Gebrauchsanweisung für Südfrankreich
Trüffel, Cassoulet und südfranzösiche Anarchie
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Produktdetails
Produktinformationen zu „Gebrauchsanweisung für Südfrankreich “
Trüffel, Cassoulet und südfranzösiche Anarchie
Klappentext zu „Gebrauchsanweisung für Südfrankreich “
Pont du Gard, pittoreske Natursteinhäuser und blühender Lavendel, das ist Südfrankreich. Nicht ganz. Denn wussten Sie beispielsweise, dass "Gekochtes Wasser" zu den Spezialitäten der provencalischen Küche gehört? Dass sich die meisten Bewohner dieses Landstrichs seit Jahrhunderten weigern, an die Zentrale in Paris Steuern zu entrichten? Oder dass noch immer ein Streit über den Erfinder der schmackhaften Cassoulet geführt wird? Mit genauem Blick und der ihr eigenen feinen Ironie schreibt Birgit Vanderbeke über die Leute im Süden Frankreichs, über ihren Eigensinn und ihre Fahrkünste, über die Trüffelmärkte und den Ramadan in Marseille. Eine Liebeserklärung an eine der wundervollsten und zugleich vielfältigsten Regionen Frankreichs.
Lese-Probe zu „Gebrauchsanweisung für Südfrankreich “
Mein SüdenDer französische Süden boomt. Jahr für Jahr kommen immer mehr Menschen, um im Midi ihre Ferien zu verbringen, am liebsten noch mehr als nur die Ferien. Sie haben Träume im Kopf, sie haben Filme gesehen, Bücher gelesen, die Literatur, die gesamte Kunst ist voll davon, sie haben eine Vorstellung von mediterraner Heiterkeit, es gibt bestimmte fixe Requisiten in dieser Vorstellung, die Bilder sind alle da, von den Sonnenblumen über Lavendelfelder, und es sind wunderbare Bilder, jeder Reiseführer evoziert sie: das Licht, den Duft, das entspannte "Laisser-vivre" in den kleinen Dörfern inmitten von Olivenhainen, Weinfeldern, die sommerliche Hitze, bei der es mittags ganz still wird, selbst manchmal die Zikaden ...
Sie kennen diese Bilder. Jeder kennt sie. Südfrankreich ist bezaubernd.
Man kann diesen Zauber konsumieren. Von Ostern bis September ziehen ganze Prozessionen von Südsehnsüchtigen durchs Land und bevölkern, als Touristen verkleidet, die Cafés, Bars, Bistros am Strassenrand, fotografieren die Sonnenblumen von den Feldern weg, schwärmen busreisend von Sehenswürdigkeit zu Sehenswürdigkeit, zeigen sich gegenseitig andächtig das Meer oder holen sich dort einen Sonnenbrand und sind eine sonderbare Spezies, die in Wirklichkeit keine Wirklichkeit wünscht, sondern die Bilder erleben möchte, die sie mitgebracht hat.
Dieser Zustand heisst weltweit Urlaub-Machen und erfordert keine Gebrauchsanweisung, weil jeder weiss, wie das geht.
Interessant wird der Süden, sobald man wahrnimmt, dass dort Menschen leben und wie sie das tun.
Dann gibt es zwei Möglichkeiten: entweder man verfällt ihm vollkommen, oder es gibt Enttäuschungen.
Ich kann mich an mehrere Erlebnisse erinnern, die mich ihm haben verfallen lassen, und es waren Erlebnisse, die nicht als Postkarte, sogar in Büchern nicht zu haben sind, deshalb erzähle ich mal zwei Beispiele:
Mein Sohn war acht Jahre alt und sprach kein Wort französisch, als er von seinen brutalen Eltern zum Besuch einer
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französischen Schule und zum Erlernen der landesüblichen Sprache und Schrift gezwungen wurde. Wegen der Schrift brauchte er einen neuen Füllfederhalter. Um die Grausamkeit etwas zu lindern, kauften die Eltern einen guten Füllfederhalter mit einer sehr teuren Feder. Beim Einpacken sagte die Verkäuferin in der Papeterie: "Da musst du aber ganz schön aufpassen, nicht dass dir das Ding auf die Spitze fällt." Genau dies geschah bereits kaum eine Woche später.
Mutter und Sohn gestanden in der Papeterie den Hausaufgabenunfall, zeigten die platte Feder und hörten verblüfft den Satz, das sei ja ganz unglaublich, das dürfe aber nicht passieren, das sei ein Materialfehler, den man nicht hinnehmen würde, und das müsse man unbedingt reklamieren und einschicken, da würde man sich drum kümmern. Das Ding wurde konfisziert, dem Kind ein neuer Füller in die Hand gedrückt, und wir mochten das nicht glauben.
Eine ganze Weile dachte ich, den ersten Besuch eines Arztes nur geträumt zu haben, den ich rief, um einem keinesfalls kranken, sondern bloss schulunwilligen Kind klarzumachen, dass Schule nur im Krankheitsfall versäumt werden darf (eine Anfängerhaltung, die sich mit den Jahren gegeben hat). Der Arzt sah sich den Jungen an, kam aus dem Kinderzimmer und sagte sodann mit ernster Miene: "Tja, eine eindeutige Simulitis, und wenn das Fieber nicht weiter steigt, könnte er im Grunde morgen wieder zur Schule." Wir tranken einen Kaffee, und plötzlich sagte er besorgt: "Aber wenn er nun Fieber bekommt? Hätten Sie dann wohl Paracetamol?" Ich hatte nicht. Der Rezeptblock wurde gezückt. Bei der Gelegenheit fiel dem Arzt ein, dass ja auch Kopf-, Bauch-, Halsschmerzen oder Husten eintreten könnten, und da ich dagegen auch keine Medikamente hatte, schrieb er die also auch noch auf, und es endete so, dass ich am Schluss - weil Kinder sich leicht beim Spielen mal etwas verrenken oder zerren - noch eine Tube Sportsalbe auf dem Rezept und eine komplette vernünftige Hausapotheke verordnet bekommen hatte und ein kleiner Junge, der das Fremdwort für seine Krankheit natürlich nicht kannte, das Gesicht hatte behalten dürfen.
Solche Erlebnisse steigern den Zauber der Region ungemein, und sie waren von Anfang an häufig und kommen eigentlich täglich vor, aber viele sind unscheinbar und schwer zu entziffern von Gegenden aus, in denen die Ellenbogenkultur so altmodische Tugenden wie Höflichkeit, Wärme und Charme ziemlich rabiat verdrängt hat.
Ich habe in den letzten zehn Jahren gewissermassen im deutsch-französischen Spagat gelebt, bin in dieser Zeit etlichen typischen Fragen zum Leben in Südfrankreich begegnet, habe währenddessen auch gelegentlich erlebt, wie Leute dem Süden enttäuscht den Rücken gekehrt haben, und darüber nachgedacht, was zwischen der deutschen und der südfranzösischen Lebensweise womöglich zu Schwierigkeiten führen könnte. In dieser Gebrauchsanweisung nenne ich ein paar Dinge, die man wissen sollte, und ein paar klassische Missverständnisse, die man leicht vermeiden kann, wenn man die Freude voll geniessen möchte, in Südfrankreich, und sei es für kurze Zeit, "chaleureusement" aufgenommen zu werden.
Dabei habe ich den Rhythmus der Grossstädte vernachlässigt, das rasante arabisch getönte Leben in Marseille, die Hafenstimmung, wenn dort gestreikt wird, die politischen Machenschaften; auch Toulouse, auch Nizza oder Toulon, einfach weil es Grossstädte sind und Grossstädte in den Träumen vom Süden eher selten vorkommen oder nur gestreift werden. Die Zauberwörter heissen eher Arles, Aix-en-Provence, Avignon, und die Träume enthalten vor allem auch die Umgebungen solcher mittelgrossen Städte, die Schluchten, die Grotten, die Flüsse, die kleinen pittoresken Orte, in denen die Zeit anders verläuft, gemächlicher, also das Land.
Damit allerdings meine Gebrauchsanweisung nicht selbst allzu pittoresk würde, wie das vielleicht hätte geschehen können - Liebe macht auch dem Land gegenüber blind - habe ich meinen Sohn gebeten, jeden Abend Seite für Seite durchzulesen, was ich Tag für Tag geschrieben hatte, und der hat sich als äusserst skeptischer, kritischer und sozial kompetenter Leser erwiesen und sei dafür herzlich bedankt; er hat inzwischen mehr als die Hälfte seines siebzehnjährigen Lebens in Südfrankreich verbracht, empfindet daher nicht wie seine Mutter die Skrupel des Gastes gegenüber dem Gastgeberland und neigt mit der Nüchternheit dieser siebzehn Jahre vor allem nicht zur Idealisierung der Verhältnisse.
Einig sind wir uns aber im Grundsätzlichen: der Midi ist für Glück geradezu wie gemacht. Wenn man ein paar Dinge beachtet.
Mutter und Sohn gestanden in der Papeterie den Hausaufgabenunfall, zeigten die platte Feder und hörten verblüfft den Satz, das sei ja ganz unglaublich, das dürfe aber nicht passieren, das sei ein Materialfehler, den man nicht hinnehmen würde, und das müsse man unbedingt reklamieren und einschicken, da würde man sich drum kümmern. Das Ding wurde konfisziert, dem Kind ein neuer Füller in die Hand gedrückt, und wir mochten das nicht glauben.
Eine ganze Weile dachte ich, den ersten Besuch eines Arztes nur geträumt zu haben, den ich rief, um einem keinesfalls kranken, sondern bloss schulunwilligen Kind klarzumachen, dass Schule nur im Krankheitsfall versäumt werden darf (eine Anfängerhaltung, die sich mit den Jahren gegeben hat). Der Arzt sah sich den Jungen an, kam aus dem Kinderzimmer und sagte sodann mit ernster Miene: "Tja, eine eindeutige Simulitis, und wenn das Fieber nicht weiter steigt, könnte er im Grunde morgen wieder zur Schule." Wir tranken einen Kaffee, und plötzlich sagte er besorgt: "Aber wenn er nun Fieber bekommt? Hätten Sie dann wohl Paracetamol?" Ich hatte nicht. Der Rezeptblock wurde gezückt. Bei der Gelegenheit fiel dem Arzt ein, dass ja auch Kopf-, Bauch-, Halsschmerzen oder Husten eintreten könnten, und da ich dagegen auch keine Medikamente hatte, schrieb er die also auch noch auf, und es endete so, dass ich am Schluss - weil Kinder sich leicht beim Spielen mal etwas verrenken oder zerren - noch eine Tube Sportsalbe auf dem Rezept und eine komplette vernünftige Hausapotheke verordnet bekommen hatte und ein kleiner Junge, der das Fremdwort für seine Krankheit natürlich nicht kannte, das Gesicht hatte behalten dürfen.
Solche Erlebnisse steigern den Zauber der Region ungemein, und sie waren von Anfang an häufig und kommen eigentlich täglich vor, aber viele sind unscheinbar und schwer zu entziffern von Gegenden aus, in denen die Ellenbogenkultur so altmodische Tugenden wie Höflichkeit, Wärme und Charme ziemlich rabiat verdrängt hat.
Ich habe in den letzten zehn Jahren gewissermassen im deutsch-französischen Spagat gelebt, bin in dieser Zeit etlichen typischen Fragen zum Leben in Südfrankreich begegnet, habe währenddessen auch gelegentlich erlebt, wie Leute dem Süden enttäuscht den Rücken gekehrt haben, und darüber nachgedacht, was zwischen der deutschen und der südfranzösischen Lebensweise womöglich zu Schwierigkeiten führen könnte. In dieser Gebrauchsanweisung nenne ich ein paar Dinge, die man wissen sollte, und ein paar klassische Missverständnisse, die man leicht vermeiden kann, wenn man die Freude voll geniessen möchte, in Südfrankreich, und sei es für kurze Zeit, "chaleureusement" aufgenommen zu werden.
Dabei habe ich den Rhythmus der Grossstädte vernachlässigt, das rasante arabisch getönte Leben in Marseille, die Hafenstimmung, wenn dort gestreikt wird, die politischen Machenschaften; auch Toulouse, auch Nizza oder Toulon, einfach weil es Grossstädte sind und Grossstädte in den Träumen vom Süden eher selten vorkommen oder nur gestreift werden. Die Zauberwörter heissen eher Arles, Aix-en-Provence, Avignon, und die Träume enthalten vor allem auch die Umgebungen solcher mittelgrossen Städte, die Schluchten, die Grotten, die Flüsse, die kleinen pittoresken Orte, in denen die Zeit anders verläuft, gemächlicher, also das Land.
Damit allerdings meine Gebrauchsanweisung nicht selbst allzu pittoresk würde, wie das vielleicht hätte geschehen können - Liebe macht auch dem Land gegenüber blind - habe ich meinen Sohn gebeten, jeden Abend Seite für Seite durchzulesen, was ich Tag für Tag geschrieben hatte, und der hat sich als äusserst skeptischer, kritischer und sozial kompetenter Leser erwiesen und sei dafür herzlich bedankt; er hat inzwischen mehr als die Hälfte seines siebzehnjährigen Lebens in Südfrankreich verbracht, empfindet daher nicht wie seine Mutter die Skrupel des Gastes gegenüber dem Gastgeberland und neigt mit der Nüchternheit dieser siebzehn Jahre vor allem nicht zur Idealisierung der Verhältnisse.
Einig sind wir uns aber im Grundsätzlichen: der Midi ist für Glück geradezu wie gemacht. Wenn man ein paar Dinge beachtet.
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Autoren-Porträt von Birgit Vanderbeke
Birgit Vanderbeke, geb. 1956 im brandenburgischen Dahme, lebt im Süden Frankreichs. 1997 erhielt sie den Kranichsteiner Literaturpreis, 1999 den Solothurner Literaturpreis für ihr erzählerisches Gesamtwerk sowie den Roswitha-Preis, 2002 wurde ihr der Hans-Fallada-Preis verliehen, 2007 erhielt sie die Brüder-Grimm-Professur an der Kasseler Universität.
Bibliographische Angaben
- Autor: Birgit Vanderbeke
- 2009, 5. Aufl., 192 Seiten, Masse: 12,2 x 19,3 cm, Kartoniert (TB), Deutsch
- Verlag: Piper
- ISBN-10: 349227515X
- ISBN-13: 9783492275156
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