Der Stalker
Thriller
Es ist der Albtraum jeder Frau: ein geheimnisvoller Fremder verfolgt sie auf Schritt und Tritt.
Eines Morgens steckt an Suzannes Fenster ein Polaroid, von ihr selbst, schlafend im Bett. Unter dem Foto steht: "Ich wache über Dich."...
Leider schon ausverkauft
versandkostenfrei
Buch
Fr. 21.90
inkl. MwSt.
- Kreditkarte, Paypal, Rechnungskauf
- 30 Tage Widerrufsrecht
Produktdetails
Produktinformationen zu „Der Stalker “
Es ist der Albtraum jeder Frau: ein geheimnisvoller Fremder verfolgt sie auf Schritt und Tritt.
Eines Morgens steckt an Suzannes Fenster ein Polaroid, von ihr selbst, schlafend im Bett. Unter dem Foto steht: "Ich wache über Dich." Kurz darauf beginnt eine Mordserie an jungen Frauen. Polizei-Profilerin Marina ermittelt und begegnet ihren ureigenen Ängsten.
Lese-Probe zu „Der Stalker “
Der Stalker von Tania Carver1
... mehr
Anfangs waren es nur Kleinigkeiten.
Dinge, die nicht mehr an ihrem Platz standen. Ein Becher auf dem Abtropfgitter neben der Spüle, von dem sie sicher war, dass sie ihn in den Schrank gestellt hatte. Ein nasses Handtuch im Bad, das eigentlich trocken hätte sein müssen.
Kleinigkeiten.
Verwirrend. Vielleicht sogar beunruhigend.
Aber nicht schlimm genug, um sich Sorgen zu machen.
Hätte Suzanne Perry geahnt, wie weit es gehen, in was für einen Alptraum ihr Leben sich verwandeln würde, hätte sie sich sehr wohl Sorgen gemacht. Mehr als das: Sie wäre so schnell und so weit gerannt, wie sie nur gekonnt hätte.
Suzanne war sechsundzwanzig Jahre alt. Sie lebte allein in einer kleinen Wohnung in der Maldon Road in Colchester und arbeitete als Logopädin im städtischen Krankenhaus. Ein paar Monate zuvor hatte sie sich von ihrem Freund getrennt. Seitdem war sie zwar hin und wieder mit Männern ausgegangen, suchte aber nicht nach etwas Festem.
Im Moment wollte sie einfach nur das Leben genießen.
Einmal die Woche ging Suzanne abends mit ihren Freundinnen weg, zuerst in ein paar Bars in der Stadt, danach vielleicht noch in einen Club. Sie tanzte gern. Sie hörte die Musik, die gerade populär war. In ihrem Wagen liefen Little Boots und Lady Gaga, deren Songtexte Suzanne beim Fahren mitsang. Sie mochte Filme, besonders Komödien. Und essen gehen - wenn sie es sich leisten konnte. An manchen Abenden wünschte sie sich, sie hätte einen Freund, an anderen konnte sie sich nichts Schöneres vorstellen, als sich ganz allein mit einem kitschigen Frauenroman, einer Tafel Schokolade und einem Glas Weißwein aufs Sofa zu kuscheln.
Sie war attraktiv und freundlich, und ihrer Meinung nach hatte sie absolut nichts Besonderes an sich.
Aber irgendjemand sah das anders.
Irgendjemand fand, dass Suzanne Perry etwas sehr Besonderes an sich hatte.
Der Alptraum begann Anfang Juni. Suzanne lag in ihrem Bett und schlief. Die Türen waren verschlossen, die Fenster verriegelt. Sie fühlte sich sicher.
Sie irrte sich.
Die dicken schweren Vorhänge vor dem Fenster waren zugezogen, die hölzernen Jalousien waren geschlossen, wie jeden Abend. Suzanne hatte schon als Kind einen leichten Schlaf gehabt und brauchte nachts absolute Dunkelheit und Ruhe. Ihr Schlafzimmer war wie ein Isolationstank, und genau so gefiel es ihr.
Aber in dieser Nacht war etwas anders. Die Dunkelheit war anders. Nicht tröstend und warm, sondern kalt und schwer, als wäre etwas Fremdes in ihren schützenden Kokon eingedrungen. Sie wusste nicht, ob sie träumte oder wachte. Das Zimmer, in dem sie lag, war ihr Zimmer, aber gleichzeitig war es auch nicht ihr Zimmer.
Sie lag auf dem Rücken, den Kopf auf mehrere Kissen gebettet, und starrte mit weit aufgerissenen Augen in die alptraumhafte Dunkelheit mit ihren tiefen, dumpfen Schatten empor, wo große bedrohliche Schemen auszumachen waren. Sie blinzelte und versuchte, sich zu bewegen. Es gelang ihr nicht. Sie blinzelte erneut. Ihr Kopf, angefüllt mit imaginären Schreien und Flüsterstimmen, pochte wie verrückt.
Ein Schatten löste sich aus der Dunkelheit und kam auf sie zu. Ihr Herz begann zu rasen. Sie versuchte, sich auf die Seite zu drehen, von ihm wegzukriechen. Es ging nicht. Ihr Körper wollte ihr nicht gehorchen.
Ganz langsam nahm der Schatten Form an. Eine Gestalt löste sich aus der Schwärze. Es war eine menschliche Gestalt, massig, mit zwei großen Augen, die so hell leuchteten wie Autoscheinwerfer. Suzanne versuchte, sich vor dem blendenden Licht zu schützen, aber sie konnte den Arm nicht bewegen. Sie kniff die Augen zu. Der Schatten kam näher. Suzanne machte die Augen nicht auf, obwohl ihr Herz nur so hämmerte. Ihr Gehirn setzte einen Befehl an ihren Mund ab: öffnen, schreien. Nichts geschah.
Sie ließ die Lider fest zugekniffen und versuchte, nicht zu atmen. Tat so, als wäre sie gar nicht da. Versuchte, sich zum Aufwachen zu zwingen.
Vergeblich.
Sie öffnete die Augen. Das Traumzimmer drehte sich um sie wie ein pechschwarzes Kaleidoskop. Allmählich wurde alles schärfer, und sie sah den Schatten direkt neben sich, seine leuchtenden Augen seitlich an ihrem Kopf. Sie konnte seinen Traumatem auf ihrer Traumwange fühlen.
Sie schloss die Augen wieder und versuchte, die Lippen zu bewegen, während ein einziger Satz wie eine Beschwörungsformel in ihrem Kopf kreiste: Es ist nur ein Traum ... es ist nur ein Traum ... es ist nur ein Traum ...
Dann begann der Schatten zu sprechen. Tief, gurgelnd und tonlos, ein Rasseln und Keuchen, als ob aus einem Topf das letzte Wasser verdampft. Kehlige, schmerzerfüllte Worte waren es, die sie nicht verstand.
Sie versuchte, den Worten Sinn zu geben, sie zu Sätzen zusammenzufügen. Etwas an ihrem Klang kam ihr bekannt vor, als hätte sie sie in ihrem wachen Leben schon einmal gehört und würde sich an ihre Bedeutung erinnern können, wenn sie nur ganz scharf nachdachte. Doch die Worte entschwanden in die hintersten Winkel ihres Traums und waren unwiederbringlich verloren.
Erneut bewegte sich der Schatten, jetzt schwebte er über ihrem Körper. Er stank nach öligem, giftigem Rauch.
Dann war es auf einmal kein Rauch mehr, sondern wurde fest und grob und unnachgiebig.
Sie hielt den Atem an und versuchte erneut, um Hilfe zu rufen. Nichts. Sie versuchte, ihre Beine anzuziehen und aufzustehen. Nichts. Die Hände hochzunehmen, sie zu Fäusten zu ballen, um den Schatten abzuwehren. Nichts.
Kalte kräftige Hände berührten sie, strichen über ihre Haut. Ihr Traumkörper schreckte zurück und blieb doch wie gelähmt liegen. Ganz langsam wanderten die Hände hinunter zu ihren Schenkeln, zum Saum ihres T-Shirts.
Es ist nur ein Traum ... nur ein Traum ...
Die Hände schoben ihr das T-Shirt bis über die Hüften hoch.
Nur ein Traum ... ein Traum ...
Sie kniff die Augen zu, so fest sie konnte.
Erneut begann der Schatten zu sprechen. Wieder dieses bizarre, schmerzerfüllte Gurgeln.
Wach auf ... wach auf ...
Das Gurgeln wurde lauter, drängender.
Nur ein Traum ... bitte, wach doch endlich auf ... wach auf ...
Dann ein Lichtblitz. Ein Schrei, nicht aus Suzannes Mund. Dann Stille.
Suzanne schlug die Augen auf. Der Schatten war verschwunden. Sie war wieder allein in der Dunkelheit.
Ihr Herz hämmerte immer noch wie wild, ihr Atem ging schnell und stoßweise. Sie schloss die Augen und versuchte, in eine andere Sphäre des Schlafs abzutauchen. Eine, die tiefer und barmherziger war.
Suzanne schlief.
Durchdringender Lärm krachte in Suzannes Ohren.
Sie fuhr hoch und riss die Augen auf. Sah sich um. Stöhnte. Ihr Schlafzimmer. Sie schloss die Augen wieder.
Der Lärm allerdings war immer noch da. Es war die Stim me des Radiomoderators Chris Moyles, der sie auf seine ganz eigene, zutiefst unsympathische Art und Weise darauf hinwies, dass es Zeit zum Aufstehen war.
Erneut öffnete sie die Augen. Irgendetwas stimmte nicht. Es dauerte einen Moment, bis sie herausgefunden hatte, was es war: Durch den Spalt zwischen ihren Verdunkelungsvorhängen fiel Sonnenlicht.
Suzanne stöhnte wieder. Normalerweise lag sie nach dem Aufwachen noch eine Weile im Bett und genoss die letzten Reste wohliger Schläfrigkeit, die sie noch einhüllten. Sie zögerte den Moment des Aufstehens immer so lange wie irgend möglich hinaus, bevor sie schließlich widerwillig die Decke zurückschob und unter die Dusche ging.
Aber nicht an diesem Morgen. Nicht nach dem Alptraum, den sie gehabt hatte. Heute wollte sie nicht eine Sekunde länger als nötig im Bett bleiben.
Als sie die Bettdecke zurückschlug, merkte sie, dass ihr Arm eingeschlafen war. Sie schwang ihre Beine auf den Boden. Sie schmerzten und fühlten sich schwerer an als sonst, steifer. Als sie versuchte, sich aufzusetzen, wurde ihr schwindlig. Sie blinzelte, als das Zimmer um sie herum einfach nicht stillstehen wollte. Schließlich ließ sie sich zurück aufs Bett fallen.
Sie fühlte sich, als hätte sie am Abend zuvor erst stundenlang im Fitnessstudio geschwitzt und wäre danach mit Zoe und Rosie im Pub versackt. Als wäre sie danach einfach ins Bett gefallen und hätte sich die ganze Nacht über nicht einen Zentimeter von der Stelle bewegt.
Aber natürlich war es nicht so gewesen.
Sie hatte den Abend zu Hause verbracht, Coronation Street im Fernsehen gesehen und dabei einen Schokoriegel gegessen. Ein paar Telefonate, dann ein ausgiebiges Schaumbad. Sie war früh mit einem Kate-Atkinson-Roman ins Bett gegangen. Kein Workout und nur ein kleines Glas Wein. Es war noch ein Rest in der Flasche gewesen.
Suzanne unternahm einen zweiten Versuch aufzustehen, und diesmal gelang es ihr, obwohl ihre Beine zitterten und das Zimmer sich immer noch drehte. Vielleicht habe ich mir was eingefangen, dachte sie. Wahrscheinlich Schweine grippe. Sie stolperte zum Fenster, stützte sich mit einer Hand auf der Fensterbank ab und zog die Vorhänge auf. Mal sehen, was für ein Tag draußen auf sie wartete.
Aber sie kam gar nicht dazu, aus dem Fenster zu schauen.
Die Jalousien waren hochgezogen, was auch erklärte, war um Licht ins Zimmer gefallen war. An der Fensterscheibe klebte etwas. Sie runzelte die Stirn. Sie verstand weder, was dieses Ding da zu suchen hatte, noch, wieso die Jalousien nicht unten waren. Dann zog sie den Gegenstand vom Fenster ab und betrachtete ihn genauer.
Und spürte, wie ihr Herz ins Trudeln geriet.
Es war ein Foto. Von ihr, wie sie schlief. Das Oversized- T-Shirt, das sie nachts immer trug - dasselbe, das sie jetzt gerade anhatte -, war ihr bis über die Hüften hochgezogen und entblößte ihre Schenkel bis zur Scham.
Das Blut rauschte in ihren Ohren. Ihr Herz pumpte, als könne es nicht genug Sauerstoff durch ihren Körper schicken. Das Zittern in ihren Beinen wurde stärker.
Sie drehte das Foto um. Die Kehle wurde ihr eng, und Angst durchfuhr sie wie ein Stromstoß. Auf der Rückseite stand etwas in säuberlichen Großbuchstaben geschrieben. Sie las es.
ICH WACHE ÜBER DICH
Mit der Wucht eines Faustschlags kam ihr der Alptraum wieder in Erinnerung. Der Schatten. Die Scheinwerferaugen. Die Stimme.
Hände überall auf ihrem Körper.
In Suzannes Kopf drehte sich alles, ihre Beine gaben nach, ihre Lider schlossen sich flatternd.
Es war kein Alptraum gewesen. Es war wirklich passiert. Suzanne wurde ohnmächtig.
Anfangs waren es nur Kleinigkeiten.
Dinge, die nicht mehr an ihrem Platz standen. Ein Becher auf dem Abtropfgitter neben der Spüle, von dem sie sicher war, dass sie ihn in den Schrank gestellt hatte. Ein nasses Handtuch im Bad, das eigentlich trocken hätte sein müssen.
Kleinigkeiten.
Verwirrend. Vielleicht sogar beunruhigend.
Aber nicht schlimm genug, um sich Sorgen zu machen.
Hätte Suzanne Perry geahnt, wie weit es gehen, in was für einen Alptraum ihr Leben sich verwandeln würde, hätte sie sich sehr wohl Sorgen gemacht. Mehr als das: Sie wäre so schnell und so weit gerannt, wie sie nur gekonnt hätte.
Suzanne war sechsundzwanzig Jahre alt. Sie lebte allein in einer kleinen Wohnung in der Maldon Road in Colchester und arbeitete als Logopädin im städtischen Krankenhaus. Ein paar Monate zuvor hatte sie sich von ihrem Freund getrennt. Seitdem war sie zwar hin und wieder mit Männern ausgegangen, suchte aber nicht nach etwas Festem.
Im Moment wollte sie einfach nur das Leben genießen.
Einmal die Woche ging Suzanne abends mit ihren Freundinnen weg, zuerst in ein paar Bars in der Stadt, danach vielleicht noch in einen Club. Sie tanzte gern. Sie hörte die Musik, die gerade populär war. In ihrem Wagen liefen Little Boots und Lady Gaga, deren Songtexte Suzanne beim Fahren mitsang. Sie mochte Filme, besonders Komödien. Und essen gehen - wenn sie es sich leisten konnte. An manchen Abenden wünschte sie sich, sie hätte einen Freund, an anderen konnte sie sich nichts Schöneres vorstellen, als sich ganz allein mit einem kitschigen Frauenroman, einer Tafel Schokolade und einem Glas Weißwein aufs Sofa zu kuscheln.
Sie war attraktiv und freundlich, und ihrer Meinung nach hatte sie absolut nichts Besonderes an sich.
Aber irgendjemand sah das anders.
Irgendjemand fand, dass Suzanne Perry etwas sehr Besonderes an sich hatte.
Der Alptraum begann Anfang Juni. Suzanne lag in ihrem Bett und schlief. Die Türen waren verschlossen, die Fenster verriegelt. Sie fühlte sich sicher.
Sie irrte sich.
Die dicken schweren Vorhänge vor dem Fenster waren zugezogen, die hölzernen Jalousien waren geschlossen, wie jeden Abend. Suzanne hatte schon als Kind einen leichten Schlaf gehabt und brauchte nachts absolute Dunkelheit und Ruhe. Ihr Schlafzimmer war wie ein Isolationstank, und genau so gefiel es ihr.
Aber in dieser Nacht war etwas anders. Die Dunkelheit war anders. Nicht tröstend und warm, sondern kalt und schwer, als wäre etwas Fremdes in ihren schützenden Kokon eingedrungen. Sie wusste nicht, ob sie träumte oder wachte. Das Zimmer, in dem sie lag, war ihr Zimmer, aber gleichzeitig war es auch nicht ihr Zimmer.
Sie lag auf dem Rücken, den Kopf auf mehrere Kissen gebettet, und starrte mit weit aufgerissenen Augen in die alptraumhafte Dunkelheit mit ihren tiefen, dumpfen Schatten empor, wo große bedrohliche Schemen auszumachen waren. Sie blinzelte und versuchte, sich zu bewegen. Es gelang ihr nicht. Sie blinzelte erneut. Ihr Kopf, angefüllt mit imaginären Schreien und Flüsterstimmen, pochte wie verrückt.
Ein Schatten löste sich aus der Dunkelheit und kam auf sie zu. Ihr Herz begann zu rasen. Sie versuchte, sich auf die Seite zu drehen, von ihm wegzukriechen. Es ging nicht. Ihr Körper wollte ihr nicht gehorchen.
Ganz langsam nahm der Schatten Form an. Eine Gestalt löste sich aus der Schwärze. Es war eine menschliche Gestalt, massig, mit zwei großen Augen, die so hell leuchteten wie Autoscheinwerfer. Suzanne versuchte, sich vor dem blendenden Licht zu schützen, aber sie konnte den Arm nicht bewegen. Sie kniff die Augen zu. Der Schatten kam näher. Suzanne machte die Augen nicht auf, obwohl ihr Herz nur so hämmerte. Ihr Gehirn setzte einen Befehl an ihren Mund ab: öffnen, schreien. Nichts geschah.
Sie ließ die Lider fest zugekniffen und versuchte, nicht zu atmen. Tat so, als wäre sie gar nicht da. Versuchte, sich zum Aufwachen zu zwingen.
Vergeblich.
Sie öffnete die Augen. Das Traumzimmer drehte sich um sie wie ein pechschwarzes Kaleidoskop. Allmählich wurde alles schärfer, und sie sah den Schatten direkt neben sich, seine leuchtenden Augen seitlich an ihrem Kopf. Sie konnte seinen Traumatem auf ihrer Traumwange fühlen.
Sie schloss die Augen wieder und versuchte, die Lippen zu bewegen, während ein einziger Satz wie eine Beschwörungsformel in ihrem Kopf kreiste: Es ist nur ein Traum ... es ist nur ein Traum ... es ist nur ein Traum ...
Dann begann der Schatten zu sprechen. Tief, gurgelnd und tonlos, ein Rasseln und Keuchen, als ob aus einem Topf das letzte Wasser verdampft. Kehlige, schmerzerfüllte Worte waren es, die sie nicht verstand.
Sie versuchte, den Worten Sinn zu geben, sie zu Sätzen zusammenzufügen. Etwas an ihrem Klang kam ihr bekannt vor, als hätte sie sie in ihrem wachen Leben schon einmal gehört und würde sich an ihre Bedeutung erinnern können, wenn sie nur ganz scharf nachdachte. Doch die Worte entschwanden in die hintersten Winkel ihres Traums und waren unwiederbringlich verloren.
Erneut bewegte sich der Schatten, jetzt schwebte er über ihrem Körper. Er stank nach öligem, giftigem Rauch.
Dann war es auf einmal kein Rauch mehr, sondern wurde fest und grob und unnachgiebig.
Sie hielt den Atem an und versuchte erneut, um Hilfe zu rufen. Nichts. Sie versuchte, ihre Beine anzuziehen und aufzustehen. Nichts. Die Hände hochzunehmen, sie zu Fäusten zu ballen, um den Schatten abzuwehren. Nichts.
Kalte kräftige Hände berührten sie, strichen über ihre Haut. Ihr Traumkörper schreckte zurück und blieb doch wie gelähmt liegen. Ganz langsam wanderten die Hände hinunter zu ihren Schenkeln, zum Saum ihres T-Shirts.
Es ist nur ein Traum ... nur ein Traum ...
Die Hände schoben ihr das T-Shirt bis über die Hüften hoch.
Nur ein Traum ... ein Traum ...
Sie kniff die Augen zu, so fest sie konnte.
Erneut begann der Schatten zu sprechen. Wieder dieses bizarre, schmerzerfüllte Gurgeln.
Wach auf ... wach auf ...
Das Gurgeln wurde lauter, drängender.
Nur ein Traum ... bitte, wach doch endlich auf ... wach auf ...
Dann ein Lichtblitz. Ein Schrei, nicht aus Suzannes Mund. Dann Stille.
Suzanne schlug die Augen auf. Der Schatten war verschwunden. Sie war wieder allein in der Dunkelheit.
Ihr Herz hämmerte immer noch wie wild, ihr Atem ging schnell und stoßweise. Sie schloss die Augen und versuchte, in eine andere Sphäre des Schlafs abzutauchen. Eine, die tiefer und barmherziger war.
Suzanne schlief.
Durchdringender Lärm krachte in Suzannes Ohren.
Sie fuhr hoch und riss die Augen auf. Sah sich um. Stöhnte. Ihr Schlafzimmer. Sie schloss die Augen wieder.
Der Lärm allerdings war immer noch da. Es war die Stim me des Radiomoderators Chris Moyles, der sie auf seine ganz eigene, zutiefst unsympathische Art und Weise darauf hinwies, dass es Zeit zum Aufstehen war.
Erneut öffnete sie die Augen. Irgendetwas stimmte nicht. Es dauerte einen Moment, bis sie herausgefunden hatte, was es war: Durch den Spalt zwischen ihren Verdunkelungsvorhängen fiel Sonnenlicht.
Suzanne stöhnte wieder. Normalerweise lag sie nach dem Aufwachen noch eine Weile im Bett und genoss die letzten Reste wohliger Schläfrigkeit, die sie noch einhüllten. Sie zögerte den Moment des Aufstehens immer so lange wie irgend möglich hinaus, bevor sie schließlich widerwillig die Decke zurückschob und unter die Dusche ging.
Aber nicht an diesem Morgen. Nicht nach dem Alptraum, den sie gehabt hatte. Heute wollte sie nicht eine Sekunde länger als nötig im Bett bleiben.
Als sie die Bettdecke zurückschlug, merkte sie, dass ihr Arm eingeschlafen war. Sie schwang ihre Beine auf den Boden. Sie schmerzten und fühlten sich schwerer an als sonst, steifer. Als sie versuchte, sich aufzusetzen, wurde ihr schwindlig. Sie blinzelte, als das Zimmer um sie herum einfach nicht stillstehen wollte. Schließlich ließ sie sich zurück aufs Bett fallen.
Sie fühlte sich, als hätte sie am Abend zuvor erst stundenlang im Fitnessstudio geschwitzt und wäre danach mit Zoe und Rosie im Pub versackt. Als wäre sie danach einfach ins Bett gefallen und hätte sich die ganze Nacht über nicht einen Zentimeter von der Stelle bewegt.
Aber natürlich war es nicht so gewesen.
Sie hatte den Abend zu Hause verbracht, Coronation Street im Fernsehen gesehen und dabei einen Schokoriegel gegessen. Ein paar Telefonate, dann ein ausgiebiges Schaumbad. Sie war früh mit einem Kate-Atkinson-Roman ins Bett gegangen. Kein Workout und nur ein kleines Glas Wein. Es war noch ein Rest in der Flasche gewesen.
Suzanne unternahm einen zweiten Versuch aufzustehen, und diesmal gelang es ihr, obwohl ihre Beine zitterten und das Zimmer sich immer noch drehte. Vielleicht habe ich mir was eingefangen, dachte sie. Wahrscheinlich Schweine grippe. Sie stolperte zum Fenster, stützte sich mit einer Hand auf der Fensterbank ab und zog die Vorhänge auf. Mal sehen, was für ein Tag draußen auf sie wartete.
Aber sie kam gar nicht dazu, aus dem Fenster zu schauen.
Die Jalousien waren hochgezogen, was auch erklärte, war um Licht ins Zimmer gefallen war. An der Fensterscheibe klebte etwas. Sie runzelte die Stirn. Sie verstand weder, was dieses Ding da zu suchen hatte, noch, wieso die Jalousien nicht unten waren. Dann zog sie den Gegenstand vom Fenster ab und betrachtete ihn genauer.
Und spürte, wie ihr Herz ins Trudeln geriet.
Es war ein Foto. Von ihr, wie sie schlief. Das Oversized- T-Shirt, das sie nachts immer trug - dasselbe, das sie jetzt gerade anhatte -, war ihr bis über die Hüften hochgezogen und entblößte ihre Schenkel bis zur Scham.
Das Blut rauschte in ihren Ohren. Ihr Herz pumpte, als könne es nicht genug Sauerstoff durch ihren Körper schicken. Das Zittern in ihren Beinen wurde stärker.
Sie drehte das Foto um. Die Kehle wurde ihr eng, und Angst durchfuhr sie wie ein Stromstoß. Auf der Rückseite stand etwas in säuberlichen Großbuchstaben geschrieben. Sie las es.
ICH WACHE ÜBER DICH
Mit der Wucht eines Faustschlags kam ihr der Alptraum wieder in Erinnerung. Der Schatten. Die Scheinwerferaugen. Die Stimme.
Hände überall auf ihrem Körper.
In Suzannes Kopf drehte sich alles, ihre Beine gaben nach, ihre Lider schlossen sich flatternd.
Es war kein Alptraum gewesen. Es war wirklich passiert. Suzanne wurde ohnmächtig.
... weniger
Autoren-Porträt von Tania Carver
Tania Carver lebt mit ihrem Mann und ihren zwei Kindern in Südengland. Mit ihrem Debüt Entrissen gelang ihr auf Anhieb der Einstieg in die internationalen Bestsellerlisten.
Bibliographische Angaben
- Autor: Tania Carver
- 2011, 2. Aufl., 471 Seiten, Masse: 13,6 x 20,5 cm, Kartoniert (TB), Deutsch
- Aus d. Engl. v. Uplegger, Sybille
- Übersetzer: Sybille Uplegger
- Verlag: List
- ISBN-10: 3471350330
- ISBN-13: 9783471350331
Kommentare zu "Der Stalker"
0 Gebrauchte Artikel zu „Der Stalker“
Zustand | Preis | Porto | Zahlung | Verkäufer | Rating |
---|
4 von 5 Sternen
5 Sterne 10Schreiben Sie einen Kommentar zu "Der Stalker".
Kommentar verfassen