Die Feigheit der Frauen
Kontroverse Streitschrift, die markant Position bezieht
Bascha Mika streitet gegen den weiblichen Selbstbetrug. Die Autorin fordert von sich und anderen Frauen den Mut, dem selbstgewählten Rückfall in alte Rollenmuster zu widerstehen.
Bascha Mika streitet gegen den weiblichen Selbstbetrug. Die Autorin fordert von sich und anderen Frauen den Mut, dem selbstgewählten Rückfall in alte Rollenmuster zu widerstehen.
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Produktinformationen zu „Die Feigheit der Frauen “
Kontroverse Streitschrift, die markant Position bezieht
Bascha Mika streitet gegen den weiblichen Selbstbetrug. Die Autorin fordert von sich und anderen Frauen den Mut, dem selbstgewählten Rückfall in alte Rollenmuster zu widerstehen.
Bascha Mika streitet gegen den weiblichen Selbstbetrug. Die Autorin fordert von sich und anderen Frauen den Mut, dem selbstgewählten Rückfall in alte Rollenmuster zu widerstehen.
Klappentext zu „Die Feigheit der Frauen “
Kontroverse Streitschrift, die markant Position beziehtGenug mit dem Geschlechtertheater! Frauen betrügen sich selbst. Geben wir es zu: Wir Frauen haben es vermasselt und pflegen unsere Geiselmentalität. Wir fordern ein eigenes Leben und stolpern doch in die selbstverschuldete Unmündigkeit. Wir reden von Selbstbestimmung und erliegen doch der Faszination traditioneller Rollen. Rhetorisch sind wir emanzipiert, doch in der Praxis versagen wir jämmerlich. Wir ordnen uns unter. Freiwillig. Weil es bequem ist, weil wir Konflikte scheuen, weil wir davon profitieren. Frauen sind zu feige.
Bascha Mika streitet gegen den weiblichen Selbstbetrug. Die Autorin fordert von sich und anderen Frauen den Mut, dem selbstgewählten Rückfall in alte Rollenmuster zu widerstehen. Ein kontroverses Debattenbuch, das markant Position bezieht.
'Was Bascha Mikas Buch lesenswert macht, ist die Leidenschaft, mit der die Autorin gegen den weiblichen Selbstbetrug anschreibt. Es ist eine Streitschrift, die mutig Position bezieht.' -- ORF-Radio Ö1-Kontext
'Lohnende Lektüre!' -- St. Galler Tagblatt
'Ein Paukenschlag!' -- Nürnberger Nachrichten
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Lese-Probe zu „Die Feigheit der Frauen “
Die Feigheit der Frauen von Bascha MikaVorwort
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Was ist bloß los mit uns? Immer wieder bin ich in den vergangenen Jahren
Frauen begegnet, die mich irritiert haben. Klug und gut ausgebildet waren sie, traten selbstbewusst und eigenständig auf, schienen so gar nicht anfällig für die Verführungskraft alter Rollen. Und plötzlich scherten sie aus - verabschiedeten sich von ihren früheren Wünschen und Ambitionen und wählten ein klassisch weibliches Lebensprogramm.
Je öfter mir dieses Modell begegnete, desto größer mein Unbehagen. Überall sah ich Frauen, die in meinen Augen weit unter ihren Möglichkeiten blieben, die ihre Kraft und ihre Fähigkeiten vergeudeten. Meine Fassungslosigkeit wuchs und auch mein Zorn. Warum kämpfen wir nicht für ein selbstbestimmtes Leben? Wieso versagen wir Frauen immer wieder an Punkten, wo es um uns selbst geht? Wollen wir nicht frei und gleich sein? Sind wir stattdessen bequem und feige?
Jede von uns kennt das Bedürfnis, sich den alten Mustern zu ergeben. Jede kennt den inneren Einflüsterer, der mit Ängsten droht und uns weiß Gott was verspricht. Aber wir wissen doch, dass wir mit dem Weiblichkeitsschema nicht glücklich werden, wenn unser Lebensentwurf mal ganz anders aussah. Warum wählen wir trotzdem die traditionelle Rolle - massenhaft? Darüber müssen wir reden!
In zahlreichen Gesprächen bin ich meiner Irritation und meinen Fragen nachgegangen. Mit jungen und älteren Frauen, mit Erwerbstätigen und Hausfrauen, mit Müttern und Nichtmüttern. Mit Expert Innen, BeraterInnen, WissenschaftlerInnen.
Ich habe mir viele, sehr viele Geschichten erzählen lassen. Habe weiblichen Erfahrungen nachgespürt und unterschiedlichen Frauenleben. Manchmal war ich erstaunt, wie die Berichte nur so hervorsprudelten, sobald ich mein Thema anschnitt.
Alle Fallbeispiele, die ich anführe, sind authentisch, alle darin geschilderten Personen real. Allerdings habe ich Namen und Orte verfremdet, um die Persönlichkeit meiner GesprächspartnerInnen zu schützen.
Nur zum Teil konnten meine Recherchen unmittelbar in den Text einfließen, doch im Hintergrund ist die Fülle des gesammelten Materials mit verarbeitet. Denn darum geht es im vorliegenden Buch: um das gelebte Leben von Frauen. Um ihre Wünsche, Träume und ihre Entscheidungen in der Wirklichkeit. Um die Motive, die sie treiben, und die Erwartungen, denen sie folgen.
Dabei will ich überindividuelle Muster aufzeigen und herausarbeiten. Aus diesem Grund spreche ich in der Regel verallgemeinernd von Frauen, von uns Frauen. Selbstverständlich gibt es eine Vielzahl sozialer und biographischer Unterschiede, abhängig von Schichten und Milieus, Bildung und Einkommen, Ost und West ...
Aber es gibt eben auch die roten Linien, die sich gleichermaßen durch die unterschiedlichsten Frauenleben ziehen. Um diese Linien deutlich zu machen, habe ich mich in den Interpretationen auf signifikante weibliche Verhaltensweisen konzentriert.
Die Kapitel des Buches folgen den möglichen Sollbruchstellen im weiblichen Leben - doch nicht biographisch-chronologisch. So können die Kapitel in der vorgestellten Reihenfolge gelesen werden, oder auch einzeln für sich.
Mit der »Feigheit der Frauen« werde ich mir nicht nur Freundinnen machen, das weiß ich. Ich höre schon den Vorwurf, warum sich denn ausgerechnet eine Autorin kritisch mit weiblichem Verhalten auseinandersetzt, als gäbe es nicht schon genug männliche Gegenspieler. Die Antwort ist schlicht: Weil es sein muss. Weil wir bereits zu lange gewartet haben, auch aus Angst, Beifall von der falschen Seite zu bekommen.
Es wird Zeit, dass wir beginnen, die Debatte zu führen. Damit wir nicht nur behaupten, frei und gleich zu sein, sondern auch so handeln. Und damit sich die gesellschaftlichen Verhältnisse grundlegend ändern. Unser Mut ist gefragt.
Der Sog - zu Beginn
Sie heißt Eva. Eva hat einen Mann, zwei Kinder, einen mittelgroßen Hund und einen mittelkleinen Garten am Rei-
henendhaus.
Ab halb sieben läuft ihr Programm: Eine schnelle Tasse Kaffee mit ihrem Rainer, Frühstück für Kinder und Hund, Charlotte und Max in die Schule gebracht, eingekauft, aufgeräumt, Essen vorbereitet, danach ist schon wieder Zeit, die Kinder zu holen. Der Einkauf, der Garten, ihre Pilates-Gruppe, der Lauf-Treff. Zweimal in der Woche geht Max zum Fußball, Charlotte zum Judo, beide haben Klavierstunden. Hinfahren, abholen, zu Freunden bringen. Die Hausaufgaben, Elternsprechtage, Kindergeburtstage.
So sieht es aus bei Eva. Sie ist zufrieden - sagt sie. Da sind ihr Mann, die Kinder, das Haus ... Eva ist achtunddreißig, Max und Charlotte sind fünf und sieben Jahre alt. Rainer ist gerade Oberarzt geworden, er verdient genug für sie alle. Doch wenn Eva nachts aufwacht, kommt die Angst: Was, wenn sie Rainer verliert? Was, wenn die Kinder weg sind? Was, wenn ...
Alle ihre Freundinnen leben so oder so ähnlich. Alle benehmen sich, als hätten sie es gut getroffen. Soll Eva damit rausrücken, dass sie sich ihr Leben eigentlich mal anders vorgestellt hat?
Sie war immer ehrgeizig. Eine gute Schülerin, eine prima Abiturientin, ihre Ausbildung zur Bankkauffrau hat sie hervorragend abgeschlossen. Sie wollte finanziell auf niemanden angewiesen sein. Was es heißt, ohne eigenes Geld dazustehen, hatte sie bei ihrer Mutter erlebt. Das sollte ihr nicht passieren. In ihrer Familie würde es partnerschaftlich zugehen, alles sollte geteilt werden, auch die Haus- und die Kinderarbeit. In der Liebesbeziehung auf Augenhöhe zu leben, ist doch kein Problem, dachte sie, man muss es nur wollen. - Das war der Plan.
Als sie in der Bank mit Ende zwanzig ihre erste Abteilung übernahm, war Eva wahnsinnig stolz - und lernte Rainer kennen. Ein interessanter Typ, der wusste, was er wollte. Ihr schwante zwar bald, dass ihr Held sehr konventionell gestrickt war, was Frauen anging, aber das würde sie schon ändern, dachte Eva. Sie war sehr verliebt.
Kurz darauf bewarb sich Rainer für seine Ausbildung zum Facharzt auf eine Stelle in Nordrhein-Westfalen. Er zog weg von Bremen. Eine Zeit lang pendelten sie, doch Eva fürchtete, das würde die Beziehung sprengen. Gleichzeitig wurde ihr der Arbeits- und Leistungsdruck in der neuen Abteilung zunehmend unangenehm, und die Stimmung war auch nicht sonderlich kollegial. Eva zog Rainer hinterher. Einen Job in der neuen Stadt hatte sie nicht. Den würde sie schon noch finden, glaubte sie. Stattdessen wurde sie schwanger.
Wie wird das mit dem Kind, wer kümmert sich? Rainer freute sich, Vater zu werden, wollte aber auf keinen Fall beruflich aussetzen; das könnte er sich nicht leisten, meinte er. Obwohl Eva ihre Arbeit vermisste, verstand sie ihren Liebsten irgendwie, und vor allem wollte sie nicht mit ihm streiten. Ein Jahr plante sie auszusetzen, um dann neu zu starten.
Sie konzentrierte sich auf Kind und Mann. Als Charlotte zwei Jahre alt war, überlegte sie, beruflich wieder einzusteigen. Ihre Mutter war entsetzt: Wie sie sich das vorstellte? Das Kind alleine lassen? Rainer arbeitete pausenlos. Sollte sie jetzt von ihm verlangen, zurückzustecken und sich mehr um die Kleine zu kümmern? Wo er doch ganz selbstverständlich erwartete, dass sie ihm den Rücken freihielt. Eva wurde wieder schwanger. Und dann kauften sie das Haus.
Ihr Sohn Max war aus dem Gröbsten raus. Eine Stelle suchen, wieder reinkommen? Nach fünf Jahren zu Hause wusste Eva nicht mehr so recht, wie sich das Arbeitsleben anfühlte. Außerdem wartete auf Rainer ein Posten als Oberarzt. Wie sollte das alles gehen?
Irgendwie war sie nicht glücklich. Etwas war anders geworden, das spürte sie. Wo war ihr Selbstbewusstsein? War es der Blick von ihrem Garten auf die Welt, der so manche Perspektive vermissen ließ? Sie rieb sich auf zwischen Mann und Kindern, ohne dass für sie etwas übrigblieb. Was war denn ihr eigenes Leben? Hatte sie Ziele? Aber dann beruhigte sie sich wieder: Da war ja ihre Familie, und was sollte sie mit einem Job, der sie nur unter Druck setzte.
So sieht es aus bei Eva. Sie ist Ende dreißig und wird sich irgendwann eine kleine Stelle suchen. Ansonsten kann sie sich ja beschäftigen - mit den Kindern, mit dem Haus, dem selten anwesenden Mann. Sie sei zufrieden, sagt sie. Es wäre ja auch nicht anders gegangen, sagt sie. Sie habe doch ein erfülltes Frauenleben, sagt sie. Es hat sich eben einfach alles so ergeben.
Die Verlockung
Was ist los mit Eva? Und Millionen anderen Frauen, die es ähnlich treiben wie sie? Sie sind klug, gut ausgebildet und halten sich für modern. Irgendwann einmal träumten sie von einem selbstbestimmten Leben. Einem Leben, das nicht begrenzt ist durch typisch weibliche Rollen. Sie wollten für sich selbst verantwortlich sein, ihre Chancen nutzen. Haben sie ihre Wünsche in eine Flasche gestopft, zugekorkt und auf die Reise über die Meere geschickt? Damit sie von ihnen nicht mehr belästigt werden?
Was ist passiert mit Eva und Millionen anderen Frauen? Sie hocken in der Falle und betreiben ihre eigene Vermausung. Dabei haben sie früher selbstverständlich die gleichen Rechte für sich beansprucht wie Männer - das Beste aus beiden Welten: Liebe und Geborgenheit im privaten Leben, im öffentlichen Raum Bestätigung und Anerkennung. Eine F amilie gründen und sich im Beruf beweisen. Eigenständig sein. Und jetzt behaupten sie, Erfüllung geht anders, und lassen ihr Leben zerkrümeln zwischen der Zuneigung zu ihrem Mann und den Bedürfnissen ihrer Kinder.
Ihre Bildung dient ihnen gerade mal zur gepflegten Unterhaltung mit Gästen, und ihr trainiertes Gehirn darf das kleine Einmaleins bei den Schulaufgaben rechnen. Währenddessen versickert ihre Selbstbestimmung zwischen Ehepflichten und Sandkasten.
Als Eva in ihr Erwachsenenleben startete, war die Geschlechter-frage für sie kein Thema. Plumpe Rollenspiele hatten in ihrem Zukunftsentwurf keinen Platz, weibliche Selbstbeschränkung ebenso wenig. Der Mann als Brötchengeber und die Frau verwiesen auf den Unterstützungsbereich? Das fand sie ja schon bei der eigenen Mutter unerträglich.
Ihr Zukünftiger sollte ein wirklicher Partner sein. Mit ihm wollte sie alles teilen - die Berufs-, aber auch die Haus- und die Kinderarbeit. Eine gleichberechtigte Beziehung zu führen, war für sie keine Frage, sondern selbstverständlich. Ihr Wohl und Wehe auf die männliche Karte setzen? Viel zu trügerisch. Die Aussicht, auf den familiären Handlungsraum beschränkt zu sein? Richtig beklemmend.
Und doch ist sie genau dort gelandet.
Eva ist bequem geworden. Und feige. So wie Millionen andere Frauen, die es ähnlich halten wie sie. Da war ihr Anspruch auf Eigenständigkeit, da war aber auch die Verlockung der altbekannten Frauenrolle. Der sind sie erlegen: Haben sich einen Mann gesucht, der ihre Idee einer Partnerschaft unter Gleichen boykottiert. Sind geflüchtet vor den Ansprüchen einer unfreundlichen Berufswelt. Haben das Kind genutzt, um in die heimische Überschaubarkeit zu desertieren - und dort zu bleiben.
Eva hat sich selbst entmachtet und sich für die Unmündigkeit entschieden. Sich unterworfen, statt sich zu behaupten. Hat sich verführen lassen von einem Lebensentwurf, der nicht ihr eigener war, und sich herüberziehen lassen in eine Rolle, die sie früher verachtete.
Frauen wie Eva leben in der Deckung. Hübsch versteckt hinter den Mauern, die sie selbst hochgezogen haben. Mit einem Mann, der den Lebensrahmen bestimmt und ihr finanzielles Auskommen sichert. Mit den aufreibenden Anforderungen eines Familienlebens, das sie nicht nachdenken lässt und so eingerichtet ist, dass es ohne sie nicht läuft.
Immer wieder gab es Punkte in ihrer Biographie, an denen Eva sich so oder so hätte entscheiden können: für oder gegen eine schablonenhafte weibliche Existenz. Eva hatte die Wahl. Doch das sieht sie nicht. Sie kann jede Menge Gründe anführen, warum es für sie so kommen musste und nicht anders ging. In ihren Augen hat sie individuelle Entscheidungen getroffen und keinem Anpassungsdruck nachgegeben. Sie lügt sich in die Tasche, aber das leugnet sie. Schließlich trägt sie noch immer den Anspruch auf einen freien Lebensentwurf vor sich her, der von keinem Rollenbild beherrscht ist.
Zuzugeben, dass sie in die Falle gegangen ist, dass sie ein Leben aus zweiter Hand führt und sich selbst betrügt, wäre allzu schmerzhaft.
Irgendwann ist Eva in den Rollen-Kokon gekrochen, den die Gesellschaft und ihr Umfeld für sie bereitgehalten haben. Dort hat sie sich eingerichtet und kommt nicht mehr heraus. Es sei denn, sie würde richtig was riskieren.
Der Anspruch
Wir reden von Eva - doch gemeint sind wir alle. Wir Frauen. Denn wir alle sind an diesem Spiel beteiligt, auf die eine oder andere Art. Als Töchter, Mütter und Schwestern, als Freundinnen, Kolleginnen und Erzieherinnen. Das Leben von Eva ist ein Massenphänomen, Millionen von Frauen haben diese Existenz gewählt, und Millionen unterstützen sich gegenseitig darin.
Selbstverständlich gibt es Frauen, die nie den Anspruch auf Eigenständigkeit hatten, sondern sich auf ein behütetes Leben mit dem männlichen Versorger freuten. Aber um die geht es hier nicht. Die wollten, was sie bekommen haben; ihre Chance, glücklich zu werden, ist dadurch vielleicht gar nicht so schlecht.
Nein, wir reden von den anderen. Von denen, die auf ihrer Wunschliste einmal Selbstbestimmung und Unabhängigkeit hatten. Die auf eigenen Beinen stehen wollten und deren Zukunftsbillett auf ein selbst verantwortetes Leben ausgestellt war. Die stets daran glaubten, dass Männer und Frauen gleich sind - im Guten wie im Schlechten.
Immer mehr Frauen denken so, unter den gut Ausgebildeten sind sie längst in der Überzahl. Bei jungen Frauen zwischen zwanzig und dreißig Jahren will die überwältigende Mehrheit ein möglichst selbstbestimmtes Leben führen.1 In ihrer Vorstellungswelt prangt auf der typischen Frauenkiste ein großes Totenkopfsymbol; in dieser Kiste wollen sie, weiß Gott, nicht landen. Sie haben Besseres vor, als irgendwelchen Rollenklischees zu genügen.
Soweit der Selbstentwurf. Doch dann stolpern diese Frauen trotzdem massenhaft in die Abhängigkeit und übernehmen traditionelle Rollen. Sie latschen auf ausgetretenen weiblichen Wegen daher und behaupten dennoch, eigene Spuren zu hinterlassen. Sie begnügen sich mit den Kitschversprechen einer marzipansüßen Liebe und pfeifen auf egalitäre Ansprüche. Sie suchen ihr Heil beim Manne und machen seinen Lebensplan zu ihrem. Sie fürchten sich vor der Welt draußen und schaffen sich ihren Schutzraum drinnen. Sie wählen die eigene Ohnmacht. Freiwillig.
Der Misthaufen
Frauen und Männer sind hierzulande gleichberechtigt, heißt es. Doch das ist nur Theorie, nicht die Praxis. Im wirklichen Leben haben die meisten modernen Paare die Aufgaben untereinander geteilt wie die Eltern und Großeltern - hübsch entlang der Geschlechtergrenzen. Selbst die jetzt Zwanzig- und Dreißigjährigen.
Auch wenn Väter einen hooper-trooper-Kinderwagen schieben und Mütter am Sandkasten mit einem Smartphone spielen, hat sich nicht wirklich etwas verändert. Es scheint nur so. Das Grundmuster ist erschreckend gleich geblieben: Der Mann als Versorger draußen in der Welt, die Frau daheim bei Haus und Kindern, vielleicht mit einem Halbtagsjob. Er zahlt bar, sie mit Lebenszeit und Eigenständigkeit. Ein schleichender Prozess der weiblichen Selbstabwertung.
Doch der Unterschied zu früheren Generationen ist eklatant: Heute haben Frauen die Wahl. Ihr Los ist selbst gezimmert. Eigener Beruf, eigenes Konto, eigenes Geld - es ist erst ein paar Jahrzehnte her, dass Frauen zu all dem die Zustim-
mung ihres Mannes brauchten. Inzwischen kann sie niemand zu einem Leben zwingen, das sie nicht wollen. Sie selbst treibt es in die Falle. Sie schlüpfen in ein Rollenkorsett, das den Bewegungsspielraum auf weibliches Maß reduziert, und behaupten dabei das Gegenteil. Das ist Selbstbetrug!
Denn die Spielräume sind doch da. Frauen sind fähig und in der Lage, Rollenmuster zu durchschauen und weibliche Klischees zu durchbrechen. Das betonen sie ja auch immer wieder, wenn sie danach gefragt werden. Warum landen sie trotzdem scharenweise in der Weiblichkeitsfalle?
Ohne Zweifel - die gesellschaftlichen Verhältnisse machen es Frauen nicht leicht. Wenn man sich diese Republik ansieht, ist die Lage desaströs, der grundsätzliche Befund niederschmetternd. Vielleicht hat sich das Bewusstsein gewandelt, aber kaum die Realität. In allen Fragen der Macht sieht es übel aus für den weiblichen Teil der Gesellschaft. Denn: Wer dominiert in der Wirtschaft? Wer in der Politik? Und wer dominiert die privaten Beziehungen?
Die Antwort ist klar. Wenn Macht bedeutet, den eigenen Willen durchsetzen zu können, lässt sich nur feststellen: Wir leben in einer männlich dominierten Gesellschaft - wenn auch nicht mehr im Patriarchat. Deutschland ist in Sachen Emanzipation finsteres Entwicklungsgebiet. Beim Spiel um die Macht sitzen Frauen nicht mit am Tisch. Männer haben die Vorherrschaft, das Geld und die Aufmerksamkeit. Die Welt ist ein Misthaufen, sie hocken oben drauf und krähen.
Männer haben uns Frauen ausgetrickst und abgewatscht, mit falschen Versprechen gelockt und mit Kind und Küche allein gelassen. Sie kassieren die höheren Löhne, bestimmen die politische Agenda, haben jede Menge gläserne Decken eingezogen und lassen uns gekonnt auf dem Spielplatz stehen. Wir haben in diesem Land wenig zu melden. Das lassen wir nicht nur zu, sondern geben uns kleinlaut zufrieden. Immer noch.
Da haben wir eine Frau als Kanzlerin und eine Präsidentengattin mit Tattoos. Ändert das irgendetwas? Dass es eine Handvoll Frauen in Spitzenpositionen gibt, sei es in Politik, Wirtschaft oder Kultur, hat uns das irgendwie weitergebracht? Insgesamt stehen wir doch immer noch in der zweiten und dritten Reihe. Unser politischer Einfluss ist lächerlich, unser ökonomisches Drohpotential der reine Witz und unsere gesellschaftliche Durchsetzungskraft geringer als die jeder Bürgerinitiative gegen einen Bahnhofsumbau.
© 2011 by C. Bertelsmann Verlag, München, in der Verlagsgruppe Random House GmbH
Was ist bloß los mit uns? Immer wieder bin ich in den vergangenen Jahren
Frauen begegnet, die mich irritiert haben. Klug und gut ausgebildet waren sie, traten selbstbewusst und eigenständig auf, schienen so gar nicht anfällig für die Verführungskraft alter Rollen. Und plötzlich scherten sie aus - verabschiedeten sich von ihren früheren Wünschen und Ambitionen und wählten ein klassisch weibliches Lebensprogramm.
Je öfter mir dieses Modell begegnete, desto größer mein Unbehagen. Überall sah ich Frauen, die in meinen Augen weit unter ihren Möglichkeiten blieben, die ihre Kraft und ihre Fähigkeiten vergeudeten. Meine Fassungslosigkeit wuchs und auch mein Zorn. Warum kämpfen wir nicht für ein selbstbestimmtes Leben? Wieso versagen wir Frauen immer wieder an Punkten, wo es um uns selbst geht? Wollen wir nicht frei und gleich sein? Sind wir stattdessen bequem und feige?
Jede von uns kennt das Bedürfnis, sich den alten Mustern zu ergeben. Jede kennt den inneren Einflüsterer, der mit Ängsten droht und uns weiß Gott was verspricht. Aber wir wissen doch, dass wir mit dem Weiblichkeitsschema nicht glücklich werden, wenn unser Lebensentwurf mal ganz anders aussah. Warum wählen wir trotzdem die traditionelle Rolle - massenhaft? Darüber müssen wir reden!
In zahlreichen Gesprächen bin ich meiner Irritation und meinen Fragen nachgegangen. Mit jungen und älteren Frauen, mit Erwerbstätigen und Hausfrauen, mit Müttern und Nichtmüttern. Mit Expert Innen, BeraterInnen, WissenschaftlerInnen.
Ich habe mir viele, sehr viele Geschichten erzählen lassen. Habe weiblichen Erfahrungen nachgespürt und unterschiedlichen Frauenleben. Manchmal war ich erstaunt, wie die Berichte nur so hervorsprudelten, sobald ich mein Thema anschnitt.
Alle Fallbeispiele, die ich anführe, sind authentisch, alle darin geschilderten Personen real. Allerdings habe ich Namen und Orte verfremdet, um die Persönlichkeit meiner GesprächspartnerInnen zu schützen.
Nur zum Teil konnten meine Recherchen unmittelbar in den Text einfließen, doch im Hintergrund ist die Fülle des gesammelten Materials mit verarbeitet. Denn darum geht es im vorliegenden Buch: um das gelebte Leben von Frauen. Um ihre Wünsche, Träume und ihre Entscheidungen in der Wirklichkeit. Um die Motive, die sie treiben, und die Erwartungen, denen sie folgen.
Dabei will ich überindividuelle Muster aufzeigen und herausarbeiten. Aus diesem Grund spreche ich in der Regel verallgemeinernd von Frauen, von uns Frauen. Selbstverständlich gibt es eine Vielzahl sozialer und biographischer Unterschiede, abhängig von Schichten und Milieus, Bildung und Einkommen, Ost und West ...
Aber es gibt eben auch die roten Linien, die sich gleichermaßen durch die unterschiedlichsten Frauenleben ziehen. Um diese Linien deutlich zu machen, habe ich mich in den Interpretationen auf signifikante weibliche Verhaltensweisen konzentriert.
Die Kapitel des Buches folgen den möglichen Sollbruchstellen im weiblichen Leben - doch nicht biographisch-chronologisch. So können die Kapitel in der vorgestellten Reihenfolge gelesen werden, oder auch einzeln für sich.
Mit der »Feigheit der Frauen« werde ich mir nicht nur Freundinnen machen, das weiß ich. Ich höre schon den Vorwurf, warum sich denn ausgerechnet eine Autorin kritisch mit weiblichem Verhalten auseinandersetzt, als gäbe es nicht schon genug männliche Gegenspieler. Die Antwort ist schlicht: Weil es sein muss. Weil wir bereits zu lange gewartet haben, auch aus Angst, Beifall von der falschen Seite zu bekommen.
Es wird Zeit, dass wir beginnen, die Debatte zu führen. Damit wir nicht nur behaupten, frei und gleich zu sein, sondern auch so handeln. Und damit sich die gesellschaftlichen Verhältnisse grundlegend ändern. Unser Mut ist gefragt.
Der Sog - zu Beginn
Sie heißt Eva. Eva hat einen Mann, zwei Kinder, einen mittelgroßen Hund und einen mittelkleinen Garten am Rei-
henendhaus.
Ab halb sieben läuft ihr Programm: Eine schnelle Tasse Kaffee mit ihrem Rainer, Frühstück für Kinder und Hund, Charlotte und Max in die Schule gebracht, eingekauft, aufgeräumt, Essen vorbereitet, danach ist schon wieder Zeit, die Kinder zu holen. Der Einkauf, der Garten, ihre Pilates-Gruppe, der Lauf-Treff. Zweimal in der Woche geht Max zum Fußball, Charlotte zum Judo, beide haben Klavierstunden. Hinfahren, abholen, zu Freunden bringen. Die Hausaufgaben, Elternsprechtage, Kindergeburtstage.
So sieht es aus bei Eva. Sie ist zufrieden - sagt sie. Da sind ihr Mann, die Kinder, das Haus ... Eva ist achtunddreißig, Max und Charlotte sind fünf und sieben Jahre alt. Rainer ist gerade Oberarzt geworden, er verdient genug für sie alle. Doch wenn Eva nachts aufwacht, kommt die Angst: Was, wenn sie Rainer verliert? Was, wenn die Kinder weg sind? Was, wenn ...
Alle ihre Freundinnen leben so oder so ähnlich. Alle benehmen sich, als hätten sie es gut getroffen. Soll Eva damit rausrücken, dass sie sich ihr Leben eigentlich mal anders vorgestellt hat?
Sie war immer ehrgeizig. Eine gute Schülerin, eine prima Abiturientin, ihre Ausbildung zur Bankkauffrau hat sie hervorragend abgeschlossen. Sie wollte finanziell auf niemanden angewiesen sein. Was es heißt, ohne eigenes Geld dazustehen, hatte sie bei ihrer Mutter erlebt. Das sollte ihr nicht passieren. In ihrer Familie würde es partnerschaftlich zugehen, alles sollte geteilt werden, auch die Haus- und die Kinderarbeit. In der Liebesbeziehung auf Augenhöhe zu leben, ist doch kein Problem, dachte sie, man muss es nur wollen. - Das war der Plan.
Als sie in der Bank mit Ende zwanzig ihre erste Abteilung übernahm, war Eva wahnsinnig stolz - und lernte Rainer kennen. Ein interessanter Typ, der wusste, was er wollte. Ihr schwante zwar bald, dass ihr Held sehr konventionell gestrickt war, was Frauen anging, aber das würde sie schon ändern, dachte Eva. Sie war sehr verliebt.
Kurz darauf bewarb sich Rainer für seine Ausbildung zum Facharzt auf eine Stelle in Nordrhein-Westfalen. Er zog weg von Bremen. Eine Zeit lang pendelten sie, doch Eva fürchtete, das würde die Beziehung sprengen. Gleichzeitig wurde ihr der Arbeits- und Leistungsdruck in der neuen Abteilung zunehmend unangenehm, und die Stimmung war auch nicht sonderlich kollegial. Eva zog Rainer hinterher. Einen Job in der neuen Stadt hatte sie nicht. Den würde sie schon noch finden, glaubte sie. Stattdessen wurde sie schwanger.
Wie wird das mit dem Kind, wer kümmert sich? Rainer freute sich, Vater zu werden, wollte aber auf keinen Fall beruflich aussetzen; das könnte er sich nicht leisten, meinte er. Obwohl Eva ihre Arbeit vermisste, verstand sie ihren Liebsten irgendwie, und vor allem wollte sie nicht mit ihm streiten. Ein Jahr plante sie auszusetzen, um dann neu zu starten.
Sie konzentrierte sich auf Kind und Mann. Als Charlotte zwei Jahre alt war, überlegte sie, beruflich wieder einzusteigen. Ihre Mutter war entsetzt: Wie sie sich das vorstellte? Das Kind alleine lassen? Rainer arbeitete pausenlos. Sollte sie jetzt von ihm verlangen, zurückzustecken und sich mehr um die Kleine zu kümmern? Wo er doch ganz selbstverständlich erwartete, dass sie ihm den Rücken freihielt. Eva wurde wieder schwanger. Und dann kauften sie das Haus.
Ihr Sohn Max war aus dem Gröbsten raus. Eine Stelle suchen, wieder reinkommen? Nach fünf Jahren zu Hause wusste Eva nicht mehr so recht, wie sich das Arbeitsleben anfühlte. Außerdem wartete auf Rainer ein Posten als Oberarzt. Wie sollte das alles gehen?
Irgendwie war sie nicht glücklich. Etwas war anders geworden, das spürte sie. Wo war ihr Selbstbewusstsein? War es der Blick von ihrem Garten auf die Welt, der so manche Perspektive vermissen ließ? Sie rieb sich auf zwischen Mann und Kindern, ohne dass für sie etwas übrigblieb. Was war denn ihr eigenes Leben? Hatte sie Ziele? Aber dann beruhigte sie sich wieder: Da war ja ihre Familie, und was sollte sie mit einem Job, der sie nur unter Druck setzte.
So sieht es aus bei Eva. Sie ist Ende dreißig und wird sich irgendwann eine kleine Stelle suchen. Ansonsten kann sie sich ja beschäftigen - mit den Kindern, mit dem Haus, dem selten anwesenden Mann. Sie sei zufrieden, sagt sie. Es wäre ja auch nicht anders gegangen, sagt sie. Sie habe doch ein erfülltes Frauenleben, sagt sie. Es hat sich eben einfach alles so ergeben.
Die Verlockung
Was ist los mit Eva? Und Millionen anderen Frauen, die es ähnlich treiben wie sie? Sie sind klug, gut ausgebildet und halten sich für modern. Irgendwann einmal träumten sie von einem selbstbestimmten Leben. Einem Leben, das nicht begrenzt ist durch typisch weibliche Rollen. Sie wollten für sich selbst verantwortlich sein, ihre Chancen nutzen. Haben sie ihre Wünsche in eine Flasche gestopft, zugekorkt und auf die Reise über die Meere geschickt? Damit sie von ihnen nicht mehr belästigt werden?
Was ist passiert mit Eva und Millionen anderen Frauen? Sie hocken in der Falle und betreiben ihre eigene Vermausung. Dabei haben sie früher selbstverständlich die gleichen Rechte für sich beansprucht wie Männer - das Beste aus beiden Welten: Liebe und Geborgenheit im privaten Leben, im öffentlichen Raum Bestätigung und Anerkennung. Eine F amilie gründen und sich im Beruf beweisen. Eigenständig sein. Und jetzt behaupten sie, Erfüllung geht anders, und lassen ihr Leben zerkrümeln zwischen der Zuneigung zu ihrem Mann und den Bedürfnissen ihrer Kinder.
Ihre Bildung dient ihnen gerade mal zur gepflegten Unterhaltung mit Gästen, und ihr trainiertes Gehirn darf das kleine Einmaleins bei den Schulaufgaben rechnen. Währenddessen versickert ihre Selbstbestimmung zwischen Ehepflichten und Sandkasten.
Als Eva in ihr Erwachsenenleben startete, war die Geschlechter-frage für sie kein Thema. Plumpe Rollenspiele hatten in ihrem Zukunftsentwurf keinen Platz, weibliche Selbstbeschränkung ebenso wenig. Der Mann als Brötchengeber und die Frau verwiesen auf den Unterstützungsbereich? Das fand sie ja schon bei der eigenen Mutter unerträglich.
Ihr Zukünftiger sollte ein wirklicher Partner sein. Mit ihm wollte sie alles teilen - die Berufs-, aber auch die Haus- und die Kinderarbeit. Eine gleichberechtigte Beziehung zu führen, war für sie keine Frage, sondern selbstverständlich. Ihr Wohl und Wehe auf die männliche Karte setzen? Viel zu trügerisch. Die Aussicht, auf den familiären Handlungsraum beschränkt zu sein? Richtig beklemmend.
Und doch ist sie genau dort gelandet.
Eva ist bequem geworden. Und feige. So wie Millionen andere Frauen, die es ähnlich halten wie sie. Da war ihr Anspruch auf Eigenständigkeit, da war aber auch die Verlockung der altbekannten Frauenrolle. Der sind sie erlegen: Haben sich einen Mann gesucht, der ihre Idee einer Partnerschaft unter Gleichen boykottiert. Sind geflüchtet vor den Ansprüchen einer unfreundlichen Berufswelt. Haben das Kind genutzt, um in die heimische Überschaubarkeit zu desertieren - und dort zu bleiben.
Eva hat sich selbst entmachtet und sich für die Unmündigkeit entschieden. Sich unterworfen, statt sich zu behaupten. Hat sich verführen lassen von einem Lebensentwurf, der nicht ihr eigener war, und sich herüberziehen lassen in eine Rolle, die sie früher verachtete.
Frauen wie Eva leben in der Deckung. Hübsch versteckt hinter den Mauern, die sie selbst hochgezogen haben. Mit einem Mann, der den Lebensrahmen bestimmt und ihr finanzielles Auskommen sichert. Mit den aufreibenden Anforderungen eines Familienlebens, das sie nicht nachdenken lässt und so eingerichtet ist, dass es ohne sie nicht läuft.
Immer wieder gab es Punkte in ihrer Biographie, an denen Eva sich so oder so hätte entscheiden können: für oder gegen eine schablonenhafte weibliche Existenz. Eva hatte die Wahl. Doch das sieht sie nicht. Sie kann jede Menge Gründe anführen, warum es für sie so kommen musste und nicht anders ging. In ihren Augen hat sie individuelle Entscheidungen getroffen und keinem Anpassungsdruck nachgegeben. Sie lügt sich in die Tasche, aber das leugnet sie. Schließlich trägt sie noch immer den Anspruch auf einen freien Lebensentwurf vor sich her, der von keinem Rollenbild beherrscht ist.
Zuzugeben, dass sie in die Falle gegangen ist, dass sie ein Leben aus zweiter Hand führt und sich selbst betrügt, wäre allzu schmerzhaft.
Irgendwann ist Eva in den Rollen-Kokon gekrochen, den die Gesellschaft und ihr Umfeld für sie bereitgehalten haben. Dort hat sie sich eingerichtet und kommt nicht mehr heraus. Es sei denn, sie würde richtig was riskieren.
Der Anspruch
Wir reden von Eva - doch gemeint sind wir alle. Wir Frauen. Denn wir alle sind an diesem Spiel beteiligt, auf die eine oder andere Art. Als Töchter, Mütter und Schwestern, als Freundinnen, Kolleginnen und Erzieherinnen. Das Leben von Eva ist ein Massenphänomen, Millionen von Frauen haben diese Existenz gewählt, und Millionen unterstützen sich gegenseitig darin.
Selbstverständlich gibt es Frauen, die nie den Anspruch auf Eigenständigkeit hatten, sondern sich auf ein behütetes Leben mit dem männlichen Versorger freuten. Aber um die geht es hier nicht. Die wollten, was sie bekommen haben; ihre Chance, glücklich zu werden, ist dadurch vielleicht gar nicht so schlecht.
Nein, wir reden von den anderen. Von denen, die auf ihrer Wunschliste einmal Selbstbestimmung und Unabhängigkeit hatten. Die auf eigenen Beinen stehen wollten und deren Zukunftsbillett auf ein selbst verantwortetes Leben ausgestellt war. Die stets daran glaubten, dass Männer und Frauen gleich sind - im Guten wie im Schlechten.
Immer mehr Frauen denken so, unter den gut Ausgebildeten sind sie längst in der Überzahl. Bei jungen Frauen zwischen zwanzig und dreißig Jahren will die überwältigende Mehrheit ein möglichst selbstbestimmtes Leben führen.1 In ihrer Vorstellungswelt prangt auf der typischen Frauenkiste ein großes Totenkopfsymbol; in dieser Kiste wollen sie, weiß Gott, nicht landen. Sie haben Besseres vor, als irgendwelchen Rollenklischees zu genügen.
Soweit der Selbstentwurf. Doch dann stolpern diese Frauen trotzdem massenhaft in die Abhängigkeit und übernehmen traditionelle Rollen. Sie latschen auf ausgetretenen weiblichen Wegen daher und behaupten dennoch, eigene Spuren zu hinterlassen. Sie begnügen sich mit den Kitschversprechen einer marzipansüßen Liebe und pfeifen auf egalitäre Ansprüche. Sie suchen ihr Heil beim Manne und machen seinen Lebensplan zu ihrem. Sie fürchten sich vor der Welt draußen und schaffen sich ihren Schutzraum drinnen. Sie wählen die eigene Ohnmacht. Freiwillig.
Der Misthaufen
Frauen und Männer sind hierzulande gleichberechtigt, heißt es. Doch das ist nur Theorie, nicht die Praxis. Im wirklichen Leben haben die meisten modernen Paare die Aufgaben untereinander geteilt wie die Eltern und Großeltern - hübsch entlang der Geschlechtergrenzen. Selbst die jetzt Zwanzig- und Dreißigjährigen.
Auch wenn Väter einen hooper-trooper-Kinderwagen schieben und Mütter am Sandkasten mit einem Smartphone spielen, hat sich nicht wirklich etwas verändert. Es scheint nur so. Das Grundmuster ist erschreckend gleich geblieben: Der Mann als Versorger draußen in der Welt, die Frau daheim bei Haus und Kindern, vielleicht mit einem Halbtagsjob. Er zahlt bar, sie mit Lebenszeit und Eigenständigkeit. Ein schleichender Prozess der weiblichen Selbstabwertung.
Doch der Unterschied zu früheren Generationen ist eklatant: Heute haben Frauen die Wahl. Ihr Los ist selbst gezimmert. Eigener Beruf, eigenes Konto, eigenes Geld - es ist erst ein paar Jahrzehnte her, dass Frauen zu all dem die Zustim-
mung ihres Mannes brauchten. Inzwischen kann sie niemand zu einem Leben zwingen, das sie nicht wollen. Sie selbst treibt es in die Falle. Sie schlüpfen in ein Rollenkorsett, das den Bewegungsspielraum auf weibliches Maß reduziert, und behaupten dabei das Gegenteil. Das ist Selbstbetrug!
Denn die Spielräume sind doch da. Frauen sind fähig und in der Lage, Rollenmuster zu durchschauen und weibliche Klischees zu durchbrechen. Das betonen sie ja auch immer wieder, wenn sie danach gefragt werden. Warum landen sie trotzdem scharenweise in der Weiblichkeitsfalle?
Ohne Zweifel - die gesellschaftlichen Verhältnisse machen es Frauen nicht leicht. Wenn man sich diese Republik ansieht, ist die Lage desaströs, der grundsätzliche Befund niederschmetternd. Vielleicht hat sich das Bewusstsein gewandelt, aber kaum die Realität. In allen Fragen der Macht sieht es übel aus für den weiblichen Teil der Gesellschaft. Denn: Wer dominiert in der Wirtschaft? Wer in der Politik? Und wer dominiert die privaten Beziehungen?
Die Antwort ist klar. Wenn Macht bedeutet, den eigenen Willen durchsetzen zu können, lässt sich nur feststellen: Wir leben in einer männlich dominierten Gesellschaft - wenn auch nicht mehr im Patriarchat. Deutschland ist in Sachen Emanzipation finsteres Entwicklungsgebiet. Beim Spiel um die Macht sitzen Frauen nicht mit am Tisch. Männer haben die Vorherrschaft, das Geld und die Aufmerksamkeit. Die Welt ist ein Misthaufen, sie hocken oben drauf und krähen.
Männer haben uns Frauen ausgetrickst und abgewatscht, mit falschen Versprechen gelockt und mit Kind und Küche allein gelassen. Sie kassieren die höheren Löhne, bestimmen die politische Agenda, haben jede Menge gläserne Decken eingezogen und lassen uns gekonnt auf dem Spielplatz stehen. Wir haben in diesem Land wenig zu melden. Das lassen wir nicht nur zu, sondern geben uns kleinlaut zufrieden. Immer noch.
Da haben wir eine Frau als Kanzlerin und eine Präsidentengattin mit Tattoos. Ändert das irgendetwas? Dass es eine Handvoll Frauen in Spitzenpositionen gibt, sei es in Politik, Wirtschaft oder Kultur, hat uns das irgendwie weitergebracht? Insgesamt stehen wir doch immer noch in der zweiten und dritten Reihe. Unser politischer Einfluss ist lächerlich, unser ökonomisches Drohpotential der reine Witz und unsere gesellschaftliche Durchsetzungskraft geringer als die jeder Bürgerinitiative gegen einen Bahnhofsumbau.
© 2011 by C. Bertelsmann Verlag, München, in der Verlagsgruppe Random House GmbH
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Autoren-Porträt von Bascha Mika
Bascha Mika wurde 1954 in einem schlesischen Dorf in Polen geboren und übersiedelte als Kind in die Bundesrepublik. Nach einer Banklehre studierte sie Germanistik, Philosophie und Ethnologie. Sie arbeitete als Redakteurin und Journalistin. Von 1999 bis 2009 war sie Chefredakteurin der taz. Heute ist sie Honorarprofessorin an der Universität der Künste, Berlin, und freie Publizistin.
Bibliographische Angaben
- Autor: Bascha Mika
- 2011, 256 Seiten, Masse: 12,6 x 20,7 cm, Gebunden, Deutsch
- Verlag: C. Bertelsmann
- ISBN-10: 3570100707
- ISBN-13: 9783570100707
Rezension zu „Die Feigheit der Frauen “
"Ein Paukenschlag!"
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