Ein brandheisses Date / Silver Dragons Trilogie Bd.1
Roman. Deutsche Erstausgabe
May Northcott ist ein Wesen mit magischen Fähigkeiten. Sie ist an den Dämon Magoth gebunden, der ihre Gabe ausnutzt. Dann begegnet May dem attraktiven Gabriel, dem Anführer der Silberdrachen. Doch werden sich die beiden annähern können?
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Produktinformationen zu „Ein brandheisses Date / Silver Dragons Trilogie Bd.1 “
May Northcott ist ein Wesen mit magischen Fähigkeiten. Sie ist an den Dämon Magoth gebunden, der ihre Gabe ausnutzt. Dann begegnet May dem attraktiven Gabriel, dem Anführer der Silberdrachen. Doch werden sich die beiden annähern können?
Klappentext zu „Ein brandheisses Date / Silver Dragons Trilogie Bd.1 “
May Northcott ist eine Doppelgängerin, ein magisches Wesen, das sich unsichtbar machen und in der Welt der Schatten wandeln kann. Sie ist an den Dämon Magoth gebunden, der ihre Fähigkeiten dazu benutzt, um Diebstähle zu begehen und magische Gegenstände in seinen Besitz zu bringen. Bei einem ihrer Diebeszüge begegnet May dem gut aussehenden Gabriel Tauhou, dem Anführer der Silberdrachen. Dieser erkennt sofort, dass May seine Seelengefährtin ist. Doch obwohl sich auch May zu ihm hingezogen fühlt, sträubt sie sich zunächst gegen ihre Gefühle. Da erteilt ihr Magoth den Auftrag, ein wertvolles Artefakt aus Gabriels Hort zu stehlen ...
Lese-Probe zu „Ein brandheisses Date / Silver Dragons Trilogie Bd.1 “
Ein brandheißes Date von Katie MacAlister»Guter Zwilling ruft bösen Zwilling. Das Wiesel kräht um Mitternacht. Alles klar?«
»Oh, um Himmels willen ... ich habe zu tun! Hör auf, mir alberne verschlüsselte Nachrichten zu senden! Wenn du etwas zu sagen hast, sag es, ansonsten Funkstille! Kapiert?«
»Du verstehst überhaupt keinen Spaß mehr. Früher warst du für jeden Scherz zu haben, aber in der letzten Zeit hast du dich verändert. Liegt es an der Menopause, May?«
Cyrenes Frage erschreckte mich so sehr, dass ich im dunklen Flur innehielt und überrascht einen Blick in den Spiegel an der Wand gegenüber warf.
Kein Spiegelbild war zu sehen.
»Bekommst du noch deine Periode? Hast du nachts Hitzewallungen? Wächst dir ein Schnurrbart?«
»Gott steh mir bei«, murmelte ich und versuchte die vorlaute Stimme zu ignorieren, die mir fröhlich ins Ohr zwitscherte, während ich weiter durch den dunklen, verlassenen Raum schlich. Einen Moment lang dachte ich daran, den Miniatursender, über den Cyrene mit mir Kontakt hielt, einfach abzuschalten, aber die lebenslange Erfahrung mit meinem Zwilling sagte mir, dass der Gedanke einfach nur töricht war.
... mehr
»Mann, du bist aber wirklich schlecht gelaunt heute«, stellte sie leicht mürrisch fest.
Ich blieb kurz stehen, um eine schöne mattgrüne Vase zu bewundern, die in einer Vitrine stand, bevor ich zur gegenüberliegenden Tür huschte. »Deine Bemerkung war ja auch mehr
als daneben. Du bist schließlich die Ältere von uns, und im Zweifelsfall kommst du eher in die Menopause als ich.«
»So viel bin ich auch nicht älter. Gerade mal ein paar Jahre. Tausend, wenn's hochkommt. Was machst du gerade?«
Ich versuche, nicht wahnsinnig zu werden, hätte ich am liebsten gesagt, aber ich hielt mich zurück. Solange Cyrene versuchte zu helfen, war sie zu ertragen, aber wenn sie verletzt, deprimiert oder unglücklich war, konnte das fatale Auswirkungen haben, die ich mir im Moment gar nicht erst ausmalen wollte. »Ich bin in der Bibliothek und nähere mich dem Büro. Dort könnte es im Übrigen zusätzliche Sicherheitsmaßnahmen geben, also sollte von jetzt an Funkstille herrschen. Klar?«
»Du hast gesagt, ich könnte dir helfen.« Ich presste die Lippen zusammen, als ich ihre störrische Stimme vernahm.
»Du hilfst mir, indem du die Vorderseite des Hauses bewachst.«
Ich schlich zur Tür und betrachtete sie eingehend. Soweit ich sehen konnte, war sie nicht mit Bannzaubern belegt. Ich hob die Hand und legte meine Finger leicht auf das Holz.
Nichts löste meinen empfindlichen Gefahrensinn aus.
»Ich bin auf der anderen Straßenseite!«
Der Türknopf ließ sich leicht drehen und die Tür ging beinahe geräuschlos auf, was für die sorgsame Pflege des Hauspersonals sprach. »Da kannst du besser sehen.«
»In einem Baum!«
»Die Höhe ist nur von Vorteil. Hmm.«
In dem kleinen Zimmer stand eine weitere hübsche, antike Glasvitrine. Sie war innen beleuchtet, und der gelbe Lichtschein fiel auf den dicken Teppich. Mehrere Kunstobjekte standen in dem Schrank, aber meine Aufmerksamkeit galt nur der schlanken Glasphiole, die als Einziges auf dem mittleren Regal stand.
»Was hmm? Ich glaube, ich fange mir Käfer ein. Im Baum sind sicher welche. Was nun?
Hast du das Zeug gefunden?«
»Den Liquor Hepatis? Ja. Und jetzt sei still. Ich muss herausfinden, wie der Schrank gesichert ist.«
»Es ist so aufregend«, flüsterte Cyrene. »Ich war noch nie bei einem deiner Aufträge dabei. Es ist allerdings ein bisschen langweilig, nur zuzuschauen, und ich weiß auch gar nicht, ob es wirklich nötig ist. Du hast doch gesagt, der Magier ist irgendwo in England. Außerdem ist er doch nur ein Magier!«
Die Verachtung in ihrer Stimme war sogar über das Funkgerät deutlich zu vernehmen.
»Ich habe noch nie verstanden, was du gegen Magier hast. Sie sind Menschen wie du und ich«, murmelte ich, während ich die elektronische Alarmanlage begutachtete.
»Bah, sie tun immer so großartig mit ihrer Magie und den tiefen, dunklen Geheimnissen des Universums. Phh! Es geht doch nichts über einen netten, elementaren Zauber. Magier werden einfach überschätzt. Nun greif doch einfach hinein und nimm dir das Ding!«
»Überschätzt oder nicht, Magoth hat zwar gesagt, dass der Magier weg ist, aber seine Leute sind hier, und nicht einmal ein Magier würde so etwas Wertvolles wie ein Arkanum der Seele unbewacht zurücklassen«, antwortete ich. Ich schaltete den Alarm aus. Normalerweise verabscheuen Magier moderne Sicherheitsmaßnahmen und verlassen sich lieber auf ihre eigenen geheimen Ressourcen. Und der Eigentümer der Vitrine vor mir bildete da keine Ausnahme.
Ich lächelte über die Zauber, die zur Abschreckung von Eindringlingen ins Holz gewoben waren. Auf mich hatten sie jedoch keine Wirkung, und als ich das aluminiumbeschichtete Tuch über die winzige, hoch in einer Ecke des Zimmers angebrachte Kamera gehängt hatte - schließlich sollten ja keine Aufnahmen von mir für die Nachwelt erhalten bleiben -, öffnete ich den Schrank einfach und griff nach der Phiole.
Etwas blitzte für den Bruchteil einer Sekunde links von dem Liquor Hepatis auf. Meine Hand zuckte zurück, und ich kniff die Augen zusammen.
»Hast du daran gedacht, etwas über die Kamera zu hängen?«, ließ Cyrene sich plötzlich vernehmen.
»Du willst ja schließlich nicht gesehen werden.«
»Ich bin kein Klingone, Cy«, sagte ich geistesabwesend und musterte das Bord, auf dem die Glasphiole stand. War das gerade nur eine Reflexion gewesen? Oder ein Lichtspiel der Glasprismen? Oder hatte der Magier etwas mit der Phiole gemacht, das über meine Erfahrungen hinausging?
»Nein, aber man kann dich sehen, wenn du etwas tust, was Konzentration erfordert. Jedenfalls behauptest du das -- obwohl ich dich nicht sehen konnte, als du bei der Party in Marrakesch jongliert hast.«
»Die Diskussion darüber, ob ich als Partytrick einsetzbar bin, werden wir auf ein anderes Mal verschieben müssen«, murmelte ich und schüttelte den Kopf über meine albernen Gedanken. Der Eigentümer dieses Hauses mochte ja ein Magier sein, aber wenn er darauf vertraute, dass er die Fähigkeit besaß, seinen Liquor Hepatis zu sichern, so irrte er sich gewaltig. Erneut griff ich danach und erhaschte wieder einen Schimmer von etwas, das sich so gerade eben außerhalb meines Sichtfeldes befinden musste. »Agathos daimon!«
»Was?«
»Agathos daimon! Das bedeutet ...«
»Du liebe Güte, das weiß ich doch. Du sagst es ja schließlich oft genug. Wobei ich nicht begreife, warum du nicht einfach fluchen kannst wie jeder andere normale Mensch. Was ist denn jetzt schon wieder los?«
Ich drehte den Kopf zur Seite und sah aus den Augenwinkeln eine kleine lavendelblaue Steindose, die hinter der Phiole stand. Als ich jedoch versuchte, sie zu fixieren, verschwand sie wieder.
»Hier ist noch etwas anderes. Etwas ... Bedeutsames.«
»Wie bedeutsam? Kann ich jetzt vom Baum herunterkommen? Ich werde bei lebendigem Leib aufgefressen.«
»Nein. Du bleibst da, bis ich aus dem Haus heraus bin.«
Ich ergriff die Phiole, steckte sie in die Innentasche meiner Lederweste. Dann warf ich noch einen Blick auf die Vitrine, aber es war nichts zu sehen. Erneut wandte ich den Kopf und tastete mit den Fingern blindlings über das Glasbord. Sie schlossen sich um ein kleines, kaltes Viereck, und in diesem Moment gingen alle Lichter im Zimmer an.
»Bei den Tränen des Agamemnon!«, kreischte Cyrene mir ins Ohr.
»Da ist jemand. Ein Auto steht vor dem Haus, und in mehreren Zimmern ist gerade das Licht angegangen ...«
»Danke für die Warnung«, flüsterte ich mit zusammengebissenen Zähnen.
Draußen ertönten Stimmen. Verzweifelt blickte ich mich nach einer dunklen Ecke um, in der ich mich verstecken konnte, aber es war viel zu hell im Raum.
»Entschuldige! Ich habe gerade Käfer von meinem Arm gepflückt und nicht auf das Auto geachtet, das vor dem Haus gehalten hat. Was ist los? Warum sind alle Lichter an?
Oh, nein - ich glaube, einer der Männer ist ein Magier. Er ist ... ja, er ist ein Magier! Wahrscheinlich der Eigentümer! Mayling, du musst sofort da raus.«
Sie sagte mir nichts, was ich nicht schon wusste. Als ich sah, dass der Türknopf sich drehte, rammte ich schnell einen Stuhl darunter, damit die Tür sich nicht öffnen ließ.
»Mayling!«, schrie Cyrene in mein Ohr. Sie war so aufgeregt, dass sie mich unwillkürlich bei dem Spitznamen nannte, den sie mir gegeben hatte.
Ich rannte zum Fenster. Hoffentlich entkam ich in die Dunkelheit, bevor die Tür sich öffnete. Aber ich war gerade auf den Tisch neben dem Fenster gesprungen, als die Tür in tausend Teile zerbarst und sich in Asche verwandelte, die langsam zu Boden rieselte.
»Mayling!« Cyrene brüllte so laut, dass mir fast das Trommelfell platzte. Die Gestalt eines Mannes erschien im Türrahmen. Anscheinend hörte er meinen Zwilling, denn er hielt einen Moment lang inne.
»Mei Ling!«, schrie er dann und kam in den Raum gerannt. Er hielt meinen Spitznamen für meinen richtigen Namen, was nicht zum ersten Mal geschah.
»Es ist die Meisterdiebin Mei Ling!«
Ich war instinktiv zum Schatten verblichen, als ich die Männerstimmen gehört hatte, aber im Raum war es zu hell, als dass ich unsichtbar bleiben konnte. Sobald der Mann zum Fenster blickte, würde er mich sehen. Ich hatte keine andere Wahl. Ich musste durch die Scheibe springen.
»Agathos daimon«, wiederholte ich leise, hielt schützend die Hände vors Gesicht und warf mich durch das Glas.
»Da!«, schrie der Mann. »Da ist sie! Ich habe gehört, wie jemand ihren Namen gerufen hat. Draußen auf dem Fensterbrett ist die Meisterdiebin Mei Ling!«
Die warme Dunkelheit des griechischen Märzabends umhüllte mich und machte mich so gut wie unsichtbar, als ich über das schmale Sims an einem Regenrohr nach unten rutschte.
»Wo bist du? Ist alles in Ordnung? Mayling!«
»Mir geht es gut. Ich bin aus dem Haus heraus, aber hör auf, so zu schreien, sonst finden dich die Leute des Magiers noch!«, zischte ich ins Mikrofon. »Kannst du vom Baum klettern, ohne dass man dich sieht?«
»Oh, Gott sei Dank, dir geht es gut. Ich hätte fast einen Herzinfarkt bekommen! Ja, ich glaube, ich kann herunterkommen. Da ist ein guter Ast ... uummph!«
Gegenüber der eleganten Villa in Nea Makri, einem kleinen Ferienort außerhalb von Athen, fiel ein schwarzer, andeutungsweise menschlicher Schatten zu Boden. Ich eilte um die Ecken des Platzes herum zu meinem Zwilling, wobei ich sämtliche Lichtkegel aus den umliegenden Häusern mied.
Cyrene blickte zu mir hoch. »Ich bin heruntergefallen.«
»Das habe ich gesehen. Alles in Ordnung?«
Sie nickte, und ich zog sie rasch hoch.
»Was schreien die da?«, fragte sie mit einem Blick zu dem Haus hinüber.
»Ich kann nichts verstehen.«
»Es sind vermutlich nur Flüche. Oh, und natürlich mein Spitzname. Also, nicht mein Spitzname, sondern der andere Name.«
»Was für ein anderer Name?«, fragte sie, während ich sie hastig in die dunkle Seitenstraße hineindirigierte, wo wir den Leihwagen geparkt hatten.
»Ach, du meinst, den asiatischen Namen, den jemand erfunden hat.«
»Und zwar deshalb, weil sie gehört haben, wie du in Dresden meinen Spitznamen gerufen hast, als ich der Schwesternschaft der Najaden geholfen habe, den gestohlenen Gegenstand zurückzuholen. Zum Glück haben sie nach einer Asiatin Ausschau gehalten und nicht auf mich geachtet.«
Schuldbewusst verzog sie das Gesicht.
»Ich hatte ja keine Ahnung, dass die Leute das für deinen richtigen Namen halten würden. Außerdem ist das doch mindestens zehn Jahre her. Das muss doch mittlerweile längst in Vergessenheit geraten sein.«
»Kaum. Der Ruhm von Mei Ling scheint unvergänglich ...«
Wir blieben vor dem Auto stehen. Ich wollte gerade den Autoschlüssel aus der Tasche ziehen, als ich überrascht feststellte, dass ich etwas in der Hand hielt.
»Was ist los?«, fragte sie. »Grundgütiger! Du blutest ja! Bist du durchs Fenster gesprungen?«
»Ja.« Ich öffnete meine Faust und starrte auf ... nichts.
»Wir verschwinden besser«, sagte sie, nahm den Schlüssel und schloss die Tür auf.
»Ich fahre. Mach dich klein, damit dich niemand sieht! Ja, ich weiß, mit dem Umhang sieht dich sowieso keiner, aber das Blut tropft überallhin. Gut, dass du mein Zwilling bist, sonst müsstest du ins Krankenhaus.«
»Wenn ich nicht dein Zwilling wäre, hätte ich erst gar nicht durchs Fenster springen müssen«, konterte ich. Ich fuhr mit dem Finger über die Umrisse der kleinen Steindose.
»Was auch immer der Magier hier gemacht hat, es muss ziemlich mächtig sein. Ich kann sie immer noch nicht sehen.«
»Was kannst du nicht sehen?«, fragte sie und betrachtete meine Handfläche. »Die Schnitte? Sie heilen gleich.«
»Darüber mache ich mir keine Gedanken - ich bin schon erstochen, erschossen und beinahe ausgeweidet worden, und ich weiß sehr wohl, wie schnell bei mir alles heilt. Es ist das hier«, sagte ich und duckte mich, als Cyrene mich ins Auto schob.
»Was denn?«, fragte sie und ließ den Motor an. »Zum Hotel?«
»Ja, bitte. Es ist eine Dose. Sieh sie dir mal an.«
»Wenn ich fahre, kann ich mir nichts ansehen - oh! Es ist eine Dose!«, rief sie aus.
»Ich glaube, sie ist aus Kristall. Ich glaube ...«
Meine Finger, die über die unsichtbare Dose strichen, mussten einen kleinen, versteckten Knopf gedrückt haben, denn plötzlich ging mir das Herz auf. Ein goldener Schimmer, den ich eher spürte als sah, breitete sich von der Dose aus, ein Licht von so wundersamer Schönheit, dass es mich mit überwältigendem Glück zu erfüllen schien.
Fluchend trat Cyrene auf die Bremse und hielt an.
»Was zum ... was ist das? Grundgütiger, es ist ... es ist ...«
»Es ist Quintessenz«, sagte ich und atmete schwer, während das glitzernde Strahlen sich bis tief in meine Knochen senkte. »Was?«
»Quintessenz. Das fünfte Element.«
Langsam schloss ich den Deckel der Dose, und das Licht verschwand so abrupt, dass sich mir das Herz zusammenzog.
»Wie in dem Film mit Bruce Willis, meinst du?«
»Was?«
Ihre Worte drangen nicht gleich durch den Nebel, der sich mit dem Verlust des Lichts über mich gesenkt zu haben schien.
»Nein, so nicht. Das ist doch nur Hollywood. Das fünfte Element ist etwas, das Alchimisten unbedingt erlangen wollen. Es ist die essenzielle Präsenz.«
»Essenzielle Präsenz von was?«, fragte sie und fädelte sich vorsichtig wieder in den Verkehr ein, nur um gleich darauf wieder rechts heranzufahren, weil Streifenwagen mit heulenden Sirenen und Blaulicht aus einer Seitenstraße geschossen kamen.
»Von allem. Sie ist über uns und unter uns, die Verkörperung der Kraft, die wir Leben nennen. Es ist die reinste Essenz des ... Seins.«
»Ist sie wertvoll?«, fragte Cyrene berechnend.
Meine Finger schlossen sich fester um die Dose. »Unbezahlbar. Nein, mehr noch. Sie ist von unschätzbarem Wert. Jeder Alchimist würde töten, um in ihren Besitz zu gelangen.«
»Hm ...«
Ich wusste, was sie dachte. Cyrene hatte einen kostspieligen Geschmack, aber nicht die Fähigkeit, Geld zu sparen. Sie würde bestimmt vorschlagen, wir sollten die Quintessenz meistbietend versteigern, aber das durfte ich nicht zulassen.
»Nein«, sagte ich.
Ihre Lippen, die sie erst kürzlich hatte aufspritzen lassen, verzogen sich zu einem Schmollmund, der erwachsene Männer in die Knie gehen ließ.
»Warum nicht? Ich wette, wir würden eine Menge Geld dafür bekommen.«
»Sie gehört nicht mir.« Ich strich ehrfürchtig über den Kristalldeckel.
»Na ja, klar wird Magoth sie haben wollen, aber deswegen hat er dich doch nicht hierher geschickt, oder? Er braucht ja nicht zu wissen, dass wir sie haben.«
Ich schüttelte den Kopf.
»Wenn Magoth auf die Idee kommt, dass ich auch nur in der Nähe von Quintessenz gewesen bin ... er wird außer sich vor Wut sein, und du kannst dir nicht einmal im Entferntesten vorstellen, zu was ein wütender Dämonenfürst fähig ist. Er wird mir schreckliche Dinge antun. Und dir im Übrigen auch.«
Sie warf mir einen raschen Blick zu. »Mir? Was kann mir ein Dämonenfürst schon tun? Ich bin unsterblich.«
»Ich auch, und doch könnte er mich auslöschen wie ein Kerzenlicht.«
»Du hast anscheinend nie gelernt, dass Dämonenfürsten Elementarwesen wie Najaden zum Beispiel nicht töten können«, wies sie mich zurecht.
»Das weiß doch jeder.«
»Und wenn schon. Glaubst du im Ernst, du könntest Magoths Zorn entkommen?«
»Äh ...« Sie überlegte einen Moment und presste dabei die Lippen zusammen.
»Nein.«
»Das habe ich auch nicht angenommen. Nein, lieber Zwilling, diese kleine Dose geht nicht an Magoth ... und wir werden sie auch nicht verkaufen. Mir bleibt gar nichts anderes übrig, als sie dem Magier zurückzugeben.«
»Das ist doch wirklich zu schade«, sagte sie und bog in die Tiefgarage ein, die unter unserem bescheidenen Hotel lag.
»Vielleicht merkt er ja gar nicht, dass sie nicht mehr da ist. Behalt sie doch einfach ein bisschen und warte mal ab, ob er überhaupt weiß, dass du sie hast.«
»Hast du mit deinem gesunden Menschenverstand auch deine Moral verloren?«, fragte ich.
Cyrene parkte das Auto und verdrehte übertrieben die Augen.
»Mit meiner Moral ist alles in Ordnung. Du brauchst gar nicht so ein Gesicht zu machen.
Ich finde, wir sollten noch einmal in Ruhe darüber reden. Die Dose ist unsichtbar, vielleicht hat der Magier sie ja einfach vergessen.«
Ich beugte mich vor und blickte ihr direkt in die blauen Augen.
»Sie ist unbezahlbar, Cyrene. Buchstäblich ... unbezahlbar.«
Ein gieriger Ausdruck huschte über ihr Gesicht.
»Selbst wenn ich für mich selbst stehlen würde - und ich kann nur wiederholen, dass ich das nicht tue, da du das ja immer zu vergessen scheinst, wenn die Versuchung lockt -, so kann ich diese Dose auf keinen Fall behalten. Sie ist einfach zu wertvoll. Dieser Magier wird Himmel und Hölle in Bewegung setzen, um sie wiederzubekommen, und ehrlich gesagt habe ich keine Lust, dass schon wieder jemand hinter mir her ist.«
Seufzend stieg sie aus dem Auto.
»Du nimmst das Leben viel zu ernst. Wir müssen mal was an deinem Sinn für Humor tun.«
»In meinem Job bleibt nicht viel Zeit für Humor. Und apropos, ich frage mich, was der Magier im Schilde führt, schließlich haben seine Leute meinen Namen gehört«, sagte ich und stieg langsam aus. An den Stellen, wo das Blut getrocknet war, fühlte sich meine Haut heiß und gespannt an. Die Schnitte waren zwar größtenteils verheilt, aber ich sah trotzdem immer noch ziemlich mitgenommen aus.
Cyrene schlug die Hand vor den Mund.
»Oh, May! Es tut mir leid! Daran habe ich gar nicht gedacht - glaubst du, sie bringen
Mei Ling mit dir in Verbindung?«
Ich lächelte schief.
»Ich wüsste nicht, wie sie darauf kommen sollten. Sie haben mich nicht zu Gesicht bekommen, und sie glauben, es war Mei Ling, die berüchtigte internationale Meisterdiebin und nicht einfach nur eine Doppelgängerin aus Kalifornien.«
Cyrene verzog das Gesicht.
»Ich und meine große Klappe.«
»Nun ja, es ist gar nicht mal so schlimm. Wenn sie alle nach einer Asiatin Ausschau halten, dann richtet sich ihre Aufmerksamkeit weniger auf mich. Ich kann mich übrigens so im Hotel nicht sehen lassen, ich gehe als Schatten auf mein Zimmer. Kommst du zurecht?«
Sie hatte den leidenden Blick, den sie mir zuwarf, schon seit einem guten Jahrhundert drauf, aber meine Lippen zuckten trotzdem.
»Ich bin kein hilfloses Etwas, May! Ich bin absolut in der Lage, ein Hotel zu betreten und auf mein Zimmer zu gehen, ohne Mördern, Dieben, Anarchisten oder sonstigen Verbrechern in die Hände zu fallen, vielen Dank!«
»Entschuldigung!«, sagte ich.
»Ehrlich! Du behandelst mich, als wäre ich ein Kind und du meine Mutter, dabei ist es genau andersherum. Ich bin fast zwölfhundert Jahre alt! Und nur weil ich ab und an ein wenig Hilfe brauche, bedeutet das noch lange nicht, dass ich ohne dich zu nichts in der Lage bin ...«
Empört marschierte sie zum Aufzug. Ich folgte ihr in einigem Abstand und ging die Treppe hinauf, die nur selten benutzt wurde. Eine einzige Frage beschäftigte mich.
Wie um alles in der Welt sollte ich dem Magier die Quintessenz zurückbringen, ohne erwischt zu werden?
© 2011 LYX verlegt durch EGMONT Verlagsgesellschaften mbH.
»Mann, du bist aber wirklich schlecht gelaunt heute«, stellte sie leicht mürrisch fest.
Ich blieb kurz stehen, um eine schöne mattgrüne Vase zu bewundern, die in einer Vitrine stand, bevor ich zur gegenüberliegenden Tür huschte. »Deine Bemerkung war ja auch mehr
als daneben. Du bist schließlich die Ältere von uns, und im Zweifelsfall kommst du eher in die Menopause als ich.«
»So viel bin ich auch nicht älter. Gerade mal ein paar Jahre. Tausend, wenn's hochkommt. Was machst du gerade?«
Ich versuche, nicht wahnsinnig zu werden, hätte ich am liebsten gesagt, aber ich hielt mich zurück. Solange Cyrene versuchte zu helfen, war sie zu ertragen, aber wenn sie verletzt, deprimiert oder unglücklich war, konnte das fatale Auswirkungen haben, die ich mir im Moment gar nicht erst ausmalen wollte. »Ich bin in der Bibliothek und nähere mich dem Büro. Dort könnte es im Übrigen zusätzliche Sicherheitsmaßnahmen geben, also sollte von jetzt an Funkstille herrschen. Klar?«
»Du hast gesagt, ich könnte dir helfen.« Ich presste die Lippen zusammen, als ich ihre störrische Stimme vernahm.
»Du hilfst mir, indem du die Vorderseite des Hauses bewachst.«
Ich schlich zur Tür und betrachtete sie eingehend. Soweit ich sehen konnte, war sie nicht mit Bannzaubern belegt. Ich hob die Hand und legte meine Finger leicht auf das Holz.
Nichts löste meinen empfindlichen Gefahrensinn aus.
»Ich bin auf der anderen Straßenseite!«
Der Türknopf ließ sich leicht drehen und die Tür ging beinahe geräuschlos auf, was für die sorgsame Pflege des Hauspersonals sprach. »Da kannst du besser sehen.«
»In einem Baum!«
»Die Höhe ist nur von Vorteil. Hmm.«
In dem kleinen Zimmer stand eine weitere hübsche, antike Glasvitrine. Sie war innen beleuchtet, und der gelbe Lichtschein fiel auf den dicken Teppich. Mehrere Kunstobjekte standen in dem Schrank, aber meine Aufmerksamkeit galt nur der schlanken Glasphiole, die als Einziges auf dem mittleren Regal stand.
»Was hmm? Ich glaube, ich fange mir Käfer ein. Im Baum sind sicher welche. Was nun?
Hast du das Zeug gefunden?«
»Den Liquor Hepatis? Ja. Und jetzt sei still. Ich muss herausfinden, wie der Schrank gesichert ist.«
»Es ist so aufregend«, flüsterte Cyrene. »Ich war noch nie bei einem deiner Aufträge dabei. Es ist allerdings ein bisschen langweilig, nur zuzuschauen, und ich weiß auch gar nicht, ob es wirklich nötig ist. Du hast doch gesagt, der Magier ist irgendwo in England. Außerdem ist er doch nur ein Magier!«
Die Verachtung in ihrer Stimme war sogar über das Funkgerät deutlich zu vernehmen.
»Ich habe noch nie verstanden, was du gegen Magier hast. Sie sind Menschen wie du und ich«, murmelte ich, während ich die elektronische Alarmanlage begutachtete.
»Bah, sie tun immer so großartig mit ihrer Magie und den tiefen, dunklen Geheimnissen des Universums. Phh! Es geht doch nichts über einen netten, elementaren Zauber. Magier werden einfach überschätzt. Nun greif doch einfach hinein und nimm dir das Ding!«
»Überschätzt oder nicht, Magoth hat zwar gesagt, dass der Magier weg ist, aber seine Leute sind hier, und nicht einmal ein Magier würde so etwas Wertvolles wie ein Arkanum der Seele unbewacht zurücklassen«, antwortete ich. Ich schaltete den Alarm aus. Normalerweise verabscheuen Magier moderne Sicherheitsmaßnahmen und verlassen sich lieber auf ihre eigenen geheimen Ressourcen. Und der Eigentümer der Vitrine vor mir bildete da keine Ausnahme.
Ich lächelte über die Zauber, die zur Abschreckung von Eindringlingen ins Holz gewoben waren. Auf mich hatten sie jedoch keine Wirkung, und als ich das aluminiumbeschichtete Tuch über die winzige, hoch in einer Ecke des Zimmers angebrachte Kamera gehängt hatte - schließlich sollten ja keine Aufnahmen von mir für die Nachwelt erhalten bleiben -, öffnete ich den Schrank einfach und griff nach der Phiole.
Etwas blitzte für den Bruchteil einer Sekunde links von dem Liquor Hepatis auf. Meine Hand zuckte zurück, und ich kniff die Augen zusammen.
»Hast du daran gedacht, etwas über die Kamera zu hängen?«, ließ Cyrene sich plötzlich vernehmen.
»Du willst ja schließlich nicht gesehen werden.«
»Ich bin kein Klingone, Cy«, sagte ich geistesabwesend und musterte das Bord, auf dem die Glasphiole stand. War das gerade nur eine Reflexion gewesen? Oder ein Lichtspiel der Glasprismen? Oder hatte der Magier etwas mit der Phiole gemacht, das über meine Erfahrungen hinausging?
»Nein, aber man kann dich sehen, wenn du etwas tust, was Konzentration erfordert. Jedenfalls behauptest du das -- obwohl ich dich nicht sehen konnte, als du bei der Party in Marrakesch jongliert hast.«
»Die Diskussion darüber, ob ich als Partytrick einsetzbar bin, werden wir auf ein anderes Mal verschieben müssen«, murmelte ich und schüttelte den Kopf über meine albernen Gedanken. Der Eigentümer dieses Hauses mochte ja ein Magier sein, aber wenn er darauf vertraute, dass er die Fähigkeit besaß, seinen Liquor Hepatis zu sichern, so irrte er sich gewaltig. Erneut griff ich danach und erhaschte wieder einen Schimmer von etwas, das sich so gerade eben außerhalb meines Sichtfeldes befinden musste. »Agathos daimon!«
»Was?«
»Agathos daimon! Das bedeutet ...«
»Du liebe Güte, das weiß ich doch. Du sagst es ja schließlich oft genug. Wobei ich nicht begreife, warum du nicht einfach fluchen kannst wie jeder andere normale Mensch. Was ist denn jetzt schon wieder los?«
Ich drehte den Kopf zur Seite und sah aus den Augenwinkeln eine kleine lavendelblaue Steindose, die hinter der Phiole stand. Als ich jedoch versuchte, sie zu fixieren, verschwand sie wieder.
»Hier ist noch etwas anderes. Etwas ... Bedeutsames.«
»Wie bedeutsam? Kann ich jetzt vom Baum herunterkommen? Ich werde bei lebendigem Leib aufgefressen.«
»Nein. Du bleibst da, bis ich aus dem Haus heraus bin.«
Ich ergriff die Phiole, steckte sie in die Innentasche meiner Lederweste. Dann warf ich noch einen Blick auf die Vitrine, aber es war nichts zu sehen. Erneut wandte ich den Kopf und tastete mit den Fingern blindlings über das Glasbord. Sie schlossen sich um ein kleines, kaltes Viereck, und in diesem Moment gingen alle Lichter im Zimmer an.
»Bei den Tränen des Agamemnon!«, kreischte Cyrene mir ins Ohr.
»Da ist jemand. Ein Auto steht vor dem Haus, und in mehreren Zimmern ist gerade das Licht angegangen ...«
»Danke für die Warnung«, flüsterte ich mit zusammengebissenen Zähnen.
Draußen ertönten Stimmen. Verzweifelt blickte ich mich nach einer dunklen Ecke um, in der ich mich verstecken konnte, aber es war viel zu hell im Raum.
»Entschuldige! Ich habe gerade Käfer von meinem Arm gepflückt und nicht auf das Auto geachtet, das vor dem Haus gehalten hat. Was ist los? Warum sind alle Lichter an?
Oh, nein - ich glaube, einer der Männer ist ein Magier. Er ist ... ja, er ist ein Magier! Wahrscheinlich der Eigentümer! Mayling, du musst sofort da raus.«
Sie sagte mir nichts, was ich nicht schon wusste. Als ich sah, dass der Türknopf sich drehte, rammte ich schnell einen Stuhl darunter, damit die Tür sich nicht öffnen ließ.
»Mayling!«, schrie Cyrene in mein Ohr. Sie war so aufgeregt, dass sie mich unwillkürlich bei dem Spitznamen nannte, den sie mir gegeben hatte.
Ich rannte zum Fenster. Hoffentlich entkam ich in die Dunkelheit, bevor die Tür sich öffnete. Aber ich war gerade auf den Tisch neben dem Fenster gesprungen, als die Tür in tausend Teile zerbarst und sich in Asche verwandelte, die langsam zu Boden rieselte.
»Mayling!« Cyrene brüllte so laut, dass mir fast das Trommelfell platzte. Die Gestalt eines Mannes erschien im Türrahmen. Anscheinend hörte er meinen Zwilling, denn er hielt einen Moment lang inne.
»Mei Ling!«, schrie er dann und kam in den Raum gerannt. Er hielt meinen Spitznamen für meinen richtigen Namen, was nicht zum ersten Mal geschah.
»Es ist die Meisterdiebin Mei Ling!«
Ich war instinktiv zum Schatten verblichen, als ich die Männerstimmen gehört hatte, aber im Raum war es zu hell, als dass ich unsichtbar bleiben konnte. Sobald der Mann zum Fenster blickte, würde er mich sehen. Ich hatte keine andere Wahl. Ich musste durch die Scheibe springen.
»Agathos daimon«, wiederholte ich leise, hielt schützend die Hände vors Gesicht und warf mich durch das Glas.
»Da!«, schrie der Mann. »Da ist sie! Ich habe gehört, wie jemand ihren Namen gerufen hat. Draußen auf dem Fensterbrett ist die Meisterdiebin Mei Ling!«
Die warme Dunkelheit des griechischen Märzabends umhüllte mich und machte mich so gut wie unsichtbar, als ich über das schmale Sims an einem Regenrohr nach unten rutschte.
»Wo bist du? Ist alles in Ordnung? Mayling!«
»Mir geht es gut. Ich bin aus dem Haus heraus, aber hör auf, so zu schreien, sonst finden dich die Leute des Magiers noch!«, zischte ich ins Mikrofon. »Kannst du vom Baum klettern, ohne dass man dich sieht?«
»Oh, Gott sei Dank, dir geht es gut. Ich hätte fast einen Herzinfarkt bekommen! Ja, ich glaube, ich kann herunterkommen. Da ist ein guter Ast ... uummph!«
Gegenüber der eleganten Villa in Nea Makri, einem kleinen Ferienort außerhalb von Athen, fiel ein schwarzer, andeutungsweise menschlicher Schatten zu Boden. Ich eilte um die Ecken des Platzes herum zu meinem Zwilling, wobei ich sämtliche Lichtkegel aus den umliegenden Häusern mied.
Cyrene blickte zu mir hoch. »Ich bin heruntergefallen.«
»Das habe ich gesehen. Alles in Ordnung?«
Sie nickte, und ich zog sie rasch hoch.
»Was schreien die da?«, fragte sie mit einem Blick zu dem Haus hinüber.
»Ich kann nichts verstehen.«
»Es sind vermutlich nur Flüche. Oh, und natürlich mein Spitzname. Also, nicht mein Spitzname, sondern der andere Name.«
»Was für ein anderer Name?«, fragte sie, während ich sie hastig in die dunkle Seitenstraße hineindirigierte, wo wir den Leihwagen geparkt hatten.
»Ach, du meinst, den asiatischen Namen, den jemand erfunden hat.«
»Und zwar deshalb, weil sie gehört haben, wie du in Dresden meinen Spitznamen gerufen hast, als ich der Schwesternschaft der Najaden geholfen habe, den gestohlenen Gegenstand zurückzuholen. Zum Glück haben sie nach einer Asiatin Ausschau gehalten und nicht auf mich geachtet.«
Schuldbewusst verzog sie das Gesicht.
»Ich hatte ja keine Ahnung, dass die Leute das für deinen richtigen Namen halten würden. Außerdem ist das doch mindestens zehn Jahre her. Das muss doch mittlerweile längst in Vergessenheit geraten sein.«
»Kaum. Der Ruhm von Mei Ling scheint unvergänglich ...«
Wir blieben vor dem Auto stehen. Ich wollte gerade den Autoschlüssel aus der Tasche ziehen, als ich überrascht feststellte, dass ich etwas in der Hand hielt.
»Was ist los?«, fragte sie. »Grundgütiger! Du blutest ja! Bist du durchs Fenster gesprungen?«
»Ja.« Ich öffnete meine Faust und starrte auf ... nichts.
»Wir verschwinden besser«, sagte sie, nahm den Schlüssel und schloss die Tür auf.
»Ich fahre. Mach dich klein, damit dich niemand sieht! Ja, ich weiß, mit dem Umhang sieht dich sowieso keiner, aber das Blut tropft überallhin. Gut, dass du mein Zwilling bist, sonst müsstest du ins Krankenhaus.«
»Wenn ich nicht dein Zwilling wäre, hätte ich erst gar nicht durchs Fenster springen müssen«, konterte ich. Ich fuhr mit dem Finger über die Umrisse der kleinen Steindose.
»Was auch immer der Magier hier gemacht hat, es muss ziemlich mächtig sein. Ich kann sie immer noch nicht sehen.«
»Was kannst du nicht sehen?«, fragte sie und betrachtete meine Handfläche. »Die Schnitte? Sie heilen gleich.«
»Darüber mache ich mir keine Gedanken - ich bin schon erstochen, erschossen und beinahe ausgeweidet worden, und ich weiß sehr wohl, wie schnell bei mir alles heilt. Es ist das hier«, sagte ich und duckte mich, als Cyrene mich ins Auto schob.
»Was denn?«, fragte sie und ließ den Motor an. »Zum Hotel?«
»Ja, bitte. Es ist eine Dose. Sieh sie dir mal an.«
»Wenn ich fahre, kann ich mir nichts ansehen - oh! Es ist eine Dose!«, rief sie aus.
»Ich glaube, sie ist aus Kristall. Ich glaube ...«
Meine Finger, die über die unsichtbare Dose strichen, mussten einen kleinen, versteckten Knopf gedrückt haben, denn plötzlich ging mir das Herz auf. Ein goldener Schimmer, den ich eher spürte als sah, breitete sich von der Dose aus, ein Licht von so wundersamer Schönheit, dass es mich mit überwältigendem Glück zu erfüllen schien.
Fluchend trat Cyrene auf die Bremse und hielt an.
»Was zum ... was ist das? Grundgütiger, es ist ... es ist ...«
»Es ist Quintessenz«, sagte ich und atmete schwer, während das glitzernde Strahlen sich bis tief in meine Knochen senkte. »Was?«
»Quintessenz. Das fünfte Element.«
Langsam schloss ich den Deckel der Dose, und das Licht verschwand so abrupt, dass sich mir das Herz zusammenzog.
»Wie in dem Film mit Bruce Willis, meinst du?«
»Was?«
Ihre Worte drangen nicht gleich durch den Nebel, der sich mit dem Verlust des Lichts über mich gesenkt zu haben schien.
»Nein, so nicht. Das ist doch nur Hollywood. Das fünfte Element ist etwas, das Alchimisten unbedingt erlangen wollen. Es ist die essenzielle Präsenz.«
»Essenzielle Präsenz von was?«, fragte sie und fädelte sich vorsichtig wieder in den Verkehr ein, nur um gleich darauf wieder rechts heranzufahren, weil Streifenwagen mit heulenden Sirenen und Blaulicht aus einer Seitenstraße geschossen kamen.
»Von allem. Sie ist über uns und unter uns, die Verkörperung der Kraft, die wir Leben nennen. Es ist die reinste Essenz des ... Seins.«
»Ist sie wertvoll?«, fragte Cyrene berechnend.
Meine Finger schlossen sich fester um die Dose. »Unbezahlbar. Nein, mehr noch. Sie ist von unschätzbarem Wert. Jeder Alchimist würde töten, um in ihren Besitz zu gelangen.«
»Hm ...«
Ich wusste, was sie dachte. Cyrene hatte einen kostspieligen Geschmack, aber nicht die Fähigkeit, Geld zu sparen. Sie würde bestimmt vorschlagen, wir sollten die Quintessenz meistbietend versteigern, aber das durfte ich nicht zulassen.
»Nein«, sagte ich.
Ihre Lippen, die sie erst kürzlich hatte aufspritzen lassen, verzogen sich zu einem Schmollmund, der erwachsene Männer in die Knie gehen ließ.
»Warum nicht? Ich wette, wir würden eine Menge Geld dafür bekommen.«
»Sie gehört nicht mir.« Ich strich ehrfürchtig über den Kristalldeckel.
»Na ja, klar wird Magoth sie haben wollen, aber deswegen hat er dich doch nicht hierher geschickt, oder? Er braucht ja nicht zu wissen, dass wir sie haben.«
Ich schüttelte den Kopf.
»Wenn Magoth auf die Idee kommt, dass ich auch nur in der Nähe von Quintessenz gewesen bin ... er wird außer sich vor Wut sein, und du kannst dir nicht einmal im Entferntesten vorstellen, zu was ein wütender Dämonenfürst fähig ist. Er wird mir schreckliche Dinge antun. Und dir im Übrigen auch.«
Sie warf mir einen raschen Blick zu. »Mir? Was kann mir ein Dämonenfürst schon tun? Ich bin unsterblich.«
»Ich auch, und doch könnte er mich auslöschen wie ein Kerzenlicht.«
»Du hast anscheinend nie gelernt, dass Dämonenfürsten Elementarwesen wie Najaden zum Beispiel nicht töten können«, wies sie mich zurecht.
»Das weiß doch jeder.«
»Und wenn schon. Glaubst du im Ernst, du könntest Magoths Zorn entkommen?«
»Äh ...« Sie überlegte einen Moment und presste dabei die Lippen zusammen.
»Nein.«
»Das habe ich auch nicht angenommen. Nein, lieber Zwilling, diese kleine Dose geht nicht an Magoth ... und wir werden sie auch nicht verkaufen. Mir bleibt gar nichts anderes übrig, als sie dem Magier zurückzugeben.«
»Das ist doch wirklich zu schade«, sagte sie und bog in die Tiefgarage ein, die unter unserem bescheidenen Hotel lag.
»Vielleicht merkt er ja gar nicht, dass sie nicht mehr da ist. Behalt sie doch einfach ein bisschen und warte mal ab, ob er überhaupt weiß, dass du sie hast.«
»Hast du mit deinem gesunden Menschenverstand auch deine Moral verloren?«, fragte ich.
Cyrene parkte das Auto und verdrehte übertrieben die Augen.
»Mit meiner Moral ist alles in Ordnung. Du brauchst gar nicht so ein Gesicht zu machen.
Ich finde, wir sollten noch einmal in Ruhe darüber reden. Die Dose ist unsichtbar, vielleicht hat der Magier sie ja einfach vergessen.«
Ich beugte mich vor und blickte ihr direkt in die blauen Augen.
»Sie ist unbezahlbar, Cyrene. Buchstäblich ... unbezahlbar.«
Ein gieriger Ausdruck huschte über ihr Gesicht.
»Selbst wenn ich für mich selbst stehlen würde - und ich kann nur wiederholen, dass ich das nicht tue, da du das ja immer zu vergessen scheinst, wenn die Versuchung lockt -, so kann ich diese Dose auf keinen Fall behalten. Sie ist einfach zu wertvoll. Dieser Magier wird Himmel und Hölle in Bewegung setzen, um sie wiederzubekommen, und ehrlich gesagt habe ich keine Lust, dass schon wieder jemand hinter mir her ist.«
Seufzend stieg sie aus dem Auto.
»Du nimmst das Leben viel zu ernst. Wir müssen mal was an deinem Sinn für Humor tun.«
»In meinem Job bleibt nicht viel Zeit für Humor. Und apropos, ich frage mich, was der Magier im Schilde führt, schließlich haben seine Leute meinen Namen gehört«, sagte ich und stieg langsam aus. An den Stellen, wo das Blut getrocknet war, fühlte sich meine Haut heiß und gespannt an. Die Schnitte waren zwar größtenteils verheilt, aber ich sah trotzdem immer noch ziemlich mitgenommen aus.
Cyrene schlug die Hand vor den Mund.
»Oh, May! Es tut mir leid! Daran habe ich gar nicht gedacht - glaubst du, sie bringen
Mei Ling mit dir in Verbindung?«
Ich lächelte schief.
»Ich wüsste nicht, wie sie darauf kommen sollten. Sie haben mich nicht zu Gesicht bekommen, und sie glauben, es war Mei Ling, die berüchtigte internationale Meisterdiebin und nicht einfach nur eine Doppelgängerin aus Kalifornien.«
Cyrene verzog das Gesicht.
»Ich und meine große Klappe.«
»Nun ja, es ist gar nicht mal so schlimm. Wenn sie alle nach einer Asiatin Ausschau halten, dann richtet sich ihre Aufmerksamkeit weniger auf mich. Ich kann mich übrigens so im Hotel nicht sehen lassen, ich gehe als Schatten auf mein Zimmer. Kommst du zurecht?«
Sie hatte den leidenden Blick, den sie mir zuwarf, schon seit einem guten Jahrhundert drauf, aber meine Lippen zuckten trotzdem.
»Ich bin kein hilfloses Etwas, May! Ich bin absolut in der Lage, ein Hotel zu betreten und auf mein Zimmer zu gehen, ohne Mördern, Dieben, Anarchisten oder sonstigen Verbrechern in die Hände zu fallen, vielen Dank!«
»Entschuldigung!«, sagte ich.
»Ehrlich! Du behandelst mich, als wäre ich ein Kind und du meine Mutter, dabei ist es genau andersherum. Ich bin fast zwölfhundert Jahre alt! Und nur weil ich ab und an ein wenig Hilfe brauche, bedeutet das noch lange nicht, dass ich ohne dich zu nichts in der Lage bin ...«
Empört marschierte sie zum Aufzug. Ich folgte ihr in einigem Abstand und ging die Treppe hinauf, die nur selten benutzt wurde. Eine einzige Frage beschäftigte mich.
Wie um alles in der Welt sollte ich dem Magier die Quintessenz zurückbringen, ohne erwischt zu werden?
© 2011 LYX verlegt durch EGMONT Verlagsgesellschaften mbH.
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Autoren-Porträt von Katie MacAlister
Katie MacAlister begann ihre Karriere als Schriftstellerin mit einem Sachbuch über Software. Da sie darin jedoch weder witzige Dialoge noch romantische Szenen unterbringen durfte, beschloss sie, von nun an nur noch Liebesromane zu schreiben. Seither sind zahlreiche Romane aus ihrer Feder erschienen, die regelmässig die amerikanische Bestsellerliste stürmen.
Bibliographische Angaben
- Autor: Katie MacAlister
- 2011, 1. Aufl., 336 Seiten, Masse: 12,5 x 18 cm, Taschenbuch, Deutsch
- Übersetzer: Theda Krohm-Linke
- Verlag: LYX
- ISBN-10: 3802583906
- ISBN-13: 9783802583902
- Erscheinungsdatum: 11.01.2011
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