Der schwarze Wikinger
Roman. Originalausgabe
Die irische Grafentochter Caitlín muss miterleben, wie Wikinger das Kloster, in dem sie nächtigt, überfallen. Einer von ihnen bleibt schwer verletzt zurück. Während Caitlín den schönen Krieger pflegt, erwacht ihre...
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Produktinformationen zu „Der schwarze Wikinger “
Die irische Grafentochter Caitlín muss miterleben, wie Wikinger das Kloster, in dem sie nächtigt, überfallen. Einer von ihnen bleibt schwer verletzt zurück. Während Caitlín den schönen Krieger pflegt, erwacht ihre Zuneigung zu ihm - und Njal erwidert ihre Gefühle. Als Caitlíns verhasster Verlobter plötzlich im Kloster auftaucht, will sie mit Njal an die Küste Norwegens fliehen ...
Klappentext zu „Der schwarze Wikinger “
Die irische Grafentochter Caitlín muss miterleben, wie Wikinger das Kloster, in dem sie nächtigt, überfallen. Einer von ihnen bleibt schwer verletzt zurück. Während Caitlín den schönen Krieger pflegt, erwacht ihre Zuneigung zu ihm - und Njal erwidert ihre Gefühle. Als Caitlíns verhasster Verlobter plötzlich im Kloster auftaucht, will sie mit Njal an die Küste Norwegens fliehen ...
Lese-Probe zu „Der schwarze Wikinger “
Der Schwarze Wikinger von Shirley Waters Lärmheim heißt der Ort. Dort leben Männer, Gefährlich und laut. Sie saufen und raufen Und prassen und töten. Sie scheuchen ihre Sklaven und lieben ihre Frauen. Wer sie beleidigt, Muss um sein Leben bangen.
Kämpfer wachsen heran, Ziehen hinaus in die Welt Und verbreiten Furcht. Weh dem, der hierher gelangt. Es ist gefährlich und laut. An diesem Ort, Der Lärmheim heißt.
Patrick der Barde AD 996
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I. SEEKRIEGER
1. Caitlin sah nicht die Hand vor Augen. Undurchdringliche Schwärze umschloss sie. Umso klarer nahm sie jedes Geräusch wahr: das unterdrückte Atmen der sechs, sieben Frauen, die mit ihr in dem dunklen Kellerloch ausharrten. Gehauchte Gebete. Das Rascheln eines Habits, wenn eine der Nonnen es wagte, ihr Gewicht zu verlagern. Die Füße einer Maus, die über den kalten Steinboden rannte.
Irgendwo weiter oben krachten Türen, zerschellten Gegenstände, stampften Schritte der Plünderer über den Boden.
Wikinger - Seekrieger! Der schrille Ruf der Nonnen, der Caitlin in der Morgendämmerung im Gästehaus geweckt hatte, hallte noch immer in ihren Ohren. Nie hatte sie damit gerechnet, während der Reise zum Landgut ihres Verlobten überfallen zu werden. Sie war sofort hellwach gewesen, war mit nichts als ihrem Untergewand bekleidet ins Haupthaus und in die kleine Klosterküche gestürzt. Wo, wenn nicht hier, gab es etwas, womit man sich verteidigen konnte? Sie hatte sich ein Gemüsemesser geschnappt. Eher wollte sie sterben als sich von barbarischen Nordmännern rauben und schänden zulassen. Dann hatte eine der Benediktinerinnen hektisch die Boden- klappe im Vorratsraum geöffnet und die kleine Schar die Stiege hinabgescheucht.
Bitte, lieber Gott, lass mich das Messer nicht gebrauchen müssen. Caitlins Hand schmerzte, weil sie es so fest umklammerte. Mach, dass sie verschwinden.
Sie erinnerte sich an alte Geschichten, mit denen man sie als Kind erschreckt hatte, wenn sie aufmüpfig gewesen war. In ihnen flogen die Drachenschiffe der Seekrieger wie das Ungeheuer Leviathan über das Meer, weder Wind noch Kälte konnten sie aufhalten. Muskelbepackte Riesen, die Silberperlen in den Bärten und heidnische Amulette an den Hälsen trugen, schlugen mit ihren Streitäxten alles kurz und klein - Hütten, Häuser, Menschen. Und was sie nicht zerstörten, nahmen sie mit: Frauen und Silber.
So war es früher gewesen, anderswo. Doch diesen irischen Küstenabschnitt hatten Nordmänner bisher nur aufgesucht, um zu siedeln. Nie in ihrem achtzehnjährigen Leben hatte Caitlin gehört, dass eine Wikingfahrt hierher stattgefunden hatte. Die Dörfer der irischen Nordostküste waren in Sorglosigkeit verfallen. Die Klöster ohnehin, denn die wehrlosen Gottesdiener schützte ein Versprechen des norwegischen Königs Olaf Tryggvasson, der den neuen Glauben angenommen hatte. Man hatte geglaubt, die nordischen Heiden hielten sich daran.
Heute war der Tag, an dem sich dies als grausamer Irrtum herausstellte. Schritte näherten sich. Neben Caitlin schnappte die junge Schwester Orla nach Luft; ihr gehaspeltes lateinisches Flehen
wurde lauter. »Still!«
Caitlin tastete nach ihr und drückte sie an sich. Ihre offenfallenden Locken dämpften die Worte der Nonne. Eine andere klapperte mit den Zähnen, schaffte es aber, die Kiefer zusammenzupressen. Da flog die Tür zum Vorratsraum auf, so heftig, dass sie gegen die Wand knallte. Caitlin zuckte zusammen. Der Boden aus nicht allzu dicken Leisten über ihr bebte, als zwei Männer darüberschritten. Immerhin hatte sie beim Hinabsteigen gesehen, dass die aus grob aneinandergereihten Latten gefertigte Falltür unauffällig war. Fackelschein leuchtete durch die Ritzen, als einer der Seekrieger dicht an der Falltür vorbeistapfte. Das Licht ließ seine hellblonden Haare aufleuchten, die ihm wild bis auf die Schultern fielen. Nicht minder wild war sein Bart, in denen Blutspritzer klebten. Er war gewaltig.
Dann war er aus ihrem Blickfeld verschwunden, und sie hörte ihn vor eines der Vorratsregale treten. Ein Korb flog auf die Falltür, und Äpfel rollten auf den Boden. Caitlin erzitterte. Wenn er einen der Weinkrüge umstößt und der Wein durch die Ritzen fließt, wird er uns entdecken.
Aber der blonde Hüne zog es vor, den Wein zu trinken. Den Geräuschen nach prüfte er, was das Regal noch an Vorräten hergab. Natürlich, mit Frauen und Silber allein ließ sich der Hunger während einer Raubfahrt nicht stillen.
»Kom, brodir!« Er winkte hinter sich.
Der zweite Mann schritt über den federnden Boden und bekam die Fackel in die Hand gedrückt, die er zögerlich in die Höhe hielt. Caitlin glaubte zu erkennen, wie sich die beiden Männer anstarrten. Der andere war ebenso hoch gewachsen, aber schlanker. Zu ihrer Überraschung waren seine Haare, die er im Nacken mit einem Band zusammengefasst trug, schwarz wie die Nacht. Der dicke Strang fiel ihm zwischen die Schulterblätter. Einen Nordmann mit so tiefschwarzem Haar hatte Caitlin noch nie gesehen.
In ihrer Sprache wechselten die Männer Worte, die alles andere als freundlich klangen. Dann warf der Blonde dem anderen einen letzten finsteren Blick zu, machte auf dem Stiefelabsatz kehrt und stapfte hinaus, Befehle ausstoßend. Zwei weitere Männer stürmten herein, ließen die Falltür fast bersten und begannen Würste, Käse, Getreidesäcke und Weinkrüge fortzuschleppen.
Ja, nehmt nur alles mit, dachte Caitlin. In ihren Armen zitterte Schwester Orla, und in ihrem Rücken spürte sie, wie eine ältere Nonne sich vor und zurück wiegte. Wenn ihr dann nur verschwindet.
Orla japste in ihrer Furcht laut nach Luft. Caitlin suchte ihren Mund, um ihn mit ihrer Hand zu verschließen. Hatte er dort oben es gehört? Die Männer waren laut, unterhielten sich und lachten. Nur der Schwarze schien in sich gekehrt, so als lausche er.
Was war das? Ein Licht huschte über seine Unterschenkel. Entsetzt erkannte Caitlin, dass es das Fackellicht war, das sich in ihrer Messerklinge spiegelte. Schnell verbarg sie das Messer hinter Orlas Rücken, doch es war zu spät. Er senkte den Kopf. Ihre Blicke trafen sich - Caitlin war sich sicher, dass er sie sah. Aber war das nicht unmöglich? Hier unten war es nach wie vor stockdunkel. Oder ließ das Licht ihre kupferfarbenen Haare glänzen?
Seine Augen schienen der tosenden See zu entstammen. Leuchtendes Blau, dunkler als das Eisblau oder Grau, das bei den Männern des Nordens üblich war. Darüber wölbten sich schwarze Brauen. Einen Bart trug er nicht - taten das nicht alle Nordmänner? Nichts bedeckte das Kinn und die schön geschwungenen Lippen. Auch sein Stirnrunzeln, seine nachdenklich mahlenden Kiefer, sein finsterer Gesamteindruck konnten nichts an dem Gedanken ändern, der Caitlin durch den Kopf schoss: Habe ich je ein vollkommeneres Gesicht gesehen?
Unschlüssig drehte er sich um. Das Band, das sein Haar zusammenhielt, war aus kleinen silbernen Gliedern gefertigt, in denen sich das Licht der Fackel spiegelte. Sogar die schwarz eingeritzten Muster konnte Caitlin erkennen. Ihre Sinne waren zum Zerreißen gespannt. Der Griff des Messers war feucht von ihrem Schweiß. Sie war sich sicher: Gleich würde er mit dem Stiefel die Latten durchtreten und mit triumphalem Lachen zu ihnen herabdeuten.
Worauf wartete er? Es war vorbei. Vorbei!
Als jemand rief, flog sein Kopf hoch. »Prifisk«, zischte er in sich hinein. Ein Fluch - Caitlin kannte die Sprache der Nordleute seit der Kindheit, in der sie staunend und ängstlich an der Seite des Vaters ihre Dörfer an der Küste besucht hatte. Der Barbar eilte aus der Kammer.
»Er wird jetzt die anderen holen«, schluchzte Orla auf. Und als gäbe es keine Notwendigkeit mehr, sich zu verbergen, begannen alle sich zu bewegen und zu weinen. »Bitte, bitte, seid leise«, flehte Caitlin, obwohl sie selbst zitterte und die Tränen nicht zurückhalten konnte. Aber würde das jetzt noch etwas ändern? Gleich würde er zurückkehren, er und die anderen. Gleich . . .
Aber er kam nicht. Sie lauschte, ob die Nonnen, die ihr Heil im Ziegenstall gesucht hatten, entdeckt worden waren, konnte aber keine weibliche Stimme hören. Das Gepolter über ihnen in den Winkeln der Abtei verebbte. Was blieb, war Stille.
»Sie sind verschwunden«, murmelte Caitlin. Ihrem Gefühl nach mochte eine Stunde vergangen sein. Nein, so viel sicherlich nicht, sie hatte nur jegliches Zeitgefühl verloren.
Eine Nonne schluchzte. »Sie warten nur, dass wir herauskommen. «
»Warum sollten sie das tun?« Caitlin löste Orlas Hände von ihren Schultern und erhob sich. Die Kälte fuhr ihr in die Glieder. Das Unterkleid schützte kaum, und ihre nackten Füße fühlten sich an, als wären sie aus Eis. Sie musste hier heraus, länger ertrug sie es nicht mehr.
»Herrin Caitlin, tut das nicht!«
Sie ließ sich nicht beirren. Vorsichtig und lautlos stieg sie die Leiter hinauf und schob den Riegel zurück. Die Falltür hochzudrücken kostete Kraft, aber es gelang ihr schließlich. Die Latten knarrten, als sie darauf kroch. Sie erhob sich, tastete sich zur geschlossenen Tür vor. Der Gang, dessen Fenster auf den Kreuz gang hinausgingen, war in dämmriges Morgenlicht gehüllt.
Ein schriller Schrei zerriss die Ruhe.
Caitlin raffte das Unterkleid und hastete in Richtung der Kapelle. In deren Eingang stand Schwester Rianna, über und über mit stinkendem Mist verschmiert. Die alte Benediktinerin deutete mit knorrigem Finger ins Innere. Zwei weitere Schwestern wankten aus ihrem Stallversteck. Sie sahen nicht besser aus.
»Herr Jesus, schütze uns!«, rief eine andere Nonne mit schreckensbleichem Gesicht. »Eines der Ungeheuer ist noch da!«
Mutter Laurentia, die hagere, groß gewachsene Äbtissin, stellte sich Caitlin in den Weg. »Ihr wollt doch nicht etwa da hinein? Als unser Gast genießt Ihr unsere besondere Fürsorge, und auch Euer Verlobter, der edle Herr Eamonn von Carndonagh, würde es gewiss gutheißen, wenn Ihr Euch jetzt zurück in Euer Schlafgemach begebt. Ihr tragt ja kaum etwas am Leib!«
Die Würde der Mutter Oberin hatte durch den übel riechenden Schweinemist, der ihr am Habit und auf den Wangen klebte, in Caitlins Augen ein wenig gelitten, doch es war die Erwähnung Eamonns, bei der sich ihr Widerstand regte. Wenn sie in ein paar Tagen bei ihrem Verlobten Einzug hielt und mit ihm Hochzeit feierte, ja, dann wollte sie sich ihm fügen. Keinen Tag vorher!
Ein zweiter Schrei lenkte Mutter Laurentia ab, und Caitlin nutzte die Gelegenheit, um sich an ihr vorbeizuschieben. Noch immer hielt sie das Messer in der erhobenen Hand. Mit vereinten Kräften würden sie gegen einen einzelnen Mann bestehen. »Holt aus dem Stall . . .«, begann sie und stockte. Heugabeln, irgendeine Waffe, hatte sie sagen wollen, aber es verschlug ihr die Sprache. Es war keiner der blonden Bärtigen, der inmitten der kleinen Kapelle in die Knie ging, da er aus irgendeinem
Grund nicht mehr stehen konnte. In der Rechten hielt er den Schwertgriff; die Klingenspitze bohrte sich in den Lehmboden, als müsse er sich auf seine Waffe stützen.
Das durch das Kirchenfenster einfallende Licht ließ sein Haar wie Rabenfedern glänzen. Ebenso schwarz war das aus dicken Lederstreifen geflochtene Wams, das sich eng an seinen Oberkörper schmiegte. Darunter trug er eine knielange Tunika aus weißem Leinen und mit langen Ärmeln, dazu eine Hose aus dunkelgrauem Leder und ebensolche Stiefel, deren Schnüre sich um seine Waden wanden. Indem er eine Stiefelsohle in den Boden stemmte, versuchte er sich wieder aufzurichten. Seine Haare, die halb aus dem Silberband im Nacken gerutscht waren, schwangen, als er den Kopf in den Nacken warf, die Luft durch die Zähne herauspresste und mit einem heiseren Schrei wieder auf die Füße kam.
Großer Gott, er war riesig.
Die Benediktinerinnen flüsterten Gebete, und Caitlin sah sie aus den Augenwinkeln fahrige Kreuzzeichen machen. Der Blick des Schwarzen streifte sie. Erkannte er sie wieder? Er machte einen Schritt auf sie zu, wirkte aber, als würde er nicht mehr wissen, wo genau er sich befand. Er wankte zurück. Das Schwert blitzte auf, als er es über dem Altar schwang. Was die Räuber liegen gelassen hatten - zwei Tonbecher und das Altartuch -, fegte er mit der Klinge herunter.
»Kommt alle heraus, und schließt die Tür!«, rief die Äbtissin mit zittriger Stimme. »Gott züchtigt ihn für seine Untaten. Wir können nichts anderes tun, als abzuwarten.«
Untaten, wirklich?, dachte Caitlin. Immerhin hat er uns verschont. Aber sie behielt ihre Gedanken für sich. Keine der Frauen würde ihr jetzt zustimmen. Sie konnte ja selbst kaum glauben, dass dieser wütende Mann derselbe sein sollte, der so nachdenklich über ihrem Versteck gestanden hatte.
Er funkelte sie an und zischte etwas in seiner Sprache. Dann: »Zieht mir das Ding aus dem Rücken! Zieht es heraus!« So überrascht war Caitlin, irische Worte aus seinem Mund zu vernehmen, dass sie erschrocken zurückwich und gegen einen weichen Frauenkörper stieß. Es war die kleine Orla, die sofort die Arme um sie legte.
»Bitte, Herrin, wahrt Abstand«, wisperte sie. »Er wird uns alle töten.«
Der Hüne griff über seine Schulter hinter sich. Aber wonach auch immer er suchte, er fand es nicht. Mit den Knien stieß er gegen eine seitlich stehende Sitzbank, sackte erneut nieder und stützte sich mit dem Unterarm auf die Sitzfläche. Nun konnte Caitlin sehen, was ihm solche Schmerzen verursachte: Aus seinem Rücken ragte der Griff eines Dolches.
Ihre Gedanken waren den Bewegungen ihres Körpers voraus. Sie glaubte, über den Lehmboden zu schweben, während sie sich selbst betrachtete, wie sie es wagte, sich dem Nordmann zu nähern. Sämtliche Furcht war verschwunden, zumindest für diesen Augenblick. Dann stand sie vor ihm. Mit glasigen Augen, aus denen Verwunderung sprach, blickte er zu ihr hoch. Sie beugte sich über ihn und umschloss den Dolch- griff. Das Heft hatte sich in seinem Wams verhakt, deshalb hatte er ihn nicht selbst ziehen können. Ihr Herz klopfte ihr bis zum Hals. Den Dolch zu entfernen kostete sie große Überwindung. Es war alles andere als unwahrscheinlich, dass der Schmerz, wenn sie die Waffe entfernte, den Mann veranlassen würde, sie anzuspringen und mit dem Schwert zu erschlagen.
Gott steh mir bei! Sie kniff die Augen zusammen und riss die Klinge mit einem Ruck heraus.
Sein Leib krampfte sich zusammen, aber sein Schrei war verhalten. »Thorir, prifisk pualdri!«, presste er zwischen zusammengebissenen Zähnen hervor, als verfluche er, wer immer ihm das angetan hatte. Schweiß rann in Bächen seine Schläfen hinab, doch seine tiefblauen Augen klärten sich. Plötzlich lag seine Hand heiß auf ihrer Wade.
»Meyja - Mädchen. Danke.«
Er sah sie lange an. Dann an ihr vorbei, als überlege er, ob er es wagen konnte, jetzt einzuschlafen. Vielleicht entschied er sich dafür, vielleicht übermannte ihn nur die Ohnmacht. Er bettete den Kopf auf seinen Unterarm und schloss die Augen.
Die Äbtissin fasste sich als Erste. »Nun gut.« Sie hob ihr Kreuz, küsste es und schlug mehrmals ein Kreuzzeichen. »Der Herr hat in seiner Güte beschlossen, uns zu verschonen. Lasst uns nach den Klosterknechten sehen.«
»Die sind bestimmt alle tot«, wisperte Orla. Sie war so bleich wie die anderen zwanzig Nonnen und Novizinnen, die sich vor der Kapelle versammelt hatten. Auch Caitlin befürchtete, dass die Klosterknechte im Kampf gefallen waren, denn andernfalls wären sie längst bei ihnen gewesen. Und ihre eigene Leibwache! Vier tapfere Männer! Erst jetzt wurde sie gewahr, in welchem Ausmaß dieser entsetzliche Angriff sie heimgesucht hatte. Wowarder Mut, der sie noch vor Kurzemaus dem Vorratskeller herausgelockt hatte? Der sie den Dolch aus dem Rücken des Barbaren hatte ziehen lassen? Caitlin wankte und suchte an Orlas Schulter Halt. Mit der anderen Hand fuhr sie sich über das tränenfeuchte Gesicht.
»Wir müssen nach ihnen suchen«, murmelte sie. »Vielleicht hat ja einer überlebt.«
»Geht in Eure Kammer, Herrin, bitte.« Mutter Laurentia straffte die Schultern und gab ihrer besudelten Gestalt wieder ein wenig Würde zurück. »Wir anderen werden die Verletzten finden und uns um sie kümmern, falls es denn Verletzte gibt. Die Toten werden wir unter die Erde bringen.«
»Und wenn die . . . die Mörder wiederkommen?«, rief eine Novizin mit piepsiger Stimme. Sie hatte die Arme um sich geschlungen und zitterte am ganzen Leib - wie fast alle.
»Das glaube ich nicht. Und wenn doch, liegt alles in Gottes Hand. Dann werden wir uns ihnen als standhafte Christenfrauen gegenüberstellen und mit ausgebreiteten Armen sterben, wenn es denn sein muss! Und nun kommt.«
Copyright © 2012 by Bastei Lübbe GmbH & Co. KG, Köln Textredaktion: Susanne Bartel, Nürnberg
I. SEEKRIEGER
1. Caitlin sah nicht die Hand vor Augen. Undurchdringliche Schwärze umschloss sie. Umso klarer nahm sie jedes Geräusch wahr: das unterdrückte Atmen der sechs, sieben Frauen, die mit ihr in dem dunklen Kellerloch ausharrten. Gehauchte Gebete. Das Rascheln eines Habits, wenn eine der Nonnen es wagte, ihr Gewicht zu verlagern. Die Füße einer Maus, die über den kalten Steinboden rannte.
Irgendwo weiter oben krachten Türen, zerschellten Gegenstände, stampften Schritte der Plünderer über den Boden.
Wikinger - Seekrieger! Der schrille Ruf der Nonnen, der Caitlin in der Morgendämmerung im Gästehaus geweckt hatte, hallte noch immer in ihren Ohren. Nie hatte sie damit gerechnet, während der Reise zum Landgut ihres Verlobten überfallen zu werden. Sie war sofort hellwach gewesen, war mit nichts als ihrem Untergewand bekleidet ins Haupthaus und in die kleine Klosterküche gestürzt. Wo, wenn nicht hier, gab es etwas, womit man sich verteidigen konnte? Sie hatte sich ein Gemüsemesser geschnappt. Eher wollte sie sterben als sich von barbarischen Nordmännern rauben und schänden zulassen. Dann hatte eine der Benediktinerinnen hektisch die Boden- klappe im Vorratsraum geöffnet und die kleine Schar die Stiege hinabgescheucht.
Bitte, lieber Gott, lass mich das Messer nicht gebrauchen müssen. Caitlins Hand schmerzte, weil sie es so fest umklammerte. Mach, dass sie verschwinden.
Sie erinnerte sich an alte Geschichten, mit denen man sie als Kind erschreckt hatte, wenn sie aufmüpfig gewesen war. In ihnen flogen die Drachenschiffe der Seekrieger wie das Ungeheuer Leviathan über das Meer, weder Wind noch Kälte konnten sie aufhalten. Muskelbepackte Riesen, die Silberperlen in den Bärten und heidnische Amulette an den Hälsen trugen, schlugen mit ihren Streitäxten alles kurz und klein - Hütten, Häuser, Menschen. Und was sie nicht zerstörten, nahmen sie mit: Frauen und Silber.
So war es früher gewesen, anderswo. Doch diesen irischen Küstenabschnitt hatten Nordmänner bisher nur aufgesucht, um zu siedeln. Nie in ihrem achtzehnjährigen Leben hatte Caitlin gehört, dass eine Wikingfahrt hierher stattgefunden hatte. Die Dörfer der irischen Nordostküste waren in Sorglosigkeit verfallen. Die Klöster ohnehin, denn die wehrlosen Gottesdiener schützte ein Versprechen des norwegischen Königs Olaf Tryggvasson, der den neuen Glauben angenommen hatte. Man hatte geglaubt, die nordischen Heiden hielten sich daran.
Heute war der Tag, an dem sich dies als grausamer Irrtum herausstellte. Schritte näherten sich. Neben Caitlin schnappte die junge Schwester Orla nach Luft; ihr gehaspeltes lateinisches Flehen
wurde lauter. »Still!«
Caitlin tastete nach ihr und drückte sie an sich. Ihre offenfallenden Locken dämpften die Worte der Nonne. Eine andere klapperte mit den Zähnen, schaffte es aber, die Kiefer zusammenzupressen. Da flog die Tür zum Vorratsraum auf, so heftig, dass sie gegen die Wand knallte. Caitlin zuckte zusammen. Der Boden aus nicht allzu dicken Leisten über ihr bebte, als zwei Männer darüberschritten. Immerhin hatte sie beim Hinabsteigen gesehen, dass die aus grob aneinandergereihten Latten gefertigte Falltür unauffällig war. Fackelschein leuchtete durch die Ritzen, als einer der Seekrieger dicht an der Falltür vorbeistapfte. Das Licht ließ seine hellblonden Haare aufleuchten, die ihm wild bis auf die Schultern fielen. Nicht minder wild war sein Bart, in denen Blutspritzer klebten. Er war gewaltig.
Dann war er aus ihrem Blickfeld verschwunden, und sie hörte ihn vor eines der Vorratsregale treten. Ein Korb flog auf die Falltür, und Äpfel rollten auf den Boden. Caitlin erzitterte. Wenn er einen der Weinkrüge umstößt und der Wein durch die Ritzen fließt, wird er uns entdecken.
Aber der blonde Hüne zog es vor, den Wein zu trinken. Den Geräuschen nach prüfte er, was das Regal noch an Vorräten hergab. Natürlich, mit Frauen und Silber allein ließ sich der Hunger während einer Raubfahrt nicht stillen.
»Kom, brodir!« Er winkte hinter sich.
Der zweite Mann schritt über den federnden Boden und bekam die Fackel in die Hand gedrückt, die er zögerlich in die Höhe hielt. Caitlin glaubte zu erkennen, wie sich die beiden Männer anstarrten. Der andere war ebenso hoch gewachsen, aber schlanker. Zu ihrer Überraschung waren seine Haare, die er im Nacken mit einem Band zusammengefasst trug, schwarz wie die Nacht. Der dicke Strang fiel ihm zwischen die Schulterblätter. Einen Nordmann mit so tiefschwarzem Haar hatte Caitlin noch nie gesehen.
In ihrer Sprache wechselten die Männer Worte, die alles andere als freundlich klangen. Dann warf der Blonde dem anderen einen letzten finsteren Blick zu, machte auf dem Stiefelabsatz kehrt und stapfte hinaus, Befehle ausstoßend. Zwei weitere Männer stürmten herein, ließen die Falltür fast bersten und begannen Würste, Käse, Getreidesäcke und Weinkrüge fortzuschleppen.
Ja, nehmt nur alles mit, dachte Caitlin. In ihren Armen zitterte Schwester Orla, und in ihrem Rücken spürte sie, wie eine ältere Nonne sich vor und zurück wiegte. Wenn ihr dann nur verschwindet.
Orla japste in ihrer Furcht laut nach Luft. Caitlin suchte ihren Mund, um ihn mit ihrer Hand zu verschließen. Hatte er dort oben es gehört? Die Männer waren laut, unterhielten sich und lachten. Nur der Schwarze schien in sich gekehrt, so als lausche er.
Was war das? Ein Licht huschte über seine Unterschenkel. Entsetzt erkannte Caitlin, dass es das Fackellicht war, das sich in ihrer Messerklinge spiegelte. Schnell verbarg sie das Messer hinter Orlas Rücken, doch es war zu spät. Er senkte den Kopf. Ihre Blicke trafen sich - Caitlin war sich sicher, dass er sie sah. Aber war das nicht unmöglich? Hier unten war es nach wie vor stockdunkel. Oder ließ das Licht ihre kupferfarbenen Haare glänzen?
Seine Augen schienen der tosenden See zu entstammen. Leuchtendes Blau, dunkler als das Eisblau oder Grau, das bei den Männern des Nordens üblich war. Darüber wölbten sich schwarze Brauen. Einen Bart trug er nicht - taten das nicht alle Nordmänner? Nichts bedeckte das Kinn und die schön geschwungenen Lippen. Auch sein Stirnrunzeln, seine nachdenklich mahlenden Kiefer, sein finsterer Gesamteindruck konnten nichts an dem Gedanken ändern, der Caitlin durch den Kopf schoss: Habe ich je ein vollkommeneres Gesicht gesehen?
Unschlüssig drehte er sich um. Das Band, das sein Haar zusammenhielt, war aus kleinen silbernen Gliedern gefertigt, in denen sich das Licht der Fackel spiegelte. Sogar die schwarz eingeritzten Muster konnte Caitlin erkennen. Ihre Sinne waren zum Zerreißen gespannt. Der Griff des Messers war feucht von ihrem Schweiß. Sie war sich sicher: Gleich würde er mit dem Stiefel die Latten durchtreten und mit triumphalem Lachen zu ihnen herabdeuten.
Worauf wartete er? Es war vorbei. Vorbei!
Als jemand rief, flog sein Kopf hoch. »Prifisk«, zischte er in sich hinein. Ein Fluch - Caitlin kannte die Sprache der Nordleute seit der Kindheit, in der sie staunend und ängstlich an der Seite des Vaters ihre Dörfer an der Küste besucht hatte. Der Barbar eilte aus der Kammer.
»Er wird jetzt die anderen holen«, schluchzte Orla auf. Und als gäbe es keine Notwendigkeit mehr, sich zu verbergen, begannen alle sich zu bewegen und zu weinen. »Bitte, bitte, seid leise«, flehte Caitlin, obwohl sie selbst zitterte und die Tränen nicht zurückhalten konnte. Aber würde das jetzt noch etwas ändern? Gleich würde er zurückkehren, er und die anderen. Gleich . . .
Aber er kam nicht. Sie lauschte, ob die Nonnen, die ihr Heil im Ziegenstall gesucht hatten, entdeckt worden waren, konnte aber keine weibliche Stimme hören. Das Gepolter über ihnen in den Winkeln der Abtei verebbte. Was blieb, war Stille.
»Sie sind verschwunden«, murmelte Caitlin. Ihrem Gefühl nach mochte eine Stunde vergangen sein. Nein, so viel sicherlich nicht, sie hatte nur jegliches Zeitgefühl verloren.
Eine Nonne schluchzte. »Sie warten nur, dass wir herauskommen. «
»Warum sollten sie das tun?« Caitlin löste Orlas Hände von ihren Schultern und erhob sich. Die Kälte fuhr ihr in die Glieder. Das Unterkleid schützte kaum, und ihre nackten Füße fühlten sich an, als wären sie aus Eis. Sie musste hier heraus, länger ertrug sie es nicht mehr.
»Herrin Caitlin, tut das nicht!«
Sie ließ sich nicht beirren. Vorsichtig und lautlos stieg sie die Leiter hinauf und schob den Riegel zurück. Die Falltür hochzudrücken kostete Kraft, aber es gelang ihr schließlich. Die Latten knarrten, als sie darauf kroch. Sie erhob sich, tastete sich zur geschlossenen Tür vor. Der Gang, dessen Fenster auf den Kreuz gang hinausgingen, war in dämmriges Morgenlicht gehüllt.
Ein schriller Schrei zerriss die Ruhe.
Caitlin raffte das Unterkleid und hastete in Richtung der Kapelle. In deren Eingang stand Schwester Rianna, über und über mit stinkendem Mist verschmiert. Die alte Benediktinerin deutete mit knorrigem Finger ins Innere. Zwei weitere Schwestern wankten aus ihrem Stallversteck. Sie sahen nicht besser aus.
»Herr Jesus, schütze uns!«, rief eine andere Nonne mit schreckensbleichem Gesicht. »Eines der Ungeheuer ist noch da!«
Mutter Laurentia, die hagere, groß gewachsene Äbtissin, stellte sich Caitlin in den Weg. »Ihr wollt doch nicht etwa da hinein? Als unser Gast genießt Ihr unsere besondere Fürsorge, und auch Euer Verlobter, der edle Herr Eamonn von Carndonagh, würde es gewiss gutheißen, wenn Ihr Euch jetzt zurück in Euer Schlafgemach begebt. Ihr tragt ja kaum etwas am Leib!«
Die Würde der Mutter Oberin hatte durch den übel riechenden Schweinemist, der ihr am Habit und auf den Wangen klebte, in Caitlins Augen ein wenig gelitten, doch es war die Erwähnung Eamonns, bei der sich ihr Widerstand regte. Wenn sie in ein paar Tagen bei ihrem Verlobten Einzug hielt und mit ihm Hochzeit feierte, ja, dann wollte sie sich ihm fügen. Keinen Tag vorher!
Ein zweiter Schrei lenkte Mutter Laurentia ab, und Caitlin nutzte die Gelegenheit, um sich an ihr vorbeizuschieben. Noch immer hielt sie das Messer in der erhobenen Hand. Mit vereinten Kräften würden sie gegen einen einzelnen Mann bestehen. »Holt aus dem Stall . . .«, begann sie und stockte. Heugabeln, irgendeine Waffe, hatte sie sagen wollen, aber es verschlug ihr die Sprache. Es war keiner der blonden Bärtigen, der inmitten der kleinen Kapelle in die Knie ging, da er aus irgendeinem
Grund nicht mehr stehen konnte. In der Rechten hielt er den Schwertgriff; die Klingenspitze bohrte sich in den Lehmboden, als müsse er sich auf seine Waffe stützen.
Das durch das Kirchenfenster einfallende Licht ließ sein Haar wie Rabenfedern glänzen. Ebenso schwarz war das aus dicken Lederstreifen geflochtene Wams, das sich eng an seinen Oberkörper schmiegte. Darunter trug er eine knielange Tunika aus weißem Leinen und mit langen Ärmeln, dazu eine Hose aus dunkelgrauem Leder und ebensolche Stiefel, deren Schnüre sich um seine Waden wanden. Indem er eine Stiefelsohle in den Boden stemmte, versuchte er sich wieder aufzurichten. Seine Haare, die halb aus dem Silberband im Nacken gerutscht waren, schwangen, als er den Kopf in den Nacken warf, die Luft durch die Zähne herauspresste und mit einem heiseren Schrei wieder auf die Füße kam.
Großer Gott, er war riesig.
Die Benediktinerinnen flüsterten Gebete, und Caitlin sah sie aus den Augenwinkeln fahrige Kreuzzeichen machen. Der Blick des Schwarzen streifte sie. Erkannte er sie wieder? Er machte einen Schritt auf sie zu, wirkte aber, als würde er nicht mehr wissen, wo genau er sich befand. Er wankte zurück. Das Schwert blitzte auf, als er es über dem Altar schwang. Was die Räuber liegen gelassen hatten - zwei Tonbecher und das Altartuch -, fegte er mit der Klinge herunter.
»Kommt alle heraus, und schließt die Tür!«, rief die Äbtissin mit zittriger Stimme. »Gott züchtigt ihn für seine Untaten. Wir können nichts anderes tun, als abzuwarten.«
Untaten, wirklich?, dachte Caitlin. Immerhin hat er uns verschont. Aber sie behielt ihre Gedanken für sich. Keine der Frauen würde ihr jetzt zustimmen. Sie konnte ja selbst kaum glauben, dass dieser wütende Mann derselbe sein sollte, der so nachdenklich über ihrem Versteck gestanden hatte.
Er funkelte sie an und zischte etwas in seiner Sprache. Dann: »Zieht mir das Ding aus dem Rücken! Zieht es heraus!« So überrascht war Caitlin, irische Worte aus seinem Mund zu vernehmen, dass sie erschrocken zurückwich und gegen einen weichen Frauenkörper stieß. Es war die kleine Orla, die sofort die Arme um sie legte.
»Bitte, Herrin, wahrt Abstand«, wisperte sie. »Er wird uns alle töten.«
Der Hüne griff über seine Schulter hinter sich. Aber wonach auch immer er suchte, er fand es nicht. Mit den Knien stieß er gegen eine seitlich stehende Sitzbank, sackte erneut nieder und stützte sich mit dem Unterarm auf die Sitzfläche. Nun konnte Caitlin sehen, was ihm solche Schmerzen verursachte: Aus seinem Rücken ragte der Griff eines Dolches.
Ihre Gedanken waren den Bewegungen ihres Körpers voraus. Sie glaubte, über den Lehmboden zu schweben, während sie sich selbst betrachtete, wie sie es wagte, sich dem Nordmann zu nähern. Sämtliche Furcht war verschwunden, zumindest für diesen Augenblick. Dann stand sie vor ihm. Mit glasigen Augen, aus denen Verwunderung sprach, blickte er zu ihr hoch. Sie beugte sich über ihn und umschloss den Dolch- griff. Das Heft hatte sich in seinem Wams verhakt, deshalb hatte er ihn nicht selbst ziehen können. Ihr Herz klopfte ihr bis zum Hals. Den Dolch zu entfernen kostete sie große Überwindung. Es war alles andere als unwahrscheinlich, dass der Schmerz, wenn sie die Waffe entfernte, den Mann veranlassen würde, sie anzuspringen und mit dem Schwert zu erschlagen.
Gott steh mir bei! Sie kniff die Augen zusammen und riss die Klinge mit einem Ruck heraus.
Sein Leib krampfte sich zusammen, aber sein Schrei war verhalten. »Thorir, prifisk pualdri!«, presste er zwischen zusammengebissenen Zähnen hervor, als verfluche er, wer immer ihm das angetan hatte. Schweiß rann in Bächen seine Schläfen hinab, doch seine tiefblauen Augen klärten sich. Plötzlich lag seine Hand heiß auf ihrer Wade.
»Meyja - Mädchen. Danke.«
Er sah sie lange an. Dann an ihr vorbei, als überlege er, ob er es wagen konnte, jetzt einzuschlafen. Vielleicht entschied er sich dafür, vielleicht übermannte ihn nur die Ohnmacht. Er bettete den Kopf auf seinen Unterarm und schloss die Augen.
Die Äbtissin fasste sich als Erste. »Nun gut.« Sie hob ihr Kreuz, küsste es und schlug mehrmals ein Kreuzzeichen. »Der Herr hat in seiner Güte beschlossen, uns zu verschonen. Lasst uns nach den Klosterknechten sehen.«
»Die sind bestimmt alle tot«, wisperte Orla. Sie war so bleich wie die anderen zwanzig Nonnen und Novizinnen, die sich vor der Kapelle versammelt hatten. Auch Caitlin befürchtete, dass die Klosterknechte im Kampf gefallen waren, denn andernfalls wären sie längst bei ihnen gewesen. Und ihre eigene Leibwache! Vier tapfere Männer! Erst jetzt wurde sie gewahr, in welchem Ausmaß dieser entsetzliche Angriff sie heimgesucht hatte. Wowarder Mut, der sie noch vor Kurzemaus dem Vorratskeller herausgelockt hatte? Der sie den Dolch aus dem Rücken des Barbaren hatte ziehen lassen? Caitlin wankte und suchte an Orlas Schulter Halt. Mit der anderen Hand fuhr sie sich über das tränenfeuchte Gesicht.
»Wir müssen nach ihnen suchen«, murmelte sie. »Vielleicht hat ja einer überlebt.«
»Geht in Eure Kammer, Herrin, bitte.« Mutter Laurentia straffte die Schultern und gab ihrer besudelten Gestalt wieder ein wenig Würde zurück. »Wir anderen werden die Verletzten finden und uns um sie kümmern, falls es denn Verletzte gibt. Die Toten werden wir unter die Erde bringen.«
»Und wenn die . . . die Mörder wiederkommen?«, rief eine Novizin mit piepsiger Stimme. Sie hatte die Arme um sich geschlungen und zitterte am ganzen Leib - wie fast alle.
»Das glaube ich nicht. Und wenn doch, liegt alles in Gottes Hand. Dann werden wir uns ihnen als standhafte Christenfrauen gegenüberstellen und mit ausgebreiteten Armen sterben, wenn es denn sein muss! Und nun kommt.«
Copyright © 2012 by Bastei Lübbe GmbH & Co. KG, Köln Textredaktion: Susanne Bartel, Nürnberg
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Bibliographische Angaben
- Autor: Shirley Waters
- 2012, 1, 336 Seiten, Masse: 12,5 x 18,6 cm, Taschenbuch, Deutsch
- Verlag: Bastei Lübbe
- ISBN-10: 3404167147
- ISBN-13: 9783404167142
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