Die Begnadigung
Der Wallstreetbroker Joel Backman wird zum Spielball internationaler Geheimdienste: Auf dem Höhepunkt seiner Macht hatte er brisante Details über ein Satellitenüberwachungssystem gesammelt - Informationen, die nicht nur die CIA brennend interessieren....
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Der Wallstreetbroker Joel Backman wird zum Spielball internationaler Geheimdienste: Auf dem Höhepunkt seiner Macht hatte er brisante Details über ein Satellitenüberwachungssystem gesammelt - Informationen, die nicht nur die CIA brennend interessieren.
Eine brisante Geschichte aus dem Zentrum der Macht, die nicht vom Weissen Haus, sondern von einem unkontrollierbaren Staat im Staate ausgeht.
Meisterhaft satirischer Polit-Thriller Marke ''Grisham''!
''Eine brisante Geschichte aus den innersten Zirkeln der Macht.''
Focus
Die letzte Amtshandlung des Präsidenten der Vereinigten Staaten ist die Begnadigung eines berüchtigten Wirtschaftskriminellen. Joel Backman war bis zu seiner Verurteilung einer der skrupellosesten Lobbyisten in Washington. Niemand weiss, dass die umstrittene Entscheidung des Präsidenten erst auf grossen Druck der CIA zustande kam. Eine brisante Geschichte aus dem Zentrum der Macht, die nicht vom Weissen Haus, sondern von einem unkontrollierbaren Staat im Staate ausgeht.
Die Begnadigung von John Grisham
LESEPROBE
Während der letzten Stunden seiner Präsidentschaft - die bei denHistorikern weniger Interesse erregen würde als irgendeine andere seit der vonWilliam Henry Harrison (einunddreissig Tage von der Amtseinführung bis zum Tod)- sass Arthur Morgan mit dem einzigen ihm verbliebenen Freund im Oval Office unddachte über die noch anstehenden Entscheidungen nach. Er hatte den Eindruck, inseiner vierjährigen Amtszeit alles verpfuscht zu haben, und war wenigzuversichtlich, daran in letzter Minute noch etwas ändern zu können. Der Freundteilte seine Zweifel, doch er verhielt sich wie immer - wenn er überhaupt denMund aufmachte, sagte er nur, was der Präsident zu hören wünschte.
Es ging um Straferlasse und Begnadigungen - verzweifelte Gesuchevon Dieben, Betrügern und Lügnern, von denen einige noch im Gefängnis waren.Andere hatten nie hinter Gittern gesessen, waren aber erpicht darauf, ihrenguten Namen von jeglichem Makel zu reinigen und ihre innig geliebtenstaatsbürgerlichen Rechte wieder zuerkannt zu bekommen. Alle behaupteten, siewären Freunde oder Freunde von Freunden oder besonders fanatische Anhänger. Nunwar es fünf Minuten vor zwölf, doch bisher hatten nur wenige von ihnenGelegenheit gefunden, ihre Unterstützung auch öffentlich zu bekunden. Es warschon deprimierend. Nach vier turbulenten Jahren, in denen Morgan derwichtigste Politiker der freien Welt gewesen war, schrumpfte alles auf einenerbärmlichen Stapel Papiere zusammen - auf die Gnadengesuche eines Haufens vonGaunern. Welchen Dieben sollte man Gelegenheit geben, erneut zu stehlen? Daswaren die weltbewegenden Fragen, die Morgan in den letzten Stunden seinerAmtszeit beschäftigten.
Der letzte Getreue, ein alter Kumpel aus der Studentenverbindung,hiess Critz. Während ihrer gemeinsamen Zeit an der Cornell-Universität warMorgan Vorsitzender der Studentenvertretung geworden, weil Critz die Wahlurnenmit gefälschten Stimmzetteln voll gestopft hatte. In den vergangenen vierJahren hatte Critz mehrere Posten bekleidet. Er war Pressesekretär, Stabschef, nationalerSicherheitsberater und schliesslich sogar Aussenminister gewesen - Letzteresallerdings nur für drei Monate, weil er durch seine eigenwillige Vorstellungvon Diplomatie fast den Dritten Weltkrieg ausgelöst hätte und schleunigstabberufen werden musste. Seinen letzten Job hatte er im vergangenen Oktoberübernommen, in der hektischen Schlussphase des Wahlkampfs, von dem Morgan sichdie Bestätigung im Amt versprochen hatte. Als die Meinungsumfragen zeigten,dass der Präsident in mindestens vierzig Bundesstaaten weit abgeschlagen hinterseinem Konkurrenten lag, hatte Critz die Wahlkampfleitung an sich gerissen. Erhatte es geschafft, mit Ausnahme von Alaska auch noch den Rest des Landes zuvergraulen.
Es war eine historische Wahl gewesen. Nie zuvor hatte einamtierender Präsident so wenige Wahlmännerstimmen erhalten - ganze drei, umgenau zu sein. Sie kamen aus Alaska, dem einzigen Bundesstaat, dem Morgan aufCritz' Anraten keinen persönlichen Besuch abgestattet hatte.Fünfhundertfünfunddreissig Stimmen für den Herausforderer, drei für denAmtsinhaber. Das Wort "Erdrutschsieg" charakterisierte das Ausmass desDebakels nicht einmal ansatzweise.
Als die Stimmen ausgezählt waren, folgte der Herausfordererzweifelhaften Ratschlägen und beschloss, das Ergebnis aus Alaska anzufechten.Warum nicht alle fünfhundertachtunddreissig Wahlmännerstimmen einsacken?, hatteer sich gefragt. Nie wieder würde ein Präsidentschaftskandidat die Chancebekommen, seinen Gegner zu null zu schlagen, ihm die ultimative Niederlage zuzufügen.Sechs Wochen lang wurde in Alaska erbittert prozessiert, und der Präsidentmusste noch mehr leiden. Als der Oberste Gerichtshof ihm die dreiWahlmännerstimmen des Bundesstaates schliesslich offiziell zuerkannte, köpftener und Critz in aller Stille eine Flasche Champagner.
Obwohl ihm das amtliche Endergebnis nur eine hauchdünne Mehrheitvon siebzehn Stimmen attestierte, war Präsident Morgan seitdem geradezuvernarrt in Alaska.
Er hätte mehr Bundesstaaten keinen Besuch abstatten sollen.
Selbst in seiner Heimat Delaware, wo ihm das einst so weiseStimmvolk acht wundervolle Jahre als Gouverneur beschert hatte, war er alsVerlierer aus der Wahl hervorgegangen. So wie Morgan Alaska ignoriert hatte,ignorierte sein Gegner Delaware - keine erwähnenswerte Kampagne, keineFernsehspots, nicht eine einzige Rede. Und trotzdem hatte er zweiundfünfzigProzent der Stimmen eingefahren!
Critz sass in einem weich gepolsterten Ledersessel, bewaffnet miteinem Notizblock mit einer langen Namensliste, die abgearbeitet werden musste.Er schaute zu, wie der deprimierte und gedemütigte Präsident langsam von einemFenster zum anderen wanderte, in die Finsternis spähte und darüber sinnierte,was aus seiner Amtszeit hätte werden können. Morgan war achtundfünfzig, hattesein Leben aber schon hinter sich - seine Karriere war beendet, seine Ehezerrüttet. Mrs Morgan war bereits nach Wilmington zurückgekehrt und amüsiertesich öffentlich über Morgans Idee, in ein Holzhaus in Alaska zu ziehen.Insgeheim bezweifelte Critz, dass es seinem Freund gefallen würde, sich für denRest seiner Tage als Jäger und Angler zu betätigen, aber die Aussicht, MrsMorgan dreitausend Kilometer entfernt zu wissen, musste sehr verlockend sein.Unter Umständen hätten sie in Nebraska gewinnen können, wenn die First Lady eindortiges Footballteam nicht "Sooners" genannt hätte - der Spitznamefür die Einwohner von Oklahoma
Die Nebraska Sooners!
Morgans Umfrageergebnisse gingen in Nebraska und Oklahoma überNacht dermassen in den Keller, dass er sich von dem Absturz nicht erholte.
In Texas hatte sie von einem nach einem preisgekrönten Rezeptzubereiteten Chili probiert und sich anschliessend übergeben. Auf dem Weg zumKrankenwagen hatte ein Mikrofon ihre mittlerweile legendären Worte übertragen:"Wie können diese Hinterwäldler nur so einen Frass essen?"
Nebraska hatte fünf Wahlmännerstimmen, Texas vierunddreissig. DenFauxpas mit dem Footballteam hätten sie noch wegstecken können, doch einKandidat, dessen Frau sich so despektierlich über texanisches Chili äusserte,war chancenlos.
Was für ein Wahlkampf! Critz war versucht, ein Buch darüber zuschreiben. Irgendjemand musste den Weg in die Katastrophe dokumentieren.
Eine fast vierzigjährige Partnerschaft neigte sich ihrem Ende zu.Zweihunderttausend Dollar Jahresgehalt hatten Critz bewogen, einen Job beieinem Unternehmen aus der Rüstungsindustrie anzunehmen. Ausserdem wollte er sichals Vortragsreisender betätigen - falls sich Veranstalter fanden, die dummgenug waren, die von ihm geforderten fünfzigtausend Dollar pro Rede zubezahlen. Er hatte sein Leben dem Dienst an der Öffentlichkeit gewidmet, dochauch er wurde nicht jünger und war ausserdem pleite. Er musste Geld verdienen,und zwar schnell.
Der Präsident hatte sein stattliches Haus in Georgetown mitriesigem Gewinn verkauft und eine kleine Ranch in Alaska erstanden, wo dieMenschen ihn offenbar bewunderten. Er hatte vor, den Rest seiner Tage dort zuverbringen und sich dem Jagen und Angeln zu widmen. Vielleicht würde er seineMemoiren schreiben. Was immer er tun würde, die Politik und Washington gehörtendefinitiv der Vergangenheit an. Er würde nicht den Elder Statesman oder denRatgeber seiner Partei spielen, der die weise Stimme der Erfahrung sprechenliess. Keine Abschiedsvorstellungen, keine Parteitagsreden, keine Vorlesungenvor Studenten der Politologie. Keine Präsidentenbibliothek. Die Stimme desVolkes hatte sich laut und überdeutlich Gehör verschafft. Wenn sie ihn nichtwollten, würde er zweifellos auch ohne sie auskommen.
"Wir müssen entscheiden, was mit Cuccinello passierensoll", sagte Critz.
Der Präsident starrte weiter aus einem Fenster in die Finsternis,noch immer in Gedanken an Delaware versunken. "Mit wem?"
"Mit Figgy Cuccinello, diesem Filmregisseur. Wurde wegen Sexmit einem minderjährigen Starlet verurteilt."
"Wie jung war sie?"
"Fünfzehn, glaube ich."
"Ziemlich jung."
"Ja. Er ist nach Argentinien geflohen, wo er mittlerweileseit zehn Jahren lebt. Jetzt hat er Heimweh. Er will zurückkommen und weiteregrauenhafte Filme drehen. Angeblich ruft ihn die Kunst in die Heimatzurück."
"Oder die jungen Mädchen."
"Die auch."
"Es wäre mir egal, wenn sie siebzehn gewesen wäre, aberfünfzehn ist zu jung."
"Er hat sein Angebot auf fünf Millionen erhöht."
Der Präsident drehte sich um und schaute Critz an. "Er bietetfünf Millionen für einen Straferlass?"
"Ja, und er muss schnell Bescheid wissen. Das Geld musstelegrafisch aus der Schweiz überwiesen werden. Da drüben ist es jetzt drei Uhrmorgens."
"Wohin würde er es überweisen?"
"Wir haben Offshore-Konten. Ist kein Problem."
"Wie würde die Presse reagieren?"
"Ziemlich eklig."
"Journalisten sind immer eklig."
"Diesmal würden sie besonders eklig werden."
"Eigentlich ist mir die Presse egal", sagte Morgan.
Warum fragst du dann?, hätte Critz am liebsten entgegnet.
"Könnte die Herkunft des Geldes zurückverfolgt werden?",fragte Morgan, während er sich wieder zum Fenster umdrehte.
"Nein."
Der Präsident kratzte sich mit der rechten Hand am Nacken, wie eres bei schwierigen Entscheidungen immer tat. Einmal, als er fast einenAtomschlag gegen Nordkorea angeordnet hätte, hatte er sich so lange gekratzt,bis Blut auf den Kragen seines weissen Hemdes getropft war. "Meine Antwortlautet nein", sagte er. "Fünfzehn ist zu jung."
Die Tür öffnete sich, ohne dass angeklopft worden wäre, und ArtieMorgan trat ein, der Sohn des Präsidenten. In einer Hand hielte er eine FlascheHeineken, in der anderen ein paar Papiere. "Hab gerade mit der CIAtelefoniert", sagte er beiläufig. Er trug zerschlissene Jeans und keineSocken. "Maynard ist auf dem Weg hierher." Nachdem er die Papiere aufden Schreibtisch geworfen hatte, verliess er den Raum, wobei er die Türgeräuschvoll ins Schloss warf.
Artie würde die fünf Millionen ohne jedes Zögern annehmen,unabhängig vom Alter des Mädchens, dachte Critz. Für ihn war fünfzehn mitSicherheit nicht zu jung. Vielleicht hätten sie in Kansas gewinnen können, wennArtie nicht in einem Motel in Topeka mit drei Cheerleaders geschnappt wordenwäre, von denen die älteste siebzehn gewesen war. Der Staatsanwalt liess dieAnklage schliesslich fallen - drei Tage nach der Wahl, und nachdem die Mädchenbeeidete Erklärungen unterschrieben hatten, denen zufolge sie nie Sex mit Artiegehabt hatten. Viel hatte nicht gefehlt, tatsächlich nur ein paar Sekunden -dann hatte die Mutter eines der Mädchen an die Tür geklopft und eine Orgievereitelt.
Der Präsident setzte sich in seinen mit Leder bezogenenSchaukelstuhl und tat so, als würde er ein paar unwichtige Unterlagendurchblättern. "Gibt es Neuigkeiten im Fall Backman?", fragte er.
In seinen achtzehn Jahren als Direktor der CIA war Teddy Maynardkeine zehn Mal im Weissen Haus gewesen - nie zum Dinner (er liess sich stets ausgesundheitlichen Gründen entschuldigen) und kein einziges Mal, um einem ausländischenSpitzenpolitiker die Hand zu schütteln (nichts hätte ihm gleichgültiger seinkönnen). Als er noch laufen konnte, schaute er gelegentlich vorbei, um mit demjeweiligen Präsidenten oder einem oder zwei seiner Kabinettsmitglieder zuplaudern. Doch seit er im Rollstuhl sass, beschränkte sich seine Kommunikationmit dem Weissen Haus auf Telefonate. Zweimal wurde ein Vizepräsident für einTreffen mit Mr Maynard zum Hauptquartier der CIA nach Langley chauffiert.
Das einzig Positive an dem Rollstuhl war, dass er einenwundervollen Vorwand bot, alle missliebigen Termine abzusagen und nur noch daszu tun, was einem gefiel. Ohnehin hatte niemand Interesse daran, einen greisenKrüppel durch die Gegend zu schieben.
Mittlerweile war Maynard seit fast fünfzig Jahren Geheimdienstler,und er genoss das Privileg, nicht mehr über die Schulter blicken zu müssen,wenn er sehen wollte, was sich hinter ihm abspielte. Er liess sich in einemunauffälligen weissen Transporter durch die Gegend kutschieren - kugelsicheresGlas, gepanzerte Wände, zwei schwer bewaffnete Männer hinter dem schwerbewaffneten Fahrer -, und sein Rollstuhl war direkt vor der Hintertürrutschsicher am Boden befestigt, sodass er den Verkehr hinter ihnen beobachtenkonnte, ohne selbst gesehen zu werden. In einer gewissen Entfernung folgtenzwei weitere Transporter, und falls jemand auf die unglückselige Idee kommensollte, in die Nähe des CIA-Direktors gelangen zu wollen, wäre ihm sofortEinhalt geboten worden. Nicht dass jemand mit einem solchen Zwischenfallgerechnet hätte. Ein Grossteil der internationalen Öffentlichkeit glaubte, TeddyMaynard wäre tot oder in einem jener unauffälligen Altersheime, wo greiseSpione ihrem Ende entgegendämmerten.
Und so war es ihm auch am liebsten.
Er war in eine dicke graue Decke gehüllt und wurde von Hobybegleitet, seinem treuen Berater. Während der Wagen mit neunzigStundenkilometern über den Beltway fuhr, schlürfte Maynard grünen Tee, den Hobyihm aus einer Thermoskanne eingeschenkt hatte, und beobachtete die Autos hinterihnen. Hoby sass auf einem speziell für ihn angefertigten Lederstuhl neben ihm.
"Wo ist Backman im Augenblick?", fragte Maynard nacheinem weiteren Schluck Tee.
"In seiner Zelle", antwortete Hoby.
"Und unsere Leute sind beim Gefängnisdirektor?"
"Sie warten in seinem Büro."
Maynard führte den Pappbecher vorsichtig mit beiden Händen an dieLippen. Seine Hände wirkten gebrechlich, hatten die Farbe von Magermilch, unddie Adern traten stark hervor. Es schien, als wären sie bereits abgestorben undwarteten geduldig darauf, dass auch aus dem Rest seines Körpers das Leben wich."Wie lange werden wir brauchen, um ihn ausser Landes zu schaffen?"
"Etwa vier Stunden."
"Ist alles vorbereitet?"
"Bis ins letzte Detail. Wir warten nur noch auf grünesLicht."
"Hoffentlich sieht der Trottel die Dinge genauso wieich."
Der Trottel und Critz starrten die Wände des Oval Office an, unddas schwer lastende Schweigen wurde nur gelegentlich durch eine Bemerkung überJoel Backman gebrochen. Sie mussten über irgendetwas reden, weil keiner derbeiden die Absicht hatte, jenes Thema anzuschneiden, das sie wirklichbeschäftigte.
Kann das wahr sein?
Ist das jetzt das Ende?
Vierzig Jahre. Von der Cornell-Universität bis ins Oval Office.Nun kam das Ende so plötzlich, dass keiner der beiden genügend Zeit gehabthatte, sich angemessen darauf vorzubereiten. Sie hatten damit gerechnet,weitere vier Jahre im Amt zu bleiben. Vier ruhmreiche Jahre, in denen siesorgfältig an ihrem politischen Vermächtnis gearbeitet hätten, bevor sie wie imWestern heldenhaft in den Sonnenuntergang entschwunden wären.
Obwohl es schon später Abend war, schien es vor dem Fenster, dasauf den Rosengarten ging, noch finsterer zu werden. Der Countdown lief, und sieglaubten, die Uhr über dem Kamin leise ticken zu hören.
"Wie wird die Presse reagieren, wenn ich Backmanbegnadige?", fragte der Präsident nicht zum ersten Mal.
"Sie wird verrückt spielen."
"Könnte lustig werden."
"Du wirst ja nicht mehr hier sein."
"Stimmt." Nach der Machtübergabe, die für den Mittag desnächsten Tages angesetzt war, hatte der Präsident vor, Washington fluchtartigzu verlassen. Er würde mit einem Privatjet (der einem Ölunternehmen gehörte)nach Barbados fliegen und dort einige Zeit in der Villa eines Freundesverbringen. Morgan hatte angeordnet, alle Fernseher wegzuschaffen, sämtlicheZeitungen und Illustrierten abzubestellen und alle Telefonkabel aus der Wand zuziehen. Für mindestens einen Monat würde er jeden Kontakt zur Aussenwelt meiden.Auch den zu Critz und besonders den zu Mrs Morgan. Selbst wenn Washingtonbrannte, ihm würde es egal sein. Tatsächlich hoffte er insgeheim, dass es sokommen möge.
Von Barbados aus würde er dann nach Alaska fliegen, wo er die Weltauf seiner Ranch weiterhin ignorieren und auf den Frühling warten würde.
"Sollen wir ihn begnadigen?", fragte der Präsident.
"Vermutlich schon", antwortete Critz.
Wenn vermeintlich unpopuläre Entscheidungen anstanden, sagte derPräsident immer "wir", in unkomplizierten Fällen "ich".Benötigte er Hilfe - und jemanden, dem er den schwarzen Peter zuschieben konnte-, liess er Critz an der Entscheidungsfindung teilhaben.
Vierzig Jahre lang hatte Critz den Sündenbock gespielt, undmittlerweile war er es leid. "Es ist gut möglich, dass wir jetzt nichthier sitzen würden, wenn es Joel Backman nicht gegeben hätte", bemerkte erschliesslich.
"Da könntest du Recht haben", erwiderte Morgan, derstets geglaubt hatte, sein Amt seinem brillanten Wahlkampf, seinercharismatischen Persönlichkeit, seiner Sachkompetenz und seiner klaren Visionhinsichtlich der Zukunft Amerikas zu verdanken. Dass er jetzt zugab, JoelBackman etwas zu verdanken, hatte fast etwas Schockierendes an sich.
Aber Critz war schon zu abgestumpft und müde, um sich nochschockieren zu lassen.
Vor sechs Jahren hatte der Backman-Skandal einen Grossteil derHauptstadt erschüttert und schliesslich auch das Weisse Haus erreicht. Die dunkleWolke über dem Haupt eines populären Präsidenten wollte sich nicht mehrverziehen, und dadurch war Arthur Morgan der Weg ins Oval Office geebnetworden.
Jetzt, wo er es verlassen musste, fand er Gefallen an derVorstellung, sich mit einer Ohrfeige vom Washingtoner Establishment zuverabschieden, das ihm vier Jahre lang die kalte Schulter gezeigt hatte. EineBegnadigung Joel Backmans würde in jedem Bürogebäude in Washington die Wändewackeln und diese Schwätzer von Journalisten förmlich durchdrehen lassen. Ja,die Idee war gut. Während er sich auf Barbados die Sonne auf den Bauch scheinenliesse, würde in Washington das Chaos ausbrechen - Kongressabgeordnete würdenAnhörungen verlangen, Staatsanwälte vor den Kameras posieren und dieunerträglichen Schwafelköpfe der TV-Sender ohne Punkt und Komma reden.
Der Präsident lächelte in die Dunkelheit.
© Verlagsgruppe Random House
Übersetzung: Verlagsbüro Oliver Neumann
- Autor: John Grisham
- 2006, Erstmals im TB, 480 Seiten, Masse: 12 x 18,7 cm, Taschenbuch, Deutsch
- Herausgegeben: Verlagsbüro Oliver Neumann
- Übersetzer: Bea Reiter, Bernhard Liesen, Kristiana Dorn-Ruhl
- Verlag: Heyne
- ISBN-10: 3453431979
- ISBN-13: 9783453431973
- Erscheinungsdatum: 11.08.2006
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