Guttenberg
Biographie
Die Autoren zeichnen das Bild eines talentierten Blitzaufsteigers.
"Man lernt viel über die Familie und den Menschen Guttenberg und versteht, wie er wurde, was er heute ist."
Handelsblatt
Das aktualisierte Vorwort befasst sich...
Leider schon ausverkauft
versandkostenfrei
Buch (Gebunden)
Fr. 28.90
inkl. MwSt.
- Kreditkarte, Paypal, Rechnungskauf
- 30 Tage Widerrufsrecht
Produktdetails
Produktinformationen zu „Guttenberg “
Die Autoren zeichnen das Bild eines talentierten Blitzaufsteigers.
"Man lernt viel über die Familie und den Menschen Guttenberg und versteht, wie er wurde, was er heute ist."
Handelsblatt
Das aktualisierte Vorwort befasst sich auch mit dem Thema "Gorch Fock" sowie der Plagiats-Affäre (Doktorarbeit).
Klappentext zu „Guttenberg “
Das Buch zum Phänomen Guttenberg, das den Rücktritt verstehen lässt. Eine Karriere scheinbar aus dem Nichts. Der erste deutsche Spitzenpolitiker der Twitter- und Facebook-Generation. Diese sehr gut geschriebene, lesenswerte Biographie macht einen klüger, was das Rätsel Guttenberg betrifft." Joschka FischerAufstieg und Fall Karl-Theodor zu Guttenbergs sind beispiellos in der bundesdeutschen Politik. Gerade einmal zwei Jahre lang war er zunächst Wirtschafts-, dann Verteidigungsminister, war der mit Abstand beliebteste Politiker, war Shootingstar, Kanzlerkandidat der Herzen, und unglaubwürdiger Plagiator seiner Doktorarbeit. Er hat die Deutschen für Politik begeistert wie kein Zweiter und lässt ein Land zurück, tief gespalten, konsterniert, erleichtert. Doch eine Frage eint es: Wer ist das? Wer ist dieser Karl-Theodor zu Guttenberg? Einzigartig im Aufstieg. Einzig im Fall.
Er schien alles zu haben, was ein Held braucht: Charisma, Stammbaum, Reichtum, eine schöne Frau und ein grosses Amt. Seine Popularitätswerte übertrafen die der Kanzlerin bei weitem, viele sahen in ihm schon ihren Nachfolger. Aber war Karl-Theodor zu Guttenberg ein guter Politiker? Als Wirtschaftsminister liess er markigen Worten, etwa in der Opel-Krise, keine Taten folgen. Kaum war er Verteidigungsminister, vollzog er in der Kundus-Affäre einen atemberaubenden Meinungswechsel. In der Affäre um seine Doktorarbeit wies er die Anschuldigungen zunächst als abstrus zurück, um wenige Tage später schwere Fehler einzugestehen und um Rücknahme des Titels zu bitten.
Eckart Lohse und Markus Wehner erzählen das private und politische Leben dieses Instinktpolitikers. Viele bislang unbekannte Rechercheergebnisse ermöglichen, ein wesentlich genaueres Bild von Herkunft, Charakter und politischem Handeln Guttenbergs zu zeichnen.
Das Buch zum Phänomen Guttenberg, das den Rücktritt verstehen lässt.
"Eine Karriere scheinbar aus dem Nichts. Der erste deutsche Spitzenpolitiker der Twitter- und Facebook-Generation. Diese sehr gut geschriebene, lesenswerte Biographie macht einen klüger, was das Rätsel Guttenberg betrifft." Joschka Fischer Aufstieg und Fall Karl-Theodor zu Guttenbergs sind beispiellos in der bundesdeutschen Politik. Gerade einmal zwei Jahre lang war er zunächst Wirtschafts-, dann Verteidigungsminister, war der mit Abstand beliebteste Politiker, war Shootingstar, Kanzlerkandidat der Herzen, und unglaubwürdiger Plagiator seiner Doktorarbeit. Er hat die Deutschen für Politik begeistert wie kein Zweiter - und lässt ein Land zurück, tief gespalten, konsterniert, erleichtert. Doch eine Frage eint es: Wer ist das? Wer ist dieser Karl-Theodor zu Guttenberg? Einzigartig im Aufstieg. Einzig im Fall.
Er schien alles zu haben, was ein Held braucht: Charisma, Stammbaum, Reichtum, eine schöne Frau und ein grosses Amt. Seine Popularitätswerte übertrafen die der Kanzlerin bei weitem, viele sahen in ihm schon ihren Nachfolger. Aber war Karl-Theodor zu Guttenberg ein guter Politiker? Als Wirtschaftsminister liess er markigen Worten, etwa in der Opel-Krise, keine Taten folgen. Kaum war er Verteidigungsminister, vollzog er in der Kundus-Affäre einen atemberaubenden Meinungswechsel. In der Affäre um seine Doktorarbeit wies er die Anschuldigungen zunächst als "abstrus" zurück, um wenige Tage später "schwere Fehler" einzugestehen und um Rücknahme des Titels zu bitten.
Eckart Lohse und Markus Wehner erzählen das private und politische Leben dieses Instinktpolitikers. Viele bislang unbekannte Rechercheergebnisse ermöglichen, ein wesentlich genaueres Bild von Herkunft, Charakter und politischem Handeln Guttenbergs zu zeichnen.
"Alles in allem liest sich diese famos recherchierte, gut geschriebene Biographie wie die Vorlage für ein Filmdrehbuch". Süddeutsche Zeitung "Man sollte den Leuten raten, einfach dieses Buch zu lesen. Das Buch erklärt den Menschen Guttenberg." Stern.de "Man lernt viel über die Familie und den Menschen Guttenberg und versteht, wie er wurde, was er heute ist." -- Handelsblatt
"Eine Karriere scheinbar aus dem Nichts. Der erste deutsche Spitzenpolitiker der Twitter- und Facebook-Generation. Diese sehr gut geschriebene, lesenswerte Biographie macht einen klüger, was das Rätsel Guttenberg betrifft." Joschka Fischer Aufstieg und Fall Karl-Theodor zu Guttenbergs sind beispiellos in der bundesdeutschen Politik. Gerade einmal zwei Jahre lang war er zunächst Wirtschafts-, dann Verteidigungsminister, war der mit Abstand beliebteste Politiker, war Shootingstar, Kanzlerkandidat der Herzen, und unglaubwürdiger Plagiator seiner Doktorarbeit. Er hat die Deutschen für Politik begeistert wie kein Zweiter - und lässt ein Land zurück, tief gespalten, konsterniert, erleichtert. Doch eine Frage eint es: Wer ist das? Wer ist dieser Karl-Theodor zu Guttenberg? Einzigartig im Aufstieg. Einzig im Fall.
Er schien alles zu haben, was ein Held braucht: Charisma, Stammbaum, Reichtum, eine schöne Frau und ein grosses Amt. Seine Popularitätswerte übertrafen die der Kanzlerin bei weitem, viele sahen in ihm schon ihren Nachfolger. Aber war Karl-Theodor zu Guttenberg ein guter Politiker? Als Wirtschaftsminister liess er markigen Worten, etwa in der Opel-Krise, keine Taten folgen. Kaum war er Verteidigungsminister, vollzog er in der Kundus-Affäre einen atemberaubenden Meinungswechsel. In der Affäre um seine Doktorarbeit wies er die Anschuldigungen zunächst als "abstrus" zurück, um wenige Tage später "schwere Fehler" einzugestehen und um Rücknahme des Titels zu bitten.
Eckart Lohse und Markus Wehner erzählen das private und politische Leben dieses Instinktpolitikers. Viele bislang unbekannte Rechercheergebnisse ermöglichen, ein wesentlich genaueres Bild von Herkunft, Charakter und politischem Handeln Guttenbergs zu zeichnen.
"Alles in allem liest sich diese famos recherchierte, gut geschriebene Biographie wie die Vorlage für ein Filmdrehbuch". Süddeutsche Zeitung "Man sollte den Leuten raten, einfach dieses Buch zu lesen. Das Buch erklärt den Menschen Guttenberg." Stern.de "Man lernt viel über die Familie und den Menschen Guttenberg und versteht, wie er wurde, was er heute ist." -- Handelsblatt
Lese-Probe zu „Guttenberg “
Guttenberg von Eckart Lohse & Markus WehnerEIN GESPALTENES LAND
Vorwort zur
dritten Auflage
... mehr
CSU-Parteitag in München. Samstag, der 30. Oktober 2010.
Karl-Theodor zu Guttenberg geht durch die Reihen, ein kurzer
Halt an der Pressebank, wo die Journalisten arbeiten. Eine
Zufallsbegegnung. Was das Buch mache, erkundigt sich der
Bundesminister der Verteidigung, höfl ich und freundlich wie
stets, und hört sich an, dass es gut vorangehe. Dann schiebt er,
lapidar wie eine Bemerkung über das Wetter, den Satz hinterher,
vielleicht werde das Buch ja ohnehin gegenstandslos werden.
Wie er das meine? Nun, man müsse solch einen Job ja
nicht ewig machen, bedeutet Guttenberg. Wenigstens bis zum
März des nächsten Jahres? fragt der Angesprochene. Da solle
nämlich das Buch erscheinen.
Der Mann also, der zu jenem Zeitpunkt auf dem Höhepunkt
seines Ansehens in Deutschland ist, vermutlich aus
dem Stand eine Mehrheit bekommen könnte, wenn er Anspruch
auf den CSU-Vorsitz erhöbe, dem im Herbst 2010 die
baldige Eroberung der bayerischen Staatskanzlei ebenso zugetraut
wird wie diejenige des Kanzleramtes, spielt gegenüber
Journalisten mit dem Gedanken an das Ende seiner politischen
Laufbahn. Abstrus! Immerhin stellt er anschließend in
Aussicht, dass er bis März jedenfalls durchhalten werde.
Schließlich stehe er wegen der angefangenen Reform der Bundeswehr
in der Verantwortung. Wir halten das Ganze für eine
weitere seiner zahlreichen koketten Anspielungen, dass er
auch ohne die Politik leben könne.
Vier Monate später, der März des Jahres 2011 ist nicht einmal
zwölf Stunden alt, lässt Guttenberg eine Pressemitteilung
verschicken. Der Minister werde eine Stellungnahme abgeII
Ein gespaltenes Land
ben. So aufgeheizt ist mittlerweile die Diskussion über Guttenberg,
über seine schweren Verfehlungen bei der Abfassung
seiner Dissertation, über die alles verniedlichende Reaktion
der Bundeskanzlerin ihrem Minister gegenüber, dass das nur
noch eines bedeuten kann: Karl-Theodor zu Guttenberg tritt
diesmal wirklich zurück. So kommt es. Deutschlands politischer
Superstar legt am 1. März 2011 alle politischen Ämter
nieder. Am Vorabend ist im Berliner Hotel »Adlon« die erste
Auflage seiner Biographie, dieses Buches also, präsentiert
worden.
Biographien über aktive Politiker zu schreiben, ist immer eine
riskante Sache. Wichtige Dinge können kurz nach dem Redaktionsschluss
passieren, während das Buch gedruckt wird
und die Autoren hilflos auf sein Erscheinen warten. Ein Rücktritt
ist naturgemäß das einschneidendste Ereignis. Aber auf
den Spuren des Hochgeschwindigkeitspolitikers Karl-Theodor
zu Guttenberg musste das ja so kommen. Ein normales
Ende eines solchen Abenteuers wäre für ihn nicht angemessen
gewesen. Als die Staubwolken, die das Rennen nebst seinem
spektakulären Ausgang aufgewirbelt haben, sich legen, schauen
die Biographen auf ihr Werk. Ist noch alles in Ordnung,
stimmt alles? Oder ist der Rahmen verzogen? Muss nach der
Enthüllung, dass seine Doktorarbeit ein großes Plagiat ist, das
ihn am Ende das Amt gekostet hat, der Blick auf Guttenberg
ein anderer sein? Zwei Tage nach dem Rücktritt erscheint in
der »Zeit« eine Rezension unseres Buches. Aus ihr sei an dieser
Stelle zitiert: »Die Biografi e von Wehner und Lohse muss
von morgen an nicht umgeschrieben, nur fortgesetzt werden,
und den Autoren nimmt man es ab, wenn sie nun sagen: Die
Entzauberung des Märchenprinzen überrasche sie nicht. Die
Spuren eines Mannes, der seinen Lebenslauf schönt, durchziehen
dieses Buch, ein bisschen Hochstapelei, etwas Lüge,
manche Legende, fi ngerdick Blattgold und Pomade.«
Tatsächlich sind wir bei der langen und intensiven Beobachtung
Karl-Theodor zu Guttenbergs bald auf jene Spuren
gestoßen, die zeigen, dass er gerne möglichst viel äußeren
Glanz in seinen Lebenslauf bringt und es dabei mit der Wahrheit
nicht immer ganz genau nimmt. Er hübscht ein Praktikum
zu einer freien Mitarbeit auf, führt für die Zeit vor seinem
Abgeordnetendasein ein Engagement im Familienunternehmen
auf, das sich nicht recht präzisieren lässt, zeigt große
Neigung zu spektakulären Fotoposen und zu politischen
Schüssen gegen die eigene Mannschaft, die die eigene Person
in ein besonders helles Licht rücken sollen. Das eigene Fehlverhalten
in der Bewältigung der Kundus-Affäre gibt Guttenberg
dagegen erst unter dem Druck eines Untersuchungsausschusses
mit monatelanger Verzögerung zu, während er einstige
Schutzbefohlene innerhalb von Stunden fallen lässt und
anschließend im grellen Scheinwerferlicht der Talkshows mit
Schuldzuweisungen überzieht. Das alles lässt das Bild einer
Persönlichkeit entstehen, die neben ihren politischen Fähigkeiten
genügend Schillerndes vorhält.
Aber eine angeblich über Jahre entstandene juristische
Doktorarbeit, die eine gigantische Ansammlung von Plagiaten
ist? Ein Mann, der behauptet, dieses alles selbst gemacht
zu haben und zwar ohne jede böse Absicht und das zu einem
Zeitpunkt, da er hauptberufl ich als Bundestagsabgeordneter
an der Entstehung jener Gesetze mitwirkte, mit denen das
Land regiert wird? Ein Mann, der nach der Aufdeckung dieses
Riesenschwindels erst alle Vorwürfe als »abstrus« zurückweist,
um wenig später seinen Doktortitel unter dem Beifall
seiner Fans von sich zu schleudern mit dem Kommentar, er
habe »Blödsinn« geschrieben? Das ist neu. Das steht nun neben
seinen Talenten, die in diesem Buch natürlich auch ausführlich
beschrieben werden.
Wie oft hatten wir gerungen mit dem Objekt unserer Beobachtung,
hatten diskutiert, uns gefragt, ob er ein großer Politiker
oder doch mehr ein begabter Schauspieler sei. Jetzt also
noch einmal. Dabei sind wir nicht allein, sondern in der Gesellschaft
des restlichen Deutschlands. Spätestens seitdem
Mitte Februar die Plagiatsaffäre begonnen hat, ist DeutschIV
Ein gespaltenes Land
land zweigeteilt: Guttenberg-Fans gegen Guttenberg-Kritiker.
Es scheint kein Grau, kein Einerseits-Andererseits, sondern
nur noch Schwarz und Weiß zu geben. Seit wir kurz nach
dem Beginn der Plagiatsaffäre Auszüge aus dem Buch in der
»Frankfurter Allgemeinen Sonntagszeitung« veröffentlichten,
die Guttenbergs Neigung zum Polieren seines Lebenslaufs
beschreiben und seine Bereitschaft, es bei der Aufarbeitung
der Kundus-Affäre mit der Wahrheit nicht so genau zu nehmen,
hat uns eine Welle der Empörung überrollt. Leser mailen,
schreiben Briefe, rufen an. Die überwältigende Mehrheit
schimpft aus Leibeskräften, nicht etwa, weil irgendeine unserer
Darstellungen der Wahrheit nicht entspreche, sondern
weil wir Guttenberg kritisierten. Auch wenn es dem üblichen
Ablauf solcher Reaktionen entspricht, dass sich schnell (und
oft genug ausschließlich) Kritiker melden, so ist die Wucht
von deren Auftreten diesmal ungewöhnlich. Erst nach und
nach wenden sich jene Leser an uns, die einen weniger positiven
Blick auf den Politiker Guttenberg haben.
Spätestens mit dem jähen Einsetzen seines politischen Todeskampfes
- Wiederauferstehung nicht ausgeschlossen - hat
Karl-Theodor zu Guttenberg Deutschland gespalten. Seine
Anhänger fi nden sich vor allem im großen Kreis derjenigen,
die mit einem gerüttelt Maß an Verachtung auf die etablierte
Politik schauen; auf Parteien, die sich ihrer Meinung nach das
Land zur Beute gemacht haben, die nicht nur die Herrschaft
über die Gesetzgebung entlang der Parteigrenzen untereinander
aufteilen, sondern über den Parteienproporz tief in das
gesellschaftliche Alltagsleben vordringen, die Verwaltungsapparate
von den Bundesministerien bis hinab zu den Rathäusern
mit ihren Leuten so besetzen, dass sie ihre Macht möglichst
dauerhaft etablieren, die die Herrschaft über den öffentlich-
rechtlichen Rundfunk ausüben, indem sie sich die
Führungspositionen dort aufteilen. Es ist die Wahrnehmung
einer politischen Klasse als graue, aber mächtige Schicht, die
ihr Wirken oft zum Lebenszweck, mindestens zum Beruf gemacht
hat.
Dass Karl-Theodor zu Guttenberg gerade in Bayern so beliebt
ist, mag nicht nur daran liegen, dass er dort geboren wurde
und viele Jahre seines Lebens dort verbracht hat, wenngleich
er keineswegs als »Bayer« wahrgenommen wird wie
etwa Franz Josef. Es dürfte seinen Grund auch darin haben,
dass in keinem Bundesland eine Partei so selbstverständlich
seit Jahrzehnten die Alleinherrschaft nicht nur über die politischen
Institutionen, sondern über das ganze Land hat wie
die CSU in Bayern. Die Wahrnehmung, dass »die da oben«
sich das Land Untertan gemacht haben, kann vor einem solchen
Hintergrund besonders gut entstehen.
Gegen diese - so wahrgenommene - Form von Politik rennen
viele Anhänger Guttenbergs im Februar 2011 mit umso
größerer Wucht und Verzweiflung an, je mehr sie sehen, dass
ihr Held in Bedrängnis gerät. Dass er die rasant wachsenden
Schwierigkeiten für sich und sein Amt auch noch selbst zu
verantworten hat, die Schuld am Zustandekommen seines
Dissertationsplagiats keinem Staatssekretär, Generalinspekteur
oder Schiffskapitän in die Schuhe schieben kann, das verstärkt
den Ärger vieler Menschen. Manche rasen geradezu vor
Wut, bellen in Telefone, drohen das Ende ihres Zeitungsabonnements
an. Guttenbergs Vergehen wird kleingeredet. Er habe
das nicht bewusst gemacht. Oder: »Haben Sie früher in der
Schule etwa nie abgeschrieben?« Ganz so, als ob das mit jahrelangem
Diebstahl geistigen Eigentums zu vergleichen wäre,
der die Erlangung eines Doktortitels mit höchster Auszeichnung
zum Ziel hat.
Selbst diejenigen seiner Fans, die sein Fehlverhalten als
Doktorand erkennen, wollen kein Problem für den Politiker
Guttenberg sehen. Ein Minister brauche keinen Doktortitel
und im Übrigen liege die Angelegenheit ja schon eine Weile
zurück. Dass es nur fünf Jahre sind und Guttenberg kein junger
Heißsporn, sondern Abgeordneter des höchsten deutschen
Parlaments war, wird dabei unterschlagen. »Die Menschen
verzeihen Herrn Guttenberg diesen Fehler, die Medien
müssen es auch tun«, ist eine der Forderungen aus dem Kreis
der Guttenberg-Anhänger. Es entsteht der Eindruck, dass
viele nicht nur zum Schönreden und Verzeihen bereit sind,
sondern ihr Held durch seine Fehlerhaftigkeit in ihren Augen
sogar noch wächst. Nur wer schon Fehltritte hinter sich hat,
kann zu wahrer Größe aufsteigen.
Wer die Bösen sind, haben die Guttenberg-Fans schnell
ausgemacht: die linke Opposition und die Medien, die diese
»linke Kampagne« mitmachen. Dass Medien Zustände und
Missstände aufdecken und beschreiben, scheint im Verständnis
vieler Menschen nicht vorzukommen. Wer nicht für Guttenberg
ist, ist gegen ihn. Das Wort von der »Menschenjagd«
ist schnell bei der Hand. Guttenberg wird vom Schuldigen
zum Opfer umdeklariert. Das macht er selber gerne. Wenn
alle nur noch auf die Fußnoten in seiner Doktorarbeit schauten
statt auf die gefallenen Soldaten in Afghanistan, dann sei
ihm als Verteidigungsminister das angemessene Ausüben
seines Amtes nicht mehr möglich, argumentiert er in seiner
Rücktrittserklärung. Wer diese Argumentation durchgehen
lässt, macht den Verteidigungsminister (aber ebenso die auch
für die Auslandseinsätze zuständige Bundeskanzlerin, den
Außenminister, ja das ganze Kabinett, letztlich den ganzen
Bundestag!) auf ewig unantastbar. Denn immer sterben irgendwo
deutsche Soldaten. Soldatenblut würde so zum Drachenblut
für die Politiker.
Bei manchen der glühenden Anhänger Karl-Theodor zu
Guttenbergs treten annähernd religiöse Züge auf. Ein Mann,
der so spreche wie er, könne nicht absichtlich seine Doktorarbeit
fälschen. Gegenargumente werden abgetan mit dem
Hinweis: »Sie werden mich nicht bekehren!« Am Ende des
Gesprächs wird auf die Bedeutung des Christentums hingewiesen.
Plötzlich entsteht der Verdacht, nicht für alle ist der
Gedanke, Guttenberg könne über Wasser laufen, bloß ein
Scherz. Seine Verehrung als Führungsfigur, als Heilsbringer
nimmt zum Teil kultische Züge an. Deswegen tun manche
Mitglieder der CDU- und vor allem der CSU-Führung auch
so, als könnten sie den Verlust Guttenbergs gar nicht fassen
und dächten von früh bis spät an dessen Rückkehr. Keiner
will vor Guttenbergs Jüngern als derjenige dastehen, der ihn
verraten hat.
Die härteste Drohung der Anhänger ist zugleich diejenige,
die vermutlich am häufigsten wahrgemacht wird. Wenn ein
solches Talent »kaputtgemacht« werde, dann würden sie
künftig der Politik den Rücken kehren. Sollte diese Reaktion
massenhaft eintreten, was angesichts einer verbreiteten Demokratie-
und Wahlmüdigkeit nicht unwahrscheinlich ist,
wäre Guttenbergs Rücktritt auch ein Schaden für das demokratische
Gemeinwesen. Hätte das alles vermieden werden
können? Hätte das Bedürfnis vieler Menschen nach einer
Führungsfigur, die anders ist als die grauen Machtorganisatoren
in ihren Berliner Büros, gestillt werden können? Schwerlich.
Die Dreistigkeit, mit der Guttenberg nicht nur seine
Doktorarbeit erstellt, sondern auch auf die Entdeckung des
Plagiats reagiert hat, wirft ein bezeichnendes Licht auf ihn. Er
mutet Menschen und Institutionen, mit denen er zu tun hat,
so viel Rücksichtnahme auf sein Ego zu, dass er mit Systemen
wie Universitäten, Parteien, Regierungen nicht kompatibel
ist. Wäre er anpassungsfähiger, hätte er zwar durch eine starke
Führungskraft wie Angela Merkel im Zaum gehalten werden
können. Doch wäre er dann nicht so populär geworden. Seine
Beliebtheit gründet ja wesentlich auf seiner Inkompatibilität,
auf seinem Anderssein, seiner Kühnheit auf Kosten des politischen
Establishments. Über kurz oder lang musste diese
Fehlkonstruktion zerbrechen. Die abgeschriebene Doktorarbeit
ist der Auslöser, nicht der Grund für das Scheitern Guttenbergs
als Teil der etablierten Parteiendemokratie.
Trefflich ich aufzeigen lässt sich das am Beispiel seines Vorgehens
bei der Bundeswehrreform. Um den seit Jahren gepflegten Selbstbetrug der politischen Szene, die Wehrpflicht
funktioniere noch, zu beenden, bedurfte es eines Politikers
mit überdurchschnittlicher Beherztheit und Risikofreude.
Guttenberg hat gewagt und gewonnen. Doch hat er dabei
die Belastbarkeit und Toleranz seiner Regierung und seiner
Partei, der CSU, auf das Äußerste strapaziert. Noch dazu hielt
er kein schlüssiges Konzept bereit, wie nach dem Ende der
Wehrpflicht und mit einer stark verkleinerten Armee deren
Funk tionsfähigkeit zu gewährleisten wäre. Mit seinem
Schwert zerschlug der kühne Ritter Karl-Theodor nicht nur
den Gordischen Knoten einer dahin siechenden Wehrpflicht,
sondern die Säulen geordneten Regierungshandelns gleich
mit.
Und die Kritiker des Freiherrn aus Oberfranken? Sie brauchen
etwas länger, um ihre Stimme zu erheben, in der Union
wie in der Öffentlichkeit. Bei soviel Glück und Jubel in CDU
und CSU, die glaubten, einen Supermann als Wahlkämpfer zu
haben, bei so viel öffentlicher Beliebtheit Guttenbergs und
seiner Frau droht ja der Kritiker auch allzu leicht zum Spielverderber
oder Nörgler zu werden. Letztlich hat Angela Merkel
höchstpersönlich den letzten Ausschlag für Guttenbergs
Rücktritt von allen politischen Ämtern gegeben. Nichts hat
die Wählerschaft der Union derart provoziert wie Merkels
Formulierung, sie habe Guttenberg nicht als wissenschaftlichen
Assistenten, sondern als Minister ausgesucht. Nach
außen hat sie sich damit augenzwinkernd auf die Seite der
Guttenberg-Fans geschlagen. Nach innen hat sie aber eine
Welle der Wut ausgelöst unter all jenen, die ihre wissenschaftlichen
oder auch andere Meriten unter Anstrengung und mit
dem von Guttenberg gern zitierten Anstand erworben haben.
Diese Empörung ließ am Ende solch einen Druck in den eigenen
Reihen entstehen, dass Guttenberg nicht mehr zu halten
war.
Und nun? Was aus jenem Mann wird, der vielen schon ganz
selbstverständlich als nächster, spätestens übernächster Bundeskanzler
erschien, ist gänzlich ungewiss. Karl-Theodor zu
Guttenberg steht vor der vermutlich wichtigsten Prüfung seines
beruflichen Lebens. Er wird jetzt etwas herausfi nden
(müssen): Hat seine beispiellose Popularität aus sich selbst heraus
Bestand, hat er nicht nur als Minister solch ungeheuren
Beifall bekommen, sondern als Karl-Theodor zu Guttenberg?
Oder war er nur im richtigen Moment an der richtigen Wegekreuzung
der Zeitläufte, als nach grauen Jahren der großen
Koalition ein glänzendes, aristokratisches Politikerpaar mit
ungewöhnlichem Selbstbewusstsein und Instinkt für den
richtigen Augenblick gesucht wurde? Das bleibt eine spannende
Frage. Der folgende Versuch zu erklären, wer dieser
Karl-Theodor zu Guttenberg ist, wo er herkommt, was er
bisher gemacht hat, mag auch helfen, Licht auf seine Zukunft
zu werfen.
Eckart Lohse und Markus Wehner
Berlin, im März 2011
ABSTURZ
Die Affäre um die »Gorch Fock«
Ende Dezember 2010 trifft sich der Verteidigungsausschuss
des Bundestages zu seiner letzten Sitzung des Jahres. Zugegen
ist der Inspekteur der Marine, Vizeadmiral Axel Schimpf. Er
hält sich bereit, über den Tod einer jungen Offiziersanwärterin
auf der »Gorch Fock« zu berichten. Die Sitzung verläuft
allerdings derart chaotisch, dass Schimpf erst unmittelbar vor
deren Ende in dieser Angelegenheit berichten kann, nur eine
Minute bleibt ihm dafür. Das Thema erreicht die Abgeordneten
nicht wirklich, die Medien und die Öffentlichkeit erst
recht nicht.
Das ändert sich schlagartig Mitte Januar. Wieder tritt der
Verteidigungsausschuss zusammen. Dieses Mal geht es um einen
anderen Todesfall in der Truppe, der sich kurz vor Weihnachten
zugetragen hat. Bundeskanzlerin Angela Merkel und
ihr Verteidigungsminister stehen damals im Begriff, zu einem
Besuch nach Afghanistan aufzubrechen, als es dort zu einem
tragischen Unfall kommt. In einem Außenposten stirbt ein
Bundeswehrsoldat durch einen Schuss aus der Pistole eines
mit ihm befreundeten Kameraden. Das Waffenreinigen haben
die Männer gerade hinter sich, einer von ihnen hantiert im
Anschluss zumindest unglücklich mit seiner Waffe, ein Schuss
löst sich und trifft den Kopf des Kameraden.
Der Vorfall überschattet den Afghanistan-Besuch der
Kanzlerin und des Ministers. Nachdem kurzzeitig der Eindruck
entstanden ist, der Soldat habe sich selbst beim Waffenreinigen
erschossen, sagt Guttenberg noch während der Reise,
dass es der Schuss aus der Waffe eines Kameraden gewesen
sei. Es wird nichts verheimlicht oder falsch dargestellt, Guttenberg
sind keine Vorwürfe zu machen.
352 6 Absturz
Während der Sitzung des Verteidigungsausschusses im Januar
wird über den Fall berichtet. Es kommt zu einer etwas
unglücklichen Darstellung des Geschehens durch Guttenbergs
Parlamentarischen Staatssekretär Thomas Kossendey.
Der berichtet zwar zutreffend, dass der Mann durch den
Schuss aus der Waffe seines Kameraden getötet worden sei,
sagt aber, das sei »im Rahmen eines Waffenreinigens« passiert.
Die Version, es habe sich um einen Unfall beim Waffenreinigen
gehandelt, gilt zu diesem Zeitpunkt aber schon längst
nicht mehr als aktuell. Durch Befragung der bei dem Vorfall
anwesenden Soldaten ist vielmehr der Verdacht entstanden,
die Männer seien unsachgemäß, vielleicht sogar spielerisch
mit ihren Waffen umgegangen.
Daher meldet sich der Wehrbeauftragte des Bundestages,
der FDP-Mann Hellmut Königshaus, im Ausschuss zu Wort
und wehrt sich gegen die Darstellung des Christdemokraten
Kossendey. Für die Opposition ist das ein gefundenes Fressen.
Sofort befeuern SPD und Grüne die Debatte: Was ist da
eigentlich los in der Truppe? Eine solche Frage, medial kräftig
zugespitzt, richtet sich sehr schnell an den obersten Dienstherren,
den Verteidigungsminister. Der Tote in Afghanistan,
diejenige von der »Gorch Fock« und noch einige Feldpostbriefe
aus Afghanistan, die unzulässigerweise geöffnet wurden,
ergeben ein explosives Gemisch, obwohl sie in der Sache
nicht das Geringste miteinander zu tun haben.
Dass die Medien derart schnell einen Fall Guttenberg thematisieren,
kommt nicht von ungefähr. Die vorletzte Reise
des Ministers nach Afghanistan, im Dezember 2010 zusammen
mit Ehefrau Stephanie und Fernsehmoderator Johannes
B. Kerner, war, das merkt auch Guttenberg bald, des Guten
zuviel. Eine von beiden Begleitungen hätte wohl noch als erträglich
gegolten. Die Gattin und den Talkmaster gleichzeitig
mitzunehmen erweckt aber den Eindruck, die ständigen Afghanistantrips
seien für den Minister zu einer Mischung aus
Familienausflug und blanker PR-Veranstaltung geworden.
Die Kanzlerin stellt sich schützend vor ihren besten Wahl. Die
Affäre um die Kämpfer, verteidigt seine Reise und kann ihn noch einmal in
die Weihnachtspause und für einen Moment aus dem Blickfeld
der Medien bugsieren. Doch bleiben erste Kratzer in
Guttenbergs Lack zurück.
Sein Umgang mit den Vorfällen auf der »Gorch Fock« und
in Afghanistan sorgt im Januar dafür, dass Kratzer zu Schrammen
werden. Über den Vorfall des in Afghanistan ums Leben
gekommenen Soldaten sagt Guttenberg zwar nichts Falsches.
Doch als dieser Fall im Januar rückblickend von den Medien
beleuchtet wird, kommt etwas höchst Überraschendes ans
Tageslicht. Wie bei jedem besonderen Ereignis haben die
Feldjäger auch über den tödlichen Unfall einen Bericht angefertigt.
Einen Feldjägerbericht, wie er etwa nach der Bombardierung
zweier Tanklaster bei Kundus im Sommer 2009
erstellt worden war. Weil dieser Bericht nebst anderen dem
neu ins Amt gekommenen Minister wenige Monate nach der
Bombardierung nicht vorgelegt worden waren, hatte Guttenberg
damals seine beiden höchsten Mitarbeiter, Staatssekretär
Wichert und Generalinspekteur Schneiderhan, gefeuert. Anschließend
hatte er die Erwartung geweckt, dass derartige
Nachlässigkeiten in der internen Kommunikation des Hauses
abgestellt würden. Was aber kommt Ende Januar 2011 heraus?
Guttenberg hat den Feldjägerbericht über den Tod des Soldaten
in Afghanistan auch nicht bekommen oder erst Wochen
später, als längst öffentliche Aufregung herrscht. Zwar
redet sein Haus die Sache schön, da der Minister ja über »wesentliche
Inhalte« informiert gewesen sei. Doch auf die grundsätzliche
Frage, was sich am Informationswesen im Ministerium
geändert habe, ist eine befriedigende Antwort nicht zu
erhalten. Der Eindruck entsteht, ganz so wichtig sei Guttenberg
die Sache mit der hausinternen Kommunikation doch
nicht.
Den schwerwiegenderen Fehler leistet Guttenberg sich bei
der Aufarbeitung des Vorfalls auf der »Gorch Fock«. Auch
hier gibt es in der Sache selbst kein falsches Verhalten des Ministers.
Ein tödlicher Unfall, die Staatsanwaltschaft ermittelt routinemäßig, bestenfalls der Marineinspekteur könnte die
Frage stellen, ob auf dem Segelschulschiff alles in Ordnung ist
oder ob der tödliche Sturz der Offiziersanwärterin aus der
Takelage auf grundsätzliche Defizite in der Ausbildung auf
der »Gorch Fock« schließen lässt. Ein Fall für den Minister ist
das zunächst nicht.
Zu einem solchen wird es erst am Freitag, dem 21. Januar.
Da nimmt sich Guttenberg vor dem Bundestag der Angelegenheit
an und warnt vor einer Vorverurteilung des Kapitäns
der »Gorch Fock«. Er gibt den besonnenen Minister, der erst
in aller Ruhe den Vorfall und die Vorwürfe über das Geschehen
an Bord des so renommierten Segelschiffs aufklären lassen
will, bevor er selbst zu einem Urteil kommt. Doch bereits
am Nachmittag desselben Tages erfahren Guttenbergs Leute,
dass die »Bild am Sonntag« mit Horrorgeschichten von der
»Gorch Fock« einschließlich widerlicher Bilder über unappetitliche
und menschenverachtende Rituale herauskommen
werde. Schon am Freitag wird gemunkelt, das Blatt werde
über eine Karnevalsfeier berichten, zu der die Soldaten wenige
Tage nach dem Tod der Offiziersanwärterin an Bord zusammengekommen
seien. Alarmstimmung im Verteidigungsministerium.
Ausgerechnet am Abend jenes Freitags sitzt Michael Backhaus,
der stellvertretende Chefredakteur der »Bild am Sonntag«, mit Guttenberg zusammen in dessen Dienstlimousine.
Solche journalistischen Begleitungen sind keine Seltenheit.
Doch diese scheint unmittelbare politische Auswirkungen zu
haben. Jedenfalls schildert Backhaus am Sonntag in seinem
Blatt die Dinge so, als habe Guttenberg mit Entsetzen und
dem Ausspruch »es reicht« auf die neuesten Berichte über die
Zustände auf der »Gorch Fock« reagiert. Das Resultat der
nächtlichen Fahrt ist, dass Guttenberg seinen Vorsatz vergisst,
Kapitän Schatz nicht vorverurteilen zu wollen. Vielmehr wird
die staunende Öffentlichkeit am Samstag erfahren, dass der
Minister den Kapitän des Segelschulschiffs von seinem Kommando
entbindet.
Das erinnert an Guttenbergs Umgang mit anderen Schutzbefohlenen.
Wieder einmal zeigt sich, dass er ein höchst ungeduldiger
Mensch ist. Warum hat er nicht gewartet, bis er
über die Zukunft von Kapitän Schatz entscheidet? Ist ihm tatsächlich
die Berichterstattung der Springer-Presse wichtiger
als sein eigenes, vor dem Bundestag geäußertes Urteil? Steht
dieser Mann aus eigener Kraft oder wankt er im Wind? Was
würde eine solche, offensichtlich in seinem Wesen verankerte
wetterwendische Art bedeuten, wenn einmal große, gravierende
Entscheidungen zu fällen wären? Könnte ein so unstetes
Naturell tatsächlich, wie es immer wieder behauptet wird,
Bundeskanzler sein? Guttenberg wirft durch den Umgang
mit der Causa »Gorch Fock« viele Fragen zu seiner Person
auf. Mit dem nachgeschobenen Hinweis, Schatz sei ja keineswegs
entlassen, sondern nur vorerst vom Kommando suspendiert
worden, um damit den Druck von ihm zu nehmen, kann
Guttenberg diese Fragen nicht aus der Welt schaffen. Sie bleiben
- und sind von grundsätzlicher Natur.
Anfang Februar beruhigen sich die Diskussionen über den
Toten in Afghanistan, die Tote auf der »Gorch Fock« und die
Feldpost wieder. Es scheint so, als habe Guttenberg die kontroverse
Diskussion über seine Person überstanden.
Es scheint so.
Im Vergleich zu dem, was auf Guttenberg wenig später zurollt,
ist die »Gorch Fock«-Affäre nur ein Spaziergang bei
nasskaltem Wetter. Der wahre Orkan bricht Mitte Februar
los. Am 16. Februar, einem Mittwoch, bringt die »Süddeutsche
Zeitung« auf ihrer zweiten Seite einen Beitrag, der belegt,
dass der Verteidigungsminister Teile seiner juristischen Doktorarbeit
gefälscht hat, die er 2007 an der Universität Bayreuth
eingereicht hat und die mit summa cum laude, der Bestnote,
bewertet wurde. Guttenberg hatte ganze Absätze aus Arti356
keln und Zeitschriftenbeiträgen vollständig übernommen, andere
nur geringfügig verändert, jeweils ohne sie als Zitate
kenntlich zu machen. Das aber verstößt grob gegen die Regeln
des wissenschaftlichen Arbeitens und gilt zur Recht als
Täuschung. Ein solches nicht gekennzeichnetes Aneignen
fremder geistiger Leistungen wird als Plagiat bezeichnet. Die
Veröffentlichung geht zurück auf die Recherche des Bremer
Rechtsprofessors Andreas Fischer-Lescano. Der saß an einer
Rezension von Guttenbergs Doktorarbeit »Verfassung und
Verfassungsvertrag« und war dabei auf acht übernommene
Textpassagen gestoßen, die nicht als Zitate gekennzeichnet
waren.
Die Geschichte nimmt binnen weniger Stunden eine gewaltige
Dimension an. Die »Frankfurter Allgemeine Zeitung«
berichtet noch am selben Tag, dass sogar die Einleitung der
Dissertation beinahe wörtlich aus einem Beitrag der Politikwissenschaftlerin
Barbara Zehnpfennig abgeschrieben worden
sei, der 1997 in der FAZ erschienen war. Zugleich werden
stündlich neue Stellen gefunden, bei denen Guttenberg aus
anderen Arbeiten abgekupfert hat, ohne die Quellen anzugeben.
Der Liebling der Deutschen, das Vorbild an Aufrichtigkeit
und Klarheit, so stellt sich heraus, hat nicht nur aus
Zeitungen abgeschrieben, sondern auch von Politikwissenschaftlern,
aus Studienarbeiten, sogar aus Reiseführern. Amerikanische
Aufsätze hat er immerhin übersetzt, bevor er sie
ohne Quellenangabe als eigene Gedanken ausgab. Zudem hat
er Ausarbeitungen des Wissenschaftlichen Dienstes des Deutschen
Bundestags komplett übernommen. Dieser darf aber
nur für die Tätigkeit als Abgeordneter genutzt werden, nicht
für private Zwecke.
Die neuen Techniken machen es möglich, dass Guttenbergs
Plagiate sehr schnell als solche enttarnt werden. Im Internet
richten Nutzer eine Plattform ein, GuttenPlag Wiki, um kollektiv
Guttenbergs Dissertation auf nicht gekennzeichnete
Stellen fremden Ursprungs abzusuchen. Tag für Tag nimmt
die Zahl dieser Stellen zu. Bald wimmelt der Text von dunkelroten Stellen, die wörtlich abgekupfert wurden, und hellroten,
die mit geringfügigen Änderungen ebenfalls ohne Quellenangabe
übernommen wurden. Nach einer Woche sieht es
so aus, dass sich auf rund 70 Prozent der 475 Seiten Plagiate
finden lassen. Eindeutiger kann ein Ergebnis kaum sein.
Die Internetgemeinde hat Guttenberg geradezu »gedisst«.
Das entbehrt nicht einer gewissen Ironie. Denn Guttenberg,
so sieht es jedenfalls der ehemalige Außenminister Joschka
Fischer, ist »der erste deutsche Spitzenpolitiker der Twitter und
Facebook-Generation.« Das ist wohl so. Es geht dabei
nicht in erster Linie darum, wie aktiv Guttenberg selber im
Netz ist. Doch ist sein explosionsartiger Ansehensgewinn mit
dem Beginn seiner Ministerzeit nur in einer Gesellschaft möglich,
die sich - immer mehr von der Kommunikation in sozialen
Netzwerken des Internets geprägt - in großer Geschwindigkeit
Eindrücke verschafft und Stimmungen erzeugt. Die
Nutzer von Facebook sind es gewohnt, alles und nichts sofort
zu bewerten und diese Bewertung zu verbreiten. So können
Personen bejubelt oder in den Schmutz gestoßen werden, in
rasender Geschwindigkeit. Die Internetgemeinde also entzaubert
Guttenberg in wenigen Tagen. Doch kaum ist ihr das
gelungen, gibt es ebenfalls im Netz eine Gegenbewegung, die
innerhalb kürzester Zeit eine sechsstellige Zahl von Guttenberg-
Unterstützern zusammentrommelt. Das »Hosianna«
und das »Kreuziget ihn« wird heute nicht mehr gerufen, sondern
gepostet oder getwittert.
Die Universität Bayreuth gibt Guttenberg zwei Wochen
Zeit, sich schriftlich zu erklären.
Wie aber reagiert der Minister? Noch am Mittwoch, als die
erste Publikation mit dem Plagiatsvorwurf erschienen ist, lässt
er folgende Erklärung verbreiten: »Der Vorwurf, meine Doktorarbeit
sei ein Plagiat, ist abstrus. Ich bin gerne bereit zu
prüfen, ob bei über 1200 Fußnoten und 475 Seiten vereinzelt
Fußnoten nicht oder nicht korrekt gesetzt sein sollten und
würde dies bei einer Neuauflage berücksichtigen. Und sollte
jemand auf die Idee kommen zu behaupten, Mitarbeiter meiner Büros hätten an der wissenschaftlichen Erarbeitung meiner
Dissertation mitgewirkt, stelle ich fest: Dies trifft nicht
zu. Die Anfertigung dieser Arbeit war meine eigene Leistung.«
Vereinzelte Fußnoten? Nicht korrekt gesetzt? Schon bald
ist klar, dass Guttenberg sich mit dieser Erklärung noch weiter
in den Plagiatssumpf hineingeritten hat. Und auch die ersten
Verteidigungsversuche der CSU, die von einer gezielten
Attacke der politischen Linken mit Hinweis auf die SPD Mitgliedschaft
des Bremer Juraprofessors sprechen, erscheinen
ziemlich hilflos angesichts der Fakten, die das Wort Betrug
rechtfertigen.
Guttenberg reist an jenem Mittwoch, an dem die Fälschung
seiner Doktorarbeit auffliegt, nach Afghanistan, um Soldaten
zu besuchen. Die Reise ist schon längere Zeit geplant, und der
Vorwurf mancher Medien, der Minister fliehe ins Kriegsgebiet,
ist daher fehl am Platz. Dennoch mag es ihm ganz recht
sein, dass er diesen Tag nicht in Berlin ist. Guttenberg will alle
zwei Monate die Truppe in Afghanistan besuchen. Diesmal
hat er - ganz anders als bei seinen meisten Reisen zuvor - keine
Journalisten und Fotografen mitgenommen - mit einer
Ausnahme. Guttenberg will so einen Kontrapunkt setzen zu
seiner aufsehenerregenden Reise, als er gemeinsam mit Ehefrau
und TV-Talkmaster nach Afghanistan flog. Er hat mittlerweile
erkannt, dass er damit überzogen hatte. Doch die Gefahr,
die ihm jetzt droht, erkennt er nicht - oder zumindest tut
er so. Er reagiert während der Reise mit einer Mischung aus
leichter Empörung, dass man ihm ein Plagiat anhängen wolle,
und aus leichtem Amüsement, dass man ihm so schaden zu
können glaube.
Während Guttenberg die Bundeswehr im Kampfgebiet besucht,
wird für ihn die Lage zu Hause immer bedrohlicher.
Kaum ist der Minister am Nachmittag des Folgetages nach
Berlin zurückgekehrt, bestellt ihn Bundeskanzlerin Angela
Merkel ins Kanzleramt ein. Sie bespricht mit ihm die Situation
und fordert ihn auf, sich am nächsten Tag, dem Freitag,
öffentlich zu erklären. Einen Wahlkampfauftritt in Sachsen-
Anhalt lässt der Minister an diesem Abend ausfallen.
Eigentlich hätte Guttenberg während seiner Reise an den
Hindukusch Zeit genug gehabt, um sich eine Verteidigungsstrategie
zurechtzulegen. Doch wieder einmal erweist er sich
als miserabler Krisenmanager. Er macht am Tag nach der
Rückkehr, dem Freitag, an dem alle auf einen Befreiungsschlag
von ihm warten, fast alles falsch, was er falsch machen kann.
Wann er eine Erklärung vor der Presse abgeben wird, ist am
Vormittag zunächst nicht zu erfahren. Die Journalisten in
Berlin begeben sich deshalb wie jeden Freitag zur Bundespressekonferenz,
wo die Sprecher der Ministerien ihnen Rede
und Antwort stehen. Diesmal ist der Saal gut gefüllt wegen
der Affäre um Guttenberg. Um die geht es auch sogleich.
Wann denn der Minister sich äußern werde, wird Guttenbergs
Sprecher Steffen Moritz gefragt. Der windet sich, sagt, der
Minister werde sich »in diesen Minuten« äußern und zwar
»vor ausgewählten Journalisten« im Ministerium. Die Empörung
im Saal ist riesig. Der Vorsitzende der Bundespressekonferenz,
Werner Gößling, fragt Guttenbergs Sprecher, ob er
wenigstens den Inhalt der Erklärung hier mitteilen könne.
»Das kann ich im Moment nicht«, sagt Moritz, dem die Sache
offensichtlich peinlich ist. Etwa 90 Prozent der Journalisten
verlassen daraufhin aus Protest den Saal, die Pressekonferenz
wird kurz darauf beendet.
Zur selben Zeit tritt Guttenberg im Ministerium vor die
Kameras und Mikrofone. Er ist nervös, den ersten Anlauf,
seine Erklärung vorzutragen, bricht er ab. Wer erwartet hatte,
der Minister werde nun die von ihm häufi g im Mund geführte
Demut an den Tag legen, der wird gründlich enttäuscht. Guttenberg
präsentiert sich offensiv, ja fast aggressiv, mit zur
Schau gestelltem Selbstbewusstsein. So reagiert er oft, wenn
er sich angegriffen fühlt. »Meine von mir verfasste Dissertation
ist kein Plagiat«, sagt er zu Beginn. Mit Nachdruck weise
er das zurück. Sie sei über sieben Jahre »neben meiner Berufsund
Abgeordnetentätigkeit als junger Familienvater in mühevollster Kleinarbeit« entstanden. »Und sie enthält fraglos
Fehler«, gibt er zu. Aber er fährt fort: »Es wurde allerdings zu
keinem Zeitpunkt bewusst getäuscht oder bewusst die Urheberschaft
anderer nicht kenntlich gemacht.« Guttenberg gibt
also vor, das ganze Abschreiben sei ihm versehentlich passiert.
Immer noch spricht er davon, dass es sich um »inkorrektes
Zitieren oder versäumtes Setzen von Fußnoten« handele.
Sollte sich davon jemand verletzt fühlen, dann tue es ihm aufrichtig
leid. Den Doktortitel werde er, bis die Universität
Bayreuth die Sache geprüft habe, »vorübergehend, ich betone
vorübergehend« nicht führen, sagt er mit schneidiger Stimme,
um im gleichen Satz zu beharren: »anschließend würde ich
ihn wieder führen«. Über die ganze Angelegenheit werde er
in Zukunft »ausschließlich mit der Universität Bayreuth«
kommunizieren. »Die Menschen« erwarteten, so sagt er zum
Schluss, dass er sich als Verteidigungsminister um die »historische
Reform der Bundeswehr« kümmere sowie um den Einsatz
in Afghanistan. Dass das notwendig sei, habe »ein Ereignis
des heutigen Tages erneut bitter vor Augen« geführt.
In der letzten Bemerkung spielt Guttenberg auf einen
schlimmen Vorfall in Afghanistan an, von dem er just an diesem
Morgen erfahren hat. Ein Soldat der afghanischen Armee,
mit der die Bundeswehr zusammenarbeitet, hatte wild um
sich geschossen und dabei neun Bundeswehrsoldaten getroffen.
Zum Zeitpunkt von Guttenbergs Auftritt ist der Tod eines
deutschen Soldaten bekannt, zwei weitere werden bis zum
Abend ihren Verletzungen erliegen.
Der Auftritt des Ministers, so viel ist unmittelbar danach
klar, ist nicht der erhoffte Befreiungsschlag. Er hat es versäumt,
ehrlich sein Fehlverhalten einzugestehen, hat stattdessen
angekündigt, über das Thema nicht weiter öffentlich zu
reden, und er hat so getan, als habe er nichts zu befürchten. Ja,
er hat am Ende sogar indirekt die Botschaft verkündet: Ihr
regt euch über eine Lappalie wie meine Doktorarbeit auf, und
in Afghanistan sterben deutsche Soldaten. Die Unanständigen
sind also wieder seine Kritiker, nicht er selbst.
Guttenberg tut sich in dieser Krise besonders schwer, eine
Verteidigungslinie zu finden. Denn er hat niemanden, auf den
er, wie früher in der Kundus-Affäre oder im Fall der »Gorch
Fock«, die Verantwortung abwälzen könnte. Diesmal ist er
offensichtlich allein verantwortlich. Und noch etwas ist anders.
Es geht diesmal nicht um eine politische Fehleinschätzung
des Ministers, sondern um ein moralisches Versagen des
Menschen Karl-Theodor zu Guttenberg. Allerdings zeigt sich
ein gleiches Verhaltensmuster in allen Fällen: Guttenberg
macht erst einmal alles schlimmer, weil er die Lage falsch einschätzt.
Natürlich setzt die Opposition alles daran, die Affäre um
die Doktorarbeit auszuschlachten. Sehr schwierig ist das
nicht. Die Frage, ob Guttenberg noch haltbar ist, stellt sich
von allein. Entweder Guttenberg hat selbst gefälscht - oder er
hat fälschen lassen. In der SPD wie auch in manchen Medien
wird jedenfalls gemutmaßt, Guttenberg habe einen »Ghostwriter
« engagiert, anders sei das Konglomerat aus zusammenkopierten
Texten nicht zu erklären. Freilich gibt es auch Einwände
gegen diese Theorie: Denn welcher professionelle
Ghostwriter wäre so ungeschickt, einfach Texte unverändert
in eine Doktorarbeit zu kopieren? Und das sogar schon bei
der Einleitung zu machen?
Die Zeit arbeitet für die Opposition und gegen Guttenberg.
In der Union sind viele unglücklich über Guttenbergs Auftritt,
der hochfahrend und arrogant wirkte. Und die Wochenendpresse
fällt nicht gut aus für Guttenberg. »Das Märchen
vom ehrlichen Karl« titelt der »Spiegel«. Zur Talk-Show
»Anne Will« kommt am Sonntagabend nur die Strauß-Tochter
und Europa-Abgeordnete der CSU Monika Hohlmeier als
Verteidigerin des Ministers. Offenbar ist niemand von den
führenden Köpfen der Union gewillt, sich für den Freiherrn
in die Bresche zu werfen.
Wie ernst die Sache ist, das zeigen die Reaktionen der Führungsmannschaft
der Union. Bundeskanzlerin Angela Merkel
lässt gleich zweimal innerhalb weniger Tage durch ihren
Sprecher ausrichten, sie habe »vollstes Vertrauen« in Guttenberg.
Bei einem Auftritt am 20. Februar sagt sie, in ihr Kabinett
berufen habe sie keinen wissenschaftlichen Assistenten
oder Inhaber eines Doktortitels, sondern einen Verteidigungsminister.
Es gehe darum, ob er seine Aufgabe als Minister erfüllen
könne. »Und da sage ich ja«, das tue Guttenberg hervorragend.
Auch Finanzminister Wolfgang Schäuble, der kurz
zuvor noch in einem Interview gespottet hatte, Guttenberg
sei kein »außer- oder überirdisches Phänomen« und ihn mit
dem Pop-Starlett Lena Meyer-Landrut verglichen hatte, stellt
sich nun vor den Attackierten. Ebenso tun es alle anderen Minister
des Kabinetts, aber auch der bayerische Ministerpräsident
und CSU-Chef Horst Seehofer. So mancher in der Union
mag sich heimlich freuen, dass der Überflieger Guttenberg
auf ein menschliches Maß zurechtgestutzt wird. Aber den populärsten
Politiker will die Union sich nicht nehmen lassen.
Und die Bevölkerung? Viele Menschen sind enttäuscht von
Guttenberg. Galt er ihnen doch als einer, der anders als die
anderen Politiker war: geradlinig, klar, ehrlich und glaubwürdig.
Dieses von Guttenberg mit Fleiß selbst inszenierte Image
ist nun bei vielen erschüttert. Einen regelrechten Absturz in
seiner Popularität erlebt Guttenberg jedoch nicht. Umfragen
zufolge wünschen wenige Tage nach der Aufdeckung des Plagiats
immer noch zwei Drittel der Deutschen, dass Guttenberg
Minister bleibe. Manche finden das ganze Theater um
seinen Doktortitel der Aufregung nicht wert. Andere sehen
nur den Neid der weniger Begabten am Werke. Doch noch
wichtiger ist wohl, dass viele Bürger sich das Bild von Guttenberg
nicht kaputt machen lassen wollen, das Bild eines ganz
neuen Politikertyps.
Jedenfalls gibt es in der Öffentlichkeit nicht nur Empörung,
Witze und Häme über »Dr. Googleberg«, den »Plagiator«,
sondern ebenso eine Welle derer, die die Kritik an Guttenberg
empörend finden. Doch die veröffentlichte Meinung setzt
ihm stark zu. Die Medien, gerade auch konservativ orientierte
Zeitungen, sind nicht bereit, die Sache auf sich beruhen zu
lassen. Guttenberg hat am Wochenende begriffen, dass er
nicht nur mit der Universität Bayreuth über seine Doktorarbeit
kommunizieren kann, sondern dass er öffentlich deutlich
Selbstkritik üben muss, wenn er eine Chance haben will, im
Amt zu bleiben. Bei einer Wahlveranstaltung im hessischen
Kelkheim am Sonntag, dem 20. Februar, klingt seine Rede
anders als seine Erklärung drei Tage zuvor. Genauer gesagt:
Von der ersten Erklärung bleibt fast nichts übrig. Er habe
»gravierende Fehler« gemacht, sagt Guttenberg jetzt, auch
»besonders peinliche« Fehler. Er habe sich am Wochenende
noch einmal mit seiner Dissertation befasst. Er habe wohl
»den Überblick über die Quellen verloren«. Doch habe er die
Dissertation selbst verfasst. »Daher stehe ich auch zu dem
Blödsinn darin«, sagt er.
Ist das nun ein anderer Guttenberg? Keineswegs. Guttenberg
macht wieder einmal eine Kehrtwende, aber damit bleibt
er sich treu. Auf seinen Doktortitel wolle er verzichten - das
sei »schmerzlich, aber wichtig«. Es gehe aber darum, Schaden
abzuwenden von der Universität Bayreuth, vom Doktorvater,
vom Zweitkorrektor. Jetzt schützt Guttenberg also die anderen,
ist wieder einmal hochanständig. Und natürlich teilt er in
gewohnter Manier gegen den politischen Betrieb aus, zeigt
sich froh, dass er heute Abend hier in Kelkheim bei der CDU
all das sagen könne und »nicht vor der Hauptstadtpresse«.
Die Leute von der Jungen Union jubeln ihm zu. »Eine oberfränkische
Wettertanne hauen solche Stürme nicht um«, sagt
er, »solche Stürme hält man aus.« Guttenberg verzichtet dauerhaft,
wie ein Sprecher nach der Rede versichert, auf den
Doktortitel. Ein entsprechendes Gesuch hat er an die Universität
Bayreuth gerichtet. Der Auftritt in Kelkheim überzeugt
allerdings viele Beobachter nicht. Guttenberg hat nichts
Glaubhaftes zu seiner Doktorarbeit gesagt, stattdessen seine
übliche Show präsentiert.
Am 23. Februar, wieder einem Mittwoch, gerade sieben
Tage nach Veröffentlichung der ersten Vorwürfe in der »Süddeutschen
Zeitung«, muss Guttenberg im Bundestag in einer
Fragestunde und in einer Aktuellen Stunde Rede und Antwort
stehen. Die Redner von den Grünen und SPD nennen
ihn »Hochstapler« und »Täuscher«, »Lügner« und »Betrüger
«, ohne dass sie vom Bundestagspräsidium dafür gerügt
werden. Guttenberg gibt sich im Bundestag bescheidener als
in den Auftritten zuvor, aber die Fragen, wie seine Doktorarbeit
entstanden sei, beantwortet er nicht. Die Universität Bayreuth
erkennt ihm am selben Tag den Doktortitel ab, behält
sich aber eine eingehende Prüfung darüber vor, ob Guttenberg
bewusst getäuscht habe.
Doch diese Mitteilung bringt keine Ruhe in die Affäre.
Zwar organisiert die »Bild«-Zeitung per Seite 1 noch fl ugs
eine Leser-Hotline, um über den Verbleib Guttenbergs im
Ministeramt abzustimmen - 87 Prozent wollen danach, dass
er bleibt. Doch bei einer Umfrage auf der eigenen Internet-
Seite bild.de stimmen 57 Prozent für den Rücktritt - die Umfrage
verschwindet zeitweise von der Seite.
Nun häufen sich Stimmen aus der Wissenschaft, die das
Verhalten Guttenbergs verurteilen. Vor allem wenden sich die
großen Wissenschaftsverbände dagegen, das Fälschen einer
Doktorarbeit als Lappalie abzutun. Mehrere Juristen äußern
die Auffassung, Guttenberg müsse mit Vorsatz gehandelt haben.
Auch die Bundeskanzlerin selbst wird für ihre Zweiteilung
des Ministers in einen Wissenschaftler, der einen Fehler
gemacht habe, und einen Minister, der gute Arbeit leiste, kritisiert.
Im Internet unterzeichnen Zehntausende einen offenen
Brief an die Kanzlerin, in dem sie gegen deren Umgang
mit der »Causa Guttenberg« demonstrieren. In Berlin ziehen
einige hundert Menschen vor das Verteidigungsministerium,
fordern den Rücktritt des Ministers und hängen Schuhe auf
den Zaun des Ministeriums, eine Anspielung auf die Fußnoten,
aber auch ein aus der islamischen Welt übernommnes
Zeichen der Verachtung. Professor Oliver Lepsius, Staatsrechtler
an der Universität Bayreuth und Nachfolger von
Guttenbergs Doktorvater, sagt es schließlich unverblümt:
»Guttenberg ist ein Betrüger«. Niemand habe sich vorstellen
können, »mit welcher Dreistigkeit hier ein Plagiat eingereicht
wird«. Guttenberg habe planmäßig und mit bewusstem Vorsatz
eine Collage von Plagiaten gestellt. Dass er das abstreite,
sei absurd. Andernfalls müsse man sich fragen: »Wenn er in
diesem Fall nicht wusste, was er tut, weiß er es denn in anderen
Fällen?«
Nun bröckelt auch die Front in der Union. Erste CDU Politiker
üben Kritik an Guttenberg. Sachsen-Anhalts Ministerpräsident
Wolfgang Böhmer sagt: »Ich weiß nicht, wie lange
er das erträgt und aushalten kann.« Zur Speerspitze der
unionsinternen Kritik wird Bundestagspräsident Norbert
Lammert (CDU), der sich gern als unabhängiger Kopf präsentiert.
In einem Interview macht er klar, dass Guttenbergs
Verhalten eine schwere Verfehlung sei. Als immer mehr Ausarbeitungen
des Wissenschaftlichen Dienstes des Bundestags
in Guttenbergs Dissertation festegestellt werden, die er ohne
Erlaubnis und meist ohne Quellenangabe verwendet hat, sagt
Lammert, die Sache sei »deprimierend eindeutig«. Später
dringt ein weiteres Lammert-Wort aus einer internen Sitzung
an die Öffentlichkeit, das so oder ähnlich gefallen ist: Der
Umgang mit der Affäre um Guttenberg sei »ein Sargnagel für
die Demokratie«. Schließlich äußert sich auch noch Bildungsministerin
Annette Schavan (CDU) kritisch in einem Interview:
»Als jemand, der selbst vor 31 Jahren promoviert hat
und in seinem Berufsleben viele Doktoranden begleiten durfte,
schäme ich mich nicht nur heimlich.«
Schavan ist eine enge Vertraute von Angela Merkel. Die
Kanzlerin hat zwar alles getan, um bloß keinen Anlass zu einer
Dolchstoßlegende zu geben, nach der sie dem beliebtesten
Politiker in den Rücken gefallen sei. Die Guttenberg-Fans
will sie auf keinen Fall vergraulen, denn das würde ihrer Popularität
Abbruch tun. Doch viele Medien vermuten, dass
Schavans Satz nur in Absprache mit der Kanzlerin gefallen
sein könne. Auch der Doktorvater Guttenbergs, der renommierte
Rechtswissenschaftler Peter Häberle geht nun auf Distanz.
Er hatte tagelang geschwiegen, sah, so wurde berichtet,
sein Lebenswerk ruiniert. Nun teilt er mit: »Die in der Promotionsschrift
von Herrn zu Guttenberg entdeckten, mir unvorstellbaren
Mängel sind schwerwiegend und nicht akzeptabel.
« Bei der Staatsanwaltschaft Hof gehen immer mehr Anzeigen
gegen Guttenberg ein, schließlich sind es über 100
Strafanzeigen - der Minister wird sich auch mit strafrechtlichen
Konsequenzen seines Verhaltens auseinanderzusetzen
haben.
Das alles weiß Guttenberg. Noch am Morgen des 28. Februar,
einem Montag, tut ein schon sichtlich angeschlagener
Minister bei einer CSU-Präsidiumssitzung in München kund,
dass er weiter mit Freude in seinem Amt arbeiten werde. Aber
Guttenberg erkennt, dass er aus der Sache nicht mehr herauskommt.
Am Abend des gleichen Tages setzt er sich zu Hause
hin, um seine Rücktrittserklärung zu formulieren.
Am Dienstagmorgen meldet - natürlich als erste - gegen
zehn Uhr die »Bild«-Zeitung, dass Guttenberg zurücktreten
wird. Die Kanzlerin erfährt von dem Rücktritt auf der Messe
Cebit in Hannover. Eine Filmszene zeigt, wie sie eine Handy-
Mitteilung mit vielsagendem Blick liest und sie dann der neben
ihr stehenden Annette Schavan zu lesen gibt. Angeblich
handelt es sich um die Nachricht vom Rücktritt Guttenbergs.
Schockiert wirken beide Politikerinnen nicht.
Gegen halb elf versendet das Verteidigungsministerium die
Einladung zu einem Pressestatement Guttenbergs. Um 11
Uhr 22 tritt er vor die Journalisten. Seine bei genauerer Betrachtung
wirre Rücktrittserklärung ist ein typischer Guttenberg:
Reichlich Pathos, ein wenig Selbstkritik, viel Eigenlob,
von Demut kein Spur. All die charakterlichen Mängel, die
Guttenberg in den vergangenen Tagen während seiner Krise
gezeigt hat, führt er noch einmal vor. Guttenberg kreiert seine
eigene Dolchstoßlegende. Er macht klar, dass er nicht nur wegen
seiner »so fehlerhaften Doktorarbeit« zurücktrete, »wiewohl
ich verstehe, dass dies für große Teile der Wissenschaft
ein Anlass wäre«. Er könne aber den höchsten Ansprüchen,
die er selbst an seine Arbeit lege, nicht mehr genügen. Der Guttenberg gibt zu verstehen, dass daran die Medien schuld seien.
Und noch einmal benutzt er die gefallenen und verwundeten
Soldaten der Bundeswehr als Argument, dass seine eigene
Verfehlung nun ja nicht so schlimm sei. Er sagt: »Wenn allerdings,
wie in den letzten Wochen geschehen, die öffentliche
und mediale Betrachtung fast ausschließlich auf die Person
Guttenberg und seine Dissertation statt beispielsweise auf den
Tod und die Verwundung von 13 Soldaten abzielt, so findet
eine dramatische Verschiebung der Aufmerksamkeit zulasten
der mir Anvertrauten statt.« Das klingt fast so, als habe Guttenberg
bisher niemals die Person Guttenberg der öffentlichen
und medialen Betrachtung für würdig empfunden. Ebenso,
fährt er fort, habe die Befassung mit der »Gorch Fock«-Affäre
»die weltbewegenden Ereignisse in Nordafrika« in den
Hintergrund treten lassen. Auch das ist angesichts der umfangreichen
Berichterstattung über den Umbruch in Tunesien,
Ägypten oder Libyen schlicht falsch. Guttenberg fährt
sodann unmittelbar und zusammenhanglos fort: »Wenn es auf
dem Rücken der Soldaten nur noch um meine Person gehen
soll, kann ich dies nicht mehr verantworten.«
Guttenberg gibt dann drei Gründe dafür an, warum er erst
jetzt zurücktrete. Der erste ist glaubwürdig: Er habe das Amt
nicht aufgeben wollen, »an dem das ganze Herzblut hängt«.
Das ist zwar etwas überraschend zu hören von dem Mann,
der geradezu provokativ betonte, er könne jederzeit mit der
Politik aufhören. Aber dem war wohl nicht so. Die anderen
beiden Gründe wirken indes vorgeschoben. Zunächst reklamiert
Guttenberg, sein Zögern beim Rücktritt als »eine Frage
des Anstandes, zunächst die drei gefallenen Soldaten mit Würde
zu Grabe zu tragen und nicht erneut ihr Gedenken durch
Debatten über meine Person überlagern zu lassen«. Doch zu
dieser Zeit war die Debatte um seine Person ja schon voll entbrannt.
Zudem »gehört« es sich, greift Guttenberg eine seiner
Lieblingsformeln auf, seinem Nachfolger »ein weitgehend bestelltes
Haus zu hinterlassen«. Abgesehen davon, dass nach
Meinung fast aller Fachleute hinsichtlich der Bundeswehrreform vieles im Argen liegt, lässt sich ein Haus nicht in wenigen
Tagen »bestellen«, wenn es zuvor nicht in ordentlichem
Zustand gewesen ist. Doch darum geht es eigentlich nicht.
Guttenberg muss einfach auch am Ende wieder als der Anständige
erscheinen. Er schließt seine Erklärung mit den pathetischen
Worten: »Ich war immer bereit zu kämpfen, aber
ich habe das Ende meiner Kräfte erreicht.« So stilisiert er sich
selbst zum Märtyrer.
Eine kleine, bescheidene Erklärung zum Rücktritt hätte das
ramponierte Guttenberg-Bild vieler Beobachter vielleicht
verändert. Eine Geste, die von echtem Bedauern geprägt gewesen
wäre, hätte den gefallenen Superstar zumindest menschlich
erscheinen lassen. So aber hat Guttenberg vieles, was in
den vergangenen zwei Jahren an charakterlichen Mängeln bei
ihm zu Tage getreten war, mit bestürzender Deutlichkeit bestätigt.
Die Wahrheit über die Entstehung seiner Doktorarbeit
und seinen Umgang mit der Lüftung dieses Geheimnisses
zeigen, dass der bei manchen schon vorher vorhandene Verdacht,
es könne sich bei Deutschlands prominentestem Politiker
womöglich um einen begabten Blender handeln, begründet
war. Man könnte auch sagen: Noch in seinem Abgang ist
Guttenberg sich treu geblieben.
Copyright © 2011 by Droemer Verlag
Ein Unternehmen der Droemerschen Verlagsanstalt
Th. Knaur Nachf. GmbH & Co. KG, München.
Alle Rechte vorbehalten.
CSU-Parteitag in München. Samstag, der 30. Oktober 2010.
Karl-Theodor zu Guttenberg geht durch die Reihen, ein kurzer
Halt an der Pressebank, wo die Journalisten arbeiten. Eine
Zufallsbegegnung. Was das Buch mache, erkundigt sich der
Bundesminister der Verteidigung, höfl ich und freundlich wie
stets, und hört sich an, dass es gut vorangehe. Dann schiebt er,
lapidar wie eine Bemerkung über das Wetter, den Satz hinterher,
vielleicht werde das Buch ja ohnehin gegenstandslos werden.
Wie er das meine? Nun, man müsse solch einen Job ja
nicht ewig machen, bedeutet Guttenberg. Wenigstens bis zum
März des nächsten Jahres? fragt der Angesprochene. Da solle
nämlich das Buch erscheinen.
Der Mann also, der zu jenem Zeitpunkt auf dem Höhepunkt
seines Ansehens in Deutschland ist, vermutlich aus
dem Stand eine Mehrheit bekommen könnte, wenn er Anspruch
auf den CSU-Vorsitz erhöbe, dem im Herbst 2010 die
baldige Eroberung der bayerischen Staatskanzlei ebenso zugetraut
wird wie diejenige des Kanzleramtes, spielt gegenüber
Journalisten mit dem Gedanken an das Ende seiner politischen
Laufbahn. Abstrus! Immerhin stellt er anschließend in
Aussicht, dass er bis März jedenfalls durchhalten werde.
Schließlich stehe er wegen der angefangenen Reform der Bundeswehr
in der Verantwortung. Wir halten das Ganze für eine
weitere seiner zahlreichen koketten Anspielungen, dass er
auch ohne die Politik leben könne.
Vier Monate später, der März des Jahres 2011 ist nicht einmal
zwölf Stunden alt, lässt Guttenberg eine Pressemitteilung
verschicken. Der Minister werde eine Stellungnahme abgeII
Ein gespaltenes Land
ben. So aufgeheizt ist mittlerweile die Diskussion über Guttenberg,
über seine schweren Verfehlungen bei der Abfassung
seiner Dissertation, über die alles verniedlichende Reaktion
der Bundeskanzlerin ihrem Minister gegenüber, dass das nur
noch eines bedeuten kann: Karl-Theodor zu Guttenberg tritt
diesmal wirklich zurück. So kommt es. Deutschlands politischer
Superstar legt am 1. März 2011 alle politischen Ämter
nieder. Am Vorabend ist im Berliner Hotel »Adlon« die erste
Auflage seiner Biographie, dieses Buches also, präsentiert
worden.
Biographien über aktive Politiker zu schreiben, ist immer eine
riskante Sache. Wichtige Dinge können kurz nach dem Redaktionsschluss
passieren, während das Buch gedruckt wird
und die Autoren hilflos auf sein Erscheinen warten. Ein Rücktritt
ist naturgemäß das einschneidendste Ereignis. Aber auf
den Spuren des Hochgeschwindigkeitspolitikers Karl-Theodor
zu Guttenberg musste das ja so kommen. Ein normales
Ende eines solchen Abenteuers wäre für ihn nicht angemessen
gewesen. Als die Staubwolken, die das Rennen nebst seinem
spektakulären Ausgang aufgewirbelt haben, sich legen, schauen
die Biographen auf ihr Werk. Ist noch alles in Ordnung,
stimmt alles? Oder ist der Rahmen verzogen? Muss nach der
Enthüllung, dass seine Doktorarbeit ein großes Plagiat ist, das
ihn am Ende das Amt gekostet hat, der Blick auf Guttenberg
ein anderer sein? Zwei Tage nach dem Rücktritt erscheint in
der »Zeit« eine Rezension unseres Buches. Aus ihr sei an dieser
Stelle zitiert: »Die Biografi e von Wehner und Lohse muss
von morgen an nicht umgeschrieben, nur fortgesetzt werden,
und den Autoren nimmt man es ab, wenn sie nun sagen: Die
Entzauberung des Märchenprinzen überrasche sie nicht. Die
Spuren eines Mannes, der seinen Lebenslauf schönt, durchziehen
dieses Buch, ein bisschen Hochstapelei, etwas Lüge,
manche Legende, fi ngerdick Blattgold und Pomade.«
Tatsächlich sind wir bei der langen und intensiven Beobachtung
Karl-Theodor zu Guttenbergs bald auf jene Spuren
gestoßen, die zeigen, dass er gerne möglichst viel äußeren
Glanz in seinen Lebenslauf bringt und es dabei mit der Wahrheit
nicht immer ganz genau nimmt. Er hübscht ein Praktikum
zu einer freien Mitarbeit auf, führt für die Zeit vor seinem
Abgeordnetendasein ein Engagement im Familienunternehmen
auf, das sich nicht recht präzisieren lässt, zeigt große
Neigung zu spektakulären Fotoposen und zu politischen
Schüssen gegen die eigene Mannschaft, die die eigene Person
in ein besonders helles Licht rücken sollen. Das eigene Fehlverhalten
in der Bewältigung der Kundus-Affäre gibt Guttenberg
dagegen erst unter dem Druck eines Untersuchungsausschusses
mit monatelanger Verzögerung zu, während er einstige
Schutzbefohlene innerhalb von Stunden fallen lässt und
anschließend im grellen Scheinwerferlicht der Talkshows mit
Schuldzuweisungen überzieht. Das alles lässt das Bild einer
Persönlichkeit entstehen, die neben ihren politischen Fähigkeiten
genügend Schillerndes vorhält.
Aber eine angeblich über Jahre entstandene juristische
Doktorarbeit, die eine gigantische Ansammlung von Plagiaten
ist? Ein Mann, der behauptet, dieses alles selbst gemacht
zu haben und zwar ohne jede böse Absicht und das zu einem
Zeitpunkt, da er hauptberufl ich als Bundestagsabgeordneter
an der Entstehung jener Gesetze mitwirkte, mit denen das
Land regiert wird? Ein Mann, der nach der Aufdeckung dieses
Riesenschwindels erst alle Vorwürfe als »abstrus« zurückweist,
um wenig später seinen Doktortitel unter dem Beifall
seiner Fans von sich zu schleudern mit dem Kommentar, er
habe »Blödsinn« geschrieben? Das ist neu. Das steht nun neben
seinen Talenten, die in diesem Buch natürlich auch ausführlich
beschrieben werden.
Wie oft hatten wir gerungen mit dem Objekt unserer Beobachtung,
hatten diskutiert, uns gefragt, ob er ein großer Politiker
oder doch mehr ein begabter Schauspieler sei. Jetzt also
noch einmal. Dabei sind wir nicht allein, sondern in der Gesellschaft
des restlichen Deutschlands. Spätestens seitdem
Mitte Februar die Plagiatsaffäre begonnen hat, ist DeutschIV
Ein gespaltenes Land
land zweigeteilt: Guttenberg-Fans gegen Guttenberg-Kritiker.
Es scheint kein Grau, kein Einerseits-Andererseits, sondern
nur noch Schwarz und Weiß zu geben. Seit wir kurz nach
dem Beginn der Plagiatsaffäre Auszüge aus dem Buch in der
»Frankfurter Allgemeinen Sonntagszeitung« veröffentlichten,
die Guttenbergs Neigung zum Polieren seines Lebenslaufs
beschreiben und seine Bereitschaft, es bei der Aufarbeitung
der Kundus-Affäre mit der Wahrheit nicht so genau zu nehmen,
hat uns eine Welle der Empörung überrollt. Leser mailen,
schreiben Briefe, rufen an. Die überwältigende Mehrheit
schimpft aus Leibeskräften, nicht etwa, weil irgendeine unserer
Darstellungen der Wahrheit nicht entspreche, sondern
weil wir Guttenberg kritisierten. Auch wenn es dem üblichen
Ablauf solcher Reaktionen entspricht, dass sich schnell (und
oft genug ausschließlich) Kritiker melden, so ist die Wucht
von deren Auftreten diesmal ungewöhnlich. Erst nach und
nach wenden sich jene Leser an uns, die einen weniger positiven
Blick auf den Politiker Guttenberg haben.
Spätestens mit dem jähen Einsetzen seines politischen Todeskampfes
- Wiederauferstehung nicht ausgeschlossen - hat
Karl-Theodor zu Guttenberg Deutschland gespalten. Seine
Anhänger fi nden sich vor allem im großen Kreis derjenigen,
die mit einem gerüttelt Maß an Verachtung auf die etablierte
Politik schauen; auf Parteien, die sich ihrer Meinung nach das
Land zur Beute gemacht haben, die nicht nur die Herrschaft
über die Gesetzgebung entlang der Parteigrenzen untereinander
aufteilen, sondern über den Parteienproporz tief in das
gesellschaftliche Alltagsleben vordringen, die Verwaltungsapparate
von den Bundesministerien bis hinab zu den Rathäusern
mit ihren Leuten so besetzen, dass sie ihre Macht möglichst
dauerhaft etablieren, die die Herrschaft über den öffentlich-
rechtlichen Rundfunk ausüben, indem sie sich die
Führungspositionen dort aufteilen. Es ist die Wahrnehmung
einer politischen Klasse als graue, aber mächtige Schicht, die
ihr Wirken oft zum Lebenszweck, mindestens zum Beruf gemacht
hat.
Dass Karl-Theodor zu Guttenberg gerade in Bayern so beliebt
ist, mag nicht nur daran liegen, dass er dort geboren wurde
und viele Jahre seines Lebens dort verbracht hat, wenngleich
er keineswegs als »Bayer« wahrgenommen wird wie
etwa Franz Josef. Es dürfte seinen Grund auch darin haben,
dass in keinem Bundesland eine Partei so selbstverständlich
seit Jahrzehnten die Alleinherrschaft nicht nur über die politischen
Institutionen, sondern über das ganze Land hat wie
die CSU in Bayern. Die Wahrnehmung, dass »die da oben«
sich das Land Untertan gemacht haben, kann vor einem solchen
Hintergrund besonders gut entstehen.
Gegen diese - so wahrgenommene - Form von Politik rennen
viele Anhänger Guttenbergs im Februar 2011 mit umso
größerer Wucht und Verzweiflung an, je mehr sie sehen, dass
ihr Held in Bedrängnis gerät. Dass er die rasant wachsenden
Schwierigkeiten für sich und sein Amt auch noch selbst zu
verantworten hat, die Schuld am Zustandekommen seines
Dissertationsplagiats keinem Staatssekretär, Generalinspekteur
oder Schiffskapitän in die Schuhe schieben kann, das verstärkt
den Ärger vieler Menschen. Manche rasen geradezu vor
Wut, bellen in Telefone, drohen das Ende ihres Zeitungsabonnements
an. Guttenbergs Vergehen wird kleingeredet. Er habe
das nicht bewusst gemacht. Oder: »Haben Sie früher in der
Schule etwa nie abgeschrieben?« Ganz so, als ob das mit jahrelangem
Diebstahl geistigen Eigentums zu vergleichen wäre,
der die Erlangung eines Doktortitels mit höchster Auszeichnung
zum Ziel hat.
Selbst diejenigen seiner Fans, die sein Fehlverhalten als
Doktorand erkennen, wollen kein Problem für den Politiker
Guttenberg sehen. Ein Minister brauche keinen Doktortitel
und im Übrigen liege die Angelegenheit ja schon eine Weile
zurück. Dass es nur fünf Jahre sind und Guttenberg kein junger
Heißsporn, sondern Abgeordneter des höchsten deutschen
Parlaments war, wird dabei unterschlagen. »Die Menschen
verzeihen Herrn Guttenberg diesen Fehler, die Medien
müssen es auch tun«, ist eine der Forderungen aus dem Kreis
der Guttenberg-Anhänger. Es entsteht der Eindruck, dass
viele nicht nur zum Schönreden und Verzeihen bereit sind,
sondern ihr Held durch seine Fehlerhaftigkeit in ihren Augen
sogar noch wächst. Nur wer schon Fehltritte hinter sich hat,
kann zu wahrer Größe aufsteigen.
Wer die Bösen sind, haben die Guttenberg-Fans schnell
ausgemacht: die linke Opposition und die Medien, die diese
»linke Kampagne« mitmachen. Dass Medien Zustände und
Missstände aufdecken und beschreiben, scheint im Verständnis
vieler Menschen nicht vorzukommen. Wer nicht für Guttenberg
ist, ist gegen ihn. Das Wort von der »Menschenjagd«
ist schnell bei der Hand. Guttenberg wird vom Schuldigen
zum Opfer umdeklariert. Das macht er selber gerne. Wenn
alle nur noch auf die Fußnoten in seiner Doktorarbeit schauten
statt auf die gefallenen Soldaten in Afghanistan, dann sei
ihm als Verteidigungsminister das angemessene Ausüben
seines Amtes nicht mehr möglich, argumentiert er in seiner
Rücktrittserklärung. Wer diese Argumentation durchgehen
lässt, macht den Verteidigungsminister (aber ebenso die auch
für die Auslandseinsätze zuständige Bundeskanzlerin, den
Außenminister, ja das ganze Kabinett, letztlich den ganzen
Bundestag!) auf ewig unantastbar. Denn immer sterben irgendwo
deutsche Soldaten. Soldatenblut würde so zum Drachenblut
für die Politiker.
Bei manchen der glühenden Anhänger Karl-Theodor zu
Guttenbergs treten annähernd religiöse Züge auf. Ein Mann,
der so spreche wie er, könne nicht absichtlich seine Doktorarbeit
fälschen. Gegenargumente werden abgetan mit dem
Hinweis: »Sie werden mich nicht bekehren!« Am Ende des
Gesprächs wird auf die Bedeutung des Christentums hingewiesen.
Plötzlich entsteht der Verdacht, nicht für alle ist der
Gedanke, Guttenberg könne über Wasser laufen, bloß ein
Scherz. Seine Verehrung als Führungsfigur, als Heilsbringer
nimmt zum Teil kultische Züge an. Deswegen tun manche
Mitglieder der CDU- und vor allem der CSU-Führung auch
so, als könnten sie den Verlust Guttenbergs gar nicht fassen
und dächten von früh bis spät an dessen Rückkehr. Keiner
will vor Guttenbergs Jüngern als derjenige dastehen, der ihn
verraten hat.
Die härteste Drohung der Anhänger ist zugleich diejenige,
die vermutlich am häufigsten wahrgemacht wird. Wenn ein
solches Talent »kaputtgemacht« werde, dann würden sie
künftig der Politik den Rücken kehren. Sollte diese Reaktion
massenhaft eintreten, was angesichts einer verbreiteten Demokratie-
und Wahlmüdigkeit nicht unwahrscheinlich ist,
wäre Guttenbergs Rücktritt auch ein Schaden für das demokratische
Gemeinwesen. Hätte das alles vermieden werden
können? Hätte das Bedürfnis vieler Menschen nach einer
Führungsfigur, die anders ist als die grauen Machtorganisatoren
in ihren Berliner Büros, gestillt werden können? Schwerlich.
Die Dreistigkeit, mit der Guttenberg nicht nur seine
Doktorarbeit erstellt, sondern auch auf die Entdeckung des
Plagiats reagiert hat, wirft ein bezeichnendes Licht auf ihn. Er
mutet Menschen und Institutionen, mit denen er zu tun hat,
so viel Rücksichtnahme auf sein Ego zu, dass er mit Systemen
wie Universitäten, Parteien, Regierungen nicht kompatibel
ist. Wäre er anpassungsfähiger, hätte er zwar durch eine starke
Führungskraft wie Angela Merkel im Zaum gehalten werden
können. Doch wäre er dann nicht so populär geworden. Seine
Beliebtheit gründet ja wesentlich auf seiner Inkompatibilität,
auf seinem Anderssein, seiner Kühnheit auf Kosten des politischen
Establishments. Über kurz oder lang musste diese
Fehlkonstruktion zerbrechen. Die abgeschriebene Doktorarbeit
ist der Auslöser, nicht der Grund für das Scheitern Guttenbergs
als Teil der etablierten Parteiendemokratie.
Trefflich ich aufzeigen lässt sich das am Beispiel seines Vorgehens
bei der Bundeswehrreform. Um den seit Jahren gepflegten Selbstbetrug der politischen Szene, die Wehrpflicht
funktioniere noch, zu beenden, bedurfte es eines Politikers
mit überdurchschnittlicher Beherztheit und Risikofreude.
Guttenberg hat gewagt und gewonnen. Doch hat er dabei
die Belastbarkeit und Toleranz seiner Regierung und seiner
Partei, der CSU, auf das Äußerste strapaziert. Noch dazu hielt
er kein schlüssiges Konzept bereit, wie nach dem Ende der
Wehrpflicht und mit einer stark verkleinerten Armee deren
Funk tionsfähigkeit zu gewährleisten wäre. Mit seinem
Schwert zerschlug der kühne Ritter Karl-Theodor nicht nur
den Gordischen Knoten einer dahin siechenden Wehrpflicht,
sondern die Säulen geordneten Regierungshandelns gleich
mit.
Und die Kritiker des Freiherrn aus Oberfranken? Sie brauchen
etwas länger, um ihre Stimme zu erheben, in der Union
wie in der Öffentlichkeit. Bei soviel Glück und Jubel in CDU
und CSU, die glaubten, einen Supermann als Wahlkämpfer zu
haben, bei so viel öffentlicher Beliebtheit Guttenbergs und
seiner Frau droht ja der Kritiker auch allzu leicht zum Spielverderber
oder Nörgler zu werden. Letztlich hat Angela Merkel
höchstpersönlich den letzten Ausschlag für Guttenbergs
Rücktritt von allen politischen Ämtern gegeben. Nichts hat
die Wählerschaft der Union derart provoziert wie Merkels
Formulierung, sie habe Guttenberg nicht als wissenschaftlichen
Assistenten, sondern als Minister ausgesucht. Nach
außen hat sie sich damit augenzwinkernd auf die Seite der
Guttenberg-Fans geschlagen. Nach innen hat sie aber eine
Welle der Wut ausgelöst unter all jenen, die ihre wissenschaftlichen
oder auch andere Meriten unter Anstrengung und mit
dem von Guttenberg gern zitierten Anstand erworben haben.
Diese Empörung ließ am Ende solch einen Druck in den eigenen
Reihen entstehen, dass Guttenberg nicht mehr zu halten
war.
Und nun? Was aus jenem Mann wird, der vielen schon ganz
selbstverständlich als nächster, spätestens übernächster Bundeskanzler
erschien, ist gänzlich ungewiss. Karl-Theodor zu
Guttenberg steht vor der vermutlich wichtigsten Prüfung seines
beruflichen Lebens. Er wird jetzt etwas herausfi nden
(müssen): Hat seine beispiellose Popularität aus sich selbst heraus
Bestand, hat er nicht nur als Minister solch ungeheuren
Beifall bekommen, sondern als Karl-Theodor zu Guttenberg?
Oder war er nur im richtigen Moment an der richtigen Wegekreuzung
der Zeitläufte, als nach grauen Jahren der großen
Koalition ein glänzendes, aristokratisches Politikerpaar mit
ungewöhnlichem Selbstbewusstsein und Instinkt für den
richtigen Augenblick gesucht wurde? Das bleibt eine spannende
Frage. Der folgende Versuch zu erklären, wer dieser
Karl-Theodor zu Guttenberg ist, wo er herkommt, was er
bisher gemacht hat, mag auch helfen, Licht auf seine Zukunft
zu werfen.
Eckart Lohse und Markus Wehner
Berlin, im März 2011
ABSTURZ
Die Affäre um die »Gorch Fock«
Ende Dezember 2010 trifft sich der Verteidigungsausschuss
des Bundestages zu seiner letzten Sitzung des Jahres. Zugegen
ist der Inspekteur der Marine, Vizeadmiral Axel Schimpf. Er
hält sich bereit, über den Tod einer jungen Offiziersanwärterin
auf der »Gorch Fock« zu berichten. Die Sitzung verläuft
allerdings derart chaotisch, dass Schimpf erst unmittelbar vor
deren Ende in dieser Angelegenheit berichten kann, nur eine
Minute bleibt ihm dafür. Das Thema erreicht die Abgeordneten
nicht wirklich, die Medien und die Öffentlichkeit erst
recht nicht.
Das ändert sich schlagartig Mitte Januar. Wieder tritt der
Verteidigungsausschuss zusammen. Dieses Mal geht es um einen
anderen Todesfall in der Truppe, der sich kurz vor Weihnachten
zugetragen hat. Bundeskanzlerin Angela Merkel und
ihr Verteidigungsminister stehen damals im Begriff, zu einem
Besuch nach Afghanistan aufzubrechen, als es dort zu einem
tragischen Unfall kommt. In einem Außenposten stirbt ein
Bundeswehrsoldat durch einen Schuss aus der Pistole eines
mit ihm befreundeten Kameraden. Das Waffenreinigen haben
die Männer gerade hinter sich, einer von ihnen hantiert im
Anschluss zumindest unglücklich mit seiner Waffe, ein Schuss
löst sich und trifft den Kopf des Kameraden.
Der Vorfall überschattet den Afghanistan-Besuch der
Kanzlerin und des Ministers. Nachdem kurzzeitig der Eindruck
entstanden ist, der Soldat habe sich selbst beim Waffenreinigen
erschossen, sagt Guttenberg noch während der Reise,
dass es der Schuss aus der Waffe eines Kameraden gewesen
sei. Es wird nichts verheimlicht oder falsch dargestellt, Guttenberg
sind keine Vorwürfe zu machen.
352 6 Absturz
Während der Sitzung des Verteidigungsausschusses im Januar
wird über den Fall berichtet. Es kommt zu einer etwas
unglücklichen Darstellung des Geschehens durch Guttenbergs
Parlamentarischen Staatssekretär Thomas Kossendey.
Der berichtet zwar zutreffend, dass der Mann durch den
Schuss aus der Waffe seines Kameraden getötet worden sei,
sagt aber, das sei »im Rahmen eines Waffenreinigens« passiert.
Die Version, es habe sich um einen Unfall beim Waffenreinigen
gehandelt, gilt zu diesem Zeitpunkt aber schon längst
nicht mehr als aktuell. Durch Befragung der bei dem Vorfall
anwesenden Soldaten ist vielmehr der Verdacht entstanden,
die Männer seien unsachgemäß, vielleicht sogar spielerisch
mit ihren Waffen umgegangen.
Daher meldet sich der Wehrbeauftragte des Bundestages,
der FDP-Mann Hellmut Königshaus, im Ausschuss zu Wort
und wehrt sich gegen die Darstellung des Christdemokraten
Kossendey. Für die Opposition ist das ein gefundenes Fressen.
Sofort befeuern SPD und Grüne die Debatte: Was ist da
eigentlich los in der Truppe? Eine solche Frage, medial kräftig
zugespitzt, richtet sich sehr schnell an den obersten Dienstherren,
den Verteidigungsminister. Der Tote in Afghanistan,
diejenige von der »Gorch Fock« und noch einige Feldpostbriefe
aus Afghanistan, die unzulässigerweise geöffnet wurden,
ergeben ein explosives Gemisch, obwohl sie in der Sache
nicht das Geringste miteinander zu tun haben.
Dass die Medien derart schnell einen Fall Guttenberg thematisieren,
kommt nicht von ungefähr. Die vorletzte Reise
des Ministers nach Afghanistan, im Dezember 2010 zusammen
mit Ehefrau Stephanie und Fernsehmoderator Johannes
B. Kerner, war, das merkt auch Guttenberg bald, des Guten
zuviel. Eine von beiden Begleitungen hätte wohl noch als erträglich
gegolten. Die Gattin und den Talkmaster gleichzeitig
mitzunehmen erweckt aber den Eindruck, die ständigen Afghanistantrips
seien für den Minister zu einer Mischung aus
Familienausflug und blanker PR-Veranstaltung geworden.
Die Kanzlerin stellt sich schützend vor ihren besten Wahl. Die
Affäre um die Kämpfer, verteidigt seine Reise und kann ihn noch einmal in
die Weihnachtspause und für einen Moment aus dem Blickfeld
der Medien bugsieren. Doch bleiben erste Kratzer in
Guttenbergs Lack zurück.
Sein Umgang mit den Vorfällen auf der »Gorch Fock« und
in Afghanistan sorgt im Januar dafür, dass Kratzer zu Schrammen
werden. Über den Vorfall des in Afghanistan ums Leben
gekommenen Soldaten sagt Guttenberg zwar nichts Falsches.
Doch als dieser Fall im Januar rückblickend von den Medien
beleuchtet wird, kommt etwas höchst Überraschendes ans
Tageslicht. Wie bei jedem besonderen Ereignis haben die
Feldjäger auch über den tödlichen Unfall einen Bericht angefertigt.
Einen Feldjägerbericht, wie er etwa nach der Bombardierung
zweier Tanklaster bei Kundus im Sommer 2009
erstellt worden war. Weil dieser Bericht nebst anderen dem
neu ins Amt gekommenen Minister wenige Monate nach der
Bombardierung nicht vorgelegt worden waren, hatte Guttenberg
damals seine beiden höchsten Mitarbeiter, Staatssekretär
Wichert und Generalinspekteur Schneiderhan, gefeuert. Anschließend
hatte er die Erwartung geweckt, dass derartige
Nachlässigkeiten in der internen Kommunikation des Hauses
abgestellt würden. Was aber kommt Ende Januar 2011 heraus?
Guttenberg hat den Feldjägerbericht über den Tod des Soldaten
in Afghanistan auch nicht bekommen oder erst Wochen
später, als längst öffentliche Aufregung herrscht. Zwar
redet sein Haus die Sache schön, da der Minister ja über »wesentliche
Inhalte« informiert gewesen sei. Doch auf die grundsätzliche
Frage, was sich am Informationswesen im Ministerium
geändert habe, ist eine befriedigende Antwort nicht zu
erhalten. Der Eindruck entsteht, ganz so wichtig sei Guttenberg
die Sache mit der hausinternen Kommunikation doch
nicht.
Den schwerwiegenderen Fehler leistet Guttenberg sich bei
der Aufarbeitung des Vorfalls auf der »Gorch Fock«. Auch
hier gibt es in der Sache selbst kein falsches Verhalten des Ministers.
Ein tödlicher Unfall, die Staatsanwaltschaft ermittelt routinemäßig, bestenfalls der Marineinspekteur könnte die
Frage stellen, ob auf dem Segelschulschiff alles in Ordnung ist
oder ob der tödliche Sturz der Offiziersanwärterin aus der
Takelage auf grundsätzliche Defizite in der Ausbildung auf
der »Gorch Fock« schließen lässt. Ein Fall für den Minister ist
das zunächst nicht.
Zu einem solchen wird es erst am Freitag, dem 21. Januar.
Da nimmt sich Guttenberg vor dem Bundestag der Angelegenheit
an und warnt vor einer Vorverurteilung des Kapitäns
der »Gorch Fock«. Er gibt den besonnenen Minister, der erst
in aller Ruhe den Vorfall und die Vorwürfe über das Geschehen
an Bord des so renommierten Segelschiffs aufklären lassen
will, bevor er selbst zu einem Urteil kommt. Doch bereits
am Nachmittag desselben Tages erfahren Guttenbergs Leute,
dass die »Bild am Sonntag« mit Horrorgeschichten von der
»Gorch Fock« einschließlich widerlicher Bilder über unappetitliche
und menschenverachtende Rituale herauskommen
werde. Schon am Freitag wird gemunkelt, das Blatt werde
über eine Karnevalsfeier berichten, zu der die Soldaten wenige
Tage nach dem Tod der Offiziersanwärterin an Bord zusammengekommen
seien. Alarmstimmung im Verteidigungsministerium.
Ausgerechnet am Abend jenes Freitags sitzt Michael Backhaus,
der stellvertretende Chefredakteur der »Bild am Sonntag«, mit Guttenberg zusammen in dessen Dienstlimousine.
Solche journalistischen Begleitungen sind keine Seltenheit.
Doch diese scheint unmittelbare politische Auswirkungen zu
haben. Jedenfalls schildert Backhaus am Sonntag in seinem
Blatt die Dinge so, als habe Guttenberg mit Entsetzen und
dem Ausspruch »es reicht« auf die neuesten Berichte über die
Zustände auf der »Gorch Fock« reagiert. Das Resultat der
nächtlichen Fahrt ist, dass Guttenberg seinen Vorsatz vergisst,
Kapitän Schatz nicht vorverurteilen zu wollen. Vielmehr wird
die staunende Öffentlichkeit am Samstag erfahren, dass der
Minister den Kapitän des Segelschulschiffs von seinem Kommando
entbindet.
Das erinnert an Guttenbergs Umgang mit anderen Schutzbefohlenen.
Wieder einmal zeigt sich, dass er ein höchst ungeduldiger
Mensch ist. Warum hat er nicht gewartet, bis er
über die Zukunft von Kapitän Schatz entscheidet? Ist ihm tatsächlich
die Berichterstattung der Springer-Presse wichtiger
als sein eigenes, vor dem Bundestag geäußertes Urteil? Steht
dieser Mann aus eigener Kraft oder wankt er im Wind? Was
würde eine solche, offensichtlich in seinem Wesen verankerte
wetterwendische Art bedeuten, wenn einmal große, gravierende
Entscheidungen zu fällen wären? Könnte ein so unstetes
Naturell tatsächlich, wie es immer wieder behauptet wird,
Bundeskanzler sein? Guttenberg wirft durch den Umgang
mit der Causa »Gorch Fock« viele Fragen zu seiner Person
auf. Mit dem nachgeschobenen Hinweis, Schatz sei ja keineswegs
entlassen, sondern nur vorerst vom Kommando suspendiert
worden, um damit den Druck von ihm zu nehmen, kann
Guttenberg diese Fragen nicht aus der Welt schaffen. Sie bleiben
- und sind von grundsätzlicher Natur.
Anfang Februar beruhigen sich die Diskussionen über den
Toten in Afghanistan, die Tote auf der »Gorch Fock« und die
Feldpost wieder. Es scheint so, als habe Guttenberg die kontroverse
Diskussion über seine Person überstanden.
Es scheint so.
Im Vergleich zu dem, was auf Guttenberg wenig später zurollt,
ist die »Gorch Fock«-Affäre nur ein Spaziergang bei
nasskaltem Wetter. Der wahre Orkan bricht Mitte Februar
los. Am 16. Februar, einem Mittwoch, bringt die »Süddeutsche
Zeitung« auf ihrer zweiten Seite einen Beitrag, der belegt,
dass der Verteidigungsminister Teile seiner juristischen Doktorarbeit
gefälscht hat, die er 2007 an der Universität Bayreuth
eingereicht hat und die mit summa cum laude, der Bestnote,
bewertet wurde. Guttenberg hatte ganze Absätze aus Arti356
keln und Zeitschriftenbeiträgen vollständig übernommen, andere
nur geringfügig verändert, jeweils ohne sie als Zitate
kenntlich zu machen. Das aber verstößt grob gegen die Regeln
des wissenschaftlichen Arbeitens und gilt zur Recht als
Täuschung. Ein solches nicht gekennzeichnetes Aneignen
fremder geistiger Leistungen wird als Plagiat bezeichnet. Die
Veröffentlichung geht zurück auf die Recherche des Bremer
Rechtsprofessors Andreas Fischer-Lescano. Der saß an einer
Rezension von Guttenbergs Doktorarbeit »Verfassung und
Verfassungsvertrag« und war dabei auf acht übernommene
Textpassagen gestoßen, die nicht als Zitate gekennzeichnet
waren.
Die Geschichte nimmt binnen weniger Stunden eine gewaltige
Dimension an. Die »Frankfurter Allgemeine Zeitung«
berichtet noch am selben Tag, dass sogar die Einleitung der
Dissertation beinahe wörtlich aus einem Beitrag der Politikwissenschaftlerin
Barbara Zehnpfennig abgeschrieben worden
sei, der 1997 in der FAZ erschienen war. Zugleich werden
stündlich neue Stellen gefunden, bei denen Guttenberg aus
anderen Arbeiten abgekupfert hat, ohne die Quellen anzugeben.
Der Liebling der Deutschen, das Vorbild an Aufrichtigkeit
und Klarheit, so stellt sich heraus, hat nicht nur aus
Zeitungen abgeschrieben, sondern auch von Politikwissenschaftlern,
aus Studienarbeiten, sogar aus Reiseführern. Amerikanische
Aufsätze hat er immerhin übersetzt, bevor er sie
ohne Quellenangabe als eigene Gedanken ausgab. Zudem hat
er Ausarbeitungen des Wissenschaftlichen Dienstes des Deutschen
Bundestags komplett übernommen. Dieser darf aber
nur für die Tätigkeit als Abgeordneter genutzt werden, nicht
für private Zwecke.
Die neuen Techniken machen es möglich, dass Guttenbergs
Plagiate sehr schnell als solche enttarnt werden. Im Internet
richten Nutzer eine Plattform ein, GuttenPlag Wiki, um kollektiv
Guttenbergs Dissertation auf nicht gekennzeichnete
Stellen fremden Ursprungs abzusuchen. Tag für Tag nimmt
die Zahl dieser Stellen zu. Bald wimmelt der Text von dunkelroten Stellen, die wörtlich abgekupfert wurden, und hellroten,
die mit geringfügigen Änderungen ebenfalls ohne Quellenangabe
übernommen wurden. Nach einer Woche sieht es
so aus, dass sich auf rund 70 Prozent der 475 Seiten Plagiate
finden lassen. Eindeutiger kann ein Ergebnis kaum sein.
Die Internetgemeinde hat Guttenberg geradezu »gedisst«.
Das entbehrt nicht einer gewissen Ironie. Denn Guttenberg,
so sieht es jedenfalls der ehemalige Außenminister Joschka
Fischer, ist »der erste deutsche Spitzenpolitiker der Twitter und
Facebook-Generation.« Das ist wohl so. Es geht dabei
nicht in erster Linie darum, wie aktiv Guttenberg selber im
Netz ist. Doch ist sein explosionsartiger Ansehensgewinn mit
dem Beginn seiner Ministerzeit nur in einer Gesellschaft möglich,
die sich - immer mehr von der Kommunikation in sozialen
Netzwerken des Internets geprägt - in großer Geschwindigkeit
Eindrücke verschafft und Stimmungen erzeugt. Die
Nutzer von Facebook sind es gewohnt, alles und nichts sofort
zu bewerten und diese Bewertung zu verbreiten. So können
Personen bejubelt oder in den Schmutz gestoßen werden, in
rasender Geschwindigkeit. Die Internetgemeinde also entzaubert
Guttenberg in wenigen Tagen. Doch kaum ist ihr das
gelungen, gibt es ebenfalls im Netz eine Gegenbewegung, die
innerhalb kürzester Zeit eine sechsstellige Zahl von Guttenberg-
Unterstützern zusammentrommelt. Das »Hosianna«
und das »Kreuziget ihn« wird heute nicht mehr gerufen, sondern
gepostet oder getwittert.
Die Universität Bayreuth gibt Guttenberg zwei Wochen
Zeit, sich schriftlich zu erklären.
Wie aber reagiert der Minister? Noch am Mittwoch, als die
erste Publikation mit dem Plagiatsvorwurf erschienen ist, lässt
er folgende Erklärung verbreiten: »Der Vorwurf, meine Doktorarbeit
sei ein Plagiat, ist abstrus. Ich bin gerne bereit zu
prüfen, ob bei über 1200 Fußnoten und 475 Seiten vereinzelt
Fußnoten nicht oder nicht korrekt gesetzt sein sollten und
würde dies bei einer Neuauflage berücksichtigen. Und sollte
jemand auf die Idee kommen zu behaupten, Mitarbeiter meiner Büros hätten an der wissenschaftlichen Erarbeitung meiner
Dissertation mitgewirkt, stelle ich fest: Dies trifft nicht
zu. Die Anfertigung dieser Arbeit war meine eigene Leistung.«
Vereinzelte Fußnoten? Nicht korrekt gesetzt? Schon bald
ist klar, dass Guttenberg sich mit dieser Erklärung noch weiter
in den Plagiatssumpf hineingeritten hat. Und auch die ersten
Verteidigungsversuche der CSU, die von einer gezielten
Attacke der politischen Linken mit Hinweis auf die SPD Mitgliedschaft
des Bremer Juraprofessors sprechen, erscheinen
ziemlich hilflos angesichts der Fakten, die das Wort Betrug
rechtfertigen.
Guttenberg reist an jenem Mittwoch, an dem die Fälschung
seiner Doktorarbeit auffliegt, nach Afghanistan, um Soldaten
zu besuchen. Die Reise ist schon längere Zeit geplant, und der
Vorwurf mancher Medien, der Minister fliehe ins Kriegsgebiet,
ist daher fehl am Platz. Dennoch mag es ihm ganz recht
sein, dass er diesen Tag nicht in Berlin ist. Guttenberg will alle
zwei Monate die Truppe in Afghanistan besuchen. Diesmal
hat er - ganz anders als bei seinen meisten Reisen zuvor - keine
Journalisten und Fotografen mitgenommen - mit einer
Ausnahme. Guttenberg will so einen Kontrapunkt setzen zu
seiner aufsehenerregenden Reise, als er gemeinsam mit Ehefrau
und TV-Talkmaster nach Afghanistan flog. Er hat mittlerweile
erkannt, dass er damit überzogen hatte. Doch die Gefahr,
die ihm jetzt droht, erkennt er nicht - oder zumindest tut
er so. Er reagiert während der Reise mit einer Mischung aus
leichter Empörung, dass man ihm ein Plagiat anhängen wolle,
und aus leichtem Amüsement, dass man ihm so schaden zu
können glaube.
Während Guttenberg die Bundeswehr im Kampfgebiet besucht,
wird für ihn die Lage zu Hause immer bedrohlicher.
Kaum ist der Minister am Nachmittag des Folgetages nach
Berlin zurückgekehrt, bestellt ihn Bundeskanzlerin Angela
Merkel ins Kanzleramt ein. Sie bespricht mit ihm die Situation
und fordert ihn auf, sich am nächsten Tag, dem Freitag,
öffentlich zu erklären. Einen Wahlkampfauftritt in Sachsen-
Anhalt lässt der Minister an diesem Abend ausfallen.
Eigentlich hätte Guttenberg während seiner Reise an den
Hindukusch Zeit genug gehabt, um sich eine Verteidigungsstrategie
zurechtzulegen. Doch wieder einmal erweist er sich
als miserabler Krisenmanager. Er macht am Tag nach der
Rückkehr, dem Freitag, an dem alle auf einen Befreiungsschlag
von ihm warten, fast alles falsch, was er falsch machen kann.
Wann er eine Erklärung vor der Presse abgeben wird, ist am
Vormittag zunächst nicht zu erfahren. Die Journalisten in
Berlin begeben sich deshalb wie jeden Freitag zur Bundespressekonferenz,
wo die Sprecher der Ministerien ihnen Rede
und Antwort stehen. Diesmal ist der Saal gut gefüllt wegen
der Affäre um Guttenberg. Um die geht es auch sogleich.
Wann denn der Minister sich äußern werde, wird Guttenbergs
Sprecher Steffen Moritz gefragt. Der windet sich, sagt, der
Minister werde sich »in diesen Minuten« äußern und zwar
»vor ausgewählten Journalisten« im Ministerium. Die Empörung
im Saal ist riesig. Der Vorsitzende der Bundespressekonferenz,
Werner Gößling, fragt Guttenbergs Sprecher, ob er
wenigstens den Inhalt der Erklärung hier mitteilen könne.
»Das kann ich im Moment nicht«, sagt Moritz, dem die Sache
offensichtlich peinlich ist. Etwa 90 Prozent der Journalisten
verlassen daraufhin aus Protest den Saal, die Pressekonferenz
wird kurz darauf beendet.
Zur selben Zeit tritt Guttenberg im Ministerium vor die
Kameras und Mikrofone. Er ist nervös, den ersten Anlauf,
seine Erklärung vorzutragen, bricht er ab. Wer erwartet hatte,
der Minister werde nun die von ihm häufi g im Mund geführte
Demut an den Tag legen, der wird gründlich enttäuscht. Guttenberg
präsentiert sich offensiv, ja fast aggressiv, mit zur
Schau gestelltem Selbstbewusstsein. So reagiert er oft, wenn
er sich angegriffen fühlt. »Meine von mir verfasste Dissertation
ist kein Plagiat«, sagt er zu Beginn. Mit Nachdruck weise
er das zurück. Sie sei über sieben Jahre »neben meiner Berufsund
Abgeordnetentätigkeit als junger Familienvater in mühevollster Kleinarbeit« entstanden. »Und sie enthält fraglos
Fehler«, gibt er zu. Aber er fährt fort: »Es wurde allerdings zu
keinem Zeitpunkt bewusst getäuscht oder bewusst die Urheberschaft
anderer nicht kenntlich gemacht.« Guttenberg gibt
also vor, das ganze Abschreiben sei ihm versehentlich passiert.
Immer noch spricht er davon, dass es sich um »inkorrektes
Zitieren oder versäumtes Setzen von Fußnoten« handele.
Sollte sich davon jemand verletzt fühlen, dann tue es ihm aufrichtig
leid. Den Doktortitel werde er, bis die Universität
Bayreuth die Sache geprüft habe, »vorübergehend, ich betone
vorübergehend« nicht führen, sagt er mit schneidiger Stimme,
um im gleichen Satz zu beharren: »anschließend würde ich
ihn wieder führen«. Über die ganze Angelegenheit werde er
in Zukunft »ausschließlich mit der Universität Bayreuth«
kommunizieren. »Die Menschen« erwarteten, so sagt er zum
Schluss, dass er sich als Verteidigungsminister um die »historische
Reform der Bundeswehr« kümmere sowie um den Einsatz
in Afghanistan. Dass das notwendig sei, habe »ein Ereignis
des heutigen Tages erneut bitter vor Augen« geführt.
In der letzten Bemerkung spielt Guttenberg auf einen
schlimmen Vorfall in Afghanistan an, von dem er just an diesem
Morgen erfahren hat. Ein Soldat der afghanischen Armee,
mit der die Bundeswehr zusammenarbeitet, hatte wild um
sich geschossen und dabei neun Bundeswehrsoldaten getroffen.
Zum Zeitpunkt von Guttenbergs Auftritt ist der Tod eines
deutschen Soldaten bekannt, zwei weitere werden bis zum
Abend ihren Verletzungen erliegen.
Der Auftritt des Ministers, so viel ist unmittelbar danach
klar, ist nicht der erhoffte Befreiungsschlag. Er hat es versäumt,
ehrlich sein Fehlverhalten einzugestehen, hat stattdessen
angekündigt, über das Thema nicht weiter öffentlich zu
reden, und er hat so getan, als habe er nichts zu befürchten. Ja,
er hat am Ende sogar indirekt die Botschaft verkündet: Ihr
regt euch über eine Lappalie wie meine Doktorarbeit auf, und
in Afghanistan sterben deutsche Soldaten. Die Unanständigen
sind also wieder seine Kritiker, nicht er selbst.
Guttenberg tut sich in dieser Krise besonders schwer, eine
Verteidigungslinie zu finden. Denn er hat niemanden, auf den
er, wie früher in der Kundus-Affäre oder im Fall der »Gorch
Fock«, die Verantwortung abwälzen könnte. Diesmal ist er
offensichtlich allein verantwortlich. Und noch etwas ist anders.
Es geht diesmal nicht um eine politische Fehleinschätzung
des Ministers, sondern um ein moralisches Versagen des
Menschen Karl-Theodor zu Guttenberg. Allerdings zeigt sich
ein gleiches Verhaltensmuster in allen Fällen: Guttenberg
macht erst einmal alles schlimmer, weil er die Lage falsch einschätzt.
Natürlich setzt die Opposition alles daran, die Affäre um
die Doktorarbeit auszuschlachten. Sehr schwierig ist das
nicht. Die Frage, ob Guttenberg noch haltbar ist, stellt sich
von allein. Entweder Guttenberg hat selbst gefälscht - oder er
hat fälschen lassen. In der SPD wie auch in manchen Medien
wird jedenfalls gemutmaßt, Guttenberg habe einen »Ghostwriter
« engagiert, anders sei das Konglomerat aus zusammenkopierten
Texten nicht zu erklären. Freilich gibt es auch Einwände
gegen diese Theorie: Denn welcher professionelle
Ghostwriter wäre so ungeschickt, einfach Texte unverändert
in eine Doktorarbeit zu kopieren? Und das sogar schon bei
der Einleitung zu machen?
Die Zeit arbeitet für die Opposition und gegen Guttenberg.
In der Union sind viele unglücklich über Guttenbergs Auftritt,
der hochfahrend und arrogant wirkte. Und die Wochenendpresse
fällt nicht gut aus für Guttenberg. »Das Märchen
vom ehrlichen Karl« titelt der »Spiegel«. Zur Talk-Show
»Anne Will« kommt am Sonntagabend nur die Strauß-Tochter
und Europa-Abgeordnete der CSU Monika Hohlmeier als
Verteidigerin des Ministers. Offenbar ist niemand von den
führenden Köpfen der Union gewillt, sich für den Freiherrn
in die Bresche zu werfen.
Wie ernst die Sache ist, das zeigen die Reaktionen der Führungsmannschaft
der Union. Bundeskanzlerin Angela Merkel
lässt gleich zweimal innerhalb weniger Tage durch ihren
Sprecher ausrichten, sie habe »vollstes Vertrauen« in Guttenberg.
Bei einem Auftritt am 20. Februar sagt sie, in ihr Kabinett
berufen habe sie keinen wissenschaftlichen Assistenten
oder Inhaber eines Doktortitels, sondern einen Verteidigungsminister.
Es gehe darum, ob er seine Aufgabe als Minister erfüllen
könne. »Und da sage ich ja«, das tue Guttenberg hervorragend.
Auch Finanzminister Wolfgang Schäuble, der kurz
zuvor noch in einem Interview gespottet hatte, Guttenberg
sei kein »außer- oder überirdisches Phänomen« und ihn mit
dem Pop-Starlett Lena Meyer-Landrut verglichen hatte, stellt
sich nun vor den Attackierten. Ebenso tun es alle anderen Minister
des Kabinetts, aber auch der bayerische Ministerpräsident
und CSU-Chef Horst Seehofer. So mancher in der Union
mag sich heimlich freuen, dass der Überflieger Guttenberg
auf ein menschliches Maß zurechtgestutzt wird. Aber den populärsten
Politiker will die Union sich nicht nehmen lassen.
Und die Bevölkerung? Viele Menschen sind enttäuscht von
Guttenberg. Galt er ihnen doch als einer, der anders als die
anderen Politiker war: geradlinig, klar, ehrlich und glaubwürdig.
Dieses von Guttenberg mit Fleiß selbst inszenierte Image
ist nun bei vielen erschüttert. Einen regelrechten Absturz in
seiner Popularität erlebt Guttenberg jedoch nicht. Umfragen
zufolge wünschen wenige Tage nach der Aufdeckung des Plagiats
immer noch zwei Drittel der Deutschen, dass Guttenberg
Minister bleibe. Manche finden das ganze Theater um
seinen Doktortitel der Aufregung nicht wert. Andere sehen
nur den Neid der weniger Begabten am Werke. Doch noch
wichtiger ist wohl, dass viele Bürger sich das Bild von Guttenberg
nicht kaputt machen lassen wollen, das Bild eines ganz
neuen Politikertyps.
Jedenfalls gibt es in der Öffentlichkeit nicht nur Empörung,
Witze und Häme über »Dr. Googleberg«, den »Plagiator«,
sondern ebenso eine Welle derer, die die Kritik an Guttenberg
empörend finden. Doch die veröffentlichte Meinung setzt
ihm stark zu. Die Medien, gerade auch konservativ orientierte
Zeitungen, sind nicht bereit, die Sache auf sich beruhen zu
lassen. Guttenberg hat am Wochenende begriffen, dass er
nicht nur mit der Universität Bayreuth über seine Doktorarbeit
kommunizieren kann, sondern dass er öffentlich deutlich
Selbstkritik üben muss, wenn er eine Chance haben will, im
Amt zu bleiben. Bei einer Wahlveranstaltung im hessischen
Kelkheim am Sonntag, dem 20. Februar, klingt seine Rede
anders als seine Erklärung drei Tage zuvor. Genauer gesagt:
Von der ersten Erklärung bleibt fast nichts übrig. Er habe
»gravierende Fehler« gemacht, sagt Guttenberg jetzt, auch
»besonders peinliche« Fehler. Er habe sich am Wochenende
noch einmal mit seiner Dissertation befasst. Er habe wohl
»den Überblick über die Quellen verloren«. Doch habe er die
Dissertation selbst verfasst. »Daher stehe ich auch zu dem
Blödsinn darin«, sagt er.
Ist das nun ein anderer Guttenberg? Keineswegs. Guttenberg
macht wieder einmal eine Kehrtwende, aber damit bleibt
er sich treu. Auf seinen Doktortitel wolle er verzichten - das
sei »schmerzlich, aber wichtig«. Es gehe aber darum, Schaden
abzuwenden von der Universität Bayreuth, vom Doktorvater,
vom Zweitkorrektor. Jetzt schützt Guttenberg also die anderen,
ist wieder einmal hochanständig. Und natürlich teilt er in
gewohnter Manier gegen den politischen Betrieb aus, zeigt
sich froh, dass er heute Abend hier in Kelkheim bei der CDU
all das sagen könne und »nicht vor der Hauptstadtpresse«.
Die Leute von der Jungen Union jubeln ihm zu. »Eine oberfränkische
Wettertanne hauen solche Stürme nicht um«, sagt
er, »solche Stürme hält man aus.« Guttenberg verzichtet dauerhaft,
wie ein Sprecher nach der Rede versichert, auf den
Doktortitel. Ein entsprechendes Gesuch hat er an die Universität
Bayreuth gerichtet. Der Auftritt in Kelkheim überzeugt
allerdings viele Beobachter nicht. Guttenberg hat nichts
Glaubhaftes zu seiner Doktorarbeit gesagt, stattdessen seine
übliche Show präsentiert.
Am 23. Februar, wieder einem Mittwoch, gerade sieben
Tage nach Veröffentlichung der ersten Vorwürfe in der »Süddeutschen
Zeitung«, muss Guttenberg im Bundestag in einer
Fragestunde und in einer Aktuellen Stunde Rede und Antwort
stehen. Die Redner von den Grünen und SPD nennen
ihn »Hochstapler« und »Täuscher«, »Lügner« und »Betrüger
«, ohne dass sie vom Bundestagspräsidium dafür gerügt
werden. Guttenberg gibt sich im Bundestag bescheidener als
in den Auftritten zuvor, aber die Fragen, wie seine Doktorarbeit
entstanden sei, beantwortet er nicht. Die Universität Bayreuth
erkennt ihm am selben Tag den Doktortitel ab, behält
sich aber eine eingehende Prüfung darüber vor, ob Guttenberg
bewusst getäuscht habe.
Doch diese Mitteilung bringt keine Ruhe in die Affäre.
Zwar organisiert die »Bild«-Zeitung per Seite 1 noch fl ugs
eine Leser-Hotline, um über den Verbleib Guttenbergs im
Ministeramt abzustimmen - 87 Prozent wollen danach, dass
er bleibt. Doch bei einer Umfrage auf der eigenen Internet-
Seite bild.de stimmen 57 Prozent für den Rücktritt - die Umfrage
verschwindet zeitweise von der Seite.
Nun häufen sich Stimmen aus der Wissenschaft, die das
Verhalten Guttenbergs verurteilen. Vor allem wenden sich die
großen Wissenschaftsverbände dagegen, das Fälschen einer
Doktorarbeit als Lappalie abzutun. Mehrere Juristen äußern
die Auffassung, Guttenberg müsse mit Vorsatz gehandelt haben.
Auch die Bundeskanzlerin selbst wird für ihre Zweiteilung
des Ministers in einen Wissenschaftler, der einen Fehler
gemacht habe, und einen Minister, der gute Arbeit leiste, kritisiert.
Im Internet unterzeichnen Zehntausende einen offenen
Brief an die Kanzlerin, in dem sie gegen deren Umgang
mit der »Causa Guttenberg« demonstrieren. In Berlin ziehen
einige hundert Menschen vor das Verteidigungsministerium,
fordern den Rücktritt des Ministers und hängen Schuhe auf
den Zaun des Ministeriums, eine Anspielung auf die Fußnoten,
aber auch ein aus der islamischen Welt übernommnes
Zeichen der Verachtung. Professor Oliver Lepsius, Staatsrechtler
an der Universität Bayreuth und Nachfolger von
Guttenbergs Doktorvater, sagt es schließlich unverblümt:
»Guttenberg ist ein Betrüger«. Niemand habe sich vorstellen
können, »mit welcher Dreistigkeit hier ein Plagiat eingereicht
wird«. Guttenberg habe planmäßig und mit bewusstem Vorsatz
eine Collage von Plagiaten gestellt. Dass er das abstreite,
sei absurd. Andernfalls müsse man sich fragen: »Wenn er in
diesem Fall nicht wusste, was er tut, weiß er es denn in anderen
Fällen?«
Nun bröckelt auch die Front in der Union. Erste CDU Politiker
üben Kritik an Guttenberg. Sachsen-Anhalts Ministerpräsident
Wolfgang Böhmer sagt: »Ich weiß nicht, wie lange
er das erträgt und aushalten kann.« Zur Speerspitze der
unionsinternen Kritik wird Bundestagspräsident Norbert
Lammert (CDU), der sich gern als unabhängiger Kopf präsentiert.
In einem Interview macht er klar, dass Guttenbergs
Verhalten eine schwere Verfehlung sei. Als immer mehr Ausarbeitungen
des Wissenschaftlichen Dienstes des Bundestags
in Guttenbergs Dissertation festegestellt werden, die er ohne
Erlaubnis und meist ohne Quellenangabe verwendet hat, sagt
Lammert, die Sache sei »deprimierend eindeutig«. Später
dringt ein weiteres Lammert-Wort aus einer internen Sitzung
an die Öffentlichkeit, das so oder ähnlich gefallen ist: Der
Umgang mit der Affäre um Guttenberg sei »ein Sargnagel für
die Demokratie«. Schließlich äußert sich auch noch Bildungsministerin
Annette Schavan (CDU) kritisch in einem Interview:
»Als jemand, der selbst vor 31 Jahren promoviert hat
und in seinem Berufsleben viele Doktoranden begleiten durfte,
schäme ich mich nicht nur heimlich.«
Schavan ist eine enge Vertraute von Angela Merkel. Die
Kanzlerin hat zwar alles getan, um bloß keinen Anlass zu einer
Dolchstoßlegende zu geben, nach der sie dem beliebtesten
Politiker in den Rücken gefallen sei. Die Guttenberg-Fans
will sie auf keinen Fall vergraulen, denn das würde ihrer Popularität
Abbruch tun. Doch viele Medien vermuten, dass
Schavans Satz nur in Absprache mit der Kanzlerin gefallen
sein könne. Auch der Doktorvater Guttenbergs, der renommierte
Rechtswissenschaftler Peter Häberle geht nun auf Distanz.
Er hatte tagelang geschwiegen, sah, so wurde berichtet,
sein Lebenswerk ruiniert. Nun teilt er mit: »Die in der Promotionsschrift
von Herrn zu Guttenberg entdeckten, mir unvorstellbaren
Mängel sind schwerwiegend und nicht akzeptabel.
« Bei der Staatsanwaltschaft Hof gehen immer mehr Anzeigen
gegen Guttenberg ein, schließlich sind es über 100
Strafanzeigen - der Minister wird sich auch mit strafrechtlichen
Konsequenzen seines Verhaltens auseinanderzusetzen
haben.
Das alles weiß Guttenberg. Noch am Morgen des 28. Februar,
einem Montag, tut ein schon sichtlich angeschlagener
Minister bei einer CSU-Präsidiumssitzung in München kund,
dass er weiter mit Freude in seinem Amt arbeiten werde. Aber
Guttenberg erkennt, dass er aus der Sache nicht mehr herauskommt.
Am Abend des gleichen Tages setzt er sich zu Hause
hin, um seine Rücktrittserklärung zu formulieren.
Am Dienstagmorgen meldet - natürlich als erste - gegen
zehn Uhr die »Bild«-Zeitung, dass Guttenberg zurücktreten
wird. Die Kanzlerin erfährt von dem Rücktritt auf der Messe
Cebit in Hannover. Eine Filmszene zeigt, wie sie eine Handy-
Mitteilung mit vielsagendem Blick liest und sie dann der neben
ihr stehenden Annette Schavan zu lesen gibt. Angeblich
handelt es sich um die Nachricht vom Rücktritt Guttenbergs.
Schockiert wirken beide Politikerinnen nicht.
Gegen halb elf versendet das Verteidigungsministerium die
Einladung zu einem Pressestatement Guttenbergs. Um 11
Uhr 22 tritt er vor die Journalisten. Seine bei genauerer Betrachtung
wirre Rücktrittserklärung ist ein typischer Guttenberg:
Reichlich Pathos, ein wenig Selbstkritik, viel Eigenlob,
von Demut kein Spur. All die charakterlichen Mängel, die
Guttenberg in den vergangenen Tagen während seiner Krise
gezeigt hat, führt er noch einmal vor. Guttenberg kreiert seine
eigene Dolchstoßlegende. Er macht klar, dass er nicht nur wegen
seiner »so fehlerhaften Doktorarbeit« zurücktrete, »wiewohl
ich verstehe, dass dies für große Teile der Wissenschaft
ein Anlass wäre«. Er könne aber den höchsten Ansprüchen,
die er selbst an seine Arbeit lege, nicht mehr genügen. Der Guttenberg gibt zu verstehen, dass daran die Medien schuld seien.
Und noch einmal benutzt er die gefallenen und verwundeten
Soldaten der Bundeswehr als Argument, dass seine eigene
Verfehlung nun ja nicht so schlimm sei. Er sagt: »Wenn allerdings,
wie in den letzten Wochen geschehen, die öffentliche
und mediale Betrachtung fast ausschließlich auf die Person
Guttenberg und seine Dissertation statt beispielsweise auf den
Tod und die Verwundung von 13 Soldaten abzielt, so findet
eine dramatische Verschiebung der Aufmerksamkeit zulasten
der mir Anvertrauten statt.« Das klingt fast so, als habe Guttenberg
bisher niemals die Person Guttenberg der öffentlichen
und medialen Betrachtung für würdig empfunden. Ebenso,
fährt er fort, habe die Befassung mit der »Gorch Fock«-Affäre
»die weltbewegenden Ereignisse in Nordafrika« in den
Hintergrund treten lassen. Auch das ist angesichts der umfangreichen
Berichterstattung über den Umbruch in Tunesien,
Ägypten oder Libyen schlicht falsch. Guttenberg fährt
sodann unmittelbar und zusammenhanglos fort: »Wenn es auf
dem Rücken der Soldaten nur noch um meine Person gehen
soll, kann ich dies nicht mehr verantworten.«
Guttenberg gibt dann drei Gründe dafür an, warum er erst
jetzt zurücktrete. Der erste ist glaubwürdig: Er habe das Amt
nicht aufgeben wollen, »an dem das ganze Herzblut hängt«.
Das ist zwar etwas überraschend zu hören von dem Mann,
der geradezu provokativ betonte, er könne jederzeit mit der
Politik aufhören. Aber dem war wohl nicht so. Die anderen
beiden Gründe wirken indes vorgeschoben. Zunächst reklamiert
Guttenberg, sein Zögern beim Rücktritt als »eine Frage
des Anstandes, zunächst die drei gefallenen Soldaten mit Würde
zu Grabe zu tragen und nicht erneut ihr Gedenken durch
Debatten über meine Person überlagern zu lassen«. Doch zu
dieser Zeit war die Debatte um seine Person ja schon voll entbrannt.
Zudem »gehört« es sich, greift Guttenberg eine seiner
Lieblingsformeln auf, seinem Nachfolger »ein weitgehend bestelltes
Haus zu hinterlassen«. Abgesehen davon, dass nach
Meinung fast aller Fachleute hinsichtlich der Bundeswehrreform vieles im Argen liegt, lässt sich ein Haus nicht in wenigen
Tagen »bestellen«, wenn es zuvor nicht in ordentlichem
Zustand gewesen ist. Doch darum geht es eigentlich nicht.
Guttenberg muss einfach auch am Ende wieder als der Anständige
erscheinen. Er schließt seine Erklärung mit den pathetischen
Worten: »Ich war immer bereit zu kämpfen, aber
ich habe das Ende meiner Kräfte erreicht.« So stilisiert er sich
selbst zum Märtyrer.
Eine kleine, bescheidene Erklärung zum Rücktritt hätte das
ramponierte Guttenberg-Bild vieler Beobachter vielleicht
verändert. Eine Geste, die von echtem Bedauern geprägt gewesen
wäre, hätte den gefallenen Superstar zumindest menschlich
erscheinen lassen. So aber hat Guttenberg vieles, was in
den vergangenen zwei Jahren an charakterlichen Mängeln bei
ihm zu Tage getreten war, mit bestürzender Deutlichkeit bestätigt.
Die Wahrheit über die Entstehung seiner Doktorarbeit
und seinen Umgang mit der Lüftung dieses Geheimnisses
zeigen, dass der bei manchen schon vorher vorhandene Verdacht,
es könne sich bei Deutschlands prominentestem Politiker
womöglich um einen begabten Blender handeln, begründet
war. Man könnte auch sagen: Noch in seinem Abgang ist
Guttenberg sich treu geblieben.
Copyright © 2011 by Droemer Verlag
Ein Unternehmen der Droemerschen Verlagsanstalt
Th. Knaur Nachf. GmbH & Co. KG, München.
Alle Rechte vorbehalten.
... weniger
Autoren-Porträt von Eckart Lohse, Markus Wehner
Eckart Lohse wurde am 10. März 1963 in Göttingen als jüngstes von drei Kindern geboren. Er hatte keine Chance, seinen Geburtsort zu seiner Heimatstadt zu machen, da die Eltern schon bald nach Frankfurt übersiedelten, von da nach Dortmund und weiter nach Bonn. Dort machte der Protestant sein Abitur an einem katholischen altsprachlich-humanistischen Gymnasium. Der Wehrdienst führte in den Harz, anschliessend an den Bodensee und schliesslich nach Andernach am Rhein. Studium von Politikwissenschaft, Neuerer Geschichte und Romanischer Philologie in Bonn. In Paris und München schrieb er eine Dissertation über Frankreich und die deutsche Teilung in den fünfziger Jahren. Neben dem Studium erfuhr er als Lokalberichterstatter bei verschiedenen Zeitungen viel über das Wesen der Politik. Auf einen Abstecher zum Deutschlandfunk folgte das Volontariat bei der Frankfurter Allgemeinen Zeitung. Danach vom Januar 1994 bis zum April 1996 in der politischen Nachrichtenredaktion. Wechsel ins Bonner Büro der F.A.Z., wo er bis zum Umzug der Bundesregierung vor allem über die Grünen, die SPD, die Aussen- und die Bildungspolitik schrieb. Im Sommer 1999 nach Berlin, seit Dezember 2003 Leiter des Büros der Frankfurter Allgemeinen Sonntagszeitung. Verheiratet, zwei Kinder.
Autoren-Interview mit Eckart Lohse
Interview mit Eckart Lohse & Markus WehnerWie kamen Sie auf das Thema des Buches?
Lohse & Wehner: Schon lange hat kein deutscher Politiker mehr für ein solches Aufsehen gesorgt, so viele Menschen fasziniert, manche aber auch provoziert, wie es Karl-Theodor zu Guttenberg tut. Da wir ihn ohnehin als Korrespondenten der Frankfurter Allgemeinen Sonntagszeitung seit langem beobachten, stand schon bald für uns fest, dem Phänomen Guttenberg wollen wir gründlicher nachgehen, also in einem Buch.
Was hat Sie bei der Recherche zum Buch am meisten überrascht?
Lohse & Wehner: Je weiter wir mit unserer Recherche gekommen sind, je tiefer wir das Phänomen Guttenberg durchdrungen haben, desto klarer ist uns geworden, was für ein hoch emotionaler, bisweilen sprunghafter und politisch zutiefst machtwilliger Charakter zu Guttenberg ist. Sehr überraschend war auch, wie viel deutsche Geschichte in den Familien des Ministers und auch seiner Frau, einer geborenen Bismarck, zu finden ist. Zu den Höhepunkten der Recherchearbeiten gehörte ein fast sechsstündiges Gespräch mit dem Vater des Ministers, Enoch zu Guttenberg, auf dem Schloss der Familie.
Hat sich bei Ihnen das Bild Karl-Theodor zu Guttenbergs während der Arbeit am Buch geändert?
Lohse & Wehner: Als wir mit unseren Recherchen begannen, stand für uns ein Politiker im Mittelpunkt. Doch je näher wir Karl-Theodor zu Guttenberg gekommen sind, desto klarer wurde uns, dass er extrem prominent ist, und diese Prominenz nicht zwingend mit seinem derzeitigen Amt als Verteidigungsminister zusammenhängt. Er bliebe auch populär, wenn er irgendwann die Politik verlassen sollte.
... mehr
In ihrem Buch schreiben Sie, dass zu Guttenberg als Politiker mit seiner Person und seiner Herkunft auf einen neuen Zeitgeist trifft. Die Deutschen wünschen nicht mehr den Politiker, der sich hocharbeitet, der sich stets auf dem Weg nach oben absichern muss und aus diesem Grunde risikoscheu wird. Glauben Sie an eine neue Phase der „Anti-Politiker"?
Lohse & Wehner: Die Diskussion über die Hartz-Gesetze dauert bald ein Jahrzehnt. Guttenberg hat von der Ankündigung, er wolle die Wehrpflicht abschaffen bis zur Einziehung der letzten Wehrpflichtigen gerade mal sieben Monate gebraucht. Diese Art Politik scheinen die Menschen zu mögen. Der Begriff „Anti-Politiker" erklärt vielleicht nicht alles, aber zumindest ist Guttenberg ganz anders, als die über viele Jahre alles hin- und herwägenden Hinterzimmerpolitiker.
Lohse & Wehner: Die Diskussion über die Hartz-Gesetze dauert bald ein Jahrzehnt. Guttenberg hat von der Ankündigung, er wolle die Wehrpflicht abschaffen bis zur Einziehung der letzten Wehrpflichtigen gerade mal sieben Monate gebraucht. Diese Art Politik scheinen die Menschen zu mögen. Der Begriff „Anti-Politiker" erklärt vielleicht nicht alles, aber zumindest ist Guttenberg ganz anders, als die über viele Jahre alles hin- und herwägenden Hinterzimmerpolitiker.
... weniger
Bibliographische Angaben
- Autoren: Eckart Lohse , Markus Wehner
- 2011, 3., aktualis. u. erw. Aufl., 384 Seiten, Masse: 14,8 x 21,8 cm, Gebunden, Deutsch
- Verlag: Droemer/Knaur
- ISBN-10:
- ISBN-13: 2000000173481
Rezension zu „Guttenberg “
"Wenn man diese Biografie nicht aus der Hand legen will, dann liegt es daran, dass sie die eigentümliche Volksnähe dieses fränkischen Freiherrn besser zu verstehen hilft." (Die Zeit)"Man sollte den Leuten raten, einfach dieses Buch zu lesen. Das Buch erklärt den Menschen Guttenberg." (Stern.de)
Kommentare zu "Guttenberg"
0 Gebrauchte Artikel zu „Guttenberg“
Zustand | Preis | Porto | Zahlung | Verkäufer | Rating |
---|
3.5 von 5 Sternen
5 Sterne 1Schreiben Sie einen Kommentar zu "Guttenberg".
Kommentar verfassen