Erinnerungen
Jüngste Geschichte aus erster Hand: Helmut Kohl hat die Weichen für die Zukunft Deutschlands und Europas gestellt. Jetzt gibt der Kanzler der Einheit...
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Jüngste Geschichte aus erster Hand: Helmut Kohl hat die Weichen für die Zukunft Deutschlands und Europas gestellt. Jetzt gibt der Kanzler der Einheit Auskunft über die Schlussphase des Kalten Krieges und den Fall der Mauer.
Er erzählt über Erfahrungen und Einsichten - mit jener Leidenschaft und Überzeugungskraft, die heute in der Politik so selten geworden sind.
Vom Nato-Doppelbeschluss bis zur Wiedervereinigung - während seiner Kanzlerschaft hat Helmut Kohl die Weichen gestellt, die über die Zukunft Deutschlands und Europas entschieden. Zum ersten Mal schildert er jetzt die prägenden Jahre seiner Kanzlerschaft.
Angetreten, die »geistig-moralische Wende« herbeizuführen, gelang es der Regierung unter Helmut Kohl tatsächlich innerhalb kürzester Zeit, die Bundesrepublik mit einer Reihe von weitreichenden Reformen neu auszurichten und das Klima tiefer Resignation zu überwinden, das das Land Anfang der achtziger Jahre gefangenhielt.
Nicht nur im Inneren fehlte es an Vertrauen in die Politik und an Zuversicht in die Zukunft. Die Entwicklung zu einem einigen Europa war zum Stillstand gekommen, das Schlagwort von der »Eurosklerose« ging um, und die Konfrontation zwischen der Sowjetunion und den USA hatte einen neuen Höhepunkt erreicht.
In dieser Situation gab Helmut Kohl der Entspannungspolitik und der europäischen Einigungspolitik wesentliche Impulse. Bleibende Bilder sind im Album der Geschichte entstanden: mit François Mitterrand in Verdun, mit Ronald Reagan in Bitburg, mit Erich Honecker in Bonn, mit Willy Brandt am Tag nach dem Mauerfall in Berlin - prägende Aufnahmen, die Eingang gefunden haben in das Gedächtnis der Republik.
Im Zentrum dieser Jahre stehen die vielen Pfade, die sich schliesslich zu dem einen grossen Weg vereint haben, der unaufhaltsam zur deutschen Einheit führte. Die zäh errungenen Erleichterungen im deutschdeutschen Reiseverkehr haben dazu ebenso beigetragen wie die Stationierung
Mit manch überraschender Neubewertung und mit kritischem Blick auch auf seine eigene Rolle erzählt Helmut Kohl von seinen Erfahrungen und Einsichten, von Weggefährten und Kontrahenten auf nationalem und internationalem Parkett. Er beschreibt die Motive und Grundsätze seiner Politik und schildert, welche Widerstände bei der Umsetzung zu überwinden waren. Seine Erinnerungen 1982 - 1990 sind durchdrungen von jener Leidenschaft und Überzeugungskraft, die heute in der Politik so selten geworden sind.
Erinnerungen 1982 - 1990 von Helmut Kohl
LESEPROBE
Für alleDeutschen
Aussenpolitisch gab es zwischen denKoalitionsparteien CDU, CSU und FDP weder auf dem Feld der Europapolitik nochhinsichtlich der klaren Einbettung der Deutschlandpolitik in das europäischeEinigungswerk oder in bezug auf unsere pragmatische Kooperationsbereitschaftmit der DDR Meinungsverschiedenheiten.
Sorgen bereiteten mir allerdings dieimmer wieder aufflammenden Kontroversen zwischen Strauss und Genscher, die sichzu einer Art ständig wiederkehrendem Ritual entwickelten. Oft ging es nur umNuancen, doch die beiden brauchten ihren Krach. Ich liess die Streithähnestreiten, auch wenn mir das nicht selten als Führungsschwäche ausgelegt wurde.Dabei waren unsere Grundprinzipien absolut unstrittig: Die deutsche Nationbestand fort, und wir traten für das Selbstbestimmungsrecht der Völker und fürdas Ende der Teilung Europas ein. Das Bekenntnis zur Einheit der Nation warauch eine zentrale Aussage in meinen beiden Regierungserklärungen vom Oktober1982 und vom Mai 1983, auf die ich mich bei Auseinandersetzungen gern berief.Es war keine Floskel, wenn ich versprach, alles zu tun, um in Frieden undFreiheit die deutsche Einheit anzustreben und zu vollenden.
Trotz dieser Übereinstimmung im Grundsätzlichenführten zum Beispiel Fragen des Umgangs mit der DDR oder nach dem Stellenwertpolitischer Forderungen an die SED-Führung immer wieder zuAuseinandersetzungen. In deutschlandpolitischen Sachaussagen waren dieMeinungsunterschiede allerdings eher gering, gleichgültig ob es um den Abbauvon Schikanen bei der Grenzabfertigung ging, um die Einhaltung des Prinzips vonLeistung und Gegenleistung, um das Beharren auf der Interpretation des 160Bundesverfassungsgerichts zum Grundlagenvertrag, um die Brandmarkung desUnrechts, das im zweiten deutschen Staat täglich verübt wurde, oder um dasFesthalten an einer einheitlichen deutschen Staatsbürgerschaft.
Gleichwohl liessen wir bei denKoalitionsvereinbarungen nach der März-Wahl 1983 die Deutschlandpolitik insofernunberücksichtigt, als wir keinerlei schriftliche Festlegungen trafen. Dasgeschah mit gutem Grund, denn nur so behielten wir genügend Spielraum auf denverschlungenen deutsch-deutschen Wegen. Für Kritiker aber war das eingefundenes Fressen, um wieder einmal die Ziel- und Planlosigkeit der neuenBundesregierung anzuprangern.
Auch in der sogenanntenElefantenrunde der drei Parteivorsitzenden der Koalition vermied ich jedwedeFestlegung zu deutschlandpolitisch relevanten Fragestellungen. Damit zog ich mirnicht selten den Ärger von Franz Josef Strauss zu, der diesen Kreis zu gerne zumeigentlichen Machtzentrum ausgebaut hätte. Doch da ich mich geduldig auf andereEntscheidungsgremien wie die Koalitionsrunde, die Bundestagsfraktionen undnicht zuletzt die CDU Spitzengremien berufen konnte, gelang ihm das nicht. Auchauf Beschlüsse des Bundeskabinetts konnte ich verweisen, wenn ich Festlegungenoder verbindliche Entscheidungen der »Elefantenrunde« vermeiden wollte.
Franz Josef Strauss brauchte dieBonner Elefantenrunden, um seinen Parteifreunden in der Bundeshauptstadt wiein Bayern zu demonstrieren, wie dicht er an den Schaltstellen der Macht sass,wie sehr er auch in Bonn gebraucht wurde und mitmischen konnte. Seine Auftritteam Regierungssitz galten eindeutig seiner eigenen politischen Profilierung undder der CSU, die nach der März-Wahl wesentlich stärker als vorher im DeutschenBundestag vertreten war. Auf der anderen Seite versuchte Hans-Dietrich Genschersich und seine Partei als Hüter der deutschlandpolitischen Kontinuitätdarzustellen, was weiten Teilen der CSU die Zornesröte ins Gesicht trieb.
Auch in der Fraktion gab es einenvielstimmigen Chor von Deutschlandexperten. Da waren die Berliner Abgeordneten,die nicht selten auf Grund persönlicher Schicksale eine andere Sicht der Dingehatten als beispielsweise die Rheinländer. Es gab Abgeordnete, dieDeutschlandpolitik mit Ostpolitik gleichsetzten und alles verteufelten, was mitdem Kommunismus in Verbindung gebracht werden konnte. Schliesslich gab es in derUnionsfraktion auch genügend Opportunisten, die keine Skrupel hatten, demZeitgeist zu frönen und deutschlandpolitische Grundpositionen aufzugeben.
Durch eine weitere Aufwertung derDDR wollten sie angeblich mehr Annäherung zwischen beiden deutschen Staatenerreichen. Diese Kollegen waren in ihren deutschlandpolitischen Auffassungennicht weit von denen der Bonner Opposition entfernt. Doch so viele auchmitreden wollten, Deutschlandpolitik war Chefsache. Vom Kanzleramt aus hieltich die Fäden zusammen.
Hier fielen alle bedeutsamendeutschlandpolitischen Entscheidungen während meiner Kanzlerschaft, auch soheftig umstrittene wie die Bürgschaft für einen Milliardenkredit für die DDR.Angesichts von zwei voneinander unabhängigen, selbständigen Staaten, diefüreinander kein Ausland sein sollten, waren die innerdeutschen Beziehungeneinmalig, auch einmalig kompliziert, und das nicht nur in rechtlicher Hinsicht.Es war ein fortwährender Balanceakt: Das Festhalten am Ziel der Einheit inFreiheit durfte den Versuch, die Teilungsfolgen zu mildern, nicht hemmen.
Nach unserem Verständnis warDeutschlandpolitik Politik für alle Deutschen, und das hiess, die Beziehungenzwischen den Menschen in beiden deutschen Staaten zu fördern.
Zu Beginn meiner Kanzlerschaftberief ich Philipp Jenninger, meinen langjährigen Weggefährten aus derBundestagsfraktion, zum Staatsminister im Bundeskanzleramt. Jenninger, zweiJahre jünger als ich, war seit 1969 Mitglied des Deutschen Bundestags und hatteseit 1973 als parlamentarischer Geschäftsführer der CDU/CSU-Bundestagsfraktioneng mit mir zusammengearbeitet.
In dieser Funktion koordinierte derSchwabe über sieben Jahre lang die Politik der damaligen Bonner Opposition,eine Schwerstarbeit, die er mit grossem Einsatz managte und die ihm viel Achtungund Lob einbrachte. Er war meine rechte Hand in der Fraktion, organisierte klugdie Arbeit der Bundestagsfraktion und führte sie durch manchen politischenSturm. Ihm habe ich, hat die Union eine Menge zu verdanken. Jetzt war PhilippJenninger auch im Kanzleramt an meiner Seite und kümmerte sich um dieKoordination zwischen Regierung und Parlament. Vor allem aber übertrug ich ihmdie Gesamtverantwortung für die operative Deutschlandpolitik. Schon nachkürzester Zeit erreichte er auf dem Gebiet der innerdeutschen Beziehungen ersteErfolge. »Don Philippo«, wie ich ihn freundschaftlich nannte, erwies sich vonAnfang an als kluger Verhandlungspartner auf diesem schwierigen politischen Terrain. Eingewisses Mass an Rangeleien um deutschlandpolitische Kompetenzen mit demBundesminister für innerdeutsche Beziehungen war nicht zu vermeiden, zumalRainer Barzel aus seinem Prestigegefühl heraus die Auseinandersetzung geradezusuchte.
Mein Interesse an der deutschenFrage setzte nicht erst mit der Wahl zum Bundeskanzler ein. Bereits alsCDU-Bundesvorsitzender und als Oppositionsführer in neun langen Bonner Jahrenhatte ich mich ausgiebig damit beschäftigt. Immer wieder bezog ichunmissverständlich Position, sei es in den Reden zum Jahrestag des Aufstandsvom 17. Juni 1953, sei es durch meine schroffe Ablehnung der sogenannten GeraerForderungen des SED-Generalsekretärs Erich Honecker von 1981: Es kam für michnicht in Frage, die DDR-Staatsbürgerschaft anzuerkennen, die ZentraleErfassungsstelle der Länderjustizverwaltungenfür DDR-Unrecht in Salzgitter aufzulösen, die Ständigen Vertretungen inBotschaften umzuwandeln und damit normale völkerrechtliche Beziehungen zwischenDDR und Bundesrepublik aufzunehmen, die Mitte der Elbe als Staatsgrenzezwischen DDR und Bundesrepublik anzuerkennen oder den »Missbrauch derTransitwege« zu unterbinden, wie von Honecker gewünscht. Hinter letzteremverbarg sich die Forderung nach einer strafrechtlichen Verfolgung vonFluchthelfern in der Bundesrepublik und in West-Berlin, was wir scharfablehnten.
Es war und ist beschämend, dassgrosse Teile der deutschen Sozialdemokratie am liebsten gleich alle dieseForderungen von Erich Honecker erfüllt hätten. Zumindest bei einigenForderungen wurden unter anderem auch Gerhard Schröder - der damaligeSPD-Bundestagsabgeordnete sollte später mein Nachfolger im Bundeskanzleramtwerden - und der NRW-Ministerpräsident und spätere Bundespräsident Johannes Rauschwach und kamen dem SED-Regime aus ihrem Opportunismus heraus sehr entgegen.CDU und CSU dagegen lehnten Honeckers gesamten Forderungskatalog kategorischab.
Die SED-Spitze wusste also sehrgenau, was von dem neuen Bundeskanzler zu erwarten war, woran sie mit mir warund auf welchen Gebieten die grössten Chancen bestanden, Fortschritte in den bilateralenBeziehungen zu erreichen. Es war natürlich grober Unsinn, mir zu unterstellen,ich hätte die Absicht, eine »Eiszeit« in den innerdeutschen Beziehungeneintreten zu lassen. Gleich zu Beginn meiner Kanzlerschaft legte ich Wert aufden direkten persönlichen Kontakt zu Erich Honecker. Die Telefondiplomatie, wieich sie auf vielen Gebieten praktizierte, war auch in der Deutschlandpolitikein probates Mittel der Politik. Es war immer besser, miteinander zu sprechen,als Briefe zu schreiben und Schriftstücke auszutauschen.
Der mächtigste Mann der DDR dachtedarüber wohl anders. Wie sich später herausstellte, telefonierte er ungern, auswelchem Grund auch immer. Möglicherweise hegte er besonderes Misstrauengegenüber dem SED-Apparat, nicht zuletzt wegen der undurchsichtigenMachenschaften des Ministeriums für Staatssicherheit, das vor seinem Telefonkaum haltgemacht haben dürfte. Im Jahr 1983 telefonierte ich insgesamt dreimalmit Erich Honecker. Ansonsten nutzten wir die Briefdiplomatie, mit der unsere direkteVerbindung Ende November 1982 begonnen hatte.
Am 18. April 1983 griff ichallerdings zum Telefon, um mit Erich Honecker direkt zu sprechen. Anlass warein tödlicher Zwischenfall auf der Transitstrecke von der Bundesrepublik nachWest-Berlin. Am 10. April war der westdeutsche Transitreisende Rudolf Burkertwährend eines Verhörs am DDR-Kontrollpunkt Drewitz zu Tode gekommen. Offiziellhiess es, er sei an Herzversagen gestorben, aber ich wollte aus erster Handwissen, was tatsächlich passiert war, denn die Umstände, die zu seinem Todgeführt hatten, blieben unklar. Die Obduktion belegte damals, dassGewaltanwendung vorgelegen haben musste. Darum bat ich den SED-Generalsekretäreindringlich um Aufklärung und machte keinen Hehl aus meiner Bestürzung über diesentragischen Todesfall.
Ein geplantes Gespräch mit demDDR-Politbüromitglied und Wirtschaftsfachmann Günter Mittag, der sich gerade inBonn aufhielt, sagte ich ab. Vor dem Hintergrund dieses Zwischenfalls auf derTransitstrecke erschien mir ein Treffen nicht angebracht. Erich Honecker nahmmeine Erklärung zur Kenntnis und brachte die Sprache dann auf seinLieblingsthema: die atomare Abrüstung und Friedenssicherung. Der tödlicheZwischenfall wurde letztlich nie aufgeklärt.
Am 4. Februar 1983 erreichte michein Schreiben des SEDGeneralsekretärs, in dem er den Vorschlag zur Errichtungeiner von nuklearen Gefechtsfeldwaffen freien Zone in Mitteleuropa aufgriff,den der schwedische Ministerpräsident Olof Palme am 8. Dezember 1982 gemachthatte. Wie Honecker mir schrieb, hatten das Zentralkomitee der SED, derStaatsrat und der Ministerrat der DDR diesen Vorschlag eingehend geprüft undwaren zu der Überzeugung gekommen, »dass die Schaffung einer solchen Zone einnützlicher Schritt zur Festigung des Friedens in Europa und zur Weiterführungder Entspannung sein könnte«. Es wäre von grossem Gewicht, so derGeneralsekretär, wenn auch die Regierung der Bundesrepublik diese Initiativeunterstützen würde.
In meinem Antwortschreiben vom 16.Februar 1983 verwies ich auf die konventionelle Überlegenheit der Truppen desWarschauer Pakts in Mitteleuropa und lehnte den Palme-Plan vor diesemHintergrund ab. Für die nukleare Bedrohung, argumentierte ich, sei es nichtausschlaggebend, ob Kernwaffen auf einem bestimmten Gebiet stationiert seien,sondern ob auf dieses Gebiet Kernwaffen gerichtet seien. Verhandlungen, die nurauf ein Auseinanderrücken der nuklearen Arsenale in Europa hinauslaufen, würdendeshalb die Stabilität nicht erhöhen, sondern nur eine Illusion grösserer Sicherheitschaffen. Sie würden von den laufenden Verhandlungen über die Reduzierung vonKernwaffen ablenken und damit baldige Ergebnisse erschweren.
Oberster Massstab für allerüstungskontrollpolitischen Vorschläge müsse sein, welchen Beitrag sie zurVerhütung jeglicher kriegerischen Auseinandersetzung leisten, einschliesslicheines konventionellen Konflikts in Europa. Die Initiative für einenuklearwaffenfreie Zone in Mitteleuropa werde dieser Anforderung nicht gerecht,erklärte ich, und wir sähen uns deshalb nicht in der Lage, sie zu unterstützen.Am Ende dieses Briefs schlug ich vor, einen direkten und sachlichenMeinungsaustausch über Grundsatzfragen zu führen. Unsere Abrüstungsbeauftragtensollten sich treffen, um das Gespräch fortzusetzen. Diese Art der Brief- undTelefondiplomatie zwischen Erich Honecker und mir erwies sich als brauchbar undsinnvoll. Wichtig war mir immer wieder, unsere Positionen mit der gebotenenDeutlichkeit und Entschiedenheit darzustellen und keinen Zweifel an unsererpolitischen Standfestigkeit gerade in der Abrüstungsdebatte aufkommen zulassen.
Das deutsch-deutsche Verhältnis waralso keineswegs einfach, aber durchaus von Gesprächsbereitschaft bestimmt. Dochdann sagte Erich Honecker überraschend seinen geplanten Besuch in der Bundesrepublikab. In einem Brief vom 29. April 1983 liess er mich wissen, angesichts derjüngsten Entwicklung im Verhältnis zwischen der Bundesrepublik und der DDRglaube niemand ernsthaft daran, dass der Generalsekretär in diesem Jahr dieBundesrepublik besuchen könne. Schuld daran seien jene, die eine solcheAtmosphäre geschaffen hätten.
Die Begründung dieser Absage fandich völlig unverständlich. Es schien, als wären die innerdeutschen Beziehungenauf einem Tiefpunkt angelangt. Gleichzeitig signalisierte die DDR-Führung aufunteren Gesprächsebenen allerdings ihre Bereitschaft zu weiteren Kontakten. Dasliess mich optimistisch in die Zukunft blicken.
Zumindest gab es keinen Anlass zurDramatisierung. Möglicherweise hatte aber auch gar nicht das innerdeutscheKlima zu Honeckers Absage geführt, sondern die Beziehungen zwischen Ost-Berlinund Moskau. Es spricht einiges dafür, dass die Sowjetunion ein Veto gegen denBesuch eingelegt hatte. Das persönliche Bemühen Honeckers um bessereBeziehungen zur Bundesrepublik stellte ich jedenfalls nicht in Frage, zumal zujener Zeit die Geheimverhandlungen über einen möglichen Milliardenkredit aufHochtouren liefen.
Die Einladung, die Helmut Schmidtausgesprochen hatte, hielt ich weiterhin aufrecht. Honecker hatte seine Absageja auf das Jahr 1983 begrenzt, insofern bestand Hoffnung, dass auch wiederbessere Zeiten kommen würden. Im Jahr des Stationierungsbeschlusses stand dieBonn-Visite des SED-Generalsekretärs auch für uns nicht unter einem besondersgünstigen Stern.
©Verlagsgruppe DroemerKnaur
Autoren-Porträt von Helmut Kohl
Helmut Kohlwird am 3. April 1930 in Ludwigshafen geboren. In der pfälzischen Stadt besuchter die Schule und tritt mit gerade 17 Jahren in die CDU ein. Kohl istMitbegründer der Jungen Union in Rheinland-Pfalz.
In Frankfurtam Main beginnt er das Studium der Rechtswissenschaft und Geschichte, wechseltdann an die Universität Heidelberg, wo er auch promoviert. 1955 wird er Mitglieddes CDU-Landesvorstandes. 1959, mit 29, wird er Mitglied desrheinland-pfälzischen Landtages, dem er zehn Jahre angehört. 1960 heiratet erHannelore Renner, die er seit 1948 kennt. Aus der Ehe gehen zwei Söhne hervor.
1966 gelingtihm der Einstieg in die Bundespolitik, er wird Mitglied des Bundesvorstandesder CDU, 1969 stellvertretender Bundesvorsitzender. Im selben Jahr wird er zumMinisterpräsidenten von Rheinland-Pfalz gewählt. Sieben Jahre bleibt er im Amt.
1973 wird HelmutKohl CDU-Vorsitzender. In diesem Amt bleibt er 25 Jahre. Nach der verlorenenWahl 1976 geht Kohl als Oppositionsführer der CDU/CSU nach Bonn. Erst 1982 istes dann soweit: Nach dem Bruch der sozial-liberalen Koalition wird Kohl mitHilfe der FDP zum Kanzler gewählt. Die Kanzlerschaft steht aussenpolitisch unterdem Zeichen der europäischen Integration. Innenpolitisch wird Kohl zum"Konsenspolitiker", viele Reformen bleiben liegen. ImFlick-Untersuchungsausschuss um illegale Parteispenden sagt Kohl dieUnwahrheit. Dennoch setzt er sich 1987 im Bundestagswahlkampf gegen denspäteren Bundespräsidenten Johannes Rau durch.
1989 kommtdann die grosse Stunde Helmut Kohls. Wenige Wochen nach dem Fall der BerlinerMauer legt er das "Zehn-Punkte-Programm zur Überwindung der TeilungDeutschlands und Europas" vor. In den folgenden Monaten kann er die Zustimmungder ehemaligen Siegermächte für die Wiedervereinigung erreichen. Mit dem 3.Oktober 1990 ist Deutschland offiziell wiedervereinigt. Wenige Monate später,1991, wird Kohl erwartungsgemäss zum dritten Mal zum Bundeskanzler gewählt. 1994wiederholt sich der Wahlerfolg. Während dieser Jahre bleibt Kohls Leidenschaftdie europäische Integration. Meilensteine sind hier der Vertrag von Maastrichtund die Weichenstellung für eine gemeinsame europäische Währung. Für seineVerdienste wird er zum Ehrenbürger Europas ernannt; eine Auszeichnung, die zuvornur dem französischen Politiker Jean Monnet verliehen wurde.
1998unterliegt Kohl dem sozialdemokratischen Herausforderer Gerhard Schröder. Nochfür eine letzte Legislaturperiode behält Kohl sein Bundestagsmandat, das vondem Parteispenden-Untersuchungsausschuss überschattet wird. Bei den Wahlen 2002zum deutschen Bundestag kandidiert Helmut Kohl nicht mehr.
- Autor: Helmut Kohl
- 2005, 3. Aufl., 1168 Seiten, 24 farbige Abbildungen, 150 Schwarz-Weiss-Abbildungen, Masse: 15,2 x 21,9 cm, Gebunden, Deutsch
- Verlag: Droemer/Knaur
- ISBN-10: 3426273209
- ISBN-13: 9783426273203
- Erscheinungsdatum: 02.11.2005
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