Die kluge Katze baut vor
Die Bewohner von Crozet haben den Weinbau entdeckt. Professor Forland, ein berühmter Experte, soll sie beraten. Ausgerechnet an dem Tag, an dem "Harry" Haristeen nach langem Zaudern ihrem Exmann erneut das Jawort gibt, wird der Weinexperte ermordet....
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Die Bewohner von Crozet haben den Weinbau entdeckt. Professor Forland, ein berühmter Experte, soll sie beraten. Ausgerechnet an dem Tag, an dem "Harry" Haristeen nach langem Zaudern ihrem Exmann erneut das Jawort gibt, wird der Weinexperte ermordet. Während alle in heller Aufregung sind, beginnt Samtpfote Mrs. Murphy bereits zu ermitteln.
Die kluge Katze baut vor von Rita MaeBrown
LESEPROBE
1
Mary Minor,willst du diesen Mann zu deinem angetrauten Manne nehmen, um gemäss GottesSakrament im heiligen Stande der Ehe zu leben? Willst du ihn lieben,unterstützen, ehren, in Gesundheit und Krankheit zu ihm halten und, allenanderen entsagend, dich nur für ihn bewahren, bis dass der Tod euch scheidet?«
»Ja, das will ich«,antwortete Harry mit klarer Stimme.
Darauf fragte Reverend Herbert Jones mit seiner sonoren Stimme: »Wer gibtdiese Frau diesem Manne zur Ehe?«
Susan Tucker, die nebenHarry stand, antwortete: »Ich.«
Fair wiederholte lächelnd,was er auswendig gelernt hatte: »Ich, Pharamond Haristeen, nehme dich, Mary Minor,zu meinem angetrauten Weibe, um von diesem Tage an zu dir zu stehen, im Gutenwie im Schlechten, in Reichtum und Armut, in Krankheit und Gesundheit, dich zulieben und hochzuhalten, bis dass der Tod uns scheidet, gemäss Gottes heiligemSakrament; und so gelobe ich dir ewige Treue.«
Harrys Tigerkatze Mrs.Murphy und die pummelige graue Katze Pewter hocktenauf dem Sims der Empore und hörten aufmerksam zu. Die CorgihündinTucker sass neben Mildred, der Organistin, auf einer Bank.
»Endlich«, seufzte der Hund.
»Sie sind füreinanderbestimmt.« Mrs. Murphy besass Katzenintuition fürderlei Angelegenheiten.
»Sie haben s schon ein Malversucht, beim zweiten Mal sollte der Zauber greifen.«Pewter wünschte, die Zeremonie ginge schnellervonstatten; denn sie wollte schleunigst auf den Empfang. Sie fand ausgefalleneSpeisen viel aufregender als die Teilnahme an Menschenritualen.
»Wenn ihr denkt, die Farmläuft jetzt schon wie geschmiert, dann wartet erst, bis Fair sich ins Zeuglegt. Er ist stark wie ein Ochse.« Tucker hatte deneins neunzig grossen Tierarzt immer geliebt. Diese Liebe beruhte aufGegenseitigkeit.
»Können wir etwa jetzt nichtmehr mit im Bett schlafen? Müssen wir uns damit abfinden, dass sie sich dauerndhin und her werfen und ächzen und stöhnen?« Schlafenliebte Pewter fast so sehr wie essen.
»Warum sollte sich da wasändern, Pewts? Lass dich ans Fussende vom Bett fallen,und wenn sie fertig sind, gehst du hin und schläfst auf dem Kissen«, entgegneteMrs. Murphy.
»Na ja, wenn sie verheiratetsind, machen sie s vielleicht öfter, meinst du nicht?«Die körperlichen Intimitäten der Menschen verstörten Pewter.Dann kicherte sie. »Oder seltener.«
»Nichts wird sich ändern,bloss, dass er entspannter sein wird. Er hat so hart gekämpft, um siezurückzuerobern. Er wird glücklich sein. Harry ist nun mal seine grosseLeidenschaft.« Mrs. Murphy sah zu, als Herb die Ringe segnete.
»Ist Fair ihre grosseLeidenschaft?« Pewter legteden Kopf schief.
Mrs. Murphy und Tuckersagten nichts. Nach langem Nachdenken meinte Tucker schliesslich: »Die Frage istschwer zu beantworten.«
»Ich glaub nämlich nicht,dass er ihre grosse Leidenschaft ist, obwohl sie ihn heiratet«, sagte Pewter unverblümt. »Guckt euch Miranda und Tracy an. Er istverrückt nach ihr, und sie gerät jedes Mal in Verzückung, wenn sie ihn anguckt.Oder BoomBoom und Alicia, die sind voneinanderbetört. Kuhaugen, versteht ihr. Aber bei Harry hab ich so was nie gesehn.«
»Zu vernünftig.« Tuckerverstand, was Pewter meinte.
»Oh, wir haben alle erlebt,wie Harry die Vernunft zum Teufel gejagt hat. Nicht oft, zugegeben, aber siekann mal die Beherrschung verlieren oder sich von ihrer Neugierde mitreissen lassen.Dann fliegt ihre Urteilskraft zum Fenster raus.« AuchMrs. Murphy dachte über Pewters Bemerkung nach. »Sieliebt ihn. Sie würde nicht in dem hübschen Kleid da vorne stehen, wenn sie ihnnicht liebte. Sie ist«, Mrs. Murphy hielt kurz inne, »gehemmt. Unsere liebeMutter begeistert sich mehr für Ideen, für den Bau eines neuen Schuppens oderdas Pflanzen von rot blühendem Klee als für Menschen. Sie mag die Menschensehr, das schon, und wie gesagt, sie liebt Fair aufrichtig, aber ihreLeidenschaften gelten nicht Menschen. Das weiss er auch. Er weiss genau, was erkriegt.«
»Vermutlich. Sie kanntensich schon, als sie noch nicht in den Kindergarten gingen.«Tucker sah, dass Miranda sich mit einem belgischen Spitzentaschentuch die Augenabtupfte. Sie sah auch, dass Paul de Silva Tazio Chappars Hand hielt. Er war unverkennbar in die begabtejunge Architektin verknallt. Alicia und BoomBoomhielten sich nicht an den Händen, aber Tucker sah, dass Alicia BoomBoom ein Taschentuch reichte; denn auch die üppigeBlondine weinte.
»Komisch, dass BoomBoom weint; schliesslich haben alle ihr die Schuldgegeben, dass Harrys Ehe in die Brüche ging, auch wenn sie sich bereitsgetrennt hatten«, merkte Tucker an.
»Keine Frau kann einen Mannverführen, der nicht verführt werden will. Fair hat unrecht getan und seineStrafe bezahlt. Ich sage, vergessen wir die ganze Geschichte. Hat Harryschliesslich auch getan.« Mrs. Murphy war froh, dasszwischen Harry und BoomBoom aus schmerzlichenUmständen eine Freundschaft erwachsen war.
»BoomBoomund Alicia können wohl nicht heiraten, hä?« Pewter zuckte mit dem Schwanz, weil ihr Magen knurrte undinfolgedessen eine gewaltige Langeweile einsetzte.
»Können sie schon,gewissermassen, wird aber vom Staat nicht anerkannt.« Tuckerverlagerte ihr Gewicht auf der Bank,
woraufhin Mildred Potter, die Organistin, ihr den Kopf tätschelte.
»Warum heiraten dieMenschen? Wir tun das nicht. Es ist so ein Aufwand, eine grosse öffentlicheZurschaustellung, und kostet ein Vermögen. Können sie sich nicht einfach paarenund fertig? Denkt bloss mal, wie viel Huhn und Lachs und Thunfisch undKatzenminze man für das Geld kaufen könnte.« Pewter war wieder bei ihrem Lieblingsthema.
»Diese Hochzeit ist nicht soteuer, weil es eine Wiederheirat ist.« Tucker bekam selbst langsam Hunger.
»Ha. Der Empfang kostet soum die sechstausend Dollar, Getränke nicht mitgerechnet. Dafür gäb s Unmengen Thunfisch«, sagte Pewter.
»Für die Menschen geht s ummehr als Thunfisch. Die Ehe begründet Vaterschaft, und ein Mann darf seineMünze nicht in einen fremden Schlitz stecken.« Mrs.Murphy lachte. »Freilich, heute kann man eine Vaterschaft mit DNA exaktnachweisen, sicher nicht zur Freude aller Männer. Wer spielt, der blecht. Siekönnen nicht mehr behaupten, das Kind sei nicht von ihnen.«Sie machte eine Pause. »Die Heiraterei mit allem Drumund Dran ist so in der Gesellschaft verankert, dass sie gar nicht draufverzichten können. Ob sie Kinder haben oder nicht, spielt keine Rolle. Esgehört einfach dazu.«
Pewter kicherte. »Wie Tod und Steuern.«
»Seid ihr nicht froh, dasseuch dieses ganze Brimborium erspart bleibt?« Tuckerseufzte. »Ich freu mich, dass Harry und Fair heiraten, aber es ist anstrengend.«
»Wer will schon ein Menschsein? Wenn es Reinkarnation gibt, komm ich als ich selbst wieder.« Pewter warf sich in die graueBrust.
»Meine Güte, da ist abereine mächtig von sich überzeugt.« Mrs. Murphy schlughinterhältig nach Pewter.
»Ach, und du möchtest wohlals Raupe wiederkommen?«, erwiderte Pewter frech.
Mrs. Murphy holte zu einemrichtigen Hieb aus.
Pewter schlug zurück.
»Hey, hey,ihr zwei!«, warnte Mildred die beiden, denn es wäreein tiefer Sturz hinunter in die Gemeinde.
Gerade als Herb sprach, »dieGott zusammengefügt hat, soll der Mensch nicht scheiden«, wurde den untenVersammelten ein Fauchanfall in solcher Lautstärke geboten, dass etliche Köpfesich rückwärts neigten und aufwärts blickten. Harry erfasste das Schauspiel,wie Pewter Mrs. Murphy einen solchen Schlagversetzte, dass die Tigerkatze über die Brüstung der Empore rutschte. Da hingsie nun und hielt sich mit den Krallen fest.
»Lieber Gott«, seufzteHarry.
»Kleine Heiden«, flüsterte Herb,was Fair zum Lachen brachte.
Mit heldenhafter Anstrengungwuchtete Mrs. Murphy sich auf das Emporengeländer. Pewterflitzte von der Brüstung, schlug mit allen vier Pfoten auf der Organistenbankauf, nahm eine Ermahnung von Mildred und ein Kläffen von Tucker in Kauf, alssie auf die Tasten sprang, was in der herrlichen Lutherischen St. Lukaskircheeine Reihe von dissonanten Tönen erschallen liess.
Sodann schoss sie von derOrgel, und Mrs. Murphy, die sie verfolgte, kam näher. Hoch ging s zur letztenReihe der Empore, hin zum Ausgang, die teppichbelegte Treppe runter; Pewter schlitterte über den gewienerten Boden des Vestibülsund stiess das Pult mit dem rotledernen aufgeschlagenen Gästebuch um. Das Buchfiel zu Boden. Mrs. Murphy huschte über das Buch und hinterliess ein paar Pfotenabdrücke. Sodann vollführte Pewtereine Neunzig-Grad-Wende und schoss durch den Mittelgang der Kirche.
BoomBoom wollte sie sich greifen, aber Pewterwich der beringten Hand aus, Mrs. Murphy ebenso. Die zwei durchgedrehten Katzensteuerten direkt auf das Brautpaar zu.
Tucker war so vernünftig,die Katzen nicht aufzuhalten. Sie und Mildred sahen fasziniert zu.
»Braves Hündchen«, gurrteMildred lachend.
»O ja, das bin ich.«
»Ich mach dich kalt. AnHarrys Hochzeitstag mach ich dich kalt!«, rief Mrs.Murphy.
»Erst musst du mich malkriegen.« Pewter, diemerkte, dass alle Aufmerksamkeit ihr galt, genoss das Rampenlicht, ohne an dieBestrafung zu denken, die möglicherweise folgen würde.
Herb fuhr tapfer fort, undals er Fair und Harry zu Mann und Frau erklärte, verdrehte er die Augenhimmelwärts und bat den Herrn inständig, diese zwei Menschen zu segnen, aberden zwei Katzen einen Segen ganz anderer Art zu erteilen.
Pewter duckte sich unter Harrys Schleppe. Mrs. Murphywitschte ebenfalls darunter. Darauf tauchte Pewtermit solcher Wucht wieder hervor, dass Fair Harry festhalten musste, währendHerb die Schlussworte der Zeremonie sprach: » auf dass euch in der zukünftigenWelt das ewige Leben beschieden sein möge. Amen.«
Bevor Fair seine Brautküsste, sahen beide Pewter auf dem Altar landen. Siekauerte sich hinter das grosse goldene Kreuz. Mrs. Murphy landete ebenfalls aufdem Altar. Die zwei hohen Blumenarrangements beiderseits des Kreuzes schwanktenbedenklich. Die Katzen kämpften auf beiden Seiten des Kreuzes miteinander.
»Harry, lass mich dichküssen, bevor sie alles verwüsten«, flüsterte Fair.
Sie küssten sich, und nachdem Kuss lachten sie, bis ihnen die Tränen kamen. Inzwischen waren alle wiegebannt, und es dämmerte Pewter, dass siemöglicherweise schwer würde büssen müssen, sosehr sie es auch genoss, allerAugen auf sich gerichtet zu sehen.
»Sie hat angefangen!«, brüllte Pewter.
»Gar nicht wahr, du fetteWasserratte!« Mrs. Murphy landete einen präzisen Hiebauf dem Kreuz.
Von hinten kamen Herbs Katzen Eloquenz, Cazenoviaund Lucy Fur zum Altar gelaufen.
»Was macht ihr da?«, rief Cazenovia den kämpfendenKatzen zu.
»Hört auf, sonst gibt esMord und Totschlag«, mahnte Lucy Fur, einvernünftiges Wesen.
»Ich mach sie kalt, das istmal sicher!«, wiederholte Mrs. Murphy fuchsteufelswildihre Morddrohung.
Die drei Kirchenkatzennahmen vor dem Altar Aufstellung.
Eloquenz flehte mit sehr süsserStimme: »Wenn ihr nicht aufhört, wird Poppyschrecklich böse. Na kommt.« Sie liebte Herb.
Mrs. Murphy, die derVersammlung den Rücken zukehrte, drehte sich nach den drei Katzen um.
Dann sah sie die vielen Menschen.Die hatte sie ganz vergessen.
»Heilige Scheisse!« Siesprang herunter.
»Seht ihr, sie hat nichtbloss angefangen, sie ist auch eine Gotteslästerin.« Pewter sonnte sich in diesem Augenblick.
Mit drei Schritten seinerlangen Beine war Fair oben und nahm Mrs. Murphy, die ihre Ohren flach an denKopf gelegt hatte, auf den Arm.
»Pewter,du kommst sofort hinter dem Kreuz vor«, befahl Fair.
Harry hob ihre Schleppe anund trat zu ihrem Mann. »Pewter, na los. Wirverzeihen dir, wenn du vom Altar kommst. Du weisst ja, verzeihen ist christlich.«
»Mach schon«, schloss Cazenovia sich Harrys Bitte an.
Pewter schlich hinter dem Kreuz hervor. »Ich bin unschuldig.«
»Das sagen alle.« Fair lachte, als hätte er PewtersMiauen verstanden.
Braut und Bräutigamschritten mit je einer ungemein ungezogenen Katze beladen den Mittelgangentlang, und Mildred hieb in die Tasten.
Miranda, die Vorsängerin imChor der charismatischen Kirche zum Heiligen Licht, sagte, als Braut undBräutigam an ihr vorbeigingen: »Ich liebe den Herrn; denn er hat mein lautesFlehen gehört und sein Ohr mir zugeneigt.«
»Froh, dass sie endlichverheiratet sind, Knuddel?«Tracy hielt ihre Hand.
»Ja, aber gebetet hab ich,dass die zwei schlimmen Katzen eingefangen werden«, antwortete Miranda.
Der Empfang auf der Farmübertraf alle Erwartungen an einen perfekten Apriltag. Die kleinen unter denBäumen aufgestellten Tische waren mit hübschen Frühlingsblumenbouquetsgeschmückt. Das Essen war vorzüglich; Patricia Kluge und Bill Moses hatten Weinvon ihrem Weingut Kluge Estate beigesteuert. Mehr alszweihundert Gäste kamen, um diesen herrlichen Tag zu begehen. Sogar Mrs. Murphyund Pewter wurde vergeben, und Harry fütterte sie mitTruthahn-, Schinken-, Schweinebraten- und Lachsstückchen.
Zu Fair sagte sie: »UnserenHochzeitstag wird keiner vergessen.«
Er hatte Tucker gerade eineganze Süsskartoffel gegeben. Die Menschen tranken auf das Wohl von Bräutigam undBraut. »Ich ganz bestimmt nicht.«
Alles war scheinbar perfekt.
© Ullstein Buchverlage
Übersetzung: MargareteLängsfeld
- Autoren: Rita Mae Brown , Sneaky Pie Brown
- 2007, 259 Seiten, Masse: 14 x 22 cm, Gebunden, Deutsch
- Aus d. Amerikan. v. Margarete Längsfeld
- Verlag: Ullstein Hardcover
- ISBN-10: 355008644X
- ISBN-13: 9783550086441
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