Deutschland, einig Jammerland
Warum uns Nörgeln nach vorne bringt
Mit Jammern zum Erfolg - Sind wir ein einig Jammerland?
- Dieses Buch deckt auf, dass nicht Leistung, sondern Jammern zum Erfolg führt
- Der berühmte Fernsehpsychologe Michael Thiel erklärt die Jammerstrategie der Deutschen
Jammern -...
- Dieses Buch deckt auf, dass nicht Leistung, sondern Jammern zum Erfolg führt
- Der berühmte Fernsehpsychologe Michael Thiel erklärt die Jammerstrategie der Deutschen
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Produktdetails
Produktinformationen zu „Deutschland, einig Jammerland “
Mit Jammern zum Erfolg - Sind wir ein einig Jammerland?
- Dieses Buch deckt auf, dass nicht Leistung, sondern Jammern zum Erfolg führt
- Der berühmte Fernsehpsychologe Michael Thiel erklärt die Jammerstrategie der Deutschen
Jammern - das Geheimrezept des Erfolgs!
In Deutschland jammern nicht nur die Schwachen und Erfolglosen - im Gegenteil: Mit Jammern und Nörgeln kann man es hier weit bringen. Warum das so ist und wie man die Taktiken von Jammerlappen entlarven kann, erklären die beiden Psychologen hautnah.
Annika Lohstroh und Michael Thiel blicken auf humoristische Weise in die deutsche Jammerseele. Mit Augenzwinkern und psychologischem Sachverstand analysieren sie die Nörgeltaktiken in Erziehung, Beziehung, Job, Medien, Wirtschaft und Politik.
Ein psychologisches Survivalbuch für den Umgang mit nörgelnden Berufskollegen, jammernden Ehepartnern, nölenden Jugendlichen und meckernden Nachbarn ... und auch noch ein prima Geschenk für die mosernde Freundin!
- Dieses Buch deckt auf, dass nicht Leistung, sondern Jammern zum Erfolg führt
- Der berühmte Fernsehpsychologe Michael Thiel erklärt die Jammerstrategie der Deutschen
Jammern - das Geheimrezept des Erfolgs!
In Deutschland jammern nicht nur die Schwachen und Erfolglosen - im Gegenteil: Mit Jammern und Nörgeln kann man es hier weit bringen. Warum das so ist und wie man die Taktiken von Jammerlappen entlarven kann, erklären die beiden Psychologen hautnah.
Annika Lohstroh und Michael Thiel blicken auf humoristische Weise in die deutsche Jammerseele. Mit Augenzwinkern und psychologischem Sachverstand analysieren sie die Nörgeltaktiken in Erziehung, Beziehung, Job, Medien, Wirtschaft und Politik.
Ein psychologisches Survivalbuch für den Umgang mit nörgelnden Berufskollegen, jammernden Ehepartnern, nölenden Jugendlichen und meckernden Nachbarn ... und auch noch ein prima Geschenk für die mosernde Freundin!
Klappentext zu „Deutschland, einig Jammerland “
Mit Jammern zum Erfolg Sind wir ein einig Jammerland?- Dieses Buch deckt auf, dass nicht Leistung, sondern Jammern zum Erfolg führt
- Der berühmte Fernsehpsychologe Michael Thiel erklärt die Jammerstrategie der Deutschen
Im Alltag fällt immer wieder eines auf und das zunehmend: Es wird gejammert. Bei jeder Gelegenheit und über alles. Deutschland ist also scheinbar das Land, in dem die Historie, der deutsche Charakter und verschiedene Ideologien dazu geführt haben, dass viel und allerorts gejammert wird. Oder nicht? Sind wir ein einig Jammerland?
Interessanterweise führt aber dieses Jammern nicht zur Erfolglosigkeit. Nein, im Gegenteil: Mit Jammern und Nörgeln scheint man viel weiter zu kommen! Das Buch nähert sich diesem Phänomen auf psychologischer Ebene. Was sind die Grundlagen des Jammerns und was kann und soll damit erreicht werden?
Lese-Probe zu „Deutschland, einig Jammerland “
Deutschland, einig Jammerland von Annika Lohstroh und Michael ThielVORWORT
... mehr
Ein psychologisches Buch übers Jammern?
»Gute Idee! In Deutschland wird nämlich ständig gejammert!«, so die überraschend einstimmige Reaktion unserer Kollegen, Freunde und Familie.
Nachdem die Idee erst einmal geboren war, stellten wir verblüfft fest, dass jeder, dem wir von unserem Vorhaben erzählten, im Geiste nickte und prompt mindestens eine grad erlebte Jammerepisode in petto hatte. Und von was für lustigen Jammereien wir hörten - scheinbar gibt's nichts, über das wir Deutschen nicht mit Lust und Laune jammern können! Uns hatte genau dies zunehmend genervt. Bei jedem Telefonat, jedem Einkauf, jeder Sporteinheit und jedem Polit-Talk hatten wir das Gefühl, noch eine extra Portion Jammerei mit auf den Weg zu bekommen.
Inzwischen haben wir folgenden absolut subjektiven Eindruck: Millionen von Jammerern sorgen dafür, dass ihr Gestöhne Deutschland durchwabert wie ein permanentes Hintergrundgeräusch. Es dringt wie feiner Feenstaub in jede Ritze, jede Ecke unseres Lebens: in den Beruf, in die Beziehung, in die Nachbarschaft, unter Freunde, in die Politik, in die Medien.
Ein einig Jammerland.
Dieses Jammern klingt wie ein dauerhafter Soundtrack, der unser aller Alltag begleitet: Jammern, Meckern, Stöhnen, Klagen, Nöckern. Sie wissen schon: dieses halblaute Genöle auf gleich bleibender Frequenz, mit dem man Laut gibt, dass etwas oder jemand missfällt. Aber bitte nicht zu laut! Denn mit diesem Gejammer macht man eines auf jeden Fall klar: Mich nervt hier etwas, aber eigentlich will ich selbst gar nichts ändern. Man manipuliert unterschwellig:
Vielleicht könntest Du ...?
Sie sehen, wir sind mittendrin in den psychologischen Erklärungen fürs Jammern.
Doch Achtung Richtungswechsel: Je mehr wir uns damit beschäftigten, umso sicherer wurden wir, dass das Interessanteste an der ganzen Jammerei im Grunde der Aspekt ist, dass uns die Jammerei auch nach vorne bringt!
Denn eines ist doch auf den ersten Blick absolut paradox: Wenn wir Deutschen so viel jammern, wieso sind wir nicht erfolglos? Jammern wir etwa ohne Grund? Bekanntermaßen jammern wir wie die Weltmeister, gleichzeitig übertrumpft Deutschland besonders in der Bewältigung unserer Wirtschaftskrise den Rest Europas. Es exportiert wie verrückt, hat einen vergleichsweise robusten Arbeitsmarkt und macht auch im Fußball keine schlechte Figur. Wirtschaftsbosse jammern und doch sind sie weiterhin die Bosse, also machen sie doch etwas richtig, nicht wahr? Politiker jammern und bekommen so ihren Haushalt gebacken. Schräg, oder? Und Kinder nölen durchgehend und bekommen deshalb ihre Markenjeans oder das neue Handy. Gut gemacht!
Also: Jammern und Erfolg - wie passt das denn bloß zusammen?
Wir suchten nach Antworten, durchleuchteten Jammerstrategien und eins steht für uns nun fest: Man kann sehr wohl durch Nörgeln nach oben kommen. Teilweise ist es die Voraussetzung, um überhaupt da zu landen! So manchem Jammerer geht es besser als seinen genervten Jammeropfern, die seine Nölerei ertragen müssen.
Aber wie schaffen die das? Wie kommt man ausgerechnet durch Jammern weiter? Denn offiziell möchte jeder aktiv, optimistisch, anpackend erscheinen. »Jammer nicht so rum!«
Aber Jammern ist viel einfacher, hat keine negativen Konsequenzen und ist so schön energiesparend.
Genau diese Taktiken, diese Zusammenhänge und die gesellschaftlichen Auswirkungen können Sie mit uns gemeinsam in diesem Buch explorieren.
Nicht nur wir Psychologen sollten umdenken.
Als Psychologen, die wir zwei sind, wurden wir dahingehend trainiert, Jammern grundsätzlich als Symptom für Probleme oder Krankheiten zu sehen und bitte schön wegzutherapieren.
Das stimmt so nicht mehr. Jammerer, die Jammern gezielt und taktisch klug einsetzen, sind durchaus stark und erfolgreich.
Warum sollten sie also darauf verzichten?
Ist der, der jammert, womöglich besser dran, als derjenige, der die Klappe hält und alles erträgt?
»Lerne leiden ohne zu klagen!«? Quatsch!
»Jammere laut und penetrant, dann wird Dir geholfen!«
Nicht nur Psychologen werden hoffentlich nach der Lektüre unseres Buches Jammern aus einem anderen Blickwinkel betrachten.
Wir hoffen auf Perspektivenwechsel: Wer jammert, ist oftmals der Gesündere!
Wir wissen jetzt schon, was die Kritiker sagen werden: Ja klar. Psychologen, die das Jammern promoten! Das kann doch nicht sein!
Doch.
Und wenn der eine oder andere sich jetzt auf den Schlips getreten fühlt: prima! Diskutieren Sie ruhig. Vielleicht sehen Sie plötzlich den jammernden Kollegen in völlig neuem Licht, entdecken bis jetzt völlig unbekannte Facetten an unseren Politikern oder packen das nächste Mal doch lieber das Problem selber an und hören mit der Jammerei auf, weil Sie inzwischen Dank dieses Buches die Mechanismen hinter der Jammerfassade verstehen. Oder jammern sich mal so richtig erfrischend den Frust von der Seele.
Darum hier noch die Gebrauchsanweisung für dieses Buch: Erwarten Sie bitte kein reines Sachbuch. Es ist unsere persönliche Bestandsaufnahme. Denn eins wird dieses Buch hoffentlich nicht sein: ein dröger Psychoschinken.
Eher ein Gemütsführer mit humorigem Einschlag durch das menschliche Jammerlabyrinth.
Mit ähnlich leichten Momenten, wie unsere Klienten sie auch in unseren Therapiestunden erfahren -, denn Schmunzeln lockert und macht aufnahmebereit. Auch für schwierige Zusammenhänge.
Jammern ist ein ganz persönliches Thema für uns und deshalb ist dies ein ganz persönliches Buch. Sie lernen uns in vielen Lebensbereichen hautnah kennen, ob Sie wollen oder nicht. Keine Schreiber im Off. Deshalb sprechen wir auch im Buch immer von »wir«. Wir beide schreiben dieses Buch zusammen. Uneingeschränkt und vollkommen demokratisch. Annika sagt, wo 's langgeht und Michael nickt ... Nur wenn wir uns selbst auf den Arm nehmen, einer von uns etwas allein erlebt oder meint, wir uns unterhalten oder beispielsweise einen Patienten haben, den der andere nicht kennt, dann ist von Michael oder Annika die Rede.
Macht ja auch Sinn. Wir sind kein automatisches Doppelpack.
Freuen Sie sich also mit uns auf eine ernsthafte und gleichzeitig durchaus auch humoristische Reise durchs deutsche Jammerland und lassen Sie sich von der Vielfältigkeit des deutschen Nölens inspirieren.
Viel Spaß!
Annika Lohstroh und Michael Thiel
EINFÜHRUNG:
VOM JAMMERN AN SICH
»Ich vertrage keinen Kümmel in der Kümmelsuppe!«
Thomas Bernhard: Immanuel Kant
Es ist kurz vor Weihnachten. Wir sitzen im Café Central in Wien, draußen ist dichtes Schneetreiben. Nenad, der charmante Ober, serviert schwungvoll mit Gans gefüllte Ravioli und Szegediner Krautfleisch vom Schweinswangerl mit Schnittlaucherdäpfeln, dazu ein Viertel Riesling. Zum Dessert folgen zur Melange warmer Milirahmstrudel und eine unglaubliche Weihnachtskugel aus fluffiger Schokolade mit Mohnfüllung.
Der liebe Gott muss ein Wiener sein.
So schön und schmackhaft kann das Leben daherkommen und wir sind uns einig: Eigentlich ist es sehr einfach, glücklich zu sein. Ein paar gefüllte Ravioli, ein Glas Wein - da gibt es nichts zu jammern. Vielleicht ist das aber nur in Wien so?
»Der Deutsche würde bestimmt etwas finden, worüber er noch nöckern könnte!« Michael ist sich ziemlich sicher.
»Nicht nur der!«, sagt Annika. »Ich habe im Nachtzug hierher nach Wien eine sehr nette Psychiaterin aus Schleswig-Holstein kennengelernt, die in Wien praktiziert. Wir haben uns übers Jammern unterhalten. Ihre Meinung: Auch Wiener lieben es zu jammern!«
Also ist Jammern eine internationale Geschichte? Oder dem deutschsprachigen Raum vorbehalten? Kann man nur auf Deutsch richtig jammern?
Und da ist sie, die Idee, sich mit dem Jammern im deutschsprachigen Raum zu beschäftigen.
Am vorangegangenen Abend hatte uns unser Lieblingsschauspieler Michael Mertens im Burgtheater begeistert, der im Stück »Immanuel Kant« von Thomas Bernhard brillierte. Er gab einen nölenden, tyrannischen Kant, dem man nichts recht machen kann. Für uns der Höhepunkt: Er ordert beim Koch eine Kümmelsuppe - aber bitte ohne Kümmel!
»Ich muss den Koch sprechen
Den Chefkoch
Ich vertrage keinen Kümmel
In der Kümmelsuppe
Holen Sie augenblicklich den Koch
Diese Schiffsköche sind hinterhältig
Es gibt nichts Hinterhältigeres
Als die Schiffsköche.«
Thomas Bernhard, der König des schriftstellerischen Grantelns, konnte genau durch dieses extrem auf die Spitze getriebene Jammern der Gesellschaft einen Spiegel vorhalten. Und hier haben wir schon die ersten beiden Beispiele für jemanden, der durch Jammern bekannt ist: sowohl Bernhard selber wie auch Kant im Stück. Letzterer schafft es, durch sein konstantes Gemecker seine gesamte Umgebung in Trab zu halten. Jeder bemüht sich, Kants Wünschen sofort gerecht zu werden, damit er bloß mit dem Jammern aufhört.
Das nervt so, dass man als Zuschauer froh ist, wenn er zum Schluss des Stückes endlich in die Psychiatrie gesperrt wird.
Das Stück hatte uns an die vielen meckernden Menschen erinnert, denen man nichts recht machen kann. Die geradezu unter Jammerinkontinenz leiden und die grundsätzlich alle anderen für ihr Unglück und ihre Unzufriedenheit verantwortlich machen. Aber - genau wie im Stück - letztendlich die Kontrolle haben und andere manipulieren.
Das passte doch genau zu unserem Jammerthema!
Das Wiener Café Central lädt seit jeher zum Philosophieren und tiefsinnigen Sinnieren ein: Leo Trotzki, Arthur Schnitzler, Sigmund Freud oder Hugo von Hofmannsthal.
So ermutigt sinnieren auch wir weiter: Wollen jammernde Menschen vor der Verantwortung für ihr Leben flüchten? Wollen sie bewusst unmündig im kantschen Sinne bleiben, das Selbstdenken und Tun lieber anderen überlassen und eher in Abhängigkeit und Unfreiheit leben, anstatt durchzustarten und ihr Leben in die eigenen Hände zu nehmen? Oder taktieren sie mit der Jammerei, wollen ihre Umgebung manipulieren, sind eigentlich nur »Scheinjammerer«?
Kann man etwa mit Jammern richtig Erfolg haben?
Uns wird ganz blümerant: Haben wir mit dem Thema Jammern ein Fass ohne Boden aufgemacht? Die Büchse der Pandora geöffnet?
Nenad sieht in unsere besorgten Gesichter und fragt, ob wir zufrieden sind oder noch etwas wollen. Einen kleinen Braunen, einen Verlängerten, einen Schnaps zur Verdauung?
Wir verneinen freundlich und gehen etwas grüblerisch in die verschneite Herrengasse hinaus.
Wieso jammert der Mensch überhaupt?
Inzwischen ist Frühsommer. Wir packen seit Tagen - es sieht aus wie vor einer Expedition in die Arktis, was es im Prinzip auch ist - und ziehen mit unserem mobilen Büro für gut zwei Monate nach Norwegen. Genauer gesagt in eine weiße Fischerhütte mit Grasdach direkt am Meer auf Flakstadøya, einer Insel der Lofoten. Nördlich des Polarkreises auf der Höhe Grönlands.
Wir haben die Recherchemäppchen zusammen und nun geht's ans Denken und Schreiben. Kein Fernseher, kein Fax, Internetzugang nur via Handy. Deshalb auch Norwegen, weil man in so einer einsamen Hütte gut denken kann.
Zwischenzeitlich haben wir uns bereits Gedanken gemacht: Wir wollen uns hauptsächlich aufs heutige Deutschland beziehen - das Meiste gilt aber auch für den gesamten deutschsprachigen Raum. Und: Was genau ist Jammern überhaupt? Was verstehen wir darunter?
Inzwischen fassen wir verschiedene Äußerungsformen unter »jammern« zusammen: beklagen, bemängeln, flennen, greinen, jaulen, klagen, kritteln, lamentieren, mäkeln, maulen, maunzen, meckern, mosern, murren, nöckern, nölen, nörgeln, quaken, quengeln, rügen, tadeln und so weiter ...
Allen gemeinsam ist zum einen die Tonlage: nicht zu laut, trotzdem noch hörbar. Gleich bleibend, nicht aufbrausend.
Zum anderen ist es eine Art distanzierter Wortschwall, der anklagt und Schuldzuweisungen zum Inhalt hat. Relativ schwammig, aber allzeit negativ. Dahinter steckt immer ein innerlicher oder äußerlicher Anlass, ein Zustand der Unzufriedenheit und des Nicht-mit-etwas-einverstanden-seins.
Nun kommt der entscheidende Punkt: Jammern beinhaltet keine konstruktive Kritik, keine Vorschläge zum Ändern von Situation oder Zustand, mit der oder dem man nicht konform geht. Es ist, als ob man erwartet, dass jemand anderes aktiv wird und für einen selbst die Kastanien aus dem Feuer holt.
Eine andere Komponente des Jammerns ist die zugrunde liegende Unzufriedenheit. Der Mensch braucht ein Ventil für Wut, Ärger, Frustration. Würde man diese Gefühle nicht rauslassen, dann explodiert oder implodiert man. Das bedeutet, man würde die Aggression nach außen oder gegen sich selbst richten. Jammern fungiert bei diesen Gemütszuständen wie ein Druckabbau.
Jammern passiert aus den verschiedensten Motivationen heraus. Grund ist immer ein Emotionsüberschuss. Von Nölen über die entschwundene SMS bis hin zu Klagen wegen eines Todesfalls - Menschen jammern über Nichtigkeiten ebenso wie über existenziell Einschneidendes.
Das Jammern wirkt auf den ersten Blick wie eine Gefühlsäußerung, interessanterweise verschleiert Jammern aber die wahren Gefühle. Es ist kein Gefühlsausbruch, sondern eher ein Abreagieren mit der Suche nach dem Schuldigen für die eigene Misere woanders als bei sich selbst.
Eine Art Ablenkungsmanöver.
Ein ganz simples Beispiel: Eine Wespe sticht. Ein Gefühlsausbruch würde vielleicht so aussehen: »Aua! Das tut weh! Ich brauche etwas Eis ... Gib mir ein Pflaster!« Dagegen das Jammern: »Immer diese blöden Wespen! Das liegt am Wetter! Und muss hier jemand den Obstkuchen stehen lassen? Wie kann man auch nur bei einer Wespenplage überall die Fenster offen lassen?«
Wir wetten an dieser Stelle, dass Ihnen sofort jemand einfällt, der bevorzugt solche Dinge von sich gibt ...
Jammern beginnt im Kopf
Stellen Sie sich vor, es klingelt an der Tür, draußen steht der Nachbar - und pöbelt Sie ansatzlos an: »Behalten Sie bloß Ihren Hammer, Sie Rüpel!« Ganz großes Fragezeichen.
Was war passiert? Prof. Paul Watzlawick, Psychotherapeut, Philosoph, Kommunikationswissenschaftler und unser 2007 verstorbene Lehrer, erzählte gern die Geschichte von dem »Mann mit dem Hammer«, der einen Nagel einschlagen wollte, jedoch keinen Hammer hatte. Aber der Nachbar. Und dann rotierten seine Gedanken: »Der Nachbar hat mich gestern nicht begrüßt. Er hat bestimmt etwas gegen mich. Er gibt mir garantiert nicht den Hammer. Er denkt wohl, ich bin auf ihn angewiesen!« Fazit: Wütend stürmt er zum Nachbarn ...
Jammern kann also durch selbst gemachtes Kopfkino entstehen oder wie Paul Watzlawick sagte: »Jeder konstruiert seine eigene Wirklichkeit.«
Das bedeutet, dass Jammern sehr subjektiv gehandelt wird. Es ist der Ausdruck der individuellen Unzufriedenheit der jammernden Person. Was den einen nervt, muss einen anderen überhaupt nicht ärgern. Wenn mir persönlich ein bestimmter Geruch eklig erscheint, findet ein anderer den gleichen Duft vielleicht klasse. Wie sollte er also verstehen, wenn ich über diesen Geruch jammere? Das ist eine weitere Komponente des Jammerns: Es ist nicht gesagt, dass das Gegenüber automatisch versteht, warum oder worüber jemand jammert. Das Kopfkino kann vollkommen unterschiedlich sein.
Jeder ist in derartigen Situationen seinen eigenen Emotionen ausgeliefert - und hat folglich das Gefühl, keine Kontrolle über die Situation zu haben. Mit dem Jammern holt man sich ein Stück weit die Kontrolle zurück.
Damit kann man unbeabsichtigt eine Kausalkette eröffnen. Eins folgt aufs andere. Was mit einer flotten Jammerei begann, endet schließlich in einem Chaos.
Denken Sie einmal an Loriot und das schiefe Bild im Wartezimmer: Er jammert und meckert und will bloß das Bild gerade rücken - zum Schluss liegt das Zimmer in Trümmern.
Das bedeutet: Keiner weiß, welche Lawine er mit dem Jammern lostritt.
Und damit sind wir bei dem Punkt, an dem wir uns mit der Wirkung von Jammern beschäftigen. Jammern wirkt so harmlos. »Ach, lass ihn doch jammern!«, die meisten Leute stört Jammern, aber sie sehen einfach darüber weg.
Doch Jammern ist nicht immer harmlos. Wenn viele Menschen dauerhaft an allem und jedem herumkritteln, über alles jammern, breitet sich Negativismus aus, der dafür sorgen kann, dass eine ganze Gesellschaft inaktiv wird, gedrückt erscheint und letztendlich stillsteht.
Sie glauben, das wäre Schwarzmalerei?
Denken Sie einmal an ein kleineres System: eine Familie. Erst ist der Mann unzufrieden. Vielleicht hat er den Job verloren oder hasst seinen Beruf, wird gemobbt. Diese Unzufriedenheit kann er nirgends loswerden. Also wird er unfröhlich, fängt an, immer öfter zu Hause zu nöckern, zu jammern. Bald ist die Beziehung im Eimer, auch die Frau jammert, weil sie sich ungeliebt fühlt. Die Kinder lernen am Vorbild ihrer Eltern, fühlen sich nicht mehr beachtet, suchen die Schuld für die dauernden Anklagen und Jammereinheiten bei sich selbst. Am Ende wird in dieser Familie nur noch übers Jammern miteinander kommuniziert, jeder schiebt dem anderen die Schuld für die eigene Unzufriedenheit zu. An diesem Punkt herrscht Stillstand in der Familie, alle sind inaktiv. Keiner fühlt sich mehr zuständig für etwas, weil ja die anderen schuld am miesen Zustand sind. Die Wohnung, die Ausdrucksformen, der Umgang miteinander und sogar das Aussehen verlottern zusehends. Sie sehen, welche Macht Jammern haben kann.
Doch wenn Jammern kraftvoll sein kann, kann dann nicht auch Jammern zu bejahenden Ergebnissen, zu Erfolg, zu positiven Kausalketten führen?
Es kann. Und wie! - Wie wir auch in späteren Kapiteln sehen werden.
...
Copyright © 2011 by Gütersloher Verlagshaus, Gütersloh, in der Verlagsgruppe Random House GmbH, München
Ein psychologisches Buch übers Jammern?
»Gute Idee! In Deutschland wird nämlich ständig gejammert!«, so die überraschend einstimmige Reaktion unserer Kollegen, Freunde und Familie.
Nachdem die Idee erst einmal geboren war, stellten wir verblüfft fest, dass jeder, dem wir von unserem Vorhaben erzählten, im Geiste nickte und prompt mindestens eine grad erlebte Jammerepisode in petto hatte. Und von was für lustigen Jammereien wir hörten - scheinbar gibt's nichts, über das wir Deutschen nicht mit Lust und Laune jammern können! Uns hatte genau dies zunehmend genervt. Bei jedem Telefonat, jedem Einkauf, jeder Sporteinheit und jedem Polit-Talk hatten wir das Gefühl, noch eine extra Portion Jammerei mit auf den Weg zu bekommen.
Inzwischen haben wir folgenden absolut subjektiven Eindruck: Millionen von Jammerern sorgen dafür, dass ihr Gestöhne Deutschland durchwabert wie ein permanentes Hintergrundgeräusch. Es dringt wie feiner Feenstaub in jede Ritze, jede Ecke unseres Lebens: in den Beruf, in die Beziehung, in die Nachbarschaft, unter Freunde, in die Politik, in die Medien.
Ein einig Jammerland.
Dieses Jammern klingt wie ein dauerhafter Soundtrack, der unser aller Alltag begleitet: Jammern, Meckern, Stöhnen, Klagen, Nöckern. Sie wissen schon: dieses halblaute Genöle auf gleich bleibender Frequenz, mit dem man Laut gibt, dass etwas oder jemand missfällt. Aber bitte nicht zu laut! Denn mit diesem Gejammer macht man eines auf jeden Fall klar: Mich nervt hier etwas, aber eigentlich will ich selbst gar nichts ändern. Man manipuliert unterschwellig:
Vielleicht könntest Du ...?
Sie sehen, wir sind mittendrin in den psychologischen Erklärungen fürs Jammern.
Doch Achtung Richtungswechsel: Je mehr wir uns damit beschäftigten, umso sicherer wurden wir, dass das Interessanteste an der ganzen Jammerei im Grunde der Aspekt ist, dass uns die Jammerei auch nach vorne bringt!
Denn eines ist doch auf den ersten Blick absolut paradox: Wenn wir Deutschen so viel jammern, wieso sind wir nicht erfolglos? Jammern wir etwa ohne Grund? Bekanntermaßen jammern wir wie die Weltmeister, gleichzeitig übertrumpft Deutschland besonders in der Bewältigung unserer Wirtschaftskrise den Rest Europas. Es exportiert wie verrückt, hat einen vergleichsweise robusten Arbeitsmarkt und macht auch im Fußball keine schlechte Figur. Wirtschaftsbosse jammern und doch sind sie weiterhin die Bosse, also machen sie doch etwas richtig, nicht wahr? Politiker jammern und bekommen so ihren Haushalt gebacken. Schräg, oder? Und Kinder nölen durchgehend und bekommen deshalb ihre Markenjeans oder das neue Handy. Gut gemacht!
Also: Jammern und Erfolg - wie passt das denn bloß zusammen?
Wir suchten nach Antworten, durchleuchteten Jammerstrategien und eins steht für uns nun fest: Man kann sehr wohl durch Nörgeln nach oben kommen. Teilweise ist es die Voraussetzung, um überhaupt da zu landen! So manchem Jammerer geht es besser als seinen genervten Jammeropfern, die seine Nölerei ertragen müssen.
Aber wie schaffen die das? Wie kommt man ausgerechnet durch Jammern weiter? Denn offiziell möchte jeder aktiv, optimistisch, anpackend erscheinen. »Jammer nicht so rum!«
Aber Jammern ist viel einfacher, hat keine negativen Konsequenzen und ist so schön energiesparend.
Genau diese Taktiken, diese Zusammenhänge und die gesellschaftlichen Auswirkungen können Sie mit uns gemeinsam in diesem Buch explorieren.
Nicht nur wir Psychologen sollten umdenken.
Als Psychologen, die wir zwei sind, wurden wir dahingehend trainiert, Jammern grundsätzlich als Symptom für Probleme oder Krankheiten zu sehen und bitte schön wegzutherapieren.
Das stimmt so nicht mehr. Jammerer, die Jammern gezielt und taktisch klug einsetzen, sind durchaus stark und erfolgreich.
Warum sollten sie also darauf verzichten?
Ist der, der jammert, womöglich besser dran, als derjenige, der die Klappe hält und alles erträgt?
»Lerne leiden ohne zu klagen!«? Quatsch!
»Jammere laut und penetrant, dann wird Dir geholfen!«
Nicht nur Psychologen werden hoffentlich nach der Lektüre unseres Buches Jammern aus einem anderen Blickwinkel betrachten.
Wir hoffen auf Perspektivenwechsel: Wer jammert, ist oftmals der Gesündere!
Wir wissen jetzt schon, was die Kritiker sagen werden: Ja klar. Psychologen, die das Jammern promoten! Das kann doch nicht sein!
Doch.
Und wenn der eine oder andere sich jetzt auf den Schlips getreten fühlt: prima! Diskutieren Sie ruhig. Vielleicht sehen Sie plötzlich den jammernden Kollegen in völlig neuem Licht, entdecken bis jetzt völlig unbekannte Facetten an unseren Politikern oder packen das nächste Mal doch lieber das Problem selber an und hören mit der Jammerei auf, weil Sie inzwischen Dank dieses Buches die Mechanismen hinter der Jammerfassade verstehen. Oder jammern sich mal so richtig erfrischend den Frust von der Seele.
Darum hier noch die Gebrauchsanweisung für dieses Buch: Erwarten Sie bitte kein reines Sachbuch. Es ist unsere persönliche Bestandsaufnahme. Denn eins wird dieses Buch hoffentlich nicht sein: ein dröger Psychoschinken.
Eher ein Gemütsführer mit humorigem Einschlag durch das menschliche Jammerlabyrinth.
Mit ähnlich leichten Momenten, wie unsere Klienten sie auch in unseren Therapiestunden erfahren -, denn Schmunzeln lockert und macht aufnahmebereit. Auch für schwierige Zusammenhänge.
Jammern ist ein ganz persönliches Thema für uns und deshalb ist dies ein ganz persönliches Buch. Sie lernen uns in vielen Lebensbereichen hautnah kennen, ob Sie wollen oder nicht. Keine Schreiber im Off. Deshalb sprechen wir auch im Buch immer von »wir«. Wir beide schreiben dieses Buch zusammen. Uneingeschränkt und vollkommen demokratisch. Annika sagt, wo 's langgeht und Michael nickt ... Nur wenn wir uns selbst auf den Arm nehmen, einer von uns etwas allein erlebt oder meint, wir uns unterhalten oder beispielsweise einen Patienten haben, den der andere nicht kennt, dann ist von Michael oder Annika die Rede.
Macht ja auch Sinn. Wir sind kein automatisches Doppelpack.
Freuen Sie sich also mit uns auf eine ernsthafte und gleichzeitig durchaus auch humoristische Reise durchs deutsche Jammerland und lassen Sie sich von der Vielfältigkeit des deutschen Nölens inspirieren.
Viel Spaß!
Annika Lohstroh und Michael Thiel
EINFÜHRUNG:
VOM JAMMERN AN SICH
»Ich vertrage keinen Kümmel in der Kümmelsuppe!«
Thomas Bernhard: Immanuel Kant
Es ist kurz vor Weihnachten. Wir sitzen im Café Central in Wien, draußen ist dichtes Schneetreiben. Nenad, der charmante Ober, serviert schwungvoll mit Gans gefüllte Ravioli und Szegediner Krautfleisch vom Schweinswangerl mit Schnittlaucherdäpfeln, dazu ein Viertel Riesling. Zum Dessert folgen zur Melange warmer Milirahmstrudel und eine unglaubliche Weihnachtskugel aus fluffiger Schokolade mit Mohnfüllung.
Der liebe Gott muss ein Wiener sein.
So schön und schmackhaft kann das Leben daherkommen und wir sind uns einig: Eigentlich ist es sehr einfach, glücklich zu sein. Ein paar gefüllte Ravioli, ein Glas Wein - da gibt es nichts zu jammern. Vielleicht ist das aber nur in Wien so?
»Der Deutsche würde bestimmt etwas finden, worüber er noch nöckern könnte!« Michael ist sich ziemlich sicher.
»Nicht nur der!«, sagt Annika. »Ich habe im Nachtzug hierher nach Wien eine sehr nette Psychiaterin aus Schleswig-Holstein kennengelernt, die in Wien praktiziert. Wir haben uns übers Jammern unterhalten. Ihre Meinung: Auch Wiener lieben es zu jammern!«
Also ist Jammern eine internationale Geschichte? Oder dem deutschsprachigen Raum vorbehalten? Kann man nur auf Deutsch richtig jammern?
Und da ist sie, die Idee, sich mit dem Jammern im deutschsprachigen Raum zu beschäftigen.
Am vorangegangenen Abend hatte uns unser Lieblingsschauspieler Michael Mertens im Burgtheater begeistert, der im Stück »Immanuel Kant« von Thomas Bernhard brillierte. Er gab einen nölenden, tyrannischen Kant, dem man nichts recht machen kann. Für uns der Höhepunkt: Er ordert beim Koch eine Kümmelsuppe - aber bitte ohne Kümmel!
»Ich muss den Koch sprechen
Den Chefkoch
Ich vertrage keinen Kümmel
In der Kümmelsuppe
Holen Sie augenblicklich den Koch
Diese Schiffsköche sind hinterhältig
Es gibt nichts Hinterhältigeres
Als die Schiffsköche.«
Thomas Bernhard, der König des schriftstellerischen Grantelns, konnte genau durch dieses extrem auf die Spitze getriebene Jammern der Gesellschaft einen Spiegel vorhalten. Und hier haben wir schon die ersten beiden Beispiele für jemanden, der durch Jammern bekannt ist: sowohl Bernhard selber wie auch Kant im Stück. Letzterer schafft es, durch sein konstantes Gemecker seine gesamte Umgebung in Trab zu halten. Jeder bemüht sich, Kants Wünschen sofort gerecht zu werden, damit er bloß mit dem Jammern aufhört.
Das nervt so, dass man als Zuschauer froh ist, wenn er zum Schluss des Stückes endlich in die Psychiatrie gesperrt wird.
Das Stück hatte uns an die vielen meckernden Menschen erinnert, denen man nichts recht machen kann. Die geradezu unter Jammerinkontinenz leiden und die grundsätzlich alle anderen für ihr Unglück und ihre Unzufriedenheit verantwortlich machen. Aber - genau wie im Stück - letztendlich die Kontrolle haben und andere manipulieren.
Das passte doch genau zu unserem Jammerthema!
Das Wiener Café Central lädt seit jeher zum Philosophieren und tiefsinnigen Sinnieren ein: Leo Trotzki, Arthur Schnitzler, Sigmund Freud oder Hugo von Hofmannsthal.
So ermutigt sinnieren auch wir weiter: Wollen jammernde Menschen vor der Verantwortung für ihr Leben flüchten? Wollen sie bewusst unmündig im kantschen Sinne bleiben, das Selbstdenken und Tun lieber anderen überlassen und eher in Abhängigkeit und Unfreiheit leben, anstatt durchzustarten und ihr Leben in die eigenen Hände zu nehmen? Oder taktieren sie mit der Jammerei, wollen ihre Umgebung manipulieren, sind eigentlich nur »Scheinjammerer«?
Kann man etwa mit Jammern richtig Erfolg haben?
Uns wird ganz blümerant: Haben wir mit dem Thema Jammern ein Fass ohne Boden aufgemacht? Die Büchse der Pandora geöffnet?
Nenad sieht in unsere besorgten Gesichter und fragt, ob wir zufrieden sind oder noch etwas wollen. Einen kleinen Braunen, einen Verlängerten, einen Schnaps zur Verdauung?
Wir verneinen freundlich und gehen etwas grüblerisch in die verschneite Herrengasse hinaus.
Wieso jammert der Mensch überhaupt?
Inzwischen ist Frühsommer. Wir packen seit Tagen - es sieht aus wie vor einer Expedition in die Arktis, was es im Prinzip auch ist - und ziehen mit unserem mobilen Büro für gut zwei Monate nach Norwegen. Genauer gesagt in eine weiße Fischerhütte mit Grasdach direkt am Meer auf Flakstadøya, einer Insel der Lofoten. Nördlich des Polarkreises auf der Höhe Grönlands.
Wir haben die Recherchemäppchen zusammen und nun geht's ans Denken und Schreiben. Kein Fernseher, kein Fax, Internetzugang nur via Handy. Deshalb auch Norwegen, weil man in so einer einsamen Hütte gut denken kann.
Zwischenzeitlich haben wir uns bereits Gedanken gemacht: Wir wollen uns hauptsächlich aufs heutige Deutschland beziehen - das Meiste gilt aber auch für den gesamten deutschsprachigen Raum. Und: Was genau ist Jammern überhaupt? Was verstehen wir darunter?
Inzwischen fassen wir verschiedene Äußerungsformen unter »jammern« zusammen: beklagen, bemängeln, flennen, greinen, jaulen, klagen, kritteln, lamentieren, mäkeln, maulen, maunzen, meckern, mosern, murren, nöckern, nölen, nörgeln, quaken, quengeln, rügen, tadeln und so weiter ...
Allen gemeinsam ist zum einen die Tonlage: nicht zu laut, trotzdem noch hörbar. Gleich bleibend, nicht aufbrausend.
Zum anderen ist es eine Art distanzierter Wortschwall, der anklagt und Schuldzuweisungen zum Inhalt hat. Relativ schwammig, aber allzeit negativ. Dahinter steckt immer ein innerlicher oder äußerlicher Anlass, ein Zustand der Unzufriedenheit und des Nicht-mit-etwas-einverstanden-seins.
Nun kommt der entscheidende Punkt: Jammern beinhaltet keine konstruktive Kritik, keine Vorschläge zum Ändern von Situation oder Zustand, mit der oder dem man nicht konform geht. Es ist, als ob man erwartet, dass jemand anderes aktiv wird und für einen selbst die Kastanien aus dem Feuer holt.
Eine andere Komponente des Jammerns ist die zugrunde liegende Unzufriedenheit. Der Mensch braucht ein Ventil für Wut, Ärger, Frustration. Würde man diese Gefühle nicht rauslassen, dann explodiert oder implodiert man. Das bedeutet, man würde die Aggression nach außen oder gegen sich selbst richten. Jammern fungiert bei diesen Gemütszuständen wie ein Druckabbau.
Jammern passiert aus den verschiedensten Motivationen heraus. Grund ist immer ein Emotionsüberschuss. Von Nölen über die entschwundene SMS bis hin zu Klagen wegen eines Todesfalls - Menschen jammern über Nichtigkeiten ebenso wie über existenziell Einschneidendes.
Das Jammern wirkt auf den ersten Blick wie eine Gefühlsäußerung, interessanterweise verschleiert Jammern aber die wahren Gefühle. Es ist kein Gefühlsausbruch, sondern eher ein Abreagieren mit der Suche nach dem Schuldigen für die eigene Misere woanders als bei sich selbst.
Eine Art Ablenkungsmanöver.
Ein ganz simples Beispiel: Eine Wespe sticht. Ein Gefühlsausbruch würde vielleicht so aussehen: »Aua! Das tut weh! Ich brauche etwas Eis ... Gib mir ein Pflaster!« Dagegen das Jammern: »Immer diese blöden Wespen! Das liegt am Wetter! Und muss hier jemand den Obstkuchen stehen lassen? Wie kann man auch nur bei einer Wespenplage überall die Fenster offen lassen?«
Wir wetten an dieser Stelle, dass Ihnen sofort jemand einfällt, der bevorzugt solche Dinge von sich gibt ...
Jammern beginnt im Kopf
Stellen Sie sich vor, es klingelt an der Tür, draußen steht der Nachbar - und pöbelt Sie ansatzlos an: »Behalten Sie bloß Ihren Hammer, Sie Rüpel!« Ganz großes Fragezeichen.
Was war passiert? Prof. Paul Watzlawick, Psychotherapeut, Philosoph, Kommunikationswissenschaftler und unser 2007 verstorbene Lehrer, erzählte gern die Geschichte von dem »Mann mit dem Hammer«, der einen Nagel einschlagen wollte, jedoch keinen Hammer hatte. Aber der Nachbar. Und dann rotierten seine Gedanken: »Der Nachbar hat mich gestern nicht begrüßt. Er hat bestimmt etwas gegen mich. Er gibt mir garantiert nicht den Hammer. Er denkt wohl, ich bin auf ihn angewiesen!« Fazit: Wütend stürmt er zum Nachbarn ...
Jammern kann also durch selbst gemachtes Kopfkino entstehen oder wie Paul Watzlawick sagte: »Jeder konstruiert seine eigene Wirklichkeit.«
Das bedeutet, dass Jammern sehr subjektiv gehandelt wird. Es ist der Ausdruck der individuellen Unzufriedenheit der jammernden Person. Was den einen nervt, muss einen anderen überhaupt nicht ärgern. Wenn mir persönlich ein bestimmter Geruch eklig erscheint, findet ein anderer den gleichen Duft vielleicht klasse. Wie sollte er also verstehen, wenn ich über diesen Geruch jammere? Das ist eine weitere Komponente des Jammerns: Es ist nicht gesagt, dass das Gegenüber automatisch versteht, warum oder worüber jemand jammert. Das Kopfkino kann vollkommen unterschiedlich sein.
Jeder ist in derartigen Situationen seinen eigenen Emotionen ausgeliefert - und hat folglich das Gefühl, keine Kontrolle über die Situation zu haben. Mit dem Jammern holt man sich ein Stück weit die Kontrolle zurück.
Damit kann man unbeabsichtigt eine Kausalkette eröffnen. Eins folgt aufs andere. Was mit einer flotten Jammerei begann, endet schließlich in einem Chaos.
Denken Sie einmal an Loriot und das schiefe Bild im Wartezimmer: Er jammert und meckert und will bloß das Bild gerade rücken - zum Schluss liegt das Zimmer in Trümmern.
Das bedeutet: Keiner weiß, welche Lawine er mit dem Jammern lostritt.
Und damit sind wir bei dem Punkt, an dem wir uns mit der Wirkung von Jammern beschäftigen. Jammern wirkt so harmlos. »Ach, lass ihn doch jammern!«, die meisten Leute stört Jammern, aber sie sehen einfach darüber weg.
Doch Jammern ist nicht immer harmlos. Wenn viele Menschen dauerhaft an allem und jedem herumkritteln, über alles jammern, breitet sich Negativismus aus, der dafür sorgen kann, dass eine ganze Gesellschaft inaktiv wird, gedrückt erscheint und letztendlich stillsteht.
Sie glauben, das wäre Schwarzmalerei?
Denken Sie einmal an ein kleineres System: eine Familie. Erst ist der Mann unzufrieden. Vielleicht hat er den Job verloren oder hasst seinen Beruf, wird gemobbt. Diese Unzufriedenheit kann er nirgends loswerden. Also wird er unfröhlich, fängt an, immer öfter zu Hause zu nöckern, zu jammern. Bald ist die Beziehung im Eimer, auch die Frau jammert, weil sie sich ungeliebt fühlt. Die Kinder lernen am Vorbild ihrer Eltern, fühlen sich nicht mehr beachtet, suchen die Schuld für die dauernden Anklagen und Jammereinheiten bei sich selbst. Am Ende wird in dieser Familie nur noch übers Jammern miteinander kommuniziert, jeder schiebt dem anderen die Schuld für die eigene Unzufriedenheit zu. An diesem Punkt herrscht Stillstand in der Familie, alle sind inaktiv. Keiner fühlt sich mehr zuständig für etwas, weil ja die anderen schuld am miesen Zustand sind. Die Wohnung, die Ausdrucksformen, der Umgang miteinander und sogar das Aussehen verlottern zusehends. Sie sehen, welche Macht Jammern haben kann.
Doch wenn Jammern kraftvoll sein kann, kann dann nicht auch Jammern zu bejahenden Ergebnissen, zu Erfolg, zu positiven Kausalketten führen?
Es kann. Und wie! - Wie wir auch in späteren Kapiteln sehen werden.
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Copyright © 2011 by Gütersloher Verlagshaus, Gütersloh, in der Verlagsgruppe Random House GmbH, München
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Autoren-Porträt von Annika Lohstroh, Michael Thiel
Annika Lohstroh, Psychologin, Regisseurin und Produzentin mit mehr als 20jähriger Erfahrung u.a. als Journalistin und Autorin, aber auch als Produktionsdesigner, TV- und Theaterregisseurin und Beraterin für TV-Formate mit psychologischem Inhalt. Sie erhielt ihre Psychotherapieausbildung in den USA, hat dort aber auch für Hollywoodproduktionen gearbeitet.Michael Thiel, geboren 1960, arbeitet seit 1988 als niedergelassener Diplom Psychologe mit den Schwerpunkten Paar- und Familientherapie sowie dem Coaching von Persönlichkeiten aus Wirtschaft und Showbiz in Hamburg.
Bibliographische Angaben
- Autoren: Annika Lohstroh , Michael Thiel
- 2011, 223 Seiten, Masse: 15 x 22,3 cm, Gebunden, Deutsch
- Verlag: Gütersloher Verlagshaus
- ISBN-10: 3579067524
- ISBN-13: 9783579067520
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