Der schönste Fehler meines Lebens / Wynette-Texas Bd.6
Roman
Romantisch und unwiderstehlich: 12 Wochen
unter den Top 5 der SPIEGEL-Bestsellerliste!
Meg soll Trauzeugin sein: für ihre Freundin Lucy und deren Verlobten Ted der heißeste Frauenschwarm der Stadt. Aber Meg glaubt...
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Produktinformationen zu „Der schönste Fehler meines Lebens / Wynette-Texas Bd.6 “
Romantisch und unwiderstehlich: 12 Wochen
unter den Top 5 der SPIEGEL-Bestsellerliste!
Meg soll Trauzeugin sein: für ihre Freundin Lucy und deren Verlobten Ted der heißeste Frauenschwarm der Stadt. Aber Meg glaubt nicht an diese Heirat. Was für ein Fehler! Denn Lucy bekommt kalte Füße und sagt die Hochzeit ab. Und wer ist der Sündenbock? Meg. Am liebsten würde sie einfach abhauen. Dumm, dass sie ihre Hotelrechnung nicht zahlen kann.
Und je länger Meg in der Stadt bleibt, desto näher kommt sie Ted.
Klappentext zu „Der schönste Fehler meines Lebens / Wynette-Texas Bd.6 “
Romantisch, sexy, unwiderstehlich ...Voller Vorfreude reist Meg zur Hochzeit ihrer besten Freundin, um endlich den legendären Bräutigam kennenzulernen. Und merkt sofort: Mr. Perfect und ihre Freundin Lucy passen einfach nicht zusammen! Als Lucy schliesslich kalte Füsse bekommt und die Hochzeit platzt, hat Meg ein paar Feinde mehr. Allen voran den wütenden Bräutigam. Und der macht ihr das Leben zur Hölle. Bis Meg erkennt, dass Liebe eben einfach eine Himmelsmacht ist ...
Lese-Probe zu „Der schönste Fehler meines Lebens / Wynette-Texas Bd.6 “
Der schönste Fehler meines Lebens von Susan Elizabeth PhillipsKapitel 1
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Die meisten der Bewohner von Wynette, Texas, waren der Ansicht, dass Ted Beaudine eine schlechte Partie machte. Schließlich war die Brautmutter nicht mehr die Präsidentin der Vereinigten Staaten. Cornelia war seit über einem Jahr nicht mehr im Amt. Und Ted Beaudine war immerhin Ted Beaudine.
Die jüngeren Einwohner hätten ihn am liebsten an der Seite eines Rockstars mit vielen Goldenen Schallplatten gesehen, doch diese Chance hatte er bereits gehabt und vorüberziehen lassen. Ebenso Filmdiva und Modefreak. Die meisten jedoch fanden, er hätte sich eine Frau aus der Welt des Profisports suchen sollen, am besten eine aus der LPGA, der Turnierserie im professionellen Damengolf. Tatsache war aber, dass Lucy Jorik überhaupt nicht Golf spielte.
Das hielt die geschäftstüchtigen Händler vor Ort jedoch nicht davon ab, die Porträts von Lucy und Ted auf eine spezielle Golfballedition zu drucken. Die Dellen sorgten allerdings dafür, dass sie zu schielen schienen, weshalb die meisten Touristen, die in die Stadt drängten, um einen Blick auf die Festlichkeiten des Wochenendes zu erhaschen, den schmeichelhafteren Golfhandtüchern den Vorzug gaben. Weitere Bestseller waren Teller und Tassen, die an diesen Tag erinnern sollten und in Massen von den Senioren der Stadt hergestellt wurden. Deren Erlös sollte dann den Renovierungsarbeiten der von einem Brand beschädigten Stadtbibliothek von Wynette zugutekommen.
Als Heimatstadt der beiden bedeutendsten Profigolfspieler war man in Wynette, Texas, an den Anblick von Promis auf den Straßen gewöhnt, wenn auch nicht an eine frühere Präsidentin der Vereinigten Staaten. In einem Radius von achtzig Kilometern war jedes Hotel und Motel mit Politikern, Sportlern, Filmstars und Staatsoberhäuptern belegt. Überall waren Agenten des Secret Service aufgetaucht, und im Roustabout nahmen unmengen Journalisten die begehrten Thekenplätze in Beschlag. Aber da die örtliche Wirtschaft nur auf einen Industriezweig bauen konnte, erlebte die Stadt gerade harte Zeiten, und die Bürger von Wynette freuten sich auf gute Geschäfte. Besonders einfallsreich waren die Leute vom Kiwanis Club mit ihrem Verkauf von nicht überdachten Sitzplätzen, direkt gegenüber der Wynette Presbyterian für jeweils zwanzig Dollar.
Für die breite Allgemeinheit war es ein Schock gewesen, dass die Braut für die Trauungszeremonie die texanische Kleinstadt gewählt hatte, anstatt am Beltway von Washington ihre Hochzeit zu feiern, aber Ted war nun mal durch und durch ein Junge aus Hill Country, und für die Einheimischen hatte schon immer festgestanden, dass er nirgendwo anders heiraten würde. Unter ihren wachsamen Augen war er zu einem Mann herangereift, und sie kannten ihn so gut, wie sie ihre eigenen Familien kannten. Keine Menschenseele in der Stadt hätte etwas Böses gegen ihn vorzubringen gewusst. Selbst seine Exfreundinnen trauerten ihm noch immer hinterher. Ein solcher Mann war Ted Beaudine.
Meg Koranda mochte zwar die Tochter eines Hollywoodstars sein, doch sie war auch pleite, obdachlos und verzweifelt und demzufolge nicht gerade in der Stimmung, auf der Hochzeit ihrer besten Freundin die Brautjungfer zu spielen. Und das auch schon deshalb nicht, da ihre beste Freundin ihrer Meinung nach den schwersten Fehler ihres Lebens beging, indem sie den Liebling aller Bewohner von Wynette, Texas, heiratete.
Lucy Jorik, die zukünftige Braut, schritt den Teppich ihrer Suite im Wynette Country Inn ab, in der sich ihre illustre Familie für die Festlichkeiten eingemietet hatte. »Sie werden es mir nicht ins Gesicht sagen, Meg, aber in dieser Stadt sind alle der festen Überzeugung, dass Ted eine schlechte Partie macht!«
Lucy sah so aufgewühlt aus, dass Meg sie am liebsten in den Arm genommen hätte. Sie suchte selbst Trost, doch sie nahm sich fest vor, ihre verzweifelte Freundin nicht auch noch mit ihren eigenen Problemen zu belasten. »Eine interessante Schlussfolgerung, die diese Landeier ziehen, wenn man bedenkt, dass du nur die älteste Tochter der früheren Präsidentin der Vereinigten Staaten bist. Nicht gerade ein Niemand.«
»Adoptivtochter. Ich meine es ernst, Meg. Die Leute in Wynette horchen mich regelrecht aus. Jedes Mal, wenn ich ausgehe. «
Das war nicht unbedingt eine neue Information, denn Meg telefonierte mehrmals die Woche mit Lucy, doch hatten die Anrufe ihr nichts von den Zornesfalten verraten, die sich offenbar dauerhaft auf Lucys Stirn gebildet hatten. Meg zupfte an einem ihrer Silberohrringe, die ein Schmuckstück der Sung-Dynastie waren - oder auch nicht -, je nachdem, ob sie dem Rikschafahrer in Shanghai Glauben schenkte, der sie ihr verkauft hatte. »Ich würde sagen, du bist mehr als eine gute Partie für die braven Bürger von Wynette.«
»Es ist einfach zermürbend«, sagte Lucy. »Sie bemühen sich ja, zurückhaltend zu sein, aber ich kann nicht einmal eine Straße entlanggehen, ohne dass mich jemand anhält und fragt, ob ich zufällig wisse, in welchem Jahr Ted die U.S. Amateur Golf Championship gewonnen hat oder wie viel Zeit zwischen seinem Bachelor und seinem Masterabschluss verstrichen ist - eine Trickfrage, weil er beide zusammen gemacht hat.«
Meg war vom College geflogen, bevor sie auch nur einen Abschluss in der Tasche hatte, weshalb die Vorstellung, gleich zwei auf einmal zu bekommen, ihr mehr als nur ein bisschen verrückt vorkam. Aber Lucy steigerte sich manchmal auch ein wenig zu sehr in etwas hinein. »Es ist eine neue Erfahrung, mehr nicht. Dass sich mal nicht alle lieb Kind bei dir machen.«
»Also, die Gefahr besteht wirklich nicht, das kannst du mir glauben.« Lucy schob sich eine Locke ihres hellbraunen Haars hinters Ohr. »Auf einer Party vergangene Woche hat mich eine Frau ganz beiläufig, als würde man ein derartiges Gespräch bei einem Drink und ein paar Häppchen führen, gefragt, ob ich zufällig Teds IQ wisse, was ich nicht tat. Da ich allerdings vermutete, dass sie selbst es auch nicht wusste, sagte ich hundertachtunddreißig. Aber, nicht doch ... Ein gewaltiger Fehler, wie sich herausstellte. Offenbar brachte es Ted bei seinem letzten Test auf hunderteinundfünfzig. Und wenn man dem Barkeeper glauben darf, hatte Ted die Grippe und hätte sonst noch besser abgeschnitten.«
Meg hätte gern nachgehakt, ob Lucy sich die Sache mit der Hochzeit auch richtig gut überlegt hatte, aber im Unterschied zu Meg handelte Lucy nie impulsiv.
Sie hatten sich auf dem College kennengelernt, als Meg eine rebellische Erstsemesterstudentin und Lucy eine intelligente, aber einsame Studentin im zweiten Jahr war. Da Meg ebenfalls bei berühmten Eltern aufgewachsen war, konnte sie Lucys Misstrauen neuen Freundschaften gegenüber verstehen. Und trotz ihrer sehr verschiedenen Persönlichkeiten fanden die beiden zueinander, und Meg brauchte nicht lang, um etwas zu erkennen, was den anderen nicht auffiel: Lucy Jorik gab sich nach außen hin fest entschlossen, ihrer Familie keinen Ärger zu machen, doch im Herzen war sie eine Rebellin. Was man ihr jedoch keinesfalls ansah.
Mit ihren elfenhaften Zügen und den dichten Kleinmädchenwimpern sah Lucy viel jünger aus als einunddreißig. Sie hatte sich seit ihren Collegetagen die glänzenden hellbraunen Haare wachsen lassen und besaß eine Reihe von Samthaarbändern, die Meg nie im Leben getragen hätte, um sie sich aus dem Gesicht zu halten. Auch das damenhafte aquamarinblaue Futteralkleid mit dem braven Ripsgürtel wäre niemals Megs Stil gewesen. Meg hatte ihren hochgewachsenen schlaksigen Körper in mehrere Bahnen Seide gehüllt, die in Edelsteinfarben schillerten und die sie über einer Schulter zusammengebunden hatte. Dazu kombinierte sie klassische schwarze Gladiatorensandalen - Größe zweiundvierzig -, die bis über ihre Waden geschnürt waren, und einen silbernen Schmuckanhänger, zu dem sie einen antiken Betelnussbehälter, erworben auf einem Markt im Zentrum von Sumatra, umfunktioniert hatte, der jetzt zwischen ihren Brüsten baumelte. Zu ihren vermutlich gefälschten Ohrringen der Sung-Dynastie trug sie einen ganzen Stapel Armreifen, die sie für sechs Dollar bei TJ Maxx gekauft und mit afrikanischen Handelsperlen aufgepeppt hatte. Sie hatte einfach Sinn für Mode.
Und reist auf verschlungenen Wegen, wie ihr berühmter New Yorker Onkel und Couturier gemeint hatte.
Lucy spielte an ihrer sittsamen Perlenkette. »Ted ist ... die bestmögliche Entsprechung dessen, was das Universum als perfekten Menschen entworfen hat. Du brauchst dir nur mein Hochzeitsgeschenk anzusehen. Welcher Mann schenkt seiner Braut schon eine Kirche?«
»Beeindruckend, das muss ich zugeben.« Am frühen Nachmittag hatte Lucy Meg mitgenommen, um ihr die verlassene Holzkirche zu zeigen, die am Stadtrand am Ende einer schmalen Gasse versteckt lag. Ted hatte sie erworben, um sie vor dem Verfall zu bewahren, und dann ein paar Monate darin gelebt, während sein jetziges Haus gebaut wurde. Obwohl keinerlei Mobiliar darin stand, war es ein reizendes altes Gebäude, und Meg konnte sehr wohl verstehen, warum Lucy es liebte.
»Er meinte, jede verheiratete Frau brauche für ihr geistiges Wohlbefinden einen Ort für sich allein. Kannst du dir etwas Aufmerksameres vorstellen?«
Megs Interpretation war zynischer ausgefallen. Welche bessere Strategie gab es für einen reichen verheirateten Mann, der vorhatte, sich selbst einen privaten Raum einzurichten?
»Wirklich unglaublich«, sagte sie nur. »Ich kann es kaum erwarten, ihn kennenzulernen.« Sie verfluchte die diversen persönlichen und finanziellen Krisen, die sie daran gehindert hatten, schon vor Monaten in ein Flugzeug zu steigen, um Lucys Verlobten kennenzulernen. Jetzt hatte sie nicht nur Lucys Polterabend verpasst, sondern war auch noch gezwungen gewesen, zur Hochzeit von Los Angeles in dem Schrottwagen herzufahren, den sie dem Gärtner ihrer Eltern abgekauft hatte.
Mit einem Seufzer setzte Lucy sich neben Meg auf die Couch. »Solange Ted und ich in Wynette leben, werde ich immer schlecht dastehen.«
Da konnte Meg nicht mehr anders, sie musste ihre Freundin drücken. »Du hast in deinem Leben noch nie schlecht dagestanden. Du hast dich und deine Schwester ganz allein vor einer Kindheit in Pflegeheimen bewahrt. Und das Weiße Haus im Sturm erobert. Und was deinen Grips angeht ... du hast einen Masterabschluss.«
Lucy sprang auf. »Den ich aber erst gemacht habe, nachdem ich meinen Bachelor in der Tasche hatte.«
Auf diesen Blödsinn ging Meg nicht ein. »Deine Arbeit als Anwältin, mit der du dich für Kinder einsetzt, hat Leben verändert, und das zählt meiner Ansicht nach mehr als ein astronomisch hoher IQ.«
Lucy seufzte. »Ich liebe ihn, aber manchmal ...«
»Was?«
Lucy wedelte mit ihrer frisch manikürten Hand und zeigte dabei ihre Fingernägel, die im Gegensatz zum Smaragdgrün, das Meg derzeit bevorzugte, in einem unglaublich dezenten hellen Rotton glänzten. »Ach Blödsinn. Ich habe nur ein wenig Bammel. Mach dir nichts draus.«
Megs Besorgnis nahm zu. »Lucy, wir sind seit zwölf Jahren beste Freundinnen. Wir kennen unsere dunkelsten Geheimnisse. Wenn etwas nicht stimmen sollte ...«
»Alles ist bestens. Ich bin nur ein wenig nervös wegen der Hochzeit und all der Aufmerksamkeit, die sie auf sich zieht. Überall sind Presseleute.« Sie setzte sich auf die Bettkante und zog sich ein Kissen an die Brust, wie sie das auch auf dem College getan hatte, wenn etwas sie beunruhigte. »Aber ... was ist, wenn er zu gut für mich ist? Ich bin klug, aber er ist klüger. Ich bin hübsch, aber er ist umwerfend. Ich versuche ein anständiger Mensch zu sein, aber er ist praktisch ein Heiliger.«
Meg schluckte ihre aufsteigende Wut hinunter. »Du redest, als hätte man dir eine Gehirnwäsche verpasst.«
»Wir sind alle drei bei berühmten Eltern aufgewachsen. Du, ich und Ted ... aber Ted hat auf eigene Faust sein Glück gefunden.«
»Dieser Vergleich ist unfair. Du hast gemeinnützige Arbeit geleistet, das ist nicht gerade ein Sprungbrett, um Multimillionär zu werden.« Doch Lucy verfügte wenigstens über die Möglichkeit, sich selbst über Wasser zu halten, was Meg nie geschafft hatte. Sie war viel zu sehr mit Reisen in ferne Länder beschäftigt gewesen, was sie zwar unter dem Vorwand getan hatte, sich vor Ort mit Umweltfragen zu befassen und das traditionelle Handwerk zu erforschen, aber eigentlich waren es Vergnügungsreisen gewesen. Sie liebte ihre Eltern, allerdings nicht die Art und Weise, wie diese sie enterbt hatten. Warum jetzt? Hätten sie das vielleicht getan, als sie einundzwanzig war und nicht erst mit dreißig, hätte sie sich weniger als Verliererin gefühlt.
Lucy drückte ihr Kinn in das Kissen, sodass dieses sich um ihre Wangen bauschte. »Meine Eltern vergöttern ihn, und du weißt ja, was sie von den Jungs gehalten haben, mit denen ich mich früher verabredet hatte.«
»Doch sie waren niemals annähernd so feindselig, wie meine Eltern sich meinen Freunden gegenüber verhalten.«
»Aber nur weil du dich mit Losern von Weltklasse zusammentust. «
Dagegen wusste Meg nichts zu erwidern. Zu diesen Losertypen hatte vor Kurzem ein schizoider Surfer gehört, den sie in Indien kennengelernt hatte, und ein australischer Rafting- Guide, dem eine Wuttherapie nicht geschadet hätte. Einige Frauen lernten aus ihren Fehlern. Sie gehörte offenbar nicht dazu.
Lucy warf das Kissen beiseite. »Ted hat sein Vermögen mit sechsundzwanzig Jahren gemacht, als er ein geniales Softwaresystem erfand, das Gemeinden beim Energiesparen hilft. Ein großer Schritt mit dem Ziel, ein kluges Überlandleitungsnetz aufzubauen. Und jetzt pickt er sich die Beraterjobs heraus, die ihm gefallen. Wenn er zu Hause ist, fährt er einen alten Ford-Laster mit einer von ihm selbst gebauten Wasserstoffzelle, dazu noch seine von Solarstrom betriebene Klimaanlage und all die anderen Dingen, die ich nicht verstehe. Hast du eine Vorstellung davon, wie viele Patente Ted besitzt? Nein? Nun, ich auch nicht, aber ich bin mir sicher, dass jeder Lebensmittelverkäufer es weiß. Und das Schlimmste ist, dass ihn nichts, aber auch gar nichts aus der Ruhe bringt!«
»Klingt, als wäre er Jesus. Nur dass er außerdem reich und sexy ist.«
»Pass bloß auf, Meg. Wenn du in dieser Stadt Scherze über Jesus machst, könntest du dafür erschossen werden. So viele bewaffnete Gläubige hast du noch nicht gesehen.« Lucys besorgter Gesichtsausdruck legte nahe, dass sie selbst auch befürchtete, von einer Kugel getroffen zu werden.
Bald mussten sie los zur Probe, und Meg blieb keine Zeit mehr für subtile Fragestellungen. »Was ist mit eurem Liebesleben? Du hast ärgerlicherweise mit den Details sehr gegeizt, und ich weiß nur, dass du auf diesem blöden dreimonatigen Sex-Moratorium bestanden hast.«
»Ich möchte, dass unsere Hochzeitsnacht etwas ganz Besonderes wird.« Sie knabberte mit den Zähnen an ihrer Unterlippe. »Er ist der unglaublichste Liebhaber, den ich je hatte.«
»Allzu viele hattest du ja nicht gerade.«
»Er ist legendär. Und frag jetzt nicht, wie ich das herausgefunden habe. Er ist der Liebhaber, von dem alle Frauen träumen. Absolut selbstlos. Romantisch. Als wüsste er, was eine Frau will, bevor sie es selbst weiß.« Sie stieß einen langen Seufzer aus. »Und er gehört mir. Fürs ganze Leben.«
Doch Lucy klang dabei nicht annähernd so glücklich, wie sie das hätte sein sollen. Meg schlug die Beine übereinander. »Irgendeinen Schwachpunkt muss doch auch er haben.«
»Da ist nichts.«
»Er trägt eine Baseballkappe, die nach hinten zeigt. Riecht morgens faulig aus dem Mund. Hat eine heimliche Leidenschaft für Kid Rock. Irgendwas muss es doch geben.«
»Nun ...« Ein Ausdruck der Hilflosigkeit huschte über Lucys Gesicht. »Er ist perfekt. Das ist der Schwachpunkt.«
Und da verstand Meg sie. Lucy wollte nicht riskieren, die Menschen, die sie liebte, zu enttäuschen, und jetzt hatte sie in ihrem zukünftigen Ehemann noch eine weitere Person, dessen Erwartungen sie gerecht werden musste.
Lucys Mutter, die ehemalige Präsidentin der Vereinigten Staaten, steckte ihren Kopf ins Zimmer. »Ihr beiden müsst jetzt los.«
Meg sprang von der Couch auf. Obwohl sie inmitten von Prominenten aufgewachsen war, hatte sie die Ehrfurcht in Gegenwart von Präsidentin Cornelia Case Jorik nie ganz verloren.
Nealy Joriks strenges Patriziergesicht unter dem honigbraunen Haar mit den hellen Strähnchen und ihr Markenzeichen, die Designerhosenanzüge, waren von Tausenden von Fotos bekannt, aber nur wenige zeigten die wahre Person hinter der amerikanischen Ansteckflagge, die komplizierte Frau, die einst aus dem Weißen Haus geflüchtet war, um quer durchs Land auf Abenteuerreise zu gehen, auf der sie Lucy und ihrer Schwester Tracy begegnet war und auch Nealys geliebtem Ehemann, dem Journalisten Mat Jorik.
Nealy starrte sie an. »Wenn ich euch beide so zusammen sehe ... als wäre es erst gestern gewesen, dass ihr beide Collegestudentinnen wart.« Die ehemalige Präsidentin des Landes der unbegrenzten Möglichkeiten wurde sentimental und konnte die Tränen nicht unterdrücken. Sie blickte sanft drein, und ihre blauen Augen glänzten. »Du bist Lucy immer eine gute Freundin gewesen, Meg.«
»Jemand musste es ja sein.«
Die Präsidentin lächelte. »Tut mir leid, dass deine Eltern nicht dabei sein können.«
Meg sah das anders. »Sie sind nicht gern lang voneinander getrennt, und das war die einzige Zeit, die Mom sich freinehmen konnte, um Dad bei seinen Dreharbeiten in China zu begleiten.«
»Ich freue mich schon sehr auf seinen neuen Film. Bei ihm weiß man nie, was einen erwartet.«
»Sie wären bestimmt gern dabei gewesen, wenn Lucy heiratet «, erwiderte Meg. »Vor allem Mom. Sie wissen ja, was sie für sie empfindet.«
»Dasselbe, was ich für dich empfinde«, sagte die Präsidentin netterweise, denn im Vergleich zu Lucy hatte Meg sich als ziemliche Enttäuschung erwiesen. Jetzt jedoch war nicht der richtige Moment, sich mit ihren vergangenen Fehlern und ihrer trostlosen Zukunft aufzuhalten. Meg musste sich mit ihrer wachsenden Überzeugung auseinandersetzen, dass ihre Freundin Gefahr lief, den größten Fehler ihres Lebens zu machen.
Lucy hatte sich für nur vier Brautjungfern entschieden, ihre drei Schwestern und Meg. Sie würden gemeinsam am Altar auf das Eintreffen des Bräutigams und dessen Eltern warten. Holly und Charlotte, Mat und Nealys leibliche Töchter, scharten sich zusammen mit Lucys achtzehnjähriger Schwester Tracy und ihrem siebzehnjährigen afroamerikanischen Adoptivbruder Andre um die Eltern. In seiner von einer breiten Öffentlichkeit gelesenen Zeitungskolumne hatte Mat behauptet: »Wenn Familien einen Stammvater haben, dann ist unserer ein amerikanisches Mischlingskind.« Meg schnürte es die Kehle zusammen. Sosehr ihre Brüder ihr auch das Gefühl gaben, minderwertig zu sein, so sehr vermisste sie sie jetzt.
Völlig unvermittelt flogen die Kirchentüren auf. Und da stand er und bildete eine Silhouette vor der untergehenden Sonne. Theodore Day Beaudine.
Trompetenklänge ertönten. Gottesfürchtige Trompeten schmetterten Hallelujas.
»Himmel«, flüsterte sie.
»Ich weiß«, erwiderte Lucy im Flüsterton. »So etwas passiert ihm ständig. Er behauptet, es sei Zufall.«
Trotz allem, was Lucy ihr erzählt hatte, war Meg auf den ersten Anblick von Ted Beaudine nicht angemessen vorbereitet. Er hatte hohe Wangenknochen, eine makellos gerade Nase und ein energisches Kinn. Er könnte direkt aus einer Reklametafel vom Times Square herabgestiegen sein, doch ihm fehlte das Gekünstelte eines Models.
Mit großen lockeren Schritten kam er den Gang entlang, auf seinem dunkelbraunen Haar lag ein Kupferschimmer. Gebrochenes Licht aus den Buntglasfenstern malte Edelsteine auf seinen Weg, als wäre der rote Teppich für einen solchen Mann nicht gut genug. Seine berühmten Eltern, die wenige Schritte hinter ihm gingen, bemerkte Meg kaum. Sie konnte ihren Blick nicht vom Bräutigam ihrer besten Freundin lösen.
Er begrüßte die Familie seiner Braut mit leiser, angenehmer Stimme. Die auf der Chorempore probenden Trompeten schmetterten ein Crescendo, er drehte sich um, und Meg fühlte sich, als ob man ihr einen unerwarteten Schlag verpasst hätte.
Diese Augen ... goldener Bernstein, gemischt mit Honig und umrandet von Feuerstein. Augen, die vor Intelligenz und Beobachtungsgabe glühten. Augen, die schnelle Schlüsse zogen. Als sie vor ihm stand, spürte sie, wie Ted Beaudine ihr Innerstes erforschte und alles wahrnahm, was sie so mühsam zu verbergen trachtete - ihre Ziellosigkeit, ihre Unzulänglichkeit, ihr völliges Versagen, Anspruch auf einen achtbaren Platz in der Welt zu erheben.
Wir wissen beide, dass du eine Versagerin bist, sagten seine Augen, aber ich bin mir sicher, dass du das eines Tages hinter dir lassen wirst. Falls nicht ... Nun ja ... Was kann man schon von einem verwöhnten Kind aus Hollywood erwarten?
Lucy stellte sie einander vor. »... so froh, dass ihr beiden euch endlich kennenlernt. Meine beste Freundin und mein zukünftiger Ehemann.«
Meg war stolz, nach außen hin Stärke zu zeigen, brachte aber kaum mehr als ein flüchtiges Nicken zustande.
»Wenn ich um Ihre Aufmerksamkeit bitten dürfte ...«, meldete sich der Pfarrer zu Wort.
Ted drückte Lucys Hand und lächelte in das nach oben gewandte Gesicht seiner Braut. Es war ein liebevolles, zufriedenes Lächeln, das jedoch ohne Wirkung auf die Distanz blieb, die in seinen bernsteinfarbenen Augen lag. Megs Alarmglocken läuteten. Welche Gefühle er auch immer für Lucy hegen mochte, die wilde Leidenschaft, die ihre beste Freundin verdient hatte, gehörte nicht dazu.
Das Probedinner wurde von den Eltern des Bräutigams ausgerichtet. Es war ein üppiges Barbecue für hundert Leute im örtlichen Country Club, einem Ort, der für all das stand, was Meg verachtete - verwöhnte reiche Weiße, die so fixiert auf ihr eigenes Wohlbefinden waren, dass sie keinen Gedanken daran verschwendeten, welchen Schaden ihr chemisch verseuchter, Wasser schluckender Golfplatz für den Planeten bedeutete. Und auch Lucys Erklärung, dass es nur ein halb privater Club sei und jeder hier spielen könne, vermochte ihre Meinung nicht zu ändern. Der Secret Service sorgte dafür, dass der internationale Pressetross vor den Toren blieb, wo sich auch eine Schar Neugieriger in der Hoffnung eingefunden hatte, einen kurzen Blick auf ein berühmtes Gesicht zu erhaschen.
Und berühmte Gesichter gab es viele, nicht nur aufseiten der Braut. Vater und Mutter des Bräutigams waren weltberühmt. Dallas Beaudine war eine Legende im Profigolf, und Teds Mutter Francesca war einer der bedeutendsten und besten Promi-Interviewerinnen, die das Fernsehen hatte. Die Reichen und Berühmten verteilten sich von der Gartenveranda des im Südstaatenstil errichteten Hauses bis zum ersten Tee - Politiker, Filmstars, Elitesportler aus der Welt des Profigolfs und ein paar Einheimische aller Altersklassen und Ethnien: Lehrer und Ladenbesitzer, Mechaniker und Klempner, der Herrenfriseur der Stadt und ein äußerst unheimlich aussehender Biker.
Meg verfolgte, wie Ted sich durch die Menge bewegte. Er gab sich gelassen und zurückhaltend, aber überallhin schien ihn ein unsichtbarer Scheinwerfer zu begleiten. Lucy blieb an seiner Seite und vibrierte geradezu vor Anspannung, während ein Gast nach dem anderen das Paar anhielt, um zu plaudern. Ted blieb unerschütterlich, doch obwohl fröhliches Geplauder durch den Raum summte, fiel es Meg immer schwerer, ihr Lächeln beizubehalten. Ted machte auf sie eher den Eindruck eines Mannes, der eine sorgfältig kalkulierte Mission verfolgte, als den eines liebenden Ehemanns am Vorabend seiner Hochzeit.
Sie hatte gerade ein Gespräch mit einem ehemaligen Nachrichtensprecher beendet, das sich, wie vorhersehbar, darum drehte, dass sie ihrer unglaublich schönen Mutter so gar nicht ähnlich sähe, als Ted und Lucy zu ihr stießen. »Was habe ich dir gesagt?« Lucy ließ sich ihr drittes Glas Champagner von einem vorbeikommenden Kellner reichen. »Ist er nicht großartig? «
Ohne auf das Kompliment einzugehen, musterte Ted Meg mit jenen Augen, die alles gesehen hatten, obwohl er nicht mal die Hälfte der von Meg besuchten Orte bereist haben konnte.
Du nennst dich eine Kosmopolitin, wisperten seine Augen, aber das heißt doch nur, dass du nirgendwohin gehörst.
Sie musste sich auf Lucys Elend konzentrieren, nicht auf ihr eigenes, und deshalb rasch handeln. Was machte es schon, wenn sie ungehobelt wirkte? Lucy war an Megs direkte Art gewöhnt, und Ted Beaudines wohlwollende Meinung bedeutete ihr nichts. Sie fasste an den Stoffknoten auf ihrer Schulter. »Lucy hat gar nicht erwähnt, dass du Bürgermeister von Wynette bist ... und außerdem natürlich auch der Schutzpatron der Stadt.«
Er wirkte weder beleidigt noch geschmeichelt oder erstaunt über Megs Stichelei. »Lucy übertreibt.«
»Tue ich nicht«, widersprach Lucy. »Ich schwöre hoch und heilig, dass die Frau neben dem Schaukasten mit den Pokalen einen Knicks gemacht hat, als du vorbeigegangen bist.«
Ted grinste, und Meg hielt die Luft an. Dieses lässige Grinsen verlieh ihm einen gefährlich jungenhaften Ausdruck, den Meg ihm nicht eine Sekunde lang abkaufte. Jetzt stieg sie voll ein. »Lucy ist meine liebste Freundin - die Schwester, die ich mir immer gewünscht habe -, aber hast du eine Vorstellung davon, wie viele lästige Angewohnheiten sie hat?«
Lucy runzelte die Stirn, versucht allerdings nicht, dem Gespräch eine andere Richtung zu geben, was Bände sprach.
»Verglichen mit meinen Schwächen sind ihre gering.« Seine Augenbrauen waren dunkler als sein Haar, aber seine Wimpern waren bleich mit goldenen Spitzen, als hätte er sie in Sterne getaucht.
Meg rückte näher an ihn heran. »Und welche Schwächen sind das genau?«
Lucy schien an seiner Antwort genauso interessiert zu sein wie Meg selbst.
»Ich bin oft ein wenig naiv«, sagte er. »So habe ich mich beispielsweise auf das Bürgermeisteramt eingelassen, obwohl ich es gar nicht haben wollte.«
»Dann willst du also bei den Leuten gut ankommen.« Meg gab sich keine Mühe, dies anders als eine Anschuldigung klingen zu lassen. Vielleicht konnte sie ihn ja aus der Reserve locken.
»Eigentlich geht es mir nicht darum, bei den Leuten gut anzukommen «, erwiderte er milde. »Ich war einfach überrascht, als mein Name auf dem Stimmzettel auftauchte. Doch damit hätte ich rechnen müssen.«
»Dir ist es schon wichtig, gut anzukommen«, warf Lucy zögernd ein. »Mir fällt niemand ein, bei dem du nicht einen Stein im Brett hast.«
Er gab ihr einen Kuss auf die Nase. Als wäre sie sein Haustier. »Solange ich bei dir einen Stein im Brett habe.«
Meg überschritt die Grenze höflicher Konversation. »Dann bist du also ein naiver Mensch, der den Leuten gefallen möchte. Was sonst?«
Ted verzog keine Miene. »Ich versuche, nicht langweilig zu sein, aber manchmal ereifere ich mich über Themen, die nicht von allgemeinem Interesse sind.«
»Fachidiot«, schloss Meg.
»Genau«, stimmte er ihr zu.
Lucy blieb loyal. »Das macht mir nichts aus. Du bist ein sehr interessanter Mensch.«
»Ich bin froh, dass du das so siehst.«
Er trank einen Schluck von seinem Bier, dachte dabei aber
ernsthaft über Megs Vorwürfe nach. »Ich bin ein fürchterlicher Koch.« »Das ist wahr!« Lucy sah aus, als wäre sie über eine Goldmine gestolpert.
Ihr Entzücken amüsierte ihn, und wieder grinste er lässig. »Und da ich keinen Kochunterricht nehmen werde, wirst du damit auch klarkommen müssen.«
Das Strahlen in Lucys Augen sagte Meg, dass Teds Bestandsaufnahme seiner Schwächen ihn nur liebenswerter mache, weshalb sie ihrem Angriff eine neue Richtung gab. »Lucy braucht einen Mann, bei dem sie sie selbst sein kann.«
»Ich glaube nicht, dass Lucy einen Mann braucht, der sie irgendwas sein lässt«, konterte er rasch. »Sie ist ein eigenständiger Mensch.«
Das zeigte, wie wenig er diese Frau verstand, die er heiraten wollte. »Lucy ist kein eigenständiger Mensch mehr gewesen, seit sie vierzehn war und ihre zukünftigen Eltern traf«, erwiderte Meg. »Sie ist eine Rebellin. Eine Unruhestifterin, aber sie muckt nicht auf, weil sie die Menschen, die ihr wichtig sind, nicht in Verlegenheit bringen möchte. Bist du darauf vorbereitet?«
Er brachte die Sache sofort auf den Punkt. »Du scheinst Zweifel zu haben, ob das mit Lucy und mir gut geht.«
Lucy bestätigte Megs sämtliche Bedenken, indem sie mit ihrer biederen Perlenkette spielte und ihren Entschluss zu heiraten nicht auf Biegen und Brechen verteidigte. Meg machte hartnäckig weiter. »Du bist ganz offensichtlich ein klasse Typ.« Es gelang ihr nicht, es wie ein Kompliment klingen zu lassen. »Was ist, wenn du zu viel Klasse hast?«
»Ich fürchte, ich kann dir nicht folgen.«
Was für jemanden, der so wahnsinnig schlau ist, eine völlig neue Erfahrung sein musste. »Was ist ...«, sagte Meg, »... wenn du ein wenig zu gut für sie bist?«
Anstatt zu protestieren, setzte Lucy ihr im Weißen Haus antrainiertes Lächeln auf und tastete ihre Perlen ab, als wären sie ein Rosenkranz.
Ted lachte. »Wenn du mich besser kennen würdest, wüsstest du, wie grotesk das ist. Entschuldige uns bitte, ich möchte Lucy nämlich meinem alten Leiter von den Pfadfindern vorstellen. « Er legte seinen Arm um Lucys Schultern und zog sie mit sich.
Meg musste sich sammeln und stürmte auf die Toilette, wo ihr eine kleine Frau auflauerte, die mit ihren kurz geschnittenen knallroten Haaren und jeder Menge sorgfältig aufgetragenem Make-up an einen Hydranten erinnerte. »Ich bin Birdie Kittle«, stellte sie sich vor und musterte Meg mit einem Schlag ihrer dick getuschten Wimpern. »Sie müssen Lucys Freundin sein. Aber Sie sehen Ihrer Mutter überhaupt nicht ähnlich.«
Mit ihren Mitte bis Ende dreißig dürfte Birdie zur Blütezeit von Fleur Savagar Korandas Modelkarriere noch ein Kind gewesen sein, aber ihre Wahrnehmung überraschte Meg nicht. Jeder, der sich auch nur ein bisschen für Promis interessierte, hatte von ihrer Mutter gehört. Fleur Koranda hatte ihren Beruf als Model vor Jahren an den Nagel gehängt und eine der wichtigsten Talentagenturen im Land aufgebaut, doch für die Allgemeinheit würde sie immer Glitter Baby bleiben.
Meg setzte das von Lucy abgeschaute Weiße-Haus-Lächeln auf. »Das liegt daran, dass meine Mutter eine der schönsten Frauen der Welt ist, ich hingegen nicht.« Das stimmte, obwohl Meg und ihre Mutter mehr als nur ein paar körperliche Merkmale verbanden, hauptsächlich die negativen. Meg hatte Glitter Babys kräftige Augenbrauen geerbt, dazu ihre großen Hände und die Paddelbootfüße, und kam mit ihren eins achtundsiebzig bis auf fünf Zentimeter fast an die Größe ihrer Mutter heran. Aber die olivenfarbene Haut, das braune Haar und die nicht ganz so ebenmäßigen Züge hatte sie von ihrem Vater, die ihr jeglichen Anspruch auf die außergewöhnliche Schönheit ihrer Mutter verwehrten, obwohl ihre Augen, eine Kombination aus Grün und Blau, die je nach Lichteinfall ihre Farbe änderten, sehr interessant waren. Leider hatte sie weder das Talent noch den Ehrgeiz geerbt, worüber ihre Eltern im Übermaß verfügten.
»Sie sind vermutlich auf Ihre eigene Weise attraktiv.« Birdie strich mit ihrem manikürten Daumennagel über die mit Schmucksteinen besetzte Schnalle ihrer schwarzen Abendtasche. »Ein wenig exotisch. Heutzutage bezeichnet man ja jeden als Supermodel, der vor einer Kamera steht. Aber auf Glitter Baby traf das noch wirklich zu. Und wenn man dann noch bedenkt, in was für eine erfolgreiche Geschäftsfrau sie sich verwandelt hat. Und da ich selbst Geschäftsfrau bin, kann ich das nur bewundern.«
»Ja, sie ist bemerkenswert.« Meg liebte ihre Mutter, doch das hielt sie nicht davon ab, sich zu wünschen, dass Fleur Savagar Koranda auch manchmal stolpern würde - einen Top-Klienten verlor, eine wichtige Verhandlung vergeigte, einen Pickel bekam. Aber alles Pech, das ihre Mutter hatte, fiel in deren frühe Jahre, bevor Meg geboren wurde, weshalb ihrer Tochter der Titel zufiel, das schwarze Schaf der Familie zu sein.
»Sie sehen wohl Ihrem Vater ähnlich«, fuhr Birdie fort. »Ich habe jeden seiner Filme gesehen, das schwöre ich. Bis auf die deprimierenden.«
»Wie etwa den Film, für den er den Oscar bekommen hat?«
»Oh, den habe ich gesehen.«
Megs Vater war in dreifacher Hinsicht bedrohlich. Weltberühmter Schauspieler, Dramatiker, der den Pulitzer-Preis gewonnen hatte, und Bestsellerautor. Wer konnte ihr bei derart megaerfolgreichen Eltern vorwerfen, dass sie total verpeilt war? Kein Kind könnte einem derartigen Erbe gerecht werden.
Außer ihre beiden jüngeren Brüder ...
Birdie rückte die Träger ihres schwarzen Futteralkleides mit dem herzförmigen Ausschnitt zurecht, das um ihre Taille ein wenig zu stramm saß. »Ihre Freundin Lucy ist ein hübsches kleines Ding.« Das hörte sich nicht nach Auszeichnung an. »Ich hoffe, sie weiß zu schätzen, was sie an Teddy hat.«
Meg hatte Mühe, Haltung zu bewahren. »Ich bin mir sicher, dass sie ihn genauso zu schätzen weiß wie er sie. Lucy ist ein ganz besonderer Mensch.«
Birdie ließ sich die Chance, ihr das zu verübeln, nicht entgehen. »Kein so besonderer Mensch wie Ted, aber um das zu verstehen, hätten Sie hier aufwachsen müssen.«
Meg wollte sich mit dieser Frau auf keinen Schlagabtausch einlassen, egal wie gern sie es getan hätte, und sorgte dafür, dass ihr Lächeln ihr nicht entglitt. »Ich lebe in Los Angeles Ich verstehe eine Menge.«
»Ich sage ja auch nur, dass sie Ted nichts voraushat, nur weil sie die Tochter der Präsidentin ist, und dass sie von niemandem hier eine Sonderbehandlung bekommen wird. Er ist der beste junge Mann in diesem Staat. Sie wird sich unseren Respekt erst noch verdienen müssen.«
Meg musste sich zusammenreißen, um nicht aus der Haut zu fahren. »Lucy braucht sich niemandes Respekt zu verdienen. Sie ist eine freundliche, intelligente, niveauvolle Frau. Ted kann sich glücklich schätzen.«
»Wollen Sie damit sagen, dass er nicht niveauvoll ist?«
»Nein. Ich möchte nur darauf hinweisen ...«
»Für Sie mag Wynette, Texas, keine große Bedeutung haben, aber es ist eine sehr niveauvolle Stadt, und wir schätzen es gar nicht, wenn Leute von außerhalb kommen und uns ihr Urteil aufdrücken, nur weil wir keine hohen Tiere aus Washington sind.« Sie ließ ihre Tasche zuschnappen. »Oder Hollywood-Promis.«
»Lucy ist keine ...«
»Hier müssen die Leute zeigen, wer sie sind. Keiner wird hier jemandes Allerwertesten küssen, nur weil er berühmte Eltern hat.«
Meg wusste nicht, ob Birdie sie selbst oder Lucy meinte, doch es war ihr auch gleichgültig. »Ich war in Kleinstädten auf der ganzen Welt und habe dabei festgestellt, dass diejenigen, die sich nicht beweisen müssen, Fremde immer willkommen geheißen haben. Es sind die heruntergekommenen Städte - die Städte, die ihren Glanz verloren haben -, die in jedem neuen Gesicht eine Bedrohung sehen.«
Birdies rotbraun gestrichelte Augenbrauen schossen hoch bis zum Haaransatz. »In Wynette ist überhaupt nichts heruntergekommen. Denkt sie das etwa?«
»Nein, das denke ich.«
Birdies Gesicht bekam einen verkniffenen Ausdruck. »Also, das verrät mir wirklich so einiges.«
Die Tür flog auf, und ein Mädchen im fortgeschrittenen Teenageralter mit langen hellbraunen Haaren steckte seinen Kopf herein. »Mama! Lady Emma und die anderen möchten Fotos mit dir machen.«
Mit einem letzten feindseligen Blick auf Meg stürmte Birdie aus dem Raum, bestens darauf vorbereitet, ihr Gespräch vor allen zu wiederholen, die es hören wollten.
Meg zog eine Grimasse. Bei ihrem Versuch, Lucy zu verteidigen, hatte sie mehr Schaden als Gutes angerichtet. Dieses Wochenende konnte nicht schnell genug vorübergehen. Sie band ihr Kleid noch mal neu auf ihrer Schulter, strich sich durch ihre kurzen verwuschelten Haare und zwang sich, wieder auf die Party zurückzukehren.
Übersetzung: Elfriede Peschel
© 2011 für die deutsche Ausgabe by Blanvalet Verlag, in der Verlagsgruppe Random House, München
Die meisten der Bewohner von Wynette, Texas, waren der Ansicht, dass Ted Beaudine eine schlechte Partie machte. Schließlich war die Brautmutter nicht mehr die Präsidentin der Vereinigten Staaten. Cornelia war seit über einem Jahr nicht mehr im Amt. Und Ted Beaudine war immerhin Ted Beaudine.
Die jüngeren Einwohner hätten ihn am liebsten an der Seite eines Rockstars mit vielen Goldenen Schallplatten gesehen, doch diese Chance hatte er bereits gehabt und vorüberziehen lassen. Ebenso Filmdiva und Modefreak. Die meisten jedoch fanden, er hätte sich eine Frau aus der Welt des Profisports suchen sollen, am besten eine aus der LPGA, der Turnierserie im professionellen Damengolf. Tatsache war aber, dass Lucy Jorik überhaupt nicht Golf spielte.
Das hielt die geschäftstüchtigen Händler vor Ort jedoch nicht davon ab, die Porträts von Lucy und Ted auf eine spezielle Golfballedition zu drucken. Die Dellen sorgten allerdings dafür, dass sie zu schielen schienen, weshalb die meisten Touristen, die in die Stadt drängten, um einen Blick auf die Festlichkeiten des Wochenendes zu erhaschen, den schmeichelhafteren Golfhandtüchern den Vorzug gaben. Weitere Bestseller waren Teller und Tassen, die an diesen Tag erinnern sollten und in Massen von den Senioren der Stadt hergestellt wurden. Deren Erlös sollte dann den Renovierungsarbeiten der von einem Brand beschädigten Stadtbibliothek von Wynette zugutekommen.
Als Heimatstadt der beiden bedeutendsten Profigolfspieler war man in Wynette, Texas, an den Anblick von Promis auf den Straßen gewöhnt, wenn auch nicht an eine frühere Präsidentin der Vereinigten Staaten. In einem Radius von achtzig Kilometern war jedes Hotel und Motel mit Politikern, Sportlern, Filmstars und Staatsoberhäuptern belegt. Überall waren Agenten des Secret Service aufgetaucht, und im Roustabout nahmen unmengen Journalisten die begehrten Thekenplätze in Beschlag. Aber da die örtliche Wirtschaft nur auf einen Industriezweig bauen konnte, erlebte die Stadt gerade harte Zeiten, und die Bürger von Wynette freuten sich auf gute Geschäfte. Besonders einfallsreich waren die Leute vom Kiwanis Club mit ihrem Verkauf von nicht überdachten Sitzplätzen, direkt gegenüber der Wynette Presbyterian für jeweils zwanzig Dollar.
Für die breite Allgemeinheit war es ein Schock gewesen, dass die Braut für die Trauungszeremonie die texanische Kleinstadt gewählt hatte, anstatt am Beltway von Washington ihre Hochzeit zu feiern, aber Ted war nun mal durch und durch ein Junge aus Hill Country, und für die Einheimischen hatte schon immer festgestanden, dass er nirgendwo anders heiraten würde. Unter ihren wachsamen Augen war er zu einem Mann herangereift, und sie kannten ihn so gut, wie sie ihre eigenen Familien kannten. Keine Menschenseele in der Stadt hätte etwas Böses gegen ihn vorzubringen gewusst. Selbst seine Exfreundinnen trauerten ihm noch immer hinterher. Ein solcher Mann war Ted Beaudine.
Meg Koranda mochte zwar die Tochter eines Hollywoodstars sein, doch sie war auch pleite, obdachlos und verzweifelt und demzufolge nicht gerade in der Stimmung, auf der Hochzeit ihrer besten Freundin die Brautjungfer zu spielen. Und das auch schon deshalb nicht, da ihre beste Freundin ihrer Meinung nach den schwersten Fehler ihres Lebens beging, indem sie den Liebling aller Bewohner von Wynette, Texas, heiratete.
Lucy Jorik, die zukünftige Braut, schritt den Teppich ihrer Suite im Wynette Country Inn ab, in der sich ihre illustre Familie für die Festlichkeiten eingemietet hatte. »Sie werden es mir nicht ins Gesicht sagen, Meg, aber in dieser Stadt sind alle der festen Überzeugung, dass Ted eine schlechte Partie macht!«
Lucy sah so aufgewühlt aus, dass Meg sie am liebsten in den Arm genommen hätte. Sie suchte selbst Trost, doch sie nahm sich fest vor, ihre verzweifelte Freundin nicht auch noch mit ihren eigenen Problemen zu belasten. »Eine interessante Schlussfolgerung, die diese Landeier ziehen, wenn man bedenkt, dass du nur die älteste Tochter der früheren Präsidentin der Vereinigten Staaten bist. Nicht gerade ein Niemand.«
»Adoptivtochter. Ich meine es ernst, Meg. Die Leute in Wynette horchen mich regelrecht aus. Jedes Mal, wenn ich ausgehe. «
Das war nicht unbedingt eine neue Information, denn Meg telefonierte mehrmals die Woche mit Lucy, doch hatten die Anrufe ihr nichts von den Zornesfalten verraten, die sich offenbar dauerhaft auf Lucys Stirn gebildet hatten. Meg zupfte an einem ihrer Silberohrringe, die ein Schmuckstück der Sung-Dynastie waren - oder auch nicht -, je nachdem, ob sie dem Rikschafahrer in Shanghai Glauben schenkte, der sie ihr verkauft hatte. »Ich würde sagen, du bist mehr als eine gute Partie für die braven Bürger von Wynette.«
»Es ist einfach zermürbend«, sagte Lucy. »Sie bemühen sich ja, zurückhaltend zu sein, aber ich kann nicht einmal eine Straße entlanggehen, ohne dass mich jemand anhält und fragt, ob ich zufällig wisse, in welchem Jahr Ted die U.S. Amateur Golf Championship gewonnen hat oder wie viel Zeit zwischen seinem Bachelor und seinem Masterabschluss verstrichen ist - eine Trickfrage, weil er beide zusammen gemacht hat.«
Meg war vom College geflogen, bevor sie auch nur einen Abschluss in der Tasche hatte, weshalb die Vorstellung, gleich zwei auf einmal zu bekommen, ihr mehr als nur ein bisschen verrückt vorkam. Aber Lucy steigerte sich manchmal auch ein wenig zu sehr in etwas hinein. »Es ist eine neue Erfahrung, mehr nicht. Dass sich mal nicht alle lieb Kind bei dir machen.«
»Also, die Gefahr besteht wirklich nicht, das kannst du mir glauben.« Lucy schob sich eine Locke ihres hellbraunen Haars hinters Ohr. »Auf einer Party vergangene Woche hat mich eine Frau ganz beiläufig, als würde man ein derartiges Gespräch bei einem Drink und ein paar Häppchen führen, gefragt, ob ich zufällig Teds IQ wisse, was ich nicht tat. Da ich allerdings vermutete, dass sie selbst es auch nicht wusste, sagte ich hundertachtunddreißig. Aber, nicht doch ... Ein gewaltiger Fehler, wie sich herausstellte. Offenbar brachte es Ted bei seinem letzten Test auf hunderteinundfünfzig. Und wenn man dem Barkeeper glauben darf, hatte Ted die Grippe und hätte sonst noch besser abgeschnitten.«
Meg hätte gern nachgehakt, ob Lucy sich die Sache mit der Hochzeit auch richtig gut überlegt hatte, aber im Unterschied zu Meg handelte Lucy nie impulsiv.
Sie hatten sich auf dem College kennengelernt, als Meg eine rebellische Erstsemesterstudentin und Lucy eine intelligente, aber einsame Studentin im zweiten Jahr war. Da Meg ebenfalls bei berühmten Eltern aufgewachsen war, konnte sie Lucys Misstrauen neuen Freundschaften gegenüber verstehen. Und trotz ihrer sehr verschiedenen Persönlichkeiten fanden die beiden zueinander, und Meg brauchte nicht lang, um etwas zu erkennen, was den anderen nicht auffiel: Lucy Jorik gab sich nach außen hin fest entschlossen, ihrer Familie keinen Ärger zu machen, doch im Herzen war sie eine Rebellin. Was man ihr jedoch keinesfalls ansah.
Mit ihren elfenhaften Zügen und den dichten Kleinmädchenwimpern sah Lucy viel jünger aus als einunddreißig. Sie hatte sich seit ihren Collegetagen die glänzenden hellbraunen Haare wachsen lassen und besaß eine Reihe von Samthaarbändern, die Meg nie im Leben getragen hätte, um sie sich aus dem Gesicht zu halten. Auch das damenhafte aquamarinblaue Futteralkleid mit dem braven Ripsgürtel wäre niemals Megs Stil gewesen. Meg hatte ihren hochgewachsenen schlaksigen Körper in mehrere Bahnen Seide gehüllt, die in Edelsteinfarben schillerten und die sie über einer Schulter zusammengebunden hatte. Dazu kombinierte sie klassische schwarze Gladiatorensandalen - Größe zweiundvierzig -, die bis über ihre Waden geschnürt waren, und einen silbernen Schmuckanhänger, zu dem sie einen antiken Betelnussbehälter, erworben auf einem Markt im Zentrum von Sumatra, umfunktioniert hatte, der jetzt zwischen ihren Brüsten baumelte. Zu ihren vermutlich gefälschten Ohrringen der Sung-Dynastie trug sie einen ganzen Stapel Armreifen, die sie für sechs Dollar bei TJ Maxx gekauft und mit afrikanischen Handelsperlen aufgepeppt hatte. Sie hatte einfach Sinn für Mode.
Und reist auf verschlungenen Wegen, wie ihr berühmter New Yorker Onkel und Couturier gemeint hatte.
Lucy spielte an ihrer sittsamen Perlenkette. »Ted ist ... die bestmögliche Entsprechung dessen, was das Universum als perfekten Menschen entworfen hat. Du brauchst dir nur mein Hochzeitsgeschenk anzusehen. Welcher Mann schenkt seiner Braut schon eine Kirche?«
»Beeindruckend, das muss ich zugeben.« Am frühen Nachmittag hatte Lucy Meg mitgenommen, um ihr die verlassene Holzkirche zu zeigen, die am Stadtrand am Ende einer schmalen Gasse versteckt lag. Ted hatte sie erworben, um sie vor dem Verfall zu bewahren, und dann ein paar Monate darin gelebt, während sein jetziges Haus gebaut wurde. Obwohl keinerlei Mobiliar darin stand, war es ein reizendes altes Gebäude, und Meg konnte sehr wohl verstehen, warum Lucy es liebte.
»Er meinte, jede verheiratete Frau brauche für ihr geistiges Wohlbefinden einen Ort für sich allein. Kannst du dir etwas Aufmerksameres vorstellen?«
Megs Interpretation war zynischer ausgefallen. Welche bessere Strategie gab es für einen reichen verheirateten Mann, der vorhatte, sich selbst einen privaten Raum einzurichten?
»Wirklich unglaublich«, sagte sie nur. »Ich kann es kaum erwarten, ihn kennenzulernen.« Sie verfluchte die diversen persönlichen und finanziellen Krisen, die sie daran gehindert hatten, schon vor Monaten in ein Flugzeug zu steigen, um Lucys Verlobten kennenzulernen. Jetzt hatte sie nicht nur Lucys Polterabend verpasst, sondern war auch noch gezwungen gewesen, zur Hochzeit von Los Angeles in dem Schrottwagen herzufahren, den sie dem Gärtner ihrer Eltern abgekauft hatte.
Mit einem Seufzer setzte Lucy sich neben Meg auf die Couch. »Solange Ted und ich in Wynette leben, werde ich immer schlecht dastehen.«
Da konnte Meg nicht mehr anders, sie musste ihre Freundin drücken. »Du hast in deinem Leben noch nie schlecht dagestanden. Du hast dich und deine Schwester ganz allein vor einer Kindheit in Pflegeheimen bewahrt. Und das Weiße Haus im Sturm erobert. Und was deinen Grips angeht ... du hast einen Masterabschluss.«
Lucy sprang auf. »Den ich aber erst gemacht habe, nachdem ich meinen Bachelor in der Tasche hatte.«
Auf diesen Blödsinn ging Meg nicht ein. »Deine Arbeit als Anwältin, mit der du dich für Kinder einsetzt, hat Leben verändert, und das zählt meiner Ansicht nach mehr als ein astronomisch hoher IQ.«
Lucy seufzte. »Ich liebe ihn, aber manchmal ...«
»Was?«
Lucy wedelte mit ihrer frisch manikürten Hand und zeigte dabei ihre Fingernägel, die im Gegensatz zum Smaragdgrün, das Meg derzeit bevorzugte, in einem unglaublich dezenten hellen Rotton glänzten. »Ach Blödsinn. Ich habe nur ein wenig Bammel. Mach dir nichts draus.«
Megs Besorgnis nahm zu. »Lucy, wir sind seit zwölf Jahren beste Freundinnen. Wir kennen unsere dunkelsten Geheimnisse. Wenn etwas nicht stimmen sollte ...«
»Alles ist bestens. Ich bin nur ein wenig nervös wegen der Hochzeit und all der Aufmerksamkeit, die sie auf sich zieht. Überall sind Presseleute.« Sie setzte sich auf die Bettkante und zog sich ein Kissen an die Brust, wie sie das auch auf dem College getan hatte, wenn etwas sie beunruhigte. »Aber ... was ist, wenn er zu gut für mich ist? Ich bin klug, aber er ist klüger. Ich bin hübsch, aber er ist umwerfend. Ich versuche ein anständiger Mensch zu sein, aber er ist praktisch ein Heiliger.«
Meg schluckte ihre aufsteigende Wut hinunter. »Du redest, als hätte man dir eine Gehirnwäsche verpasst.«
»Wir sind alle drei bei berühmten Eltern aufgewachsen. Du, ich und Ted ... aber Ted hat auf eigene Faust sein Glück gefunden.«
»Dieser Vergleich ist unfair. Du hast gemeinnützige Arbeit geleistet, das ist nicht gerade ein Sprungbrett, um Multimillionär zu werden.« Doch Lucy verfügte wenigstens über die Möglichkeit, sich selbst über Wasser zu halten, was Meg nie geschafft hatte. Sie war viel zu sehr mit Reisen in ferne Länder beschäftigt gewesen, was sie zwar unter dem Vorwand getan hatte, sich vor Ort mit Umweltfragen zu befassen und das traditionelle Handwerk zu erforschen, aber eigentlich waren es Vergnügungsreisen gewesen. Sie liebte ihre Eltern, allerdings nicht die Art und Weise, wie diese sie enterbt hatten. Warum jetzt? Hätten sie das vielleicht getan, als sie einundzwanzig war und nicht erst mit dreißig, hätte sie sich weniger als Verliererin gefühlt.
Lucy drückte ihr Kinn in das Kissen, sodass dieses sich um ihre Wangen bauschte. »Meine Eltern vergöttern ihn, und du weißt ja, was sie von den Jungs gehalten haben, mit denen ich mich früher verabredet hatte.«
»Doch sie waren niemals annähernd so feindselig, wie meine Eltern sich meinen Freunden gegenüber verhalten.«
»Aber nur weil du dich mit Losern von Weltklasse zusammentust. «
Dagegen wusste Meg nichts zu erwidern. Zu diesen Losertypen hatte vor Kurzem ein schizoider Surfer gehört, den sie in Indien kennengelernt hatte, und ein australischer Rafting- Guide, dem eine Wuttherapie nicht geschadet hätte. Einige Frauen lernten aus ihren Fehlern. Sie gehörte offenbar nicht dazu.
Lucy warf das Kissen beiseite. »Ted hat sein Vermögen mit sechsundzwanzig Jahren gemacht, als er ein geniales Softwaresystem erfand, das Gemeinden beim Energiesparen hilft. Ein großer Schritt mit dem Ziel, ein kluges Überlandleitungsnetz aufzubauen. Und jetzt pickt er sich die Beraterjobs heraus, die ihm gefallen. Wenn er zu Hause ist, fährt er einen alten Ford-Laster mit einer von ihm selbst gebauten Wasserstoffzelle, dazu noch seine von Solarstrom betriebene Klimaanlage und all die anderen Dingen, die ich nicht verstehe. Hast du eine Vorstellung davon, wie viele Patente Ted besitzt? Nein? Nun, ich auch nicht, aber ich bin mir sicher, dass jeder Lebensmittelverkäufer es weiß. Und das Schlimmste ist, dass ihn nichts, aber auch gar nichts aus der Ruhe bringt!«
»Klingt, als wäre er Jesus. Nur dass er außerdem reich und sexy ist.«
»Pass bloß auf, Meg. Wenn du in dieser Stadt Scherze über Jesus machst, könntest du dafür erschossen werden. So viele bewaffnete Gläubige hast du noch nicht gesehen.« Lucys besorgter Gesichtsausdruck legte nahe, dass sie selbst auch befürchtete, von einer Kugel getroffen zu werden.
Bald mussten sie los zur Probe, und Meg blieb keine Zeit mehr für subtile Fragestellungen. »Was ist mit eurem Liebesleben? Du hast ärgerlicherweise mit den Details sehr gegeizt, und ich weiß nur, dass du auf diesem blöden dreimonatigen Sex-Moratorium bestanden hast.«
»Ich möchte, dass unsere Hochzeitsnacht etwas ganz Besonderes wird.« Sie knabberte mit den Zähnen an ihrer Unterlippe. »Er ist der unglaublichste Liebhaber, den ich je hatte.«
»Allzu viele hattest du ja nicht gerade.«
»Er ist legendär. Und frag jetzt nicht, wie ich das herausgefunden habe. Er ist der Liebhaber, von dem alle Frauen träumen. Absolut selbstlos. Romantisch. Als wüsste er, was eine Frau will, bevor sie es selbst weiß.« Sie stieß einen langen Seufzer aus. »Und er gehört mir. Fürs ganze Leben.«
Doch Lucy klang dabei nicht annähernd so glücklich, wie sie das hätte sein sollen. Meg schlug die Beine übereinander. »Irgendeinen Schwachpunkt muss doch auch er haben.«
»Da ist nichts.«
»Er trägt eine Baseballkappe, die nach hinten zeigt. Riecht morgens faulig aus dem Mund. Hat eine heimliche Leidenschaft für Kid Rock. Irgendwas muss es doch geben.«
»Nun ...« Ein Ausdruck der Hilflosigkeit huschte über Lucys Gesicht. »Er ist perfekt. Das ist der Schwachpunkt.«
Und da verstand Meg sie. Lucy wollte nicht riskieren, die Menschen, die sie liebte, zu enttäuschen, und jetzt hatte sie in ihrem zukünftigen Ehemann noch eine weitere Person, dessen Erwartungen sie gerecht werden musste.
Lucys Mutter, die ehemalige Präsidentin der Vereinigten Staaten, steckte ihren Kopf ins Zimmer. »Ihr beiden müsst jetzt los.«
Meg sprang von der Couch auf. Obwohl sie inmitten von Prominenten aufgewachsen war, hatte sie die Ehrfurcht in Gegenwart von Präsidentin Cornelia Case Jorik nie ganz verloren.
Nealy Joriks strenges Patriziergesicht unter dem honigbraunen Haar mit den hellen Strähnchen und ihr Markenzeichen, die Designerhosenanzüge, waren von Tausenden von Fotos bekannt, aber nur wenige zeigten die wahre Person hinter der amerikanischen Ansteckflagge, die komplizierte Frau, die einst aus dem Weißen Haus geflüchtet war, um quer durchs Land auf Abenteuerreise zu gehen, auf der sie Lucy und ihrer Schwester Tracy begegnet war und auch Nealys geliebtem Ehemann, dem Journalisten Mat Jorik.
Nealy starrte sie an. »Wenn ich euch beide so zusammen sehe ... als wäre es erst gestern gewesen, dass ihr beide Collegestudentinnen wart.« Die ehemalige Präsidentin des Landes der unbegrenzten Möglichkeiten wurde sentimental und konnte die Tränen nicht unterdrücken. Sie blickte sanft drein, und ihre blauen Augen glänzten. »Du bist Lucy immer eine gute Freundin gewesen, Meg.«
»Jemand musste es ja sein.«
Die Präsidentin lächelte. »Tut mir leid, dass deine Eltern nicht dabei sein können.«
Meg sah das anders. »Sie sind nicht gern lang voneinander getrennt, und das war die einzige Zeit, die Mom sich freinehmen konnte, um Dad bei seinen Dreharbeiten in China zu begleiten.«
»Ich freue mich schon sehr auf seinen neuen Film. Bei ihm weiß man nie, was einen erwartet.«
»Sie wären bestimmt gern dabei gewesen, wenn Lucy heiratet «, erwiderte Meg. »Vor allem Mom. Sie wissen ja, was sie für sie empfindet.«
»Dasselbe, was ich für dich empfinde«, sagte die Präsidentin netterweise, denn im Vergleich zu Lucy hatte Meg sich als ziemliche Enttäuschung erwiesen. Jetzt jedoch war nicht der richtige Moment, sich mit ihren vergangenen Fehlern und ihrer trostlosen Zukunft aufzuhalten. Meg musste sich mit ihrer wachsenden Überzeugung auseinandersetzen, dass ihre Freundin Gefahr lief, den größten Fehler ihres Lebens zu machen.
Lucy hatte sich für nur vier Brautjungfern entschieden, ihre drei Schwestern und Meg. Sie würden gemeinsam am Altar auf das Eintreffen des Bräutigams und dessen Eltern warten. Holly und Charlotte, Mat und Nealys leibliche Töchter, scharten sich zusammen mit Lucys achtzehnjähriger Schwester Tracy und ihrem siebzehnjährigen afroamerikanischen Adoptivbruder Andre um die Eltern. In seiner von einer breiten Öffentlichkeit gelesenen Zeitungskolumne hatte Mat behauptet: »Wenn Familien einen Stammvater haben, dann ist unserer ein amerikanisches Mischlingskind.« Meg schnürte es die Kehle zusammen. Sosehr ihre Brüder ihr auch das Gefühl gaben, minderwertig zu sein, so sehr vermisste sie sie jetzt.
Völlig unvermittelt flogen die Kirchentüren auf. Und da stand er und bildete eine Silhouette vor der untergehenden Sonne. Theodore Day Beaudine.
Trompetenklänge ertönten. Gottesfürchtige Trompeten schmetterten Hallelujas.
»Himmel«, flüsterte sie.
»Ich weiß«, erwiderte Lucy im Flüsterton. »So etwas passiert ihm ständig. Er behauptet, es sei Zufall.«
Trotz allem, was Lucy ihr erzählt hatte, war Meg auf den ersten Anblick von Ted Beaudine nicht angemessen vorbereitet. Er hatte hohe Wangenknochen, eine makellos gerade Nase und ein energisches Kinn. Er könnte direkt aus einer Reklametafel vom Times Square herabgestiegen sein, doch ihm fehlte das Gekünstelte eines Models.
Mit großen lockeren Schritten kam er den Gang entlang, auf seinem dunkelbraunen Haar lag ein Kupferschimmer. Gebrochenes Licht aus den Buntglasfenstern malte Edelsteine auf seinen Weg, als wäre der rote Teppich für einen solchen Mann nicht gut genug. Seine berühmten Eltern, die wenige Schritte hinter ihm gingen, bemerkte Meg kaum. Sie konnte ihren Blick nicht vom Bräutigam ihrer besten Freundin lösen.
Er begrüßte die Familie seiner Braut mit leiser, angenehmer Stimme. Die auf der Chorempore probenden Trompeten schmetterten ein Crescendo, er drehte sich um, und Meg fühlte sich, als ob man ihr einen unerwarteten Schlag verpasst hätte.
Diese Augen ... goldener Bernstein, gemischt mit Honig und umrandet von Feuerstein. Augen, die vor Intelligenz und Beobachtungsgabe glühten. Augen, die schnelle Schlüsse zogen. Als sie vor ihm stand, spürte sie, wie Ted Beaudine ihr Innerstes erforschte und alles wahrnahm, was sie so mühsam zu verbergen trachtete - ihre Ziellosigkeit, ihre Unzulänglichkeit, ihr völliges Versagen, Anspruch auf einen achtbaren Platz in der Welt zu erheben.
Wir wissen beide, dass du eine Versagerin bist, sagten seine Augen, aber ich bin mir sicher, dass du das eines Tages hinter dir lassen wirst. Falls nicht ... Nun ja ... Was kann man schon von einem verwöhnten Kind aus Hollywood erwarten?
Lucy stellte sie einander vor. »... so froh, dass ihr beiden euch endlich kennenlernt. Meine beste Freundin und mein zukünftiger Ehemann.«
Meg war stolz, nach außen hin Stärke zu zeigen, brachte aber kaum mehr als ein flüchtiges Nicken zustande.
»Wenn ich um Ihre Aufmerksamkeit bitten dürfte ...«, meldete sich der Pfarrer zu Wort.
Ted drückte Lucys Hand und lächelte in das nach oben gewandte Gesicht seiner Braut. Es war ein liebevolles, zufriedenes Lächeln, das jedoch ohne Wirkung auf die Distanz blieb, die in seinen bernsteinfarbenen Augen lag. Megs Alarmglocken läuteten. Welche Gefühle er auch immer für Lucy hegen mochte, die wilde Leidenschaft, die ihre beste Freundin verdient hatte, gehörte nicht dazu.
Das Probedinner wurde von den Eltern des Bräutigams ausgerichtet. Es war ein üppiges Barbecue für hundert Leute im örtlichen Country Club, einem Ort, der für all das stand, was Meg verachtete - verwöhnte reiche Weiße, die so fixiert auf ihr eigenes Wohlbefinden waren, dass sie keinen Gedanken daran verschwendeten, welchen Schaden ihr chemisch verseuchter, Wasser schluckender Golfplatz für den Planeten bedeutete. Und auch Lucys Erklärung, dass es nur ein halb privater Club sei und jeder hier spielen könne, vermochte ihre Meinung nicht zu ändern. Der Secret Service sorgte dafür, dass der internationale Pressetross vor den Toren blieb, wo sich auch eine Schar Neugieriger in der Hoffnung eingefunden hatte, einen kurzen Blick auf ein berühmtes Gesicht zu erhaschen.
Und berühmte Gesichter gab es viele, nicht nur aufseiten der Braut. Vater und Mutter des Bräutigams waren weltberühmt. Dallas Beaudine war eine Legende im Profigolf, und Teds Mutter Francesca war einer der bedeutendsten und besten Promi-Interviewerinnen, die das Fernsehen hatte. Die Reichen und Berühmten verteilten sich von der Gartenveranda des im Südstaatenstil errichteten Hauses bis zum ersten Tee - Politiker, Filmstars, Elitesportler aus der Welt des Profigolfs und ein paar Einheimische aller Altersklassen und Ethnien: Lehrer und Ladenbesitzer, Mechaniker und Klempner, der Herrenfriseur der Stadt und ein äußerst unheimlich aussehender Biker.
Meg verfolgte, wie Ted sich durch die Menge bewegte. Er gab sich gelassen und zurückhaltend, aber überallhin schien ihn ein unsichtbarer Scheinwerfer zu begleiten. Lucy blieb an seiner Seite und vibrierte geradezu vor Anspannung, während ein Gast nach dem anderen das Paar anhielt, um zu plaudern. Ted blieb unerschütterlich, doch obwohl fröhliches Geplauder durch den Raum summte, fiel es Meg immer schwerer, ihr Lächeln beizubehalten. Ted machte auf sie eher den Eindruck eines Mannes, der eine sorgfältig kalkulierte Mission verfolgte, als den eines liebenden Ehemanns am Vorabend seiner Hochzeit.
Sie hatte gerade ein Gespräch mit einem ehemaligen Nachrichtensprecher beendet, das sich, wie vorhersehbar, darum drehte, dass sie ihrer unglaublich schönen Mutter so gar nicht ähnlich sähe, als Ted und Lucy zu ihr stießen. »Was habe ich dir gesagt?« Lucy ließ sich ihr drittes Glas Champagner von einem vorbeikommenden Kellner reichen. »Ist er nicht großartig? «
Ohne auf das Kompliment einzugehen, musterte Ted Meg mit jenen Augen, die alles gesehen hatten, obwohl er nicht mal die Hälfte der von Meg besuchten Orte bereist haben konnte.
Du nennst dich eine Kosmopolitin, wisperten seine Augen, aber das heißt doch nur, dass du nirgendwohin gehörst.
Sie musste sich auf Lucys Elend konzentrieren, nicht auf ihr eigenes, und deshalb rasch handeln. Was machte es schon, wenn sie ungehobelt wirkte? Lucy war an Megs direkte Art gewöhnt, und Ted Beaudines wohlwollende Meinung bedeutete ihr nichts. Sie fasste an den Stoffknoten auf ihrer Schulter. »Lucy hat gar nicht erwähnt, dass du Bürgermeister von Wynette bist ... und außerdem natürlich auch der Schutzpatron der Stadt.«
Er wirkte weder beleidigt noch geschmeichelt oder erstaunt über Megs Stichelei. »Lucy übertreibt.«
»Tue ich nicht«, widersprach Lucy. »Ich schwöre hoch und heilig, dass die Frau neben dem Schaukasten mit den Pokalen einen Knicks gemacht hat, als du vorbeigegangen bist.«
Ted grinste, und Meg hielt die Luft an. Dieses lässige Grinsen verlieh ihm einen gefährlich jungenhaften Ausdruck, den Meg ihm nicht eine Sekunde lang abkaufte. Jetzt stieg sie voll ein. »Lucy ist meine liebste Freundin - die Schwester, die ich mir immer gewünscht habe -, aber hast du eine Vorstellung davon, wie viele lästige Angewohnheiten sie hat?«
Lucy runzelte die Stirn, versucht allerdings nicht, dem Gespräch eine andere Richtung zu geben, was Bände sprach.
»Verglichen mit meinen Schwächen sind ihre gering.« Seine Augenbrauen waren dunkler als sein Haar, aber seine Wimpern waren bleich mit goldenen Spitzen, als hätte er sie in Sterne getaucht.
Meg rückte näher an ihn heran. »Und welche Schwächen sind das genau?«
Lucy schien an seiner Antwort genauso interessiert zu sein wie Meg selbst.
»Ich bin oft ein wenig naiv«, sagte er. »So habe ich mich beispielsweise auf das Bürgermeisteramt eingelassen, obwohl ich es gar nicht haben wollte.«
»Dann willst du also bei den Leuten gut ankommen.« Meg gab sich keine Mühe, dies anders als eine Anschuldigung klingen zu lassen. Vielleicht konnte sie ihn ja aus der Reserve locken.
»Eigentlich geht es mir nicht darum, bei den Leuten gut anzukommen «, erwiderte er milde. »Ich war einfach überrascht, als mein Name auf dem Stimmzettel auftauchte. Doch damit hätte ich rechnen müssen.«
»Dir ist es schon wichtig, gut anzukommen«, warf Lucy zögernd ein. »Mir fällt niemand ein, bei dem du nicht einen Stein im Brett hast.«
Er gab ihr einen Kuss auf die Nase. Als wäre sie sein Haustier. »Solange ich bei dir einen Stein im Brett habe.«
Meg überschritt die Grenze höflicher Konversation. »Dann bist du also ein naiver Mensch, der den Leuten gefallen möchte. Was sonst?«
Ted verzog keine Miene. »Ich versuche, nicht langweilig zu sein, aber manchmal ereifere ich mich über Themen, die nicht von allgemeinem Interesse sind.«
»Fachidiot«, schloss Meg.
»Genau«, stimmte er ihr zu.
Lucy blieb loyal. »Das macht mir nichts aus. Du bist ein sehr interessanter Mensch.«
»Ich bin froh, dass du das so siehst.«
Er trank einen Schluck von seinem Bier, dachte dabei aber
ernsthaft über Megs Vorwürfe nach. »Ich bin ein fürchterlicher Koch.« »Das ist wahr!« Lucy sah aus, als wäre sie über eine Goldmine gestolpert.
Ihr Entzücken amüsierte ihn, und wieder grinste er lässig. »Und da ich keinen Kochunterricht nehmen werde, wirst du damit auch klarkommen müssen.«
Das Strahlen in Lucys Augen sagte Meg, dass Teds Bestandsaufnahme seiner Schwächen ihn nur liebenswerter mache, weshalb sie ihrem Angriff eine neue Richtung gab. »Lucy braucht einen Mann, bei dem sie sie selbst sein kann.«
»Ich glaube nicht, dass Lucy einen Mann braucht, der sie irgendwas sein lässt«, konterte er rasch. »Sie ist ein eigenständiger Mensch.«
Das zeigte, wie wenig er diese Frau verstand, die er heiraten wollte. »Lucy ist kein eigenständiger Mensch mehr gewesen, seit sie vierzehn war und ihre zukünftigen Eltern traf«, erwiderte Meg. »Sie ist eine Rebellin. Eine Unruhestifterin, aber sie muckt nicht auf, weil sie die Menschen, die ihr wichtig sind, nicht in Verlegenheit bringen möchte. Bist du darauf vorbereitet?«
Er brachte die Sache sofort auf den Punkt. »Du scheinst Zweifel zu haben, ob das mit Lucy und mir gut geht.«
Lucy bestätigte Megs sämtliche Bedenken, indem sie mit ihrer biederen Perlenkette spielte und ihren Entschluss zu heiraten nicht auf Biegen und Brechen verteidigte. Meg machte hartnäckig weiter. »Du bist ganz offensichtlich ein klasse Typ.« Es gelang ihr nicht, es wie ein Kompliment klingen zu lassen. »Was ist, wenn du zu viel Klasse hast?«
»Ich fürchte, ich kann dir nicht folgen.«
Was für jemanden, der so wahnsinnig schlau ist, eine völlig neue Erfahrung sein musste. »Was ist ...«, sagte Meg, »... wenn du ein wenig zu gut für sie bist?«
Anstatt zu protestieren, setzte Lucy ihr im Weißen Haus antrainiertes Lächeln auf und tastete ihre Perlen ab, als wären sie ein Rosenkranz.
Ted lachte. »Wenn du mich besser kennen würdest, wüsstest du, wie grotesk das ist. Entschuldige uns bitte, ich möchte Lucy nämlich meinem alten Leiter von den Pfadfindern vorstellen. « Er legte seinen Arm um Lucys Schultern und zog sie mit sich.
Meg musste sich sammeln und stürmte auf die Toilette, wo ihr eine kleine Frau auflauerte, die mit ihren kurz geschnittenen knallroten Haaren und jeder Menge sorgfältig aufgetragenem Make-up an einen Hydranten erinnerte. »Ich bin Birdie Kittle«, stellte sie sich vor und musterte Meg mit einem Schlag ihrer dick getuschten Wimpern. »Sie müssen Lucys Freundin sein. Aber Sie sehen Ihrer Mutter überhaupt nicht ähnlich.«
Mit ihren Mitte bis Ende dreißig dürfte Birdie zur Blütezeit von Fleur Savagar Korandas Modelkarriere noch ein Kind gewesen sein, aber ihre Wahrnehmung überraschte Meg nicht. Jeder, der sich auch nur ein bisschen für Promis interessierte, hatte von ihrer Mutter gehört. Fleur Koranda hatte ihren Beruf als Model vor Jahren an den Nagel gehängt und eine der wichtigsten Talentagenturen im Land aufgebaut, doch für die Allgemeinheit würde sie immer Glitter Baby bleiben.
Meg setzte das von Lucy abgeschaute Weiße-Haus-Lächeln auf. »Das liegt daran, dass meine Mutter eine der schönsten Frauen der Welt ist, ich hingegen nicht.« Das stimmte, obwohl Meg und ihre Mutter mehr als nur ein paar körperliche Merkmale verbanden, hauptsächlich die negativen. Meg hatte Glitter Babys kräftige Augenbrauen geerbt, dazu ihre großen Hände und die Paddelbootfüße, und kam mit ihren eins achtundsiebzig bis auf fünf Zentimeter fast an die Größe ihrer Mutter heran. Aber die olivenfarbene Haut, das braune Haar und die nicht ganz so ebenmäßigen Züge hatte sie von ihrem Vater, die ihr jeglichen Anspruch auf die außergewöhnliche Schönheit ihrer Mutter verwehrten, obwohl ihre Augen, eine Kombination aus Grün und Blau, die je nach Lichteinfall ihre Farbe änderten, sehr interessant waren. Leider hatte sie weder das Talent noch den Ehrgeiz geerbt, worüber ihre Eltern im Übermaß verfügten.
»Sie sind vermutlich auf Ihre eigene Weise attraktiv.« Birdie strich mit ihrem manikürten Daumennagel über die mit Schmucksteinen besetzte Schnalle ihrer schwarzen Abendtasche. »Ein wenig exotisch. Heutzutage bezeichnet man ja jeden als Supermodel, der vor einer Kamera steht. Aber auf Glitter Baby traf das noch wirklich zu. Und wenn man dann noch bedenkt, in was für eine erfolgreiche Geschäftsfrau sie sich verwandelt hat. Und da ich selbst Geschäftsfrau bin, kann ich das nur bewundern.«
»Ja, sie ist bemerkenswert.« Meg liebte ihre Mutter, doch das hielt sie nicht davon ab, sich zu wünschen, dass Fleur Savagar Koranda auch manchmal stolpern würde - einen Top-Klienten verlor, eine wichtige Verhandlung vergeigte, einen Pickel bekam. Aber alles Pech, das ihre Mutter hatte, fiel in deren frühe Jahre, bevor Meg geboren wurde, weshalb ihrer Tochter der Titel zufiel, das schwarze Schaf der Familie zu sein.
»Sie sehen wohl Ihrem Vater ähnlich«, fuhr Birdie fort. »Ich habe jeden seiner Filme gesehen, das schwöre ich. Bis auf die deprimierenden.«
»Wie etwa den Film, für den er den Oscar bekommen hat?«
»Oh, den habe ich gesehen.«
Megs Vater war in dreifacher Hinsicht bedrohlich. Weltberühmter Schauspieler, Dramatiker, der den Pulitzer-Preis gewonnen hatte, und Bestsellerautor. Wer konnte ihr bei derart megaerfolgreichen Eltern vorwerfen, dass sie total verpeilt war? Kein Kind könnte einem derartigen Erbe gerecht werden.
Außer ihre beiden jüngeren Brüder ...
Birdie rückte die Träger ihres schwarzen Futteralkleides mit dem herzförmigen Ausschnitt zurecht, das um ihre Taille ein wenig zu stramm saß. »Ihre Freundin Lucy ist ein hübsches kleines Ding.« Das hörte sich nicht nach Auszeichnung an. »Ich hoffe, sie weiß zu schätzen, was sie an Teddy hat.«
Meg hatte Mühe, Haltung zu bewahren. »Ich bin mir sicher, dass sie ihn genauso zu schätzen weiß wie er sie. Lucy ist ein ganz besonderer Mensch.«
Birdie ließ sich die Chance, ihr das zu verübeln, nicht entgehen. »Kein so besonderer Mensch wie Ted, aber um das zu verstehen, hätten Sie hier aufwachsen müssen.«
Meg wollte sich mit dieser Frau auf keinen Schlagabtausch einlassen, egal wie gern sie es getan hätte, und sorgte dafür, dass ihr Lächeln ihr nicht entglitt. »Ich lebe in Los Angeles Ich verstehe eine Menge.«
»Ich sage ja auch nur, dass sie Ted nichts voraushat, nur weil sie die Tochter der Präsidentin ist, und dass sie von niemandem hier eine Sonderbehandlung bekommen wird. Er ist der beste junge Mann in diesem Staat. Sie wird sich unseren Respekt erst noch verdienen müssen.«
Meg musste sich zusammenreißen, um nicht aus der Haut zu fahren. »Lucy braucht sich niemandes Respekt zu verdienen. Sie ist eine freundliche, intelligente, niveauvolle Frau. Ted kann sich glücklich schätzen.«
»Wollen Sie damit sagen, dass er nicht niveauvoll ist?«
»Nein. Ich möchte nur darauf hinweisen ...«
»Für Sie mag Wynette, Texas, keine große Bedeutung haben, aber es ist eine sehr niveauvolle Stadt, und wir schätzen es gar nicht, wenn Leute von außerhalb kommen und uns ihr Urteil aufdrücken, nur weil wir keine hohen Tiere aus Washington sind.« Sie ließ ihre Tasche zuschnappen. »Oder Hollywood-Promis.«
»Lucy ist keine ...«
»Hier müssen die Leute zeigen, wer sie sind. Keiner wird hier jemandes Allerwertesten küssen, nur weil er berühmte Eltern hat.«
Meg wusste nicht, ob Birdie sie selbst oder Lucy meinte, doch es war ihr auch gleichgültig. »Ich war in Kleinstädten auf der ganzen Welt und habe dabei festgestellt, dass diejenigen, die sich nicht beweisen müssen, Fremde immer willkommen geheißen haben. Es sind die heruntergekommenen Städte - die Städte, die ihren Glanz verloren haben -, die in jedem neuen Gesicht eine Bedrohung sehen.«
Birdies rotbraun gestrichelte Augenbrauen schossen hoch bis zum Haaransatz. »In Wynette ist überhaupt nichts heruntergekommen. Denkt sie das etwa?«
»Nein, das denke ich.«
Birdies Gesicht bekam einen verkniffenen Ausdruck. »Also, das verrät mir wirklich so einiges.«
Die Tür flog auf, und ein Mädchen im fortgeschrittenen Teenageralter mit langen hellbraunen Haaren steckte seinen Kopf herein. »Mama! Lady Emma und die anderen möchten Fotos mit dir machen.«
Mit einem letzten feindseligen Blick auf Meg stürmte Birdie aus dem Raum, bestens darauf vorbereitet, ihr Gespräch vor allen zu wiederholen, die es hören wollten.
Meg zog eine Grimasse. Bei ihrem Versuch, Lucy zu verteidigen, hatte sie mehr Schaden als Gutes angerichtet. Dieses Wochenende konnte nicht schnell genug vorübergehen. Sie band ihr Kleid noch mal neu auf ihrer Schulter, strich sich durch ihre kurzen verwuschelten Haare und zwang sich, wieder auf die Party zurückzukehren.
Übersetzung: Elfriede Peschel
© 2011 für die deutsche Ausgabe by Blanvalet Verlag, in der Verlagsgruppe Random House, München
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Autoren-Porträt von Susan Elizabeth Phillips
Susan Elizabeth Phillips lebt mit Mann und zwei Söhnen in der Nähe von Chicago.
Bibliographische Angaben
- Autor: Susan Elizabeth Phillips
- 2012, 448 Seiten, Masse: 11,8 x 18,7 cm, Taschenbuch, Deutsch
- Übersetzung: Peschel, Elfriede
- Übersetzer: Elfriede Peschel
- Verlag: Blanvalet
- ISBN-10: 3442369134
- ISBN-13: 9783442369133
- Erscheinungsdatum: 10.12.2012
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