Der Duft von Erde und Zitronen
Ein fesselnder Sommerroman - kraftvoll und emotional
Wie eine Gefangene lebt Imma in der Wohnung einer Tante hoch im Norden Italiens, weit weg von ihrem Heimatdorf bei Neapel. Die Dreizehnjährige ist in großer Gefahr, denn als der Sohn des...
Wie eine Gefangene lebt Imma in der Wohnung einer Tante hoch im Norden Italiens, weit weg von ihrem Heimatdorf bei Neapel. Die Dreizehnjährige ist in großer Gefahr, denn als der Sohn des...
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Produktinformationen zu „Der Duft von Erde und Zitronen “
Ein fesselnder Sommerroman - kraftvoll und emotional
Wie eine Gefangene lebt Imma in der Wohnung einer Tante hoch im Norden Italiens, weit weg von ihrem Heimatdorf bei Neapel. Die Dreizehnjährige ist in großer Gefahr, denn als der Sohn des Clanchefs sie zu vergewaltigen versuchte, schlug sie mit einem Stein zu. Jetzt soll sie dafür bezahlen. In der Einsamkeit der endlos scheinenden Tage wird Immas Wunsch nach Freiheit immer größer, bis sie sich schließlich stundenweise hinausschleichen kann und den jungen Buchhändler Paolo kennenlernt. Seine Bücher eröffnen ihr eine neue Welt und geben ihr den Mut, ihr Schicksal selbst in die Hand zu nehmen.
Einfühlsam, emotionsgeladen und voll Spannung ist "Der Duft von Erde und Zitronen". Margherita Oggero entführt uns in die fast noch archaische Welt des italienischen Südens, in der ein Mädchen schließlich durch die Liebe zur Literatur den Mut findet, ihren eigenen Weg zu gehen.
Wie eine Gefangene lebt Imma in der Wohnung einer Tante hoch im Norden Italiens, weit weg von ihrem Heimatdorf bei Neapel. Die Dreizehnjährige ist in großer Gefahr, denn als der Sohn des Clanchefs sie zu vergewaltigen versuchte, schlug sie mit einem Stein zu. Jetzt soll sie dafür bezahlen. In der Einsamkeit der endlos scheinenden Tage wird Immas Wunsch nach Freiheit immer größer, bis sie sich schließlich stundenweise hinausschleichen kann und den jungen Buchhändler Paolo kennenlernt. Seine Bücher eröffnen ihr eine neue Welt und geben ihr den Mut, ihr Schicksal selbst in die Hand zu nehmen.
Einfühlsam, emotionsgeladen und voll Spannung ist "Der Duft von Erde und Zitronen". Margherita Oggero entführt uns in die fast noch archaische Welt des italienischen Südens, in der ein Mädchen schließlich durch die Liebe zur Literatur den Mut findet, ihren eigenen Weg zu gehen.
Klappentext zu „Der Duft von Erde und Zitronen “
Ein fesselnder Sommerroman - kraftvoll und emotional<br /><br />Wie eine Gefangene lebt Imma in der Wohnung einer Tante hoch im Norden Italiens, weit weg von ihrem Heimatdorf bei Neapel. Die Dreizehnjährige ist in großer Gefahr, denn als der Sohn des Clanchefs sie zu vergewaltigen versuchte, schlug sie mit einem Stein zu. Jetzt soll sie dafür bezahlen. In der Einsamkeit der endlos scheinenden Tage wird Immas Wunsch nach Freiheit immer größer, bis sie sich schließlich stundenweise hinausschleichen kann und den jungen Buchhändler Paolo kennenlernt. Seine Bücher eröffnen ihr eine neue Welt und geben ihr den Mut, ihr Schicksal selbst in die Hand zu nehmen. <br /><br />Einfühlsam, emotionsgeladen und voll Spannung ist "Der Duft von Erde und Zitronen". Margherita Oggero entführt uns in die fast noch archaische Welt des italienischen Südens, in der ein Mädchen schließlich durch die Liebe zur Literatur den Mut findet, ihren eigenen Weg zu gehen.<br /><br />
Lese-Probe zu „Der Duft von Erde und Zitronen “
Der Duft von Erde und Zitronen von Margherita OggeroDie Extante ist weder gut noch böse, sie ist vor allem unzufrieden, und manchmal regt sie sich auf.
Wie ich bin, weiß ich nicht, ich weiß nur, dass ich nicht ich sein möchte, sondern eine andere, mit einem anderen Leben. Am besten ganz ohne Leben, denn vorher, bevor man geboren wird, kann es einem nicht schlecht gehen, man ist ja nicht da. Wenn ich über diese Dinge nachdenke, schnürt es mir die Kehle zu, und ich würde am liebsten heulen, aber ich heule nicht, weil das nichts nützt. Stattdessen setze ich mich ans Fenster und schaue hinunter auf die Straße. So vergeht die Zeit.
Die Straße ist recht breit, und aus dem dritten Stock kann ich mehr als die halbe Fahrbahn und den gegenüberliegenden Bürgersteig überblicken. Die Fassaden der vier Häuser auf der anderen Seite natürlich auch, mit Fenstern und Balkonen. Die Balkone haben verrostete Geländer und stehen voller Blumentöpfe. Künstliche Pflanzen vom Chinesen, oft mit abgebrochenen Zweigen und von schmierigem Staub bedeckt, und alle mit den gleichen großen, rotgeäderten Blättern. Dicht an dicht stehen sie am Geländer wie eine Hecke, aber abends gerät der ganze Wald in Bewegung, und zum Vorschein kommen lauter Satellitenschüsseln, mit denen die Wohnungsbesitzer die Programme ihrer Heimatländer empfangen können. In, dieser Vorstadtstraße leben nämlich fast nur Einwanderer, vor allem aus Afrika, Schwarze und Araber, bis auf die Extante, aber die ist eigentlich auch Einwanderin, nur nicht von ganz so weit, und ich auch.
... mehr
Meine Tante besitzt keine Satellitenschüssel. Früher schon, aus zweiter oder dritter Hand, mal hatte man Empfang und mal nicht, deshalb hat sie sie irgendwann in den Müllcontainer geworfen, und die Topfpflanzen vom Chinesen gleich hinterher.
Für einen guten Empfang müsste die Satellitenschüssel nämlich ganz ausgefahren werden, aber das ist verboten, und wenn die Polizei sie entdeckt, muss man eine Strafe zahlen und die Schüssel abmontieren. Auf der Hofseite hat es keinen Sinn, weil man dort gar keinen Empfang hat,
auf dem Dach ginge es, aber das möchte der Hausbesitzer nicht, und außerdem müsste man noch einen Techniker bestellen, und das wäre teuer. Ich mache mir nicht viel aus fernsehen, und selbst wenn, würde es nichts ändern, denn abends bestimmt die Extante, welchen Sender wir sehen, und tagsüber, wenn sie arbeiten geht, nimmt sie die Fernbedienung mit, damit ich, wie sie sagt, keine Schweinereien gucke.
Bestimmt will sie nur das Geld für Strom sparen, im Wohnzimmer und der Kochecke ist auch jede zweite Glühbirne rausgedreht, und in der Kammer, in der ich schlafe, gibt es nur eine kleine Neonröhre, die ein eisiges Licht macht. Die Nachttischlampe im Schlafzimmer der Tante hat eine starke Birne, aber die knipst sie nie an, weil sie einfach den Rollladen nicht ganz runterlässt und ihr das Licht von der Straße zum Ausziehen genügt. Und wenn sie den Kopf aufs Kissen legt, schläft sie
sofort ein, weil der Notar sie den ganzen Tag von einem Amt zum anderen schickt und sie abends vom Anstehen todmüde ist, sagt sie.
Müde mag sie ja sein, aber dass sie sofort einschläft, liegt bestimmt an den Tropfen, die sie nimmt. Vielleicht ist sie gar nicht so tüchtig. Und nimmt die Fernbedienung nur aus Bosheit mit, um sich dafür zu rächen, dass man mich bei ihr einquartiert hat.
Melina war hochgewachsen und blass mit riesigen schwarzen Augen. Eine Schönheit. Sie war das Produkt einer trügerischen vorzeitigen Menopause, kam vierzehn Jahre nach Salvatore und achtzehn nach Antonio zur Welt, nachdem Assunta und Saverio seit einiger Zeit wieder ohne Verhütungsmittel miteinander schliefen. Und endlich auch ohne die Sorge, die Kinder könnten sie hören, denn die gingen am Wochenende abends ins Kino oder zum Bolzen oder auf Spritztour mit Freunden, während die Eltern den neu gewonnenen Hauch von Jugend und Freiheit genossen.
»Savè, ich muss dir was sagen.«
»Was ist los?«
»Ich bin schwanger.«
»Nein! Wie kann das sein?«
»Ich weiß nicht. Die Ärztin hatte gesagt, ich könnte ganz sicher sein und ich müsste mich in Zukunft auf Beschwerden einstellen, weil irgendwelche Hormone fehlen... typische Frauenleiden, meinte sie, Hitzewallungen, Schwindel, Übelkeit ...«
»Und, hattest du so was?«
»Überhaupt nicht. Mir ging's prima, und jetzt geht's mir immer noch prima, hervorragend, genau wie damals, als ich mit Antonio und Salvatore schwanger war.«
»Und woher weißt du dann ...«
»Die Röcke spannen plötzlich, und bei der Jeans kriege ich den Reißverschluss nicht mehr zu. Obwohl ich nicht mehr esse als vorher.«
»Na, letzten Sonntag beim Gattò hast du aber ganz schön zugeschlagen ...«
»Jedenfalls kam mir das komisch vor, und ich bin zu Zia Concetta gegangen, der Hebamme.«
»Und die meinte, du bist schwanger?«
»Ja, aber ich hab ihr nicht getraut, Zia Concetta ist ja schon ziemlich alt. Also bin ich zur Ärztin gegangen und habe eine Blutuntersuchung machen lassen, und ... tja, ich bin tatsächlich schwanger.«
»Und in welcher Woche?«
»Elfte oder zwölfte. Was sollen wir jetzt tun?«
»Na, was wohl? Wir behalten den Jungen - oder das
Mädchen.«
»Freust du dich denn?«
»Mhm, weiß nicht ... eigentlich schon ... vor allem, wenn es ein Mädchen wird, Jungs haben wir ja schon.«
»Weißt du was, Saverio? Ich freu mich riesig. Das bedeutet, dass ich noch jung bin. Und ich freu mich auch darauf, noch einmal ein eigenes Baby im Arm zu halten.«
Es wurde ein Mädchen: Carmelina, genannt Melina. Antonio war irritiert und ein bisschen genervt, weil seine Freunde ihn mit ziemlich groben Scherzen aufzogen; Salvatore hingegen war Feuer und Flamme für dieses Kind, das nur aus Augen und schwarzem Haar zu bestehen schien, eine Puppe, mit der man stundenlang spielen und über den Boden kriechen und die man kitzeln konnte. Und sie ihrerseits liebte Tore abgöttisch und empfing ihn mit kleinen Freudenschreien, wenn er aus der Schule kam, trabte hinter ihm her durch die Wohnung und ging mit ihm spazieren oder ließ sich mit dem Fahrrad herumkutschieren.
»Weißt du, Savè«, sagte Assunta manchmal und bekreuzigte sich rasch, »wir sind echte Glückspilze. Niemand belästigt uns, wir haben beide eine gute Stelle, schöne Kinder, ein eigenes Haus, uns fehlt es an nichts.«
»Das größte Glück ist, dass die uns nicht auspressen oder zu etwas zwingen können. Aber wenn du nicht Grundschullehrerin geworden wärst und ich nicht bei der Eisenbahn angefangen hätte, wären wir denen ausgeliefert gewesen wie alle anderen. Trotzdem, Antonio wird nach der Uni hier kaum eine Stelle finden, und Tore wird auch kämpfen müssen, wenn er mit der Schule fertig ist.«
»He, Savè, welche Laus ist dir denn über die Leber gelaufen? Du hast Melina vergessen, kannst du für sie nicht auch noch ein bisschen schwarzmalen?«
»Sie ist noch klein, warten wir's ab.«
Antonio war um den Militärdienst herumgekommen, weil der Arzt der Musterungskommission ein minimales Herzgeräusch bei ihm festgestellt und diesem deutlich mehr Gewicht als notwendig beigemessen hatte.
Dahinter steckte keineswegs der Boss, Don Raffaele - nein, es hatte schlicht mit Tischtennis zu tun. Weil nämlich im Jugendzentrum des Dorfs, aus dem Saverio stammte, er und der spätere Militärarzt die besten Tischtennisspieler gewesen waren und bei den Amateurturnieren immer
das Doppel gewannen. Dem Sohn eines Kameraden aus Jugendtagen versagt man keinen Gefallen, selbst wenn man gar nicht um einen gebeten wurde, ja gerade dann, weil man sich so nämlich richtig großzügig und selbstlos fühlt. Und wenn der zweite Sohn an der Reihe ist, macht man es genauso, schließlich war die Dankbarkeit der Eltern rührend, und beim Klassentreffen in einem Restaurant im Hinterland hatte man sogar eine Partie Tischtennis gespielt, beziehungsweise drei, und das Entscheidungsspiel hatte der Arzt gewonnen, schließlich wusste Saverio, was sich gehört.
Nach seinem Chemiediplom ergatterte Antonio ein Stipendium in Belgien und bekam dort direkt danach auch eine Stelle in einer Farbenfabrik angeboten.
»Willst du die denn annehmen? So weit weg, im Ausland, ganz allein ...«, fragte seine Mutter.
»Wieso nicht? Wo finde ich hier eine solche Stelle?«
»Aber Farben, das ist doch gefährlich ...«
»Züge sind auch gefährlich. Da werden Bomben gelegt, dauernd entgleisen sie, und Papa arbeitet trotzdem da.«
»Das ist doch nicht dasselbe ...«, widersprach sie zaghaft, doch im Grunde wusste sie, dass sie verloren hatte.
Antonio war das Dorf irgendwann zu eng geworden, echte Freunde hatte er keine, und die einzigen Mädchen, mit denen er etwas gehabt hatte, waren Kommilitoninnen in Neapel. Unbedeutende Geschichten, aus denen nie etwas geworden war und denen er nicht nachweinte. Nach Neapel und Brüssel kam ihm das Dorf wie ein Gefängnis vor, ohne Gitter zwar, aber auch ohne Ausweg. Das Kino geschlossen, die Bars schwarz von Rauch und Fliegen, die Diskothek voller Dumpfbacken und billiger Mädchen, ein Blick zu viel, schon setzte es Prügel, Mopeds, die wie irre durch die engen Gassen bretterten, Häuser, die nie fertig gebaut wurden, während die Spitzen der Moniereisen vor sich hin rosteten, und über allem der Atem vom Boss. Ein schwerer Atem, der dem Dorf und seinen Bewohnern die Luft nahm, selbst den wenigen, die nicht direkt davon betroffen waren.
Gewiss, ein paar Kilometer weiter lag die Küste mit einem Strand aus grobem schwarzem Sand, rechts und links begrenzt von Klippen, und die meiste Zeit herrschte ein mildes Klima, die Sonne schien, und außerdem lebten hier Mama, Papa, Tore und Melina. Trotzdem gab Antonio dem Regen und der Kälte Brüssels den Vorzug, wo die Straßen sauber waren und man nirgendwo Abfallhaufen oder umgekippte und angezündete Müllcontainer sah, wo die Bewohner zurückhaltend waren und sich fast immer an das Gesetz hielten und wo die Autofahrer Fußgängern am Zebrastreifen Vorrang gewährten.
Mit der Einsamkeit würde er schon fertigwerden.
Ich stehe hinter den geschlossenen Gardinen am Fenster und sehe alles, während die anderen, aus den Häusern gegenüber und von der Straße, mich nicht sehen können. Das ist gut, ich mussunsichtbar bleiben. Ich schaue hinunter und denke nach. Wer unglücklich ist, denkt viel nach.
Ich denke mir Sachen über die Leute aus, die vorbeikommen, die in die Bar mit den Spielautomaten gehen, in den chinesischen Friseurladen, ins Gewerkschaftsbüro, in die Grillbude. Nur während der steinernen Stunde ist niemand zu sehen. Die steinerne Stunde dauert gar keine Stunde, nur einen Augenblick, manchmal eine Minute, manchmal auch drei oder vier. Ich mag sie sehr, und ich nenne sie so, weil plötzlich alles stillsteht, wie versteinert. Nichts bewegt sich, keine Menschen, keine Autos, es ist, als wäre die Erde stehen geblieben, ohne dass man ein Bremsgeräusch gehört hätte.
Dann kommt es mir vor, als könnte gleich alles Mögliche passieren, ein Erdbeben oder eine Explosion, es ist wie die Ruhe vor dem Sturm, wie wenn man den Atem anhält, bevor man losschreit oder in Tränen ausbricht, oder wie wenn man vor Angst sogar das Atmen vergisst. Aber es passiert nie was Besonderes, die Autos fahren wieder vorbei, die Jugendlichen betreten und verlassen die Bar, die Kunden des chinesischen Friseurladens, die durchgehend geöffnet haben, kommen oder gehen, nur die Gewerkschaft und die Grillbude haben um die Zeit die Rollläden heruntergelassen, da kommt oder geht keiner mehr.
Bei der Gewerkschaft geben sich tagsüber die Alten die Klinke in die Hand, gegen Abend werden die Besucher immer jünger. Da müsste sie auch mal hingehen und sich über ihre Rechte informieren, hat die Extante gesagt, weil der Notar ihr viel zu wenig zahlt für die vielen Stunden. Aber vorher müsste sie sich einen neuen Job suchen, weil der Notar sie dann unter irgendeinem Vorwand entlassen würde, und ohne Arbeit würde sie nicht über die Runden kommen, weil ihr Mann, den sie immer noch so nennt, obwohl er nicht mehr ihr Mann ist, ihr nur wenig Unterhalt zahlt und ihre Ausgaben stetig steigen, denn das Leben in der Stadt ist teuer.
Aber sie sucht sich nie einen anderen Job.
Zum chinesischen Friseur gehen Männer wie Frauen, weil es dort so billig ist. Als ich in den Norden kam, bin ich auch bei einem gewesen, aber nicht bei dem hier, sondern in einem anderen Viertel, weit weg, und ich bekam einen Jungenschnitt verpasst, mit dem ich mich fast nicht wiedererkannt hätte.
Übersetzung: Peter Klöss
Meine Tante besitzt keine Satellitenschüssel. Früher schon, aus zweiter oder dritter Hand, mal hatte man Empfang und mal nicht, deshalb hat sie sie irgendwann in den Müllcontainer geworfen, und die Topfpflanzen vom Chinesen gleich hinterher.
Für einen guten Empfang müsste die Satellitenschüssel nämlich ganz ausgefahren werden, aber das ist verboten, und wenn die Polizei sie entdeckt, muss man eine Strafe zahlen und die Schüssel abmontieren. Auf der Hofseite hat es keinen Sinn, weil man dort gar keinen Empfang hat,
auf dem Dach ginge es, aber das möchte der Hausbesitzer nicht, und außerdem müsste man noch einen Techniker bestellen, und das wäre teuer. Ich mache mir nicht viel aus fernsehen, und selbst wenn, würde es nichts ändern, denn abends bestimmt die Extante, welchen Sender wir sehen, und tagsüber, wenn sie arbeiten geht, nimmt sie die Fernbedienung mit, damit ich, wie sie sagt, keine Schweinereien gucke.
Bestimmt will sie nur das Geld für Strom sparen, im Wohnzimmer und der Kochecke ist auch jede zweite Glühbirne rausgedreht, und in der Kammer, in der ich schlafe, gibt es nur eine kleine Neonröhre, die ein eisiges Licht macht. Die Nachttischlampe im Schlafzimmer der Tante hat eine starke Birne, aber die knipst sie nie an, weil sie einfach den Rollladen nicht ganz runterlässt und ihr das Licht von der Straße zum Ausziehen genügt. Und wenn sie den Kopf aufs Kissen legt, schläft sie
sofort ein, weil der Notar sie den ganzen Tag von einem Amt zum anderen schickt und sie abends vom Anstehen todmüde ist, sagt sie.
Müde mag sie ja sein, aber dass sie sofort einschläft, liegt bestimmt an den Tropfen, die sie nimmt. Vielleicht ist sie gar nicht so tüchtig. Und nimmt die Fernbedienung nur aus Bosheit mit, um sich dafür zu rächen, dass man mich bei ihr einquartiert hat.
Melina war hochgewachsen und blass mit riesigen schwarzen Augen. Eine Schönheit. Sie war das Produkt einer trügerischen vorzeitigen Menopause, kam vierzehn Jahre nach Salvatore und achtzehn nach Antonio zur Welt, nachdem Assunta und Saverio seit einiger Zeit wieder ohne Verhütungsmittel miteinander schliefen. Und endlich auch ohne die Sorge, die Kinder könnten sie hören, denn die gingen am Wochenende abends ins Kino oder zum Bolzen oder auf Spritztour mit Freunden, während die Eltern den neu gewonnenen Hauch von Jugend und Freiheit genossen.
»Savè, ich muss dir was sagen.«
»Was ist los?«
»Ich bin schwanger.«
»Nein! Wie kann das sein?«
»Ich weiß nicht. Die Ärztin hatte gesagt, ich könnte ganz sicher sein und ich müsste mich in Zukunft auf Beschwerden einstellen, weil irgendwelche Hormone fehlen... typische Frauenleiden, meinte sie, Hitzewallungen, Schwindel, Übelkeit ...«
»Und, hattest du so was?«
»Überhaupt nicht. Mir ging's prima, und jetzt geht's mir immer noch prima, hervorragend, genau wie damals, als ich mit Antonio und Salvatore schwanger war.«
»Und woher weißt du dann ...«
»Die Röcke spannen plötzlich, und bei der Jeans kriege ich den Reißverschluss nicht mehr zu. Obwohl ich nicht mehr esse als vorher.«
»Na, letzten Sonntag beim Gattò hast du aber ganz schön zugeschlagen ...«
»Jedenfalls kam mir das komisch vor, und ich bin zu Zia Concetta gegangen, der Hebamme.«
»Und die meinte, du bist schwanger?«
»Ja, aber ich hab ihr nicht getraut, Zia Concetta ist ja schon ziemlich alt. Also bin ich zur Ärztin gegangen und habe eine Blutuntersuchung machen lassen, und ... tja, ich bin tatsächlich schwanger.«
»Und in welcher Woche?«
»Elfte oder zwölfte. Was sollen wir jetzt tun?«
»Na, was wohl? Wir behalten den Jungen - oder das
Mädchen.«
»Freust du dich denn?«
»Mhm, weiß nicht ... eigentlich schon ... vor allem, wenn es ein Mädchen wird, Jungs haben wir ja schon.«
»Weißt du was, Saverio? Ich freu mich riesig. Das bedeutet, dass ich noch jung bin. Und ich freu mich auch darauf, noch einmal ein eigenes Baby im Arm zu halten.«
Es wurde ein Mädchen: Carmelina, genannt Melina. Antonio war irritiert und ein bisschen genervt, weil seine Freunde ihn mit ziemlich groben Scherzen aufzogen; Salvatore hingegen war Feuer und Flamme für dieses Kind, das nur aus Augen und schwarzem Haar zu bestehen schien, eine Puppe, mit der man stundenlang spielen und über den Boden kriechen und die man kitzeln konnte. Und sie ihrerseits liebte Tore abgöttisch und empfing ihn mit kleinen Freudenschreien, wenn er aus der Schule kam, trabte hinter ihm her durch die Wohnung und ging mit ihm spazieren oder ließ sich mit dem Fahrrad herumkutschieren.
»Weißt du, Savè«, sagte Assunta manchmal und bekreuzigte sich rasch, »wir sind echte Glückspilze. Niemand belästigt uns, wir haben beide eine gute Stelle, schöne Kinder, ein eigenes Haus, uns fehlt es an nichts.«
»Das größte Glück ist, dass die uns nicht auspressen oder zu etwas zwingen können. Aber wenn du nicht Grundschullehrerin geworden wärst und ich nicht bei der Eisenbahn angefangen hätte, wären wir denen ausgeliefert gewesen wie alle anderen. Trotzdem, Antonio wird nach der Uni hier kaum eine Stelle finden, und Tore wird auch kämpfen müssen, wenn er mit der Schule fertig ist.«
»He, Savè, welche Laus ist dir denn über die Leber gelaufen? Du hast Melina vergessen, kannst du für sie nicht auch noch ein bisschen schwarzmalen?«
»Sie ist noch klein, warten wir's ab.«
Antonio war um den Militärdienst herumgekommen, weil der Arzt der Musterungskommission ein minimales Herzgeräusch bei ihm festgestellt und diesem deutlich mehr Gewicht als notwendig beigemessen hatte.
Dahinter steckte keineswegs der Boss, Don Raffaele - nein, es hatte schlicht mit Tischtennis zu tun. Weil nämlich im Jugendzentrum des Dorfs, aus dem Saverio stammte, er und der spätere Militärarzt die besten Tischtennisspieler gewesen waren und bei den Amateurturnieren immer
das Doppel gewannen. Dem Sohn eines Kameraden aus Jugendtagen versagt man keinen Gefallen, selbst wenn man gar nicht um einen gebeten wurde, ja gerade dann, weil man sich so nämlich richtig großzügig und selbstlos fühlt. Und wenn der zweite Sohn an der Reihe ist, macht man es genauso, schließlich war die Dankbarkeit der Eltern rührend, und beim Klassentreffen in einem Restaurant im Hinterland hatte man sogar eine Partie Tischtennis gespielt, beziehungsweise drei, und das Entscheidungsspiel hatte der Arzt gewonnen, schließlich wusste Saverio, was sich gehört.
Nach seinem Chemiediplom ergatterte Antonio ein Stipendium in Belgien und bekam dort direkt danach auch eine Stelle in einer Farbenfabrik angeboten.
»Willst du die denn annehmen? So weit weg, im Ausland, ganz allein ...«, fragte seine Mutter.
»Wieso nicht? Wo finde ich hier eine solche Stelle?«
»Aber Farben, das ist doch gefährlich ...«
»Züge sind auch gefährlich. Da werden Bomben gelegt, dauernd entgleisen sie, und Papa arbeitet trotzdem da.«
»Das ist doch nicht dasselbe ...«, widersprach sie zaghaft, doch im Grunde wusste sie, dass sie verloren hatte.
Antonio war das Dorf irgendwann zu eng geworden, echte Freunde hatte er keine, und die einzigen Mädchen, mit denen er etwas gehabt hatte, waren Kommilitoninnen in Neapel. Unbedeutende Geschichten, aus denen nie etwas geworden war und denen er nicht nachweinte. Nach Neapel und Brüssel kam ihm das Dorf wie ein Gefängnis vor, ohne Gitter zwar, aber auch ohne Ausweg. Das Kino geschlossen, die Bars schwarz von Rauch und Fliegen, die Diskothek voller Dumpfbacken und billiger Mädchen, ein Blick zu viel, schon setzte es Prügel, Mopeds, die wie irre durch die engen Gassen bretterten, Häuser, die nie fertig gebaut wurden, während die Spitzen der Moniereisen vor sich hin rosteten, und über allem der Atem vom Boss. Ein schwerer Atem, der dem Dorf und seinen Bewohnern die Luft nahm, selbst den wenigen, die nicht direkt davon betroffen waren.
Gewiss, ein paar Kilometer weiter lag die Küste mit einem Strand aus grobem schwarzem Sand, rechts und links begrenzt von Klippen, und die meiste Zeit herrschte ein mildes Klima, die Sonne schien, und außerdem lebten hier Mama, Papa, Tore und Melina. Trotzdem gab Antonio dem Regen und der Kälte Brüssels den Vorzug, wo die Straßen sauber waren und man nirgendwo Abfallhaufen oder umgekippte und angezündete Müllcontainer sah, wo die Bewohner zurückhaltend waren und sich fast immer an das Gesetz hielten und wo die Autofahrer Fußgängern am Zebrastreifen Vorrang gewährten.
Mit der Einsamkeit würde er schon fertigwerden.
Ich stehe hinter den geschlossenen Gardinen am Fenster und sehe alles, während die anderen, aus den Häusern gegenüber und von der Straße, mich nicht sehen können. Das ist gut, ich mussunsichtbar bleiben. Ich schaue hinunter und denke nach. Wer unglücklich ist, denkt viel nach.
Ich denke mir Sachen über die Leute aus, die vorbeikommen, die in die Bar mit den Spielautomaten gehen, in den chinesischen Friseurladen, ins Gewerkschaftsbüro, in die Grillbude. Nur während der steinernen Stunde ist niemand zu sehen. Die steinerne Stunde dauert gar keine Stunde, nur einen Augenblick, manchmal eine Minute, manchmal auch drei oder vier. Ich mag sie sehr, und ich nenne sie so, weil plötzlich alles stillsteht, wie versteinert. Nichts bewegt sich, keine Menschen, keine Autos, es ist, als wäre die Erde stehen geblieben, ohne dass man ein Bremsgeräusch gehört hätte.
Dann kommt es mir vor, als könnte gleich alles Mögliche passieren, ein Erdbeben oder eine Explosion, es ist wie die Ruhe vor dem Sturm, wie wenn man den Atem anhält, bevor man losschreit oder in Tränen ausbricht, oder wie wenn man vor Angst sogar das Atmen vergisst. Aber es passiert nie was Besonderes, die Autos fahren wieder vorbei, die Jugendlichen betreten und verlassen die Bar, die Kunden des chinesischen Friseurladens, die durchgehend geöffnet haben, kommen oder gehen, nur die Gewerkschaft und die Grillbude haben um die Zeit die Rollläden heruntergelassen, da kommt oder geht keiner mehr.
Bei der Gewerkschaft geben sich tagsüber die Alten die Klinke in die Hand, gegen Abend werden die Besucher immer jünger. Da müsste sie auch mal hingehen und sich über ihre Rechte informieren, hat die Extante gesagt, weil der Notar ihr viel zu wenig zahlt für die vielen Stunden. Aber vorher müsste sie sich einen neuen Job suchen, weil der Notar sie dann unter irgendeinem Vorwand entlassen würde, und ohne Arbeit würde sie nicht über die Runden kommen, weil ihr Mann, den sie immer noch so nennt, obwohl er nicht mehr ihr Mann ist, ihr nur wenig Unterhalt zahlt und ihre Ausgaben stetig steigen, denn das Leben in der Stadt ist teuer.
Aber sie sucht sich nie einen anderen Job.
Zum chinesischen Friseur gehen Männer wie Frauen, weil es dort so billig ist. Als ich in den Norden kam, bin ich auch bei einem gewesen, aber nicht bei dem hier, sondern in einem anderen Viertel, weit weg, und ich bekam einen Jungenschnitt verpasst, mit dem ich mich fast nicht wiedererkannt hätte.
Übersetzung: Peter Klöss
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Autoren-Porträt von Margherita Oggero
Margherita Oggero, geboren und wohnhaft in Turin, ist pensionierte Lehrerin und Romanautorin.
Bibliographische Angaben
- Autor: Margherita Oggero
- 2012, 311 Seiten, Masse: 13,2 x 20,5 cm, Gebunden, Deutsch
- Übersetzung: Klöss, Peter
- Übersetzer: Peter Klöss
- Verlag: DVA
- ISBN-10: 3421045534
- ISBN-13: 9783421045539
Rezension zu „Der Duft von Erde und Zitronen “
"Eine wunderbar erzählte Geschichte, in der man tatsächlich den Duft von Erde und Zitronen zu riechen glaubt." (Augsburger Allgemeine, 26.05.2012)
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