zeitgefühl. Kinder in seinem Alter waren sehr mobil und verstanden noch nicht, dass man sich verirren konnte. Sie liefen ziellos herum, abgelenkt durch das, was sie sahen und hörten, und bewiesen oft beachtliche Ausdauer. Es konnte Stunden dauern, bevor Hugh müde wurde und nach seiner Mutter verlangte.
Sie schaute einem Kaninchen nach, das ins Gebüsch sprang.
Übersetzung: Margarethe van Pée
Copyright © für die deutsche Ausgabe 2010
by Blanvalet Verlag, in der Verlagsgruppe Random House GmbH,
München
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Autoren-Porträt von Nora Roberts
Nora Roberts, geb. 1950 in Maryland. Als sie 1979 in ihrem Landhaus eingeschneit wurde, griff sie zu Stift und Papier und begann zu schreiben. Ihren ersten Roman veröffentlichte sie 1981. Seitdem hat Nora Roberts über 100 Bücher geschrieben. Mit einer Gesamtauflage von mehr als 100 Millionen Exemplaren ist sie eine der erfolgreichsten Autorinnen weltweit. Nora Roberts hat zwei erwachsene Söhne und lebt mit ihrem Ehemann in Keedsville, Maryland.
Bibliographische Angaben
- Autor: Nora Roberts
- 2011, 2, 544 Seiten, Masse: 14,2 x 21,9 cm, Gebunden, Deutsch
- Übersetzer: Margarethe van Pée
- Verlag: Blanvalet
- ISBN-10: 3764504005
- ISBN-13: 9783764504007
Rezension zu „Im Schatten der Wälder “
"Klare Sprache, packende Handlung, brandneu - ein famoser Thriller!"
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