Die Welt ohne uns
Reise über eine unbevölkerte Erde | Faszinierendes Zukunftsszenario über eine Welt ohne Menschen
Angenommen, die Menschheit verschwindet plötzlich von der Erde: Welche Spuren bleiben von uns? Was passiert, wenn die Menschheit plötzlich aussterben sollte? Wie entwickelt sich die Natur weiter? Welche Tiere und Pflanzen gehören zu den...
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Produktinformationen zu „Die Welt ohne uns “
Angenommen, die Menschheit verschwindet plötzlich von der Erde: Welche Spuren bleiben von uns? Was passiert, wenn die Menschheit plötzlich aussterben sollte? Wie entwickelt sich die Natur weiter? Welche Tiere und Pflanzen gehören zu den Gewinnern? Der Journalist Alan Weisman stellt dar, wie sich die Welt auflöst: wie Häuser zerfallen oder, dass Plastik unser langlebigstes Geschenk an den Planeten sein wird.
Klappentext zu „Die Welt ohne uns “
Was wäre, wenn wir Menschen von einem Tag auf den anderen verschwinden würden? Zum Beispiel morgen. Ein ungeheures Gedankenexperiment! Alan Weisman entwirft das Szenario einer unbevölkerten Erde - gestützt auf das Wissen von Biologen, Geologen, Physikern, Architekten und Ingenieuren und mit atemberaubender Phantasie. Schritt für Schritt vollzieht Weisman nach, wie die Natur unseren Planeten zurückerobert, und führt dem Leser dabei zweierlei vor Augen: was der Mensch in Jahrtausenden zu schaffen vermochte und über welch unerhörte Macht die Natur verfügt.
Lese-Probe zu „Die Welt ohne uns “
Die Welt ohne uns von Alan WeismanVorspiel
Eines Junimorgens im Jahre 2004 saß Ana María Santi gegen den Pfahl einer ausladenden Überdachung aus Palmblättern gelehnt. Sie betrachtete missbilligend eine Ansammlung ihrer Nachbarn und Freunde – der Bewohner des Dorfes Mazáraka am Río Conambu, einem Nebenfluss des Amazonas in Ecuador. Vom Haar abgesehen, das auch nach siebzig Jahren noch dick und schwarz war, erinnerten Ana Marías Züge ansonsten an eine vertrocknete Hülsenfrucht. Ihre grauen Augen blickten bleich aus den tiefen Runzeln ihres Gesichts. In einem Dialekt, der eine Mischung aus Kichwa und Zápara, einer fast untergegangenen Sprache, war, schalt sie ihre Nichten und Enkelinnen. Eine Stunde nach Einbruch der Dämmerung waren diese Frauen wie alle anderen Einwohner des Dorfes, mit Ausnahme von Ana María, längst betrunken.
Der Anlass war ein minga, Amazoniens Spielart des Scheunenbaus. Vierzig barfüßige Zápara-Indianer, etliche mit bemalten Gesichtern, saßen in einem dichten Kreis auf Bänken aus Baumstämmen. Um sich in die richtige Stimmung zu bringen, hinaus in den Wald zu gehen, ihn zu roden und niederzubrennen, damit Ana Marías Bruder ein neues Maniokfeld anlegen konnte, schütteten sie literweise chicha in sich hinein. Sogar die Kinder schlürften das milchige, saure Bier aus Maniokbrei, das mit dem Speichel der Zápara-Frauen gegoren wird, weshalb sie den ganzen Tag die Knollen kauen. Zwei Mädchen, die sich Gräser ins Haar geflochten hatten, drängten sich durch die Menge, füllten die Chicha-Becher auf und gaben Schalen mit Welssuppe aus. Den Älteren und den Gästen servierten sie große Stücke gekochtes Fleisch, dunkel wie Schokolade. Doch Ana María Santi, die Älteste der Anwesenden, aß nichts davon.
Während der Rest
... mehr
der Menschheit mit großen Schritten ins neue Jahrtausend stürmte, waren die Zápara noch kaum in der Steinzeit angekommen. Wie die Klammeraffen, die sie als ihre Ahnen ansahen, nutzten die Zápara die Bäume als Lebensraum: Mit Lianen banden sie Palmstämme zusammen, die Dächer aus geflochtenen Palmwedeln trugen. Bis zur Einführung des Manioks waren Palmherzen ihr wichtigstes Gemüse gewesen. Ihren Eiweißbedarf deckten sie, indem sie mit Netzen auf Fischfang gingen oder Tapire, Nabelschweine, Wachteln und Hokkos, eine südamerikanische Vogelart, mit Bambuspfeilen und Blasrohren jagten.
Das tun sie auch heute noch, doch gibt es kaum noch Wild. Als Ana Marías Großeltern jung waren, sagt sie, habe der Wald sie mühelos ernährt, obwohl die Zápara damals einer der größten Stämme im Amazonasgebiet waren. Rund 200 000 Stammesmitglieder lebten in Dörfern an den benachbarten Flüssen. Dann geschah etwas in einem fernen Land und nichts in ihrer Welt – oder der irgendeines anderen Menschen – war mehr wie vorher.
Henry Ford hatte mit der Erfindung des Fließbands die Massenproduktion von Automobilen möglich gemacht und damit die Nachfrage nach luftgefüllten Schläuchen und Reifen derart angekurbelt, dass profitorientierte Weiße jeden schiffbaren Strom Amazoniens auf der Suche nach Gummibäumen und potenziellen Arbeitskräften befuhren. In Ecuador halfen ihnen dabei die Hochland-Kichwas, die einst von spanischen Missionaren bekehrt worden waren und nun die heidnischen Zápara aus der Tiefebene an Bäume ketteten und zur Arbeit zwangen, bis sie an Erschöpfung starben, während sie die Zápara-Frauen und -Mädchen wie Vieh behandelten, vergewaltigten und ermordeten.
In den 1920er Jahren richteten neue Gummiplantagen in Südostasien den Markt für den wilden Kautschuksaft aus Südamerika zugrunde. Die wenigen Hundert Zápara, denen es gelungen war, sich während des Völkermords zu verstecken, blieben in ihren Schlupfwinkeln. Einige gaben sich als Kichwas aus und lebten unter den Feinden, die nun ihr Land besetzt hatten. Andere flüchteten nach Peru. Ecuadors Zápara galten offiziell als ausgestorben. Nachdem Peru und Ecuador 1999 lange währende Grenzstreitigkeiten beigelegt hatten, stieß man auf einen peruanischen Zápara-Medizinmann, der im Dschungel Ecuadors unterwegs war. Er sei hier, sagte er, um endlich seine Verwandten wiederzusehen.
Die wiederentdeckten Zápara Ecuadors wurden eine anthropologische Sensation. Der Staat erkannte ihre territorialen Rechte an, auch wenn diese nur noch einen winzigen Bruchteil ihrer einstigen Gebiete betrafen, und die UNESCO unterstützte die Wiederbelebung ihrer Kultur und die Rettung ihrer Sprache. Damals wurde sie nur noch von vier Menschen gesprochen, unter ihnen auch Ana María Santi. Der Wald, wie sie ihn einst gekannt hatten, war weitgehend vernichtet: Von ihren Unterdrückern, den Kichwas, hatten sie gelernt, Bäume mit Macheten zu fällen und die Stümpfe zu verbrennen, um Maniok anzubauen. Nach jeder Ernte müssen die Felder mehrere Jahre brachliegen. So weit das Auge reicht, wird dann das hohe Blätterdach der Maniokpflanzen von dürrem Zweitwuchs in Gestalt von Lorbeer, Magnolien und Palmen verdrängt. Maniok war jetzt ihre wichtigste Erntefrucht und wurde den ganzen Tag in Form von chicha konsumiert. Aber die Zápara hatten überlebt und waren im 21. Jahrhundert angekommen. Zwar jagten sie noch, doch wanderten sie oft tagelang, ohne Tapire oder auch nur eine Wachtel zu finden. In ihrer Not erlegten sie Klammeraffen, deren Fleisch einst tabu gewesen war.
Abermals stieß Ana María die Schale fort, die ihr von ihren Enkelinnen angeboten wurde, die Schale mit schokoladenfarbenem Fleisch, aus der eine winzige, daumenlose Pfote herausragte. Mit ihrem knotigen Kinn wies sie auf das verschmähte Affenfleisch.
»Wenn wir jetzt so weit sind, dass wir unsere Ahnen essen«, fragte sie, »was bleibt uns dann noch?«
Auch uns beschleicht in jüngerer Zeit eine Ahnung von dem, was Ana María bewegt.
Vor noch nicht allzu langer Zeit sind die Menschen nur knapp der atomaren Katastrophe entgangen. Mit etwas Glück wird es uns vielleicht gelingen, diese und andere Gefahren der Massenvernichtung auch in Zukunft zu vermeiden. Heute müssen wir uns jedoch fragen, ob wir den Planeten – uns eingeschlossen – nicht unbeabsichtigt vergiftet oder überhitzt haben. Wasser und Boden sind belastet und verschwendet, sodass es von beidem weit weniger gibt als früher. Tausende von Arten haben wir ausgelöscht, die wahrscheinlich auf immer verloren sind. Unser ganzer Planet könnte eines Tages, so warnen die Experten, einem verwahrlosten Brachland ähneln, wo neben dem Unkraut nur noch Ratten und Krähen gedeihen. Wann ist, wenn es zu dieser Entwicklung kommen sollte, der Punkt erreicht, wo auch wir trotz unserer viel gerühmten Intelligenz nicht mehr zu den überlebenden Arten zählen?
Wir wissen es nicht. Jede Hypothese leidet unter unserem hartnäckigen Widerstand, den schlimmsten Fall ins Auge zu fassen. Unser natürlicher Selbsterhaltungstrieb lässt uns die Vorboten von Katastrophen leugnen, verdrängen und ignorieren, falls sie uns nicht vor Angst lähmen.
Wenn uns dieser Trieb so täuscht, dass wir warten, bis es zu spät ist, sieht es schlecht für uns aus. Stärkt er unseren Widerstandswillen angesichts sich mehrender Zeichen, wäre es von Vorteil. Mehr als einmal hat eine töricht scheinende Hoffnung in schier aussichtsloser Lage kreative Kräfte entfesselt und die Betroffenen vor dem Verderben gerettet.
Lassen wir uns also auf ein kreatives Experiment ein: Nehmen wir an, der schlimmste Fall sei eingetreten. Die Vernichtung der Menschheit wäre eine vollendete Tatsache. Kein atomares Desaster, kein Asteroideneinschlag oder irgendein anderes Ereignis, das katastrophal genug ist, um uns Menschen auszulöschen und das, was bleibt, vollkommen zu verändern. Auch kein düsteres Umweltszenario, das uns – und mit uns viele andere Arten – in den schleichenden Untergang treibt.
Vielmehr das Bild einer Welt, in der wir alle plötzlich verschwinden. Morgen zum Beispiel.
Unwahrscheinlich vielleicht, aber in einem Gedankenexperiment durchaus möglich.
Schauen Sie sich die Welt von heute an. Ihr Haus, Ihre Stadt. Die Umgebung, das Pflaster auf dem Sie stehen, der Erdboden darunter. Lassen Sie alles, wie es ist, aber nehmen Sie die Menschen aus diesem Bild heraus. Löschen Sie uns einfach aus. Was bleibt? Wie würde die Natur reagieren, wenn sie plötzlich vom Einfluss der Menschen befreit wäre? Wie schnell würde oder könnte sie in den Zustand zurückkehren, in dem sie sich befand, bevor wir unsere Maschinen in Gang setzten?
Wie lange würde es dauern, bis die Erde wieder so aussähe wie sie war, bevor Adam und Eva auf der Bildfläche erschienen? Könnte die Natur jemals all unsere Spuren auslöschen? Wie würde sie unsere riesigen Städte und Straßen verschwinden lassen? Oder gibt es Dinge, die sich nie wieder rückgängig machen lassen?
Was ist mit unseren erhabensten Schöpfungen – unserer Architektur, unserer Kunst, den Manifestationen unseres Geistes? Sind sie wirklich zeitlos, zumindest zeitlos genug, um fortzubestehen, bis sich die Sonne ausdehnt und unsere Erde zu Asche verbrennt?
Und könnten wir selbst danach irgendeine schwache, überdauernde Spur im Universum hinterlassen, ein letztes Nachglühen, ein Echo der irdischen Menschheit, ein interplanetarisches Zeichen, dass wir hier waren?
Um eine Ahnung davon zu bekommen, wie die Welt ohne uns sein wird, müssen wir unter anderem die Welt betrachten, wie sie vor uns war. Nun sind wir keine Zeitreisenden, und die fossilen Funde liefern nur ein lückenhaftes Bild. Doch selbst wenn diese Funde keine Lücken aufwiesen, wäre die Zukunft kein perfektes Spiegelbild der Vergangenheit. Schließlich haben wir einige Arten so gründlich ausgerottet, dass sie – oder ihre DNS – wohl keine Chance auf Wiedergeburt haben. Da unser Handeln teils unwiderrufliche Folgen hat, wird der Planet nach unserem Fortgang nicht derselbe sein, der entstanden wäre, wenn wir uns nie entwickelt hätten.
Vielleicht wäre er aber auch nicht gar so verschieden. Die Natur hat in der Vergangenheit schon immer Verluste erlitten und die leeren Nischen wieder aufgefüllt. Selbst heute gibt es noch ein paar irdische Flecken, wo wir mit allen Sinnen ein lebendiges Echo jenes Paradieses wahrnehmen können, das der Planet vor unserer Ankunft darstellte.
Wenn wir schon träumen, warum dann nicht auch davon, wie die Natur zu ihrem Recht kommen könnte, ohne dass wir abtreten müssten? Schließlich sind auch wir nur Säugetiere. Jede Lebensform trägt zu dem bunten, vielgestaltigen Erscheinungsbild der Erde bei. Könnte dann nicht unser Verschwinden den Planeten auch ein Stück ärmer machen? Wäre es denkbar, dass die Erde, statt einen tiefen Seufzer der Erleichterung auszustoßen, uns ein bisschen vermissen würde?
Aus dem Amerikanischen von Hainer Kober
Piper
München Zürich
Das tun sie auch heute noch, doch gibt es kaum noch Wild. Als Ana Marías Großeltern jung waren, sagt sie, habe der Wald sie mühelos ernährt, obwohl die Zápara damals einer der größten Stämme im Amazonasgebiet waren. Rund 200 000 Stammesmitglieder lebten in Dörfern an den benachbarten Flüssen. Dann geschah etwas in einem fernen Land und nichts in ihrer Welt – oder der irgendeines anderen Menschen – war mehr wie vorher.
Henry Ford hatte mit der Erfindung des Fließbands die Massenproduktion von Automobilen möglich gemacht und damit die Nachfrage nach luftgefüllten Schläuchen und Reifen derart angekurbelt, dass profitorientierte Weiße jeden schiffbaren Strom Amazoniens auf der Suche nach Gummibäumen und potenziellen Arbeitskräften befuhren. In Ecuador halfen ihnen dabei die Hochland-Kichwas, die einst von spanischen Missionaren bekehrt worden waren und nun die heidnischen Zápara aus der Tiefebene an Bäume ketteten und zur Arbeit zwangen, bis sie an Erschöpfung starben, während sie die Zápara-Frauen und -Mädchen wie Vieh behandelten, vergewaltigten und ermordeten.
In den 1920er Jahren richteten neue Gummiplantagen in Südostasien den Markt für den wilden Kautschuksaft aus Südamerika zugrunde. Die wenigen Hundert Zápara, denen es gelungen war, sich während des Völkermords zu verstecken, blieben in ihren Schlupfwinkeln. Einige gaben sich als Kichwas aus und lebten unter den Feinden, die nun ihr Land besetzt hatten. Andere flüchteten nach Peru. Ecuadors Zápara galten offiziell als ausgestorben. Nachdem Peru und Ecuador 1999 lange währende Grenzstreitigkeiten beigelegt hatten, stieß man auf einen peruanischen Zápara-Medizinmann, der im Dschungel Ecuadors unterwegs war. Er sei hier, sagte er, um endlich seine Verwandten wiederzusehen.
Die wiederentdeckten Zápara Ecuadors wurden eine anthropologische Sensation. Der Staat erkannte ihre territorialen Rechte an, auch wenn diese nur noch einen winzigen Bruchteil ihrer einstigen Gebiete betrafen, und die UNESCO unterstützte die Wiederbelebung ihrer Kultur und die Rettung ihrer Sprache. Damals wurde sie nur noch von vier Menschen gesprochen, unter ihnen auch Ana María Santi. Der Wald, wie sie ihn einst gekannt hatten, war weitgehend vernichtet: Von ihren Unterdrückern, den Kichwas, hatten sie gelernt, Bäume mit Macheten zu fällen und die Stümpfe zu verbrennen, um Maniok anzubauen. Nach jeder Ernte müssen die Felder mehrere Jahre brachliegen. So weit das Auge reicht, wird dann das hohe Blätterdach der Maniokpflanzen von dürrem Zweitwuchs in Gestalt von Lorbeer, Magnolien und Palmen verdrängt. Maniok war jetzt ihre wichtigste Erntefrucht und wurde den ganzen Tag in Form von chicha konsumiert. Aber die Zápara hatten überlebt und waren im 21. Jahrhundert angekommen. Zwar jagten sie noch, doch wanderten sie oft tagelang, ohne Tapire oder auch nur eine Wachtel zu finden. In ihrer Not erlegten sie Klammeraffen, deren Fleisch einst tabu gewesen war.
Abermals stieß Ana María die Schale fort, die ihr von ihren Enkelinnen angeboten wurde, die Schale mit schokoladenfarbenem Fleisch, aus der eine winzige, daumenlose Pfote herausragte. Mit ihrem knotigen Kinn wies sie auf das verschmähte Affenfleisch.
»Wenn wir jetzt so weit sind, dass wir unsere Ahnen essen«, fragte sie, »was bleibt uns dann noch?«
Auch uns beschleicht in jüngerer Zeit eine Ahnung von dem, was Ana María bewegt.
Vor noch nicht allzu langer Zeit sind die Menschen nur knapp der atomaren Katastrophe entgangen. Mit etwas Glück wird es uns vielleicht gelingen, diese und andere Gefahren der Massenvernichtung auch in Zukunft zu vermeiden. Heute müssen wir uns jedoch fragen, ob wir den Planeten – uns eingeschlossen – nicht unbeabsichtigt vergiftet oder überhitzt haben. Wasser und Boden sind belastet und verschwendet, sodass es von beidem weit weniger gibt als früher. Tausende von Arten haben wir ausgelöscht, die wahrscheinlich auf immer verloren sind. Unser ganzer Planet könnte eines Tages, so warnen die Experten, einem verwahrlosten Brachland ähneln, wo neben dem Unkraut nur noch Ratten und Krähen gedeihen. Wann ist, wenn es zu dieser Entwicklung kommen sollte, der Punkt erreicht, wo auch wir trotz unserer viel gerühmten Intelligenz nicht mehr zu den überlebenden Arten zählen?
Wir wissen es nicht. Jede Hypothese leidet unter unserem hartnäckigen Widerstand, den schlimmsten Fall ins Auge zu fassen. Unser natürlicher Selbsterhaltungstrieb lässt uns die Vorboten von Katastrophen leugnen, verdrängen und ignorieren, falls sie uns nicht vor Angst lähmen.
Wenn uns dieser Trieb so täuscht, dass wir warten, bis es zu spät ist, sieht es schlecht für uns aus. Stärkt er unseren Widerstandswillen angesichts sich mehrender Zeichen, wäre es von Vorteil. Mehr als einmal hat eine töricht scheinende Hoffnung in schier aussichtsloser Lage kreative Kräfte entfesselt und die Betroffenen vor dem Verderben gerettet.
Lassen wir uns also auf ein kreatives Experiment ein: Nehmen wir an, der schlimmste Fall sei eingetreten. Die Vernichtung der Menschheit wäre eine vollendete Tatsache. Kein atomares Desaster, kein Asteroideneinschlag oder irgendein anderes Ereignis, das katastrophal genug ist, um uns Menschen auszulöschen und das, was bleibt, vollkommen zu verändern. Auch kein düsteres Umweltszenario, das uns – und mit uns viele andere Arten – in den schleichenden Untergang treibt.
Vielmehr das Bild einer Welt, in der wir alle plötzlich verschwinden. Morgen zum Beispiel.
Unwahrscheinlich vielleicht, aber in einem Gedankenexperiment durchaus möglich.
Schauen Sie sich die Welt von heute an. Ihr Haus, Ihre Stadt. Die Umgebung, das Pflaster auf dem Sie stehen, der Erdboden darunter. Lassen Sie alles, wie es ist, aber nehmen Sie die Menschen aus diesem Bild heraus. Löschen Sie uns einfach aus. Was bleibt? Wie würde die Natur reagieren, wenn sie plötzlich vom Einfluss der Menschen befreit wäre? Wie schnell würde oder könnte sie in den Zustand zurückkehren, in dem sie sich befand, bevor wir unsere Maschinen in Gang setzten?
Wie lange würde es dauern, bis die Erde wieder so aussähe wie sie war, bevor Adam und Eva auf der Bildfläche erschienen? Könnte die Natur jemals all unsere Spuren auslöschen? Wie würde sie unsere riesigen Städte und Straßen verschwinden lassen? Oder gibt es Dinge, die sich nie wieder rückgängig machen lassen?
Was ist mit unseren erhabensten Schöpfungen – unserer Architektur, unserer Kunst, den Manifestationen unseres Geistes? Sind sie wirklich zeitlos, zumindest zeitlos genug, um fortzubestehen, bis sich die Sonne ausdehnt und unsere Erde zu Asche verbrennt?
Und könnten wir selbst danach irgendeine schwache, überdauernde Spur im Universum hinterlassen, ein letztes Nachglühen, ein Echo der irdischen Menschheit, ein interplanetarisches Zeichen, dass wir hier waren?
Um eine Ahnung davon zu bekommen, wie die Welt ohne uns sein wird, müssen wir unter anderem die Welt betrachten, wie sie vor uns war. Nun sind wir keine Zeitreisenden, und die fossilen Funde liefern nur ein lückenhaftes Bild. Doch selbst wenn diese Funde keine Lücken aufwiesen, wäre die Zukunft kein perfektes Spiegelbild der Vergangenheit. Schließlich haben wir einige Arten so gründlich ausgerottet, dass sie – oder ihre DNS – wohl keine Chance auf Wiedergeburt haben. Da unser Handeln teils unwiderrufliche Folgen hat, wird der Planet nach unserem Fortgang nicht derselbe sein, der entstanden wäre, wenn wir uns nie entwickelt hätten.
Vielleicht wäre er aber auch nicht gar so verschieden. Die Natur hat in der Vergangenheit schon immer Verluste erlitten und die leeren Nischen wieder aufgefüllt. Selbst heute gibt es noch ein paar irdische Flecken, wo wir mit allen Sinnen ein lebendiges Echo jenes Paradieses wahrnehmen können, das der Planet vor unserer Ankunft darstellte.
Wenn wir schon träumen, warum dann nicht auch davon, wie die Natur zu ihrem Recht kommen könnte, ohne dass wir abtreten müssten? Schließlich sind auch wir nur Säugetiere. Jede Lebensform trägt zu dem bunten, vielgestaltigen Erscheinungsbild der Erde bei. Könnte dann nicht unser Verschwinden den Planeten auch ein Stück ärmer machen? Wäre es denkbar, dass die Erde, statt einen tiefen Seufzer der Erleichterung auszustoßen, uns ein bisschen vermissen würde?
Aus dem Amerikanischen von Hainer Kober
Piper
München Zürich
... weniger
Autoren-Porträt von Alan Weisman
Alan Weisman ist Autor des Weltbestsellers »Die Welt ohne uns« (Piper 2007), vielfach ausgezeichneter Journalist und Professor für internationalen Journalismus an der University of Arizona. Für seine grossen Reportagen bereist er die ganze Welt. Er berichtet unter anderem für Harper`s, das New York Times Magazine und das Discover Magazine. Er lebt mit seiner Frau im Bundesstaat Massachusetts.
Bibliographische Angaben
- Autor: Alan Weisman
- 2009, 12. Aufl., 400 Seiten, Masse: 12 x 19 cm, Taschenbuch, Deutsch
- Übersetzer: Hainer Kober
- Verlag: Piper
- ISBN-10: 3492253059
- ISBN-13: 9783492253055
- Erscheinungsdatum: 16.12.2008
Rezension zu „Die Welt ohne uns “
»Alan Weisman wagt ein kühnes Experiment.« Der Spiegel . »Der renommierte Journalist beschreibt den Zerfall des Menschengemachten leidenschaftlich und detailliert.« Stuttgarter Zeitung . »Weismans Schilderungen überzeugen mit einem enormen Detailreichtum.« Hamburger Abendblatt
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