Die Erben des Medicus
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Aber nicht nur Markus kämpft mit Problemen, vor denen er vergeblich zu fliehen sucht. Auch seine Tochter Sarah steht vor der schwierigsten Entscheidung ihres Lebens - und braucht die Hilfe von Roberta, der Frau, die ihr den Vater wegzunehmen droht.
Noah Gordon (geboren 1926 in Massachusetts) war Journalist, bevor ihm mit ''Der Medikus'' der grosse Durchbruch als Schriftsteller gelang.
Packende Geschichte über die Grenzen der Medizin.
Publishers Weekly
DieErben des Medicus von Noah Gordon
LESEPROBEEine Unterredung
R.J. wachte auf. Ihr Leben lang würde sie immer wieder mitten in der Nacht dieAugen aufschlagen und mit der beklemmenden Gewissheit in die Dunkelheitstarren, noch eine überarbeitete Assistenzärztin am Lemuel Grace Hospital inBoston zu sein, die sich während einer Sechsunddreissig-Stunden-Schicht in einemleeren Krankenzimmer ein kurzes Nickerchen erschlichen hat. Sie gähnte,während die Gegenwart in ihr Bewusstsein sickerte und ihr zu ihrer grossenErleichterung dämmerte, dass die Assistenzzeit schon Jahre zurücklag. Aber sieverschloss sich vor der Wirklichkeit, denn die Leuchtzeiger ihres Weckers sagtenihr, dass sie noch zwei Stunden liegenbleiben durfte, und in dieser längstvergangenen Assistenzzeit hatte sie gelernt, jede Minute Schlaf zu nutzen.
ZweiStunden später wurde sie, bei grauer Morgendämmerung und diesmal ohneSchrecken, wieder wach und schaltete den Wecker aus. Sie wachte immer auf, kurzbevor er klingelte, trotzdem stellte sie ihn regelmässig am Abend zuvor, füralle Fälle. Aus dem Massageduschkopf trommelte ihr das Wasser fast schmerzhaftauf den Schädel, was so belebend war wie eine zusätzliche Stunde Schlaf. DieSeife glitt über einen Körper, der ein wenig fülliger war, als sie es fürerstrebenswert hielt, und sie wünschte sich, sie hätte Zeit zum Joggen, dochdie hatte sie nicht.
Währendsie sich die halblangen schwarzen, noch immer dichten und kräftigen Haarefönte, begutachtete sie ihr Gesicht. Ihre Haut war glatt und rein, die Naseschmal und etwas lang, der Mund gross und voll. Sinnlich? Gross, voll und seitlangem ungeküsst. Sie hatte Ringe unter den Augen.
»Also,was willst du, R. J.?« fragte sie barsch die Frau im Spiegel.
TomKendricks auf jeden Fall nicht mehr, sagte sie sich. Da war sie ganz sicher.
Wassie anziehen wollte, hatte sie sich schon vor dem Zubettgehen überlegt, unddie Sachen hingen nun an der einen Seite des Schranks: eine Bluse und einemassgeschneiderte Bundfaltenhose, darunter standen attraktive, aber bequemeSchuhe. Vom Gang aus sah sie durch die offene Tür zu Toms Schlafzimmer, dassder Anzug, den er tags zuvor getragen hatte, noch immer am Boden lag, wie erihn am Abend hingeworfen hatte. Er war früher aufgestanden als sie und hattedas Haus schon lange verlassen, denn er musste bereits um sechs Uhr fünfundvierzigmit desinfizierten Händen im Operationssaal sein.
Untengoss sie sich ein Glas Orangensaft ein und zwang sich, es langsam zu trinken.Dann zog sie ihren Mantel an, nahm ihre Aktentasche und ging durch dieunbenutzte Küche zur Garage. Der kleine rote BMW war ihre Schwäche, so, wie dasherrschaftliche alte Haus die von Tom war. Sie mochte das Schnurren des Motorsund die reaktionsfreudige Präzision des Lenkrads.
Währendder Nacht hatte es leicht geschneit, aber die Raumkolonnen von Cambridgehatten gute Arbeit geleistet, und nachdem sie den Harvard Square und den JFKBoulevard passiert hatte, kam sie problemlos vorwärts. Sie schaltete das Radioan und hörte Mozart, während sie sich von der Flut des Verkehrs den MemorialDrive hinuntertreiben liess, dann überquerte sie auf der University Bridge denCharles River zur Bostoner Seite.
Trotzder frühen Morgenstunde war der Personalparkplatz des Krankenhauses schon fastvoll besetzt. Sie stellte den BMW neben einer Wand ab, um das Risiko einerBeschädigung durch die nachlässig geöffnete Tür eines Nachbarn zu verringern,und betrat mit raschen Schritten das Gebäude.
DerWachmann nickte. »Mor'n, Dokta Cole!«
»Hallo,Louie!«
ImAufzug grüsste sie einige Leute. Im dritten Stock stieg sie aus und ging schnellzu Zimmer 308. Wenn sie morgens zur Arbeit kam, war sie immer sehr hungrig.Sie und Tom assen höchst selten mittags oder abends zu Hause, und gefrühstücktwurde nie; der Kühlschrank war leer bis auf Saft, Bier und Limonade. Vier Jahrelang war R. J. jeden Morgen in die überfüllte Cafeteria gegangen, aber dannwar Tessa Martula ihre Sekretärin geworden und hatte darauf bestanden, für R.J. das zu tun, was sie für einen Mann mit Sicherheit nie getan hätte.
»Ichgehe mir ohnedies meinen Kaffee holen, da wäre es doch unsinnig, wenn ich Ihnenkeinen mitbringe!« hatte Tessa gesagt. So zog R. j. jetzt nur einen frischenweissen Mantel an und begann sofort, die Krankengeschichten zu lesen, die aufihrem Schreibtisch lagen. Sieben Minuten später wurde sie dafür belohnt mitdem Anblick Tessas, die ihr auf einem Tablett ein getoastetes Brötchen mitFrischkäse und starken schwarzen Kaffee brachte.
Währendsie ihr Frühstück verdrückte, kam Tessa mit dem Terminkalender zu ihr, und siegingen ihn gemeinsam durch. »Dr. Ringgold hat angerufen. Er will Sie sehen,bevor Sie mit der Arbeit anfangen.«
Dermedizinische Direktor hatte ein Eckbüro im vierten Stock. »Gehen Sie gleichdurch, Dr. Cole! Er erwartet Sie«, sagte seine Sekretärin.
Dr.Sidney Ringgold nickte, als sie eintrat, deutete auf einen Stuhl und schlossdann die Tür.
»MaxRoseman hatte gestern während der Konferenz über Infektionskrankheiten an derColumbia einen Schlaganfall. Er liegt im New York Hospital.«
»Ach,Sidney, der arme Max! Wie geht es ihm?«
Erzuckte die Achseln. »Er wird's überleben, aber es könnte ihm bessergehen.Zunächst einmal Lähmung und Gefühlsstörung in der kontralateralen Gesichtshälfte,im Arm und im Bein. Wir werden sehen, was die nächsten Stunden bringen. Jim Jefferswar eben so freundlich, mich aus New York anzurufen. Er meinte, er werde michauf dem laufenden halten, aber es wird wohl lange dauern, bis Max wieder zumDienst kommt. Und offen gesagt, bei seinem Alter bezweifle ich, ob er je wiederzurückkommt.
Plötzlichhellhörig geworden, nickte R. J. Max Roseman war stellvertretendermedizinischer Direktor.
»Jemandwie Sie, eine gute Ärztin mit diesem juristischen Hintergrund, würde als Max'Nachfolgerin dem Fachbereich neue Dimensionen eröffnen.«
Siehatte nicht den Ehrgeiz, stellvertretender Direktor zu werden, war das doch einPosten, der trotz grosser Verantwortung nur begrenzte Macht bot.
Eswar, als hätte Sidney Ringgold ihre Gedanken gelesen. »In drei Jahren bin ichfünfundsechzig, dann schicken sie mich in Pension. Der stellvertretendemedizinische Direktor wird bei der Nachfolge gegenüber allen anderen Kandidateneinen enormen Vorteil haben.«
»Sidney,bieten Sie mir den Posten an?«
»Nein,das tue ich nicht, R. J. Ich werde noch mit einigen anderen über die Stellereden. Aber Sie wären eine aussichtsreiche Kandidatin.
R.J. nickte. »Das ist fair. Danke, dass Sie es mir gesagt haben.« Sein Blick hieltsie in ihrem Stuhl fest. »Noch etwas anderes«, sagte er. »Ich trage mich schonlange mit dem Gedanken, dass wir einen Publikationsausschuss haben sollten, derunsere Ärzte ermutigt, mehr zu schreiben und zu publizieren. Ich hätte es gern,wenn Sie ihn einrichten und den Vorsitz führen würden.«
Sieschüttelte den Kopf. »Ich kann wirklich nicht«, erwiderte sie bestimmt. »Ichmuss jetzt schon kämpfen, um mit all meinen Terminen zurechtzukommen.« Esstimmte; und er müsste das eigentlich wissen, dachte sie leicht verstimmt.Montags, dienstags, mittwochs und freitags kümmerte sie sich um ihre Patientenhier im Krankenhaus. Dienstag vormittags hielt sie im Massachusetts College aufder anderen Strassenseite einen zweistündigen Kurs über die Vermeidungiatrogener Leiden, also Krankheiten oder Verletzungen, die von einem Arzt oderim Krankenhaus verursacht werden. Mittwoch nachmittags hielt sie an der MedicalSchool eine Vorlesung über die Vermeidung von und das Verhalten beiKunstfehlerprozessen. Donnerstags führte sie an der Family Planning Clinic inJamaica Plain Ersttrimester-Abtreibungen durch. Freitag nachmittags arbeitetesie in der PMS-Clinic, einer Ambulanz zur Behandlung des prämenstruellenSyndroms, die wie der Kurs über iatrogene Leiden auf ihr Drängen hin und gegenden Widerstand einiger konservativerer Kollegen ins Leben gerufen worden war.
Ihrund Sidney war klar, dass sie in seiner Schuld stand. Der medizinische Direktorhatte ihre Projekte und ihre Karriere trotz politischer Opposition gefördert.Anfangs hatte er ihre Aktivitäten mit leichtem Argwohn verfolgt - eineAnwältin, die Ärztin geworden war, Expertin für Krankheiten, die durch Fehlervon Ärzten und in Krankenhäusern verursacht wurden, jemand, der die Arbeit vonKollegen begutachtete und bewertete und diese oft viel Geld kostete. Am Anfanghatten einige Ärzte sie »Doktor Petze« genannt, doch diesen Spitznamen trug siemit Stolz. Der medizinische Direktor hatte beobachtet, wie Dr. Petze sich behaupteteund vorwärtskam und schliesslich zu Dr. Cole wurde, einer Ärztin, die manakzeptierte, weil sie ehrlich und zäh war. Inzwischen waren sowohl ihreVorlesungen als auch ihre Übungen politisch korrekt, ja Einrichtungen vonsolchem Ruf, dass Sidney Ringgold viel Lob für sie einstecken konnte.
»Vielleichtkönnten Sie bei etwas anderem kürzertreten?« Beide wussten, dass er dieDonnerstage in der Family Planning Clinic meinte.
Erbeugte sich vor. »Ich würde mich sehr freuen, wenn Sie das übernehmen würden.«
»Ichwerde gründlich darüber nachdenken, Sidney.«
Diesmalschaffte sie es, vom Stuhl aufzustehen. Auf dem Weg hinaus ärgerte sie sichüber sich selbst, weil sie merkte, dass sie schon jetzt überlegte, wer wohl dieanderen auf seiner Kandidatenliste sein könnten.
©Goldmann Verlag
Übersetzung:Klaus Berr
Im Rückblick auf sein Leben sagt Noah Gordon: „Mein Jugendtraum war, Zeitungsmann und Buchautor zu werden, und genauso ist es gekommen.“ Dabei hätte er auf Drängen der Eltern Arzt werden sollen – wegen der finanziellen Sicherheit. Das war im Jahre 1945 in einer jüdischen Familie im Arbeiterviertel von Worcester ein verständlicher Wunsch. Noah aber wechselte nach einem Semester von der Medizin zur Journalistik, ohne die Eltern zu informieren. Im Studium traf er Lorraine, und „die Welt war nicht mehr dieselbe“. Nach dem Examen heirateten Noah und Lorraine und wohnten in Brooklyn, New York, „wie die Dichter in Paris“ in einer Dachkammer.
Nach der Geburt des ersten Kindes zogen sie nach Massachusetts. Wie schon in New York arbeitete Noah bei verschiedenen Zeitungen und brachte es durch ständige Weiterbildung zum Wissenschaftsredakteur beim Boston Herald. Er gab eine medizinische Zeitung heraus, verfasste wissenschaftliche Beiträge und Kurzgeschichten für andere Journale und träumte immer davon, einen Roman zu schreiben. Als der Buchentwurf von „Der Rabbi“ von einem Verlag angenommen wurde, überwältigten ihn Freude und Schrecken zugleich. Er würde ein Jahr lang von wenig Geld leben müssen, hatte aber inzwischen drei Kinder zu versorgen. Gemeinsam schafften sie es, und „Lorraine bewies, dass sie die Frau eines Schriftstellers ist“, wie Gordon später sagte. „Der Rabbi“ wurde ein großer Erfolg, weitere Romane folgten.
„Der Schamane“ nimmt die Lebensgeschichten der Coles 800 Jahre später auf und begleitet zwei Nachfahren, die als Ärzte „mit heilenden Händen“ in gefährliche Intrigen geraten. Ein ganz anderer Roman, „Der Katalane“, entführt die Leser ins Spanien des 19. Jahrhunderts. Josep Alvarez will die in Frankreich erlernte Winzerkunst in seiner Heimat einführen. Ein steiniger Weg steht im bevor…
Noah Gordon, inzwischen über 80 Jahre alt, wohnt mit seiner Frau wieder in Boston und hat versprochen, weiter zu schreiben. Die Leser wünschen es ihm und sich.
- Autor: Noah Gordon
- 2005, 414 Seiten, Masse: 12,4 x 18,3 cm, Taschenbuch, Deutsch
- Aus d. Amerikan. v. Klaus Berr
- Übersetzer: Klaus Berr
- Verlag: Goldmann
- ISBN-10: 344245929X
- ISBN-13: 9783442459292
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