Die Wunschliste
"Küsse einen fremden Mann" - das ist eine der 20 Aufgaben, die Marissa bis zu ihrem 25. Geburtstag erfüllen will. Doch ein Autounfall reisst sie viel zu früh aus dem Leben. June, die Fahrerin des Unglückswagens ist verzweifelt. Da spielt ihr das Schicksal Marissas Wunschliste in die Hände.
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"Küsse einen fremden Mann" - das ist eine der 20 Aufgaben, die Marissa bis zu ihrem 25. Geburtstag erfüllen will. Doch ein Autounfall reisst sie viel zu früh aus dem Leben. June, die Fahrerin des Unglückswagens ist verzweifelt. Da spielt ihr das Schicksal Marissas Wunschliste in die Hände.
LESEPROBE
Dernächste Punkt auf der Liste: Einen Fremden küssen.
»Wie wär smit dem?« Susan deutete auf einen Typen, der so umwerfend aussah, dass man sichwunderte, ihn mit Hemd und Krawatte in einer Bar in Downtown Los Angeles zusehen statt in Modelpose auf einem Werbeplakat für Unterwäsche.
»Bleibbitte auf dem Teppich.«
»Warum? Esgeht doch nur um einen Kuss.«
Sie hatteleicht reden. Sie war ja nicht diejenige, die das Küssen übernehmen sollte. Eswar Donnerstagabend nach Büroschluss, und im Brass Monkey war es rappelvoll.Susan und ich waren schon seit einer Stunde in der Bar, um die Lageauszukundschaften und an Happy-Hour-Margaritas zu nippen, die leider viel zuschwach waren, um Wirkung zu zeigen.
»Wasmeinst du - auf den Mund?«, fragte ich.
»Natürlich,aber ob mit oder ohne Zunge, liegt bei dir.«
Nachlängerem Hin und Her entschied ich mich für drei Männer, die an einem Tischgegenüber der Bar sassen. Sie waren Mitte bis Ende dreissig, leger gekleidet undwirkten harmlos, was ihre Hauptanziehungskraft ausmachte. Dann mal los.Als ich mich von meinem Stuhl erhob, kam ich mir vor, als zöge ich in eineSchlacht. Mein Plan sah vor, an ihren Tisch zu treten, meine missliche Lage zuerklären und zu hoffen, dass sich einer von ihnen meiner erbarmte und sichfreiwillig zur Verfügung stellte.
Für denFall, dass der Plan schief ging - nein, ich wollte lieber nicht darübernachdenken, was passieren würde, wenn er schief ging. Jedenfalls würde es miteinem schmachvollen Rückzug enden.
Ich kippteden Rest meines Cocktails, holte tief Luft und steuerte den Tisch an. Die dreiMänner sahen mich mit unverhohlener Neugier an. Eine Frau, die sich in einerBar einem Tisch näherte und keine Kellnerin war, musste ein interessanterAnblick sein. Darüber hinaus geizte ich an diesem Abend nicht mit meinenReizen. Ich trug ein Kostüm mit engem Rock und dazu ein tief ausgeschnittenesOberteil, und ich hatte grosszügig Eyeliner aufgetragen.
MeineHaare wallten und lockten sich wie üblich bis zu meinen Schultern.
»Hi! Ichbin June!«, sagte ich keck.
Nachdem erwahrscheinlich einen Moment lang überlegt hatte, ob ich ihnen etwas verkaufenwollte, sagte einer von ihnen: »Ich bin Frank, und das sind Ted und Alfonso.«
»Nett, Siekennen zu lernen!« Und dann platzte ich mit meiner Geschichte heraus. »Ichhätte eine Bitte an Sie, vielleicht können Sie mir helfen. Ich habe hier eineListe mit Aufgaben.«
Ich hieltdie Liste in die Luft, Beweisstück A, ein ganz normales, von Hand beschriebenesBlatt Papier. »Eine besteht darin, dass ich einen Fremden küssen muss. Und dahabe ich mich gefragt -«
»Siewollen einen von uns küssen?«, fiel mir Alfonso ins Wort.
Frank zognach: »Ist das eine Art Schnitzeljagd?«
»So wasÄhnliches«, erwiderte ich.
»Ein Kussauf den Mund?«
»Ja.«
»Zunge?«
»Optional.«
DreiAugenpaare musterten mich von Kopf bis Fuss, aber, das musste ich ihnen zugutehalten, sie taten es dezent.
»Tja,also«, sagte Alfonso, und er klang, als würde er es tatsächlich bedauern. »Wirsind alle verheiratet.«
»Aber dasmuss man nicht so eng sehen«, ergänzte Ted.
»Wenn ichIhnen damit helfen kann «
»Nein, ichverstehe schon«, sagte ich und wandte mich zum Gehen. Warum hatte ich nichtdarauf geachtet, ob sie Ringe trugen?
»WartenSie, wir können Ihnen vielleicht trotzdem helfen. Wir drei scheiden zwar aus,aber da drüben ist ein Kollege von uns, der kann es vielleicht machen. He,Marco!«, rief Frank, und wer drehte sich um? Das Unterwäsche-Model. Toll. »Diejunge Frau hier braucht deine Hilfe!«
Marco kamzu uns herüber. Wenigstens schien er nicht ganz abgeneigt zu sein. In derHoffnung, nicht rot zu werden - und in dem Wissen, dass Susan sichwahrscheinlich kaputtlachte -, wiederholte ich meine Geschichte. Bevor ichfertig war, hatte er mir schon das Blatt aus der Hand gerissen und begann lautvorzulesen.
»Dannwollen wir doch mal sehen, was auf dieser Liste steht«, sagte er, » 20 Dinge,die ich vor meinem 25. Geburtstag gemacht haben will. « Er sah auf und grinstemich an: »Der fünfundzwanzigste?«
Sehrcharmant.
Na gut,ich bin vierunddreissig, aber bei günstigem Licht gehe ich immer noch für jüngerdurch.
»Geben Sieher.« Ich griff nach der Liste. Er drehte sich rasch zur Seite und fuhr zulesen fort. »Wir wollen doch wissen, was genau da steht. Ah, hier ist es ja:
EinenFremden küssen «
Da ichAngst hatte, ich könnte die Liste zerreissen, wenn ich sie ihm mit Gewaltabnahm, hielt ich mich zurück und verschränkte meine Arme, obwohl ich zunehmendwütend wurde.
Tedversuchte, mir zur Seite zu springen. »Junge, führ dich doch nicht so auf.«
»Einen5-Kilometer-Lauf schaffen ins Fernsehen kommen hier, das ist dasBeste: 50 Kilo abnehmen. Sie waren wohl mal eine richtige Tonne, hm?Aber diesen Punkt haben Sie mit Fug und Recht abgehakt, davon merkt man nichtsmehr.«
»Die Listestammt überhaupt nicht von mir!«, fuhr ich ihn an.
»Ja,klar.«
»Wirklich.Aber aus einem ganz bestimmten Grund muss ich sie abarbeiten.«
Alfonsofragte mich mit unschuldiger Miene: »Und der wäre?«
Ichseufzte. »Lange Geschichte. Bitte «, ich streckte die Hand aus, »geben Sie siemir zurück.«
Esstimmte. Das war nicht meine Liste. Sie gehörte Marissa Jones. Dessen war ichmir sicher, auch wenn sie keine Unterschrift trug. Ich entdeckte sie, ein paarTage nachdem ich Marissa umgebracht hatte. Ich hatte gerade das Blut von ihrerHandtasche gewischt, damit ich sie ihren Eltern zurückgeben konnte, und da warsie. Klein zusammengefaltet in ihrer Brieftasche.
Ich habeihnen natürlich alles von ihr zurückgegeben - auch eine Sonnenbrille, dieunweit des Tatorts gefunden worden war und die wahrscheinlich mir gehört hatte.Aber die Liste behielt ich. Ich habe sie ihnen gegenüber nicht einmal erwähnt.Es hätte ihnen sicherlich das Herz gebrochen, von den Träumen ihrervierundzwanzigjährigen Tochter zu erfahren, die nun nie in Erfüllung gehenkonnten. Von den zwanzig Aufgaben hatte sie nur zwei erfüllt: 50 Kiloabnehmen und sexy Schuhe tragen. Den ersten Punkt hatte sie selbstdurchgestrichen, beim zweiten habe ich es für sie erledigt - als ich ihn aufder Liste entdeckte, wurde mir klar, warum sie silberne hochhackige Sandalettengetragen hatte, als sie starb.
Allehatten mir versichert, dass es nicht meine Schuld gewesen sei.
Auf derBeerdigung traten sie einander fast auf die Füsse bei dem Versuch, mirbeizustehen und mich zu umarmen - was ich als Teil meiner Busse über michergehen liess. Ich hatte am ganzen Körper blaue Flecken. Selbst die sanftesteBerührung liess mich vor Schmerz zusammenzucken. Und das Schlimmste von allem:Sie war erst seit einem Monat richtig schlank gewesen. Einen armseligen Monat.Nachdem sie ihr Leben lang dick gewesen war.
Wie ummich noch mehr zu quälen, starrte mich vom Altar aus ein riesiges Foto vonMarissa an, auf dem man sie in einer Jeans Grösse 52 sah - sie passte in einHosenbein und hielt den Bund von sich weg. Ihr Lächeln schien zu sagen:»Achtung Welt, ich komme!«
Schlimm.
...
Übersetzung:Andrea Stumpf, Gabriele Werbeck
©Verlagsgruppe Droemer Knaur
- Autor: Jill Smolinski
- 2007, 1, 383 Seiten, Masse: 12,5 x 19,5 cm, Taschenbuch, Deutsch
- Übersetzer: Andrea Stumpf, Gabriele Werbeck
- Verlag: DROEMER KNAUR
- ISBN-10: 3426662701
- ISBN-13: 9783426662700
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