Der Klang der Zeit
Powers erzählt eine Geschichte voller Anmut und Schönheit über eine Familie mit zwei Hautfarben und einer Leidenschaft.
Ein literarisches Ereignis, ein epischer Roman in der Tradition von Balzac, Zola und Tolstoj über Amerikas jüngste Vergangenheit,...
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Powers erzählt eine Geschichte voller Anmut und Schönheit über eine Familie mit zwei Hautfarben und einer Leidenschaft.
Ein literarisches Ereignis, ein epischer Roman in der Tradition von Balzac, Zola und Tolstoj über Amerikas jüngste Vergangenheit, über die Lüge, auf der seine Gegenwart baut, und eine einzigartige Liebeserklärung an die Musik.
Der Klangder Zeit von Richard Powers
LESEPROBE
ENDE 1843 - ANFANG 1935
Delia Daleywar hellhäutig. In den Augen ihres Landes heisst das: nicht weiss. In Amerika sagtman »hell« und meint »dunkel, nur weniger«. Offenbar war ihre Mutter sogar nochheller. Bei den Daleys sprach man nicht davon, woher diese helle Haut kam. Siekam aus der üblichen Quelle. Drei Viertel aller amerikanischen Neger habenweisses Blut in den Adern - und nur die wenigsten aus freien Stücken. Das galtauch für Delias Mutter, Nettie Ellen Alexander, Dr. William Daleys strahlendeGefährtin, mit der er das grosse Los seines Lebens gezogen hatte. Er lernte sieunten in Southwark kennen, in dem Stadtviertel, in dem seine Familieursprünglich auch gewohnt hatte. »Ursprünglich« nicht ganz im eigentlichenWortsinn. Aber nach den Massstäben des menschlichen Erinnerungsvermögens hattendie Daleys dort immerhin so lange gewohnt, dass es tatsächlich etwas wie einUrsprung war.
Williamselbst war der Urenkel eines befreiten Haussklaven namens James. DessenBesitzerin, die in Jackson, Mississippi, ansässige Erbin Elizabeth Daley, hattenach dem Tod ihres millionenschweren Ehemannes im Jahre 1843 ein Offenbarungserlebnis,das sich fast, aber doch nicht ganz, mit dem des Saulus auf dem Weg nachDamaskus messen konnte. Wieder zur Besinnung gekommen, stellte Elizabeth fest,dass sie Quäkerin geworden war. Sie erfuhr die Wahrheit aus erster Hand von derGesellschaft der Freunde: Wenn sie Menschen in Unfreiheit hielt, würde ihrerSeele im Jenseits all das widerfahren, was sie hier und jetzt so achtlos denKörpern ihrer Leibeigenen zufügte.
Daraufhinverteilte Elizabeth Daley den Landbesitz ihres Gatten ebenso rasch, wie dieserihn zusammengerafft hatte. Sie verschenkte den Grossteil des Besitzes an diezahlreichen unfreiwilligen Teilhaber, deren Arbeit er seinen Reichtumverdankte. Bis auf einen Einzigen nahmen die befreiten Sklaven der Daleysallesamt ihren unverhofften Gewinnanteil und machten sich auf nach KapMesurado - Christopolis, Monrovia - in jene Diaspora in der Diaspora, gegründetvon der American Colonization Society. Von der Rückkehr nach Afrika erhoffteman sich die Lösung aller Probleme - von Sklaven und von Sklavenhalterngleichermassen. Man exportierte die eigenen Sorgen kurzerhand zu den Kru undMalinke und löste eine Lawine der Vertreibung damit aus.
Zurückblieb nur ein einziger Haussklave, und der war hellhäutig. Fast so hell wiesein früherer Besitzer. James Daley zog es nicht in die Ferne. Er konnte sichausmalen, dass Fast-Schwarz in Liberia auch nicht viel besser sein würde alsFast-Weiss in seiner unfreiwilligen, einzigen Heimat. Also wählte er diekürzere Reise und begleitete Elizabeth nach Philadelphia, an den Ort vonWilliam Penns nicht ganz geglücktem Experiment in brüderlicher Liebe.
Elizabeth setzte James eine bescheidene Leibrente aus. Siebehandelte ihn in fast jeder Hinsicht wie einen eigenen Sohn und übte damit aufihre Weise Rache am Geist seines Vaters. James hatte wohl den familientypischenGeschäftssinn geerbt, denn er verstand es, seinen fairen Anteil am Kapital derDaleys Gewinn bringend einzusetzen. James hätte Elizabeth niemals verlassen,hätte sie ihn nicht unablässig gedrängt. Sie bestand darauf, dass er einHandwerk erlernte. Also begann er eine Lehre bei einem schwarzen Friseur mitweisser Kundschaft, nicht weit vom Stadtzentrum. Die Arbeit war lang undschlecht bezahlt, aber gemessen an seinen bisherigen Erfahrungen im Erwerbslebenfand James sie geradezu lächerlich einträglich. Elizabeth weinte, als er seineLehre abschloss. Sie starb kurz nachdem James im Viertel Silk Stocking eineneigenen Laden eröffnet hatte, wo er betuchten Weissen die Haare schnitt.
Damals gab es in der Stadt noch so wenig Schwarze, dass dieWeissen nicht beunruhigt waren. Und James hatte von klein auf gelernt, weissenÄngsten die Spitze zu nehmen. Seine Stammkunden blieben ihm treu und gabensogar Trinkgeld. Er kehrte weder in den Süden noch an andere Stätten seinerSklavenvergangenheit zurück, nur nachts, im Dunkel, wenn die Arbeit dieErinnerungen nicht mehr vertrieb. Die ganze Nacht lang hörte er das Klagen anden Wassern von Babylon.
Als die meisten seiner Rasse noch unfrei waren, arbeiteteJames Daley schon auf eigene Rechnung, seine einzige Rache an denen, die ihneinst für sich hatten arbeiten lassen. Von früh um sieben bis abends um neunschnitt er Haare. Nach Ladenschluss erledigte er Botengänge und war oft bisSonnenaufgang mit seinem Karren unterwegs. Er lebte bescheiden, weil seineSöhne es einmal besser haben sollten. Er schmiedete die Jungen im Feuer seinesWillens. Ihr seid frei bespuckt zu werden, lehrte ersie. Frei betrogen zu werden. Frei geschlagen zu werden. Frei indie Falle gelockt und bei jeder Gelegenheit hintergangen zu werden. Frei zuentscheiden, was man mit solcher Freiheit anfängt. Der eiserneJames und seine stählernen Söhne schlugen Angreifer in die Flucht, verschanztensich, eroberten sich eine Nische im Leben und bauten das Geschäft weiter aus.Nach unsicheren Anfängen warf es, solange James lebte, Jahr für Jahr seinenbescheidenen Gewinn ab.
Daleys Frisiersalon behauptete seine Stellung, nur wenigeMinuten vom Ufer des Delaware entfernt. Anfangs gab es nur einen Friseursessel,später kam noch ein zweiter hinzu. Von klein auf wussten die Söhne, es warihnen bestimmt, glatte, hellblonde Haare zu schneiden. Die Haare ihrer Freundeoder Verwandten durften sie in ihrem eigenen Laden nicht schneiden, durftensich nicht einmal gegenseitig frisieren, allenfalls nach Ladenschluss, beiheruntergelassenen Jalousien. Sie durften mit dem weissen Mann sprechen, ihnsogar berühren, solange sie eine Schere in der Hand hielten. Sobald sie amAbend die Schere beiseite legten, galt die kleinste Berührung als Übergriff.
James' zweiter Sohn, Frederick, arbeitete noch mehr als seinVater. Er trug den Kopf so hoch, dass er - als wolle er den Himmel erstürmen -seinen eigenen Sohn Nathaniel zum Studieren ins Nachbarstädtchen Oxfordschickte, wo er das neu gegründete College für Farbige besuchte, das AshmunInstitute, das schon bald in Lincoln University umbenannt werden sollte.Nathaniel finanzierte sein Studium durch Gesang in einem Gospelquartett. Alser zurückkehrte, bewegte er sich auf eine Art und Weise, die sein Vater nichtverstand und sein als Sklave aufgewachsener Grossvater nicht einmal bemerkte.
Das College heilte die Doppelnatur der Daleys nicht; imGegenteil: Es vertiefte die Kluft. Nathaniel erreichte seinen Abschluss imSturmschritt, sprach von Medizin, der Kunst des Heilens - davon, dass diesjahrhundertelang die Domäne der Barbiere gewesen sei, damals, als Barbiere auchZahnärzte und Chirurgen waren. »Ärzte im kurzen Kittel«, belehrte er seineBrüder, und wurde gnadenlos ausgelacht. Aber er blieb dabei, und sieverstummten. »Das waren wir früher. Das haben wir gemacht. Das werden wir auchwieder tun.«
Als der eiserne James starb, konnte er kaum begreifen, einenwie weiten Weg er zurückgelegt hatte. Doch bevor er sein irdisches Dasein beendete,erlebte er noch, wie sein Enkel aus dem familieneigenen Frisiersalon einekleine Apotheke machte. Das war Jahrzehnte vor der Great Migration, dermassenhaften Zuwanderung ehemaliger Sklaven in den industriellen Norden; damalskonnten die Daleys sich im Zug noch hinsetzen, wo sie wollten, sie konnten inWarenhäusern einkaufen, die ihre Dollars gerne nahmen, und sogar ihre Kinderauf weisse öffentliche Schulen schicken. Rasse war noch nicht ganz das, was sieeinmal werden sollte. Die Kunden der Daley-Apotheke gehörten beiden Rassen an,und alle wussten sie gute Arzneien zu vernünftigen Preisen zu schätzen. Erstals die Flut aus dem Süden einsetzte, spaltete sich die Kundschaft und solltegespalten bleiben. (...)
© für die deutsche Ausgabe: 2004 S. Fischer Verlag,Frankfurt am Main
Übersetzung: Manfred Allié und Gabriele Kempf-Allié
- Autor: Richard Powers
- 2005, 768 Seiten, Masse: 12,5 x 19 cm, Taschenbuch, Deutsch
- Übersetzer: Manfred Allié, Gabriele Kempf-Allié
- Verlag: FISCHER Taschenbuch
- ISBN-10: 3596159717
- ISBN-13: 9783596159710
- Erscheinungsdatum: 15.09.2005
"Fast achthundert Seiten hat dieses Buch, und keine Seite ist zu viel." (Thomas Steinfeld, Süddeutsche Zeitung)
"Wir wüssten in der gegenwärtigen jungen europäischen Literatur schon Franzen und Eugenides nur wenige an die Seite zu stellen. Aber Powers geht über beide noch ein gutes Stück hinaus." (Andreas Isenschmid, Sonntagszeitung)
"Der grösste lebende Romanautor Amerikas." (Boston Review)
"Er ähnelt den Grossen des 19. Jahrhunderts, Balzac, Zola oder Tolstoj." (New York Times)
"Unter den heute schreibenden Romanciers ist er vielleicht der klügste." (The Village Voice)
"Der Teilchenbeschleuniger unter den Romanciers." (New York Times)
"Ein Wunder von einem Buch. Jeder Absatz ein Geistesblitz." (Stephan Draf, Stern)
"Der grosse amerikanische Romanautor Richard Powers erzählt in "Klang der Zeit" eine Geschichte voll Armut und Schönheit über eine Familie mit zwei Hautfarben und einer Leidenschaft: der Musik. Entstanden ist ein cinematographischer Roman über Amerikas jüngste Vergangenheit, über die Lüge, auf der seine Gegenwart baut, und eine einzigartige Liebeserklärung an die Musik. Zeitkritik, Gesellschaftsporträt, Sehnsucht nach einer Schönheit, die den alltäglichen Rassismus besiegt. Richard Powers verknüpft dies zu einem grossen Roman." (Susanne Weingarten, Der Spiegel)
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