Der falsche Feind
Schuld sind nicht die Männer
Christine Bauer-Jelinek übt massive Kritik an der heute üblichen Bevorzugung der Frauen.
In den 1970er-Jahren kämpfte sie als Lehrerin und Psychotherapeutin für die Forderungen der Linken und der Frauenbewegung. Heute berät...
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Produktinformationen zu „Der falsche Feind “
Christine Bauer-Jelinek übt massive Kritik an der heute üblichen Bevorzugung der Frauen.
In den 1970er-Jahren kämpfte sie als Lehrerin und Psychotherapeutin für die Forderungen der Linken und der Frauenbewegung. Heute berät sie sowohl Frauen als auch Männer in Spitzenpositionen von Wirtschaft und Politik.
Sie sagt:
"Der aktuelle Feminismus ist ein Rückschritt - er bedroht den Zusammenhalt in unserer Gesellschaft."
"Halbe-Halbe ist gescheitert - die zwanghafte Gleichverteilung überfordert Frauen wie Männer und zwingt Kinder und Alte in die Betreuungseinrichtungen."
"Die Unterdrückung der Frauen durch die Männer ist ein Mythos - Frauen müssen sich nicht ständig als Opfer fühlen."
Lese-Probe zu „Der falsche Feind “
Der falsche Feind von Christine Bauer-JelinekDer Mythos von der unterdrückten Frau
Frauen wären benachteiligt – und das schon seit Jahrhunderten, seit 3000 Jahren, seit der Steinzeit. Bei den Zeitangaben nimmt man es mit den historischen Fakten nicht so genau. Die Botschaft lautet jedenfalls: schon immer; oder zumindest, seit das Matriarchat zu Ende gegangen sei und die Männer die Herrschaft übernommen hätten. Mit dem Patriarchat hätte die lange Geschichte der Unterdrückung der Frauen begonnen. Sie wären von der öffentlichen Macht ausgeschlossen, an das Haus gefesselt, in Abhängigkeit gehalten und als Sexualobjekt sowie als kostenlose Arbeitskraft ausgebeutet worden. Doch plötzlich hätten die Frauen sich diese Diskriminierung nicht mehr länger gefallen lassen und vor etwa hundert Jahren begonnen, sich zu emanzipieren, indem sie Gleichberechtigung in allen Belangen und das Recht auf ein selbstbestimmtes Leben forderten.
Obwohl ständig über eine weiter bestehende Benachteiligung geklagt wird, kann man die Lage auch so sehen: Die ursprünglichen Ziele der Frauenbewegung sind heute (zumindest in den westlichen Gesellschaften) bereits in vollem Umfang erreicht worden – Frauen haben die gleichen Möglichkeiten wie Männer. Sie werden nicht mehr aufgrund ihres Geschlechts daran gehindert, ihren Beruf, ihre Religion, ihren Lebenspartner zu wählen und ihre Vorstellungen vom Leben umzusetzen.
Diese Überlegung soll keineswegs vernachlässigen, dass es auch im Westen in vielen Bereichen große Unterschiede bei der Beteiligung von Frauen und Männern an Geld, Machtpositionen und Familienarbeit gibt. Dass Frauen ihre bereits vorhandenen Rechte offensichtlich nicht voll umsetzen, wird öffentlich und ausführlich diskutiert: Die einen meinen, Frauen wären noch in den alten weiblichen
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Rollenmustern gefangen, für die Spielregeln in Wirtschaft und Politik nicht vorbereitet und wollten vielleicht gar keinen größeren Gebrauch von ihren Chancen machen. Die anderen meinen, dass die Männer ganz gezielt ein weiteres Vordringen der Frauen verhindern, weil sie ihre Machtbastionen nicht aufgeben wollen.
Aber kann man aus den bestehenden unterschiedlichen Zugängen und Verhaltensweisen der Geschlechter tatsächlich nur den einzigen Schluss ziehen, dass es sich dabei um eine Unterdrückung der Frauen durch die Männer handelt; dass Frauen insgesamt, als Spezies, vor ihrer Befreiung aus den traditionellen Rollenverhältnissen jahrtausendelang von den Männern in systematischer Weise diskriminiert wurden; dass Frauen prinzipiell Opfer und Männer Täter waren? Zwingt uns nicht nur der gewohnte Blick aufgrund der heutigen westlichen Wertvorstellungen zu einer solchen Interpretation? Möglicherweise wenden wir unsere moralischen Maßstäbe zu Unrecht rückwirkend auf die Vergangenheit an und liegt der Opfertheorie eine prinzipiell falsche Annahme zugrunde, die zuerst plausibel klang und in der Folge nicht mehr hinterfragt wurde. Dann wäre es jetzt an der Zeit, ihre Stichhaltigkeit zu überprüfen:
Ist es intellektuell redlich und wissenschaftlich haltbar, den erst seit der Aufklärung allgemein geltenden Anspruch auf GLEICHHEIT der Geschlechter einfach auf die Vergangenheit anzuwenden und daraus abzuleiten, dass die Frauen früher systematisch benachteiligt waren? Damit begeht man in der Geschlechterfrage doch denselben Fehler, den die Wissenschaften im Umgang mit anderen Kulturen bereits überwunden haben: dass das eigene Land als zivilisiert und andere Völker als „barbarisch“, als „unterentwickelt“ betrachtet wurden. Heute ist mehr Bereitschaft für ein Verständnis von Andersartigkeit vorhanden und weniger Drang zur Be- und Verurteilung. In einem wissenschaftlichen Zugang bemüht man sich vielmehr darum, jene Umstände zu erforschen, die bestimmte Werte, Strukturen und Verhaltensweisen hervorbringen. Wäre es daher nicht an der Zeit, diese hohe Qualität des Verständnisses für andere Kulturen endlich auch auf die Geschichte der europäischen Kultur anzuwenden und dadurch auch das Geschlechterverhältnis anders zu betrachten?
Wenn eine Gesellschaft ihre Aufgaben unter den Geschlechtern UNTERSCHIEDLICH verteilt, und nicht GLEICHARTIG, dann obliegen Frauen und Männern logischerweise UNTERSCHIEDLICHE Rechte und Pflichten. Sie entwickeln damit auch unterschiedliche Werte und Verhaltensweisen, die einander ERGÄNZEN – die nicht gleichartig, sondern komplementär sind. Aber das muss noch nicht automatisch bedeuten, dass Männer grundsätzlich mehr wert wären als Frauen; dass der Andersartigkeit notwendigerweise ein „Herrschaftsverhältnis“ zugrunde liegt, dass eine Über- und Unterordnung die einzig mögliche Struktur wäre.
Überprüfen wir folgende Gegenthese: Frauen waren nie als Gesamtheit von Männern grundsätzlich unterdrückt. Sowohl Männer als auch Frauen nahmen im Laufe der Geschichte UNTERSCHIEDLICHE Positionen ein – mit allen Vor- und Nachteilen für beide, ohne dass eine Dominanz der Männer begründet wurde.
Zwischen den Geschlechtern muss in jeder Gesellschaftsform eine Art „Gleichgewicht der Macht“ bestehen. Dieses existiert nicht nur dann, wenn beiden die gleichen Rechte und Pflichten zustehen (wie es die aufgeklärte Weltsicht versteht), sondern auch, wenn Männern wie Frauen UNTERSCHIEDLICHE Instrumente zur Durchsetzung ihrer Interessen zur Verfügung stehen.
Die Überzeugung, dass im Patriarchat die Frauen unterdrückt gewesen wären, entsteht durch eine einseitige Bewertung der früheren Verhältnisse aus der heutigen Sicht. Diese besteht aus drei Komponenten: Erstens: einer generellen Überbewertung der öffentlichen, strukturellen (männlichen) Macht. Zweitens: einer dramatischen Unterschätzung der persönlichen und emotionalen (weiblichen) Macht, die über persönliche Beziehungen Einfluss auf das Ganze nimmt. Drittens: einer gefährlichen Leugnung der Kräfte, die – trotz aller Dramen und Tragödien – Männer und Frauen immer wieder zueinander hinziehen.
Beginnen wir mit der Ausgangslage: Nach feministischer (und marxistischer) Ideologie manifestiert sich die Unterdrückung der Frauen im Patriarchat darin, dass ihnen der Zugang zur öffentlichen Macht verwehrt und ihr Handlungsspielraum begrenzt wurde. Und dies wäre nicht erst eine Erscheinung der Neuzeit, sondern die Diskriminierung hätte schon mit der sogenannten „neolithischen Revolution“, dem Übergang vom Nomadentum zur Sesshaftigkeit, ihren Anfang genommen: Bei den Jägern und Sammlern der Jungsteinzeit hätte eine friedliche Koexistenz zwischen Männern und Frauen bestanden, und erst durch die Entwicklung von Ackerbau und Viehzucht wäre die Bildung von Privateigentum begünstigt worden. Ab dieser Zeit hätten die Männer ein starkes Interesse entwickelt, diesen Besitz nur an ihre leiblichen Nachkommen zu vererben, und die logische Folge zur Sicherung ihrer Vaterschaft wäre die Unterdrückung der Frauen gewesen – auf sexueller, persönlicher und rechtlicher Ebene. Damit hätten die Männer ihre Herrschaft über Frauen und Kinder begründet, wie der Psychoanalytiker Ernest Borneman („Das Patriarchat“) ausführlich zu beweisen versucht.
Nicht nur, dass es sich dabei um gewagte Interpretationen handelt, die Historiker und Intellektuelle aufgrund von spärlichen Funden aus früheren Epochen entwickelt haben, ist diese Theorie vor allem eines – eine böse Unterstellung: So als hätten Männer schon in der Steinzeit nur darauf gewartet, endlich eine Gelegenheit zu finden, um Frauen beherrschen zu können; als hätten sie all die Jahrtausende, während sie gemeinsam, partnerschaftlich und friedlich durch die Wälder streiften, nur darüber nachgedacht, wie sie diese an den eben erfundenen Herd zwingen und ihre Arbeit entwerten könnten, während sie selbst die folgenden Zeiten im Glanz der öffentlichen Macht ihre Privilegien genießen würden.
Und wie hätten die Frauen darauf reagiert? Haben sie sich laufend gegen ihre Unterdrückung gewehrt und es nur bis heute nicht geschafft? Das wäre ein ziemlich langer Kampf gewesen, denn schon allein der Übergang zu den Ackerbaukulturen hat etwa 5000 Jahre gedauert, und seither sind immerhin noch einmal etwa 5000 Jahre vergangen, in denen die Herrschaft des Mannes angeblich ungebrochen war. Die Urväter und -mütter der Unterdrückungstheorie sehen das jedenfalls so: Friedrich Engels („Der Ursprung der Familie, des Privateigentums und des Staates“) nennt es „die weltgeschichtliche Niederlage des weiblichen Geschlechts“. Und Rosa Luxemburg skizziert die besondere Geschichte der Frauen: „Schwer hat die Frau des Volkes seit jeher gearbeitet. In der wilden Horde schleppt sie Lasten, sammelt Lebensmittel; in dem primitiven Dorfe pflanzt sie Getreide, mahlt, formt Töpfe; in der Antike als Sklavin bedient sie die Herrschaft und säugt deren Sprösslinge mit ihrer Brust; im Mittelalter front sie in der Spinnstube für den Feudalherrn. Aber seit das Privateigentum besteht, arbeitet die Frau des Volkes meist getrennt von der großen Werkstatt der gesellschaftlichen Produktion, also auch der Kultur, eingepfercht in die häusliche Enge eines armseligen Familiendaseins. Erst der Kapitalismus hat sie aus der Familie gerissen und in das Joch der gesellschaftlichen Produktion gespannt, auf fremde Äcker, in die Werkstätten, auf Bauten, in Büros, in Fabriken und Warenhäuser getrieben.“
Mit dem Blick durch eine feministische Brille müsste man die Situation der Frauen in jeder Phase als bedauernswert beurteilen. Würde man jedoch die Geschichte der Männer in ebendiesen Epochen erzählen, so sähe deren Leben nicht besser aus. Man müsste mit dem heutigen Anspruch auf Freiheit und Selbstbestimmung genauso verzweifeln über die Repressionen, die Gewalt, die Armut, den gesellschaftlichen Zwang in den oberen Schichten, die ständige Bedrohung des eigenen Lebens und das der Familie.
Den meisten feministischen Erklärungsmodellen ist gemeinsam, dass sie in den gesellschaftlichen Entwicklungen eine Absicht der Männer sehen, die Frauen zu ihrem eigenen Vorteil und zu deren Nachteil zu unterdrücken. Die oft ebenso unmenschlichen Lebensbedingungen, denen die Männer ausgesetzt waren (und sind), werden nicht gleichermaßen mit Mitleid und Empörung bedacht – sie wären sozusagen selbstverschuldet gewesen, weil im Patriarchat ja die Männer auch andere Männer unterwarfen, ausbeuteten, ihre Triebe durch Monogamie, Recht und Moral zähmten. Kann man hier wirklich das Geschlecht als Kriterium für Unterdrückung anlegen, wenn doch die Männer einen ebenso hohen Preis bezahlen mussten wie die Frauen – selbst wenn dieser anders geartet war? Oder entstanden diese Strukturen nicht deshalb, damit der nächste zivilisatorische Entwicklungsschritt stattfinden konnte – ohne dass man jemandem dafür die „Schuld“ – im Sinne von bewusster Handlung – zuschreiben kann?
Und wenn man schon einen Rückschluss von der heutigen Denkweise auf jene der Urvölker zulässt – wie es in den Theoriebildungen von der Unterdrückung der Frauen durch das Patriarchat laufend geschieht –, dann müssen auch andere Konstruktionen erlaubt sein. Es ist zwar nicht anzunehmen, dass in der Frühzeit der Menschheit Selbstreflexion und Verhandlungen die Entscheidungen bestimmt haben, aber vielleicht ist die Entwicklung ja so abgelaufen:
Es waren die Frauen, die den Impuls für die Sesshaftigkeit auslösten. Sie lagen den Männern in den Ohren, dass sie nun genug vom Nomadendasein hätten und endlich ein sicheres Heim und mehr Kinder haben möchten. Daraufhin suchten die Männer geeignete Regionen, erfanden die entsprechenden Kulturtechniken und errichteten all die Regeln und Gesetze – die heute als Beweis für die Unterdrückung herangezogen werden – zum Schutz von Frauen und Kindern. Weil jedoch der wachsende Besitz immer öfter von anderen Stämmen geraubt oder die fruchtbaren Ländereien erobert wurden, musste jemand diese mit der Waffe verteidigen. Was die Männer – friedfertig, wie sie waren – nicht besonders gerne taten. Und die Frauen schienen auch keine große Begeisterung für das Kriegshandwerk zu entwickeln. Da die Frauen jedoch ein starkes Interesse daran hatten, dass die Männer mehr Verantwortung für sie und ihre Nachkommen übernehmen, suchten sie nach einem Angebot, das diese dazu motivieren könnte. Endlich kamen sie zu dem Schluss, ihr bestgehütetes Geheimnis als Anreiz anzubieten: die Offenlegung der Vaterschaft. Das kostete die Frauen nicht viel (zumal der Handel ohnedies einseitig war, denn die Männer konnten sich – bis zur Erfindung des Gentests – nach wie vor ihrer Erzeugerschaft nicht sicher sein, während die Frauen trotz Keuschheitsgürtel und Haremswächter immer Wege für ihre Liebhaber fanden). Es waren also nicht die Männer, die sich plötzlich der Frage ihrer Vaterschaft bewusst geworden sein sollten und nun alles daran setzten, um sicher zu gehen, dass ihre Erben auch ihre leiblichen Kinder sind, sondern die Frauen. Sie haben den Tausch „Schutz gegen Vaterschaft“ eingefädelt.
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Alle Rechte vorbehalten.
Aber kann man aus den bestehenden unterschiedlichen Zugängen und Verhaltensweisen der Geschlechter tatsächlich nur den einzigen Schluss ziehen, dass es sich dabei um eine Unterdrückung der Frauen durch die Männer handelt; dass Frauen insgesamt, als Spezies, vor ihrer Befreiung aus den traditionellen Rollenverhältnissen jahrtausendelang von den Männern in systematischer Weise diskriminiert wurden; dass Frauen prinzipiell Opfer und Männer Täter waren? Zwingt uns nicht nur der gewohnte Blick aufgrund der heutigen westlichen Wertvorstellungen zu einer solchen Interpretation? Möglicherweise wenden wir unsere moralischen Maßstäbe zu Unrecht rückwirkend auf die Vergangenheit an und liegt der Opfertheorie eine prinzipiell falsche Annahme zugrunde, die zuerst plausibel klang und in der Folge nicht mehr hinterfragt wurde. Dann wäre es jetzt an der Zeit, ihre Stichhaltigkeit zu überprüfen:
Ist es intellektuell redlich und wissenschaftlich haltbar, den erst seit der Aufklärung allgemein geltenden Anspruch auf GLEICHHEIT der Geschlechter einfach auf die Vergangenheit anzuwenden und daraus abzuleiten, dass die Frauen früher systematisch benachteiligt waren? Damit begeht man in der Geschlechterfrage doch denselben Fehler, den die Wissenschaften im Umgang mit anderen Kulturen bereits überwunden haben: dass das eigene Land als zivilisiert und andere Völker als „barbarisch“, als „unterentwickelt“ betrachtet wurden. Heute ist mehr Bereitschaft für ein Verständnis von Andersartigkeit vorhanden und weniger Drang zur Be- und Verurteilung. In einem wissenschaftlichen Zugang bemüht man sich vielmehr darum, jene Umstände zu erforschen, die bestimmte Werte, Strukturen und Verhaltensweisen hervorbringen. Wäre es daher nicht an der Zeit, diese hohe Qualität des Verständnisses für andere Kulturen endlich auch auf die Geschichte der europäischen Kultur anzuwenden und dadurch auch das Geschlechterverhältnis anders zu betrachten?
Wenn eine Gesellschaft ihre Aufgaben unter den Geschlechtern UNTERSCHIEDLICH verteilt, und nicht GLEICHARTIG, dann obliegen Frauen und Männern logischerweise UNTERSCHIEDLICHE Rechte und Pflichten. Sie entwickeln damit auch unterschiedliche Werte und Verhaltensweisen, die einander ERGÄNZEN – die nicht gleichartig, sondern komplementär sind. Aber das muss noch nicht automatisch bedeuten, dass Männer grundsätzlich mehr wert wären als Frauen; dass der Andersartigkeit notwendigerweise ein „Herrschaftsverhältnis“ zugrunde liegt, dass eine Über- und Unterordnung die einzig mögliche Struktur wäre.
Überprüfen wir folgende Gegenthese: Frauen waren nie als Gesamtheit von Männern grundsätzlich unterdrückt. Sowohl Männer als auch Frauen nahmen im Laufe der Geschichte UNTERSCHIEDLICHE Positionen ein – mit allen Vor- und Nachteilen für beide, ohne dass eine Dominanz der Männer begründet wurde.
Zwischen den Geschlechtern muss in jeder Gesellschaftsform eine Art „Gleichgewicht der Macht“ bestehen. Dieses existiert nicht nur dann, wenn beiden die gleichen Rechte und Pflichten zustehen (wie es die aufgeklärte Weltsicht versteht), sondern auch, wenn Männern wie Frauen UNTERSCHIEDLICHE Instrumente zur Durchsetzung ihrer Interessen zur Verfügung stehen.
Die Überzeugung, dass im Patriarchat die Frauen unterdrückt gewesen wären, entsteht durch eine einseitige Bewertung der früheren Verhältnisse aus der heutigen Sicht. Diese besteht aus drei Komponenten: Erstens: einer generellen Überbewertung der öffentlichen, strukturellen (männlichen) Macht. Zweitens: einer dramatischen Unterschätzung der persönlichen und emotionalen (weiblichen) Macht, die über persönliche Beziehungen Einfluss auf das Ganze nimmt. Drittens: einer gefährlichen Leugnung der Kräfte, die – trotz aller Dramen und Tragödien – Männer und Frauen immer wieder zueinander hinziehen.
Beginnen wir mit der Ausgangslage: Nach feministischer (und marxistischer) Ideologie manifestiert sich die Unterdrückung der Frauen im Patriarchat darin, dass ihnen der Zugang zur öffentlichen Macht verwehrt und ihr Handlungsspielraum begrenzt wurde. Und dies wäre nicht erst eine Erscheinung der Neuzeit, sondern die Diskriminierung hätte schon mit der sogenannten „neolithischen Revolution“, dem Übergang vom Nomadentum zur Sesshaftigkeit, ihren Anfang genommen: Bei den Jägern und Sammlern der Jungsteinzeit hätte eine friedliche Koexistenz zwischen Männern und Frauen bestanden, und erst durch die Entwicklung von Ackerbau und Viehzucht wäre die Bildung von Privateigentum begünstigt worden. Ab dieser Zeit hätten die Männer ein starkes Interesse entwickelt, diesen Besitz nur an ihre leiblichen Nachkommen zu vererben, und die logische Folge zur Sicherung ihrer Vaterschaft wäre die Unterdrückung der Frauen gewesen – auf sexueller, persönlicher und rechtlicher Ebene. Damit hätten die Männer ihre Herrschaft über Frauen und Kinder begründet, wie der Psychoanalytiker Ernest Borneman („Das Patriarchat“) ausführlich zu beweisen versucht.
Nicht nur, dass es sich dabei um gewagte Interpretationen handelt, die Historiker und Intellektuelle aufgrund von spärlichen Funden aus früheren Epochen entwickelt haben, ist diese Theorie vor allem eines – eine böse Unterstellung: So als hätten Männer schon in der Steinzeit nur darauf gewartet, endlich eine Gelegenheit zu finden, um Frauen beherrschen zu können; als hätten sie all die Jahrtausende, während sie gemeinsam, partnerschaftlich und friedlich durch die Wälder streiften, nur darüber nachgedacht, wie sie diese an den eben erfundenen Herd zwingen und ihre Arbeit entwerten könnten, während sie selbst die folgenden Zeiten im Glanz der öffentlichen Macht ihre Privilegien genießen würden.
Und wie hätten die Frauen darauf reagiert? Haben sie sich laufend gegen ihre Unterdrückung gewehrt und es nur bis heute nicht geschafft? Das wäre ein ziemlich langer Kampf gewesen, denn schon allein der Übergang zu den Ackerbaukulturen hat etwa 5000 Jahre gedauert, und seither sind immerhin noch einmal etwa 5000 Jahre vergangen, in denen die Herrschaft des Mannes angeblich ungebrochen war. Die Urväter und -mütter der Unterdrückungstheorie sehen das jedenfalls so: Friedrich Engels („Der Ursprung der Familie, des Privateigentums und des Staates“) nennt es „die weltgeschichtliche Niederlage des weiblichen Geschlechts“. Und Rosa Luxemburg skizziert die besondere Geschichte der Frauen: „Schwer hat die Frau des Volkes seit jeher gearbeitet. In der wilden Horde schleppt sie Lasten, sammelt Lebensmittel; in dem primitiven Dorfe pflanzt sie Getreide, mahlt, formt Töpfe; in der Antike als Sklavin bedient sie die Herrschaft und säugt deren Sprösslinge mit ihrer Brust; im Mittelalter front sie in der Spinnstube für den Feudalherrn. Aber seit das Privateigentum besteht, arbeitet die Frau des Volkes meist getrennt von der großen Werkstatt der gesellschaftlichen Produktion, also auch der Kultur, eingepfercht in die häusliche Enge eines armseligen Familiendaseins. Erst der Kapitalismus hat sie aus der Familie gerissen und in das Joch der gesellschaftlichen Produktion gespannt, auf fremde Äcker, in die Werkstätten, auf Bauten, in Büros, in Fabriken und Warenhäuser getrieben.“
Mit dem Blick durch eine feministische Brille müsste man die Situation der Frauen in jeder Phase als bedauernswert beurteilen. Würde man jedoch die Geschichte der Männer in ebendiesen Epochen erzählen, so sähe deren Leben nicht besser aus. Man müsste mit dem heutigen Anspruch auf Freiheit und Selbstbestimmung genauso verzweifeln über die Repressionen, die Gewalt, die Armut, den gesellschaftlichen Zwang in den oberen Schichten, die ständige Bedrohung des eigenen Lebens und das der Familie.
Den meisten feministischen Erklärungsmodellen ist gemeinsam, dass sie in den gesellschaftlichen Entwicklungen eine Absicht der Männer sehen, die Frauen zu ihrem eigenen Vorteil und zu deren Nachteil zu unterdrücken. Die oft ebenso unmenschlichen Lebensbedingungen, denen die Männer ausgesetzt waren (und sind), werden nicht gleichermaßen mit Mitleid und Empörung bedacht – sie wären sozusagen selbstverschuldet gewesen, weil im Patriarchat ja die Männer auch andere Männer unterwarfen, ausbeuteten, ihre Triebe durch Monogamie, Recht und Moral zähmten. Kann man hier wirklich das Geschlecht als Kriterium für Unterdrückung anlegen, wenn doch die Männer einen ebenso hohen Preis bezahlen mussten wie die Frauen – selbst wenn dieser anders geartet war? Oder entstanden diese Strukturen nicht deshalb, damit der nächste zivilisatorische Entwicklungsschritt stattfinden konnte – ohne dass man jemandem dafür die „Schuld“ – im Sinne von bewusster Handlung – zuschreiben kann?
Und wenn man schon einen Rückschluss von der heutigen Denkweise auf jene der Urvölker zulässt – wie es in den Theoriebildungen von der Unterdrückung der Frauen durch das Patriarchat laufend geschieht –, dann müssen auch andere Konstruktionen erlaubt sein. Es ist zwar nicht anzunehmen, dass in der Frühzeit der Menschheit Selbstreflexion und Verhandlungen die Entscheidungen bestimmt haben, aber vielleicht ist die Entwicklung ja so abgelaufen:
Es waren die Frauen, die den Impuls für die Sesshaftigkeit auslösten. Sie lagen den Männern in den Ohren, dass sie nun genug vom Nomadendasein hätten und endlich ein sicheres Heim und mehr Kinder haben möchten. Daraufhin suchten die Männer geeignete Regionen, erfanden die entsprechenden Kulturtechniken und errichteten all die Regeln und Gesetze – die heute als Beweis für die Unterdrückung herangezogen werden – zum Schutz von Frauen und Kindern. Weil jedoch der wachsende Besitz immer öfter von anderen Stämmen geraubt oder die fruchtbaren Ländereien erobert wurden, musste jemand diese mit der Waffe verteidigen. Was die Männer – friedfertig, wie sie waren – nicht besonders gerne taten. Und die Frauen schienen auch keine große Begeisterung für das Kriegshandwerk zu entwickeln. Da die Frauen jedoch ein starkes Interesse daran hatten, dass die Männer mehr Verantwortung für sie und ihre Nachkommen übernehmen, suchten sie nach einem Angebot, das diese dazu motivieren könnte. Endlich kamen sie zu dem Schluss, ihr bestgehütetes Geheimnis als Anreiz anzubieten: die Offenlegung der Vaterschaft. Das kostete die Frauen nicht viel (zumal der Handel ohnedies einseitig war, denn die Männer konnten sich – bis zur Erfindung des Gentests – nach wie vor ihrer Erzeugerschaft nicht sicher sein, während die Frauen trotz Keuschheitsgürtel und Haremswächter immer Wege für ihre Liebhaber fanden). Es waren also nicht die Männer, die sich plötzlich der Frage ihrer Vaterschaft bewusst geworden sein sollten und nun alles daran setzten, um sicher zu gehen, dass ihre Erben auch ihre leiblichen Kinder sind, sondern die Frauen. Sie haben den Tausch „Schutz gegen Vaterschaft“ eingefädelt.
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Autoren-Porträt von Christine Bauer-Jelinek
Christine Bauer-Jelinek ist Psychotherapeutin und renommierter Wirtschaftscoach für Topkarrieren, internationale Vortragende und Gastreferentin an der Donau-Universität Krems. Sie begleitet ihre Klientinnen und Klienten beruflich wie privat in schwierigen Lebensphasen und engagiert sich laufend für die Emanzipation von Frauen, deren Anliegen sie auch als Mitglied in unterschiedlichen Frauennetzwerken unterstützt. Bestärkt durch die Erfahrungen, die sie persönlich mit unterschiedlichen Lebensentwürfen gemacht hat, zeigt die Autorin ihr gesellschaftspolitisches Interesse durch ihre Beiträge u. a. zum wissenschaftlichen Beirat der Leopold-Kohr-Akademie Salzburg, die Gründung des Wohnclub - solidarisches Wohnen und Arbeiten für alle Generationen oder als Vorstandsmitglied des Club of Vienna.
Bibliographische Angaben
- Autor: Christine Bauer-Jelinek
- 2012, 176 Seiten, Masse: 15 x 21,5 cm, Gebunden, Deutsch
- Verlag: ecoWing
- ISBN-10: 3711000290
- ISBN-13: 9783711000293
- Erscheinungsdatum: 02.10.2012
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