Der Dativ ist dem Genitiv sein Tod. Folge 2.Folge.2
Mit seinem ersten Buch gelang Bastian Sick ein kleines Wunder.
Plötzlich lasen viele Menschen über Interpunktion, den korrekten Plural oder guten Stil im Deutschen. Gleichzeitig gewannen sie neues Vertrauen in das eigene Sprachgefühl. Doch...
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Mit seinem ersten Buch gelang Bastian Sick ein kleines Wunder.
Plötzlich lasen viele Menschen über Interpunktion, den korrekten Plural oder guten Stil im Deutschen. Gleichzeitig gewannen sie neues Vertrauen in das eigene Sprachgefühl. Doch längst sind nicht alle Fragen beantwortet und alle Probleme gelöst. Und schaut man genau hin, ist nicht nur der Dativ dem Genitiv sein Tod, sondern es verschwinden noch mehr Fälle - "an den Ufern des Rhein und auch beim US-Präsident". Natürlich möchte man die Dinge auch nicht schwarzmalen. Halt, heisst es nicht schwarz malen? Manches lässt einen verzweifeln und manchmal bleibt es ein Zweifelsfall der deutschen Sprache.
Bastian Sick geht vielen dieser kleinen und grossen Sprachvergehen nach und macht sich so seine Gedanken über das gefühlte Komma, den traurigen Konjunktiv und den geschundenen Imperativ. Und vor allem beantwortet er in diesem Band viele Fragen seiner Leser.
Plus: grosser Deutsch-Test!
Bastian Sick ist Mitglied der Spiegel-Online-Redaktion und begeistert dort mit der Kolumne ''Zwiebelfisch''.
Mit seinem ersten Buch gelang Bastian Sick ein kleines Wunder. Plötzlich lasen viele Menschen über Interpunktion, den korrekten Plural oder guten Stil im Deutschen. Gleichzeitig gewannen sie neues Vertrauen in das eigene Sprachgefühl. Doch längst sind nicht alle Fragen beantwortet und alle Probleme gelöst. Und schaut man genau hin, ist nicht nur der Dativ dem Genitiv sein Tod, sondern es verschwinden noch mehr Fälle - »an den Ufern des Rhein und auch beim US-Präsident«. Natürlich möchte man die Dinge auch nicht schwarzmalen. Halt, heisst es nicht schwarz malen? Manches lässt einen verzweifeln und manchmal bleibt es ein Zweifelsfall der deutschen Sprache. Bastian Sick geht vielen dieser kleinen und grossen Sprachvergehen nach und macht sich so seine Gedanken über das gefühlte Komma, den traurigen Konjunktiv und den geschundenen Imperativ. Und vor allem beantwortet er in diesem Band viele Fragen seiner Leser.Mit grossem Deutsch-Test!
Aktuelle Zwiebelfisch-Kolumnen finden Sie unter www.spiegel.de/kultur/zwiebelfisch
Jetzt auch als Hörbuch (Lesung mit Bastian Sick, 2 CDs, ISBN 3-89813-445-8) beim Audio-Verlag.
Der Dativ ist dem Genetiv sein Tod - Folge 2 von Bastian Sick
LESEPROBE
Das Imperfekt der Höflichkeit
Wenn esdarum geht, Dinge zu beschreiben, die gerade passieren und für diesen Momentgelten, dann benutzt man normalerweise das Präsens. Normalerweise -aber nichtimmer. Es gibt Situationen, in denen die Gegenwartsform gemieden wird, als seisie unschicklich. Ein schlichtes »Was wollen Sie?« wird plötzlich zu »Was wolltenSie?«.
Mein FreundHenry und ich sitzen im Restaurant und geben gerade unsere Bestellung auf.»Also, Sie wollten den Seeteufel, richtig?«, fragt der Kellner an Henrygewandt. »Das ist korrekt«, erwidert Henry und fügt hinzu: »Und ich will ihn immernoch.« Der Kellner blickt leicht irritiert. Henry erklärt: »Angesichts derTatsache, dass meine Bestellung gerade mal eine halbe Minute her ist, dürfenSie gerne davon ausgehen, dass ich den Seeteufel auch jetzt noch will.« Der Kellnerscheint zwar nicht ganz zu begreifen, nickt aber höflich und entfernt sich.
»Was solltedas denn nun wieder?«, frage ich meinen Freund, der es auch nach Jahren nochschafft, mich mit immer neuen seltsamen Anwandlungen zu verblüffen. Henrybeugt sich vor und raunt: »Ist dir noch nie aufgefallen, dass im Serviceständig die Vergangenheitsform benutzt wird, ohne dass es dafür einenzwingenden Grund gibt?« -»Das mag zwar sein, aber ich wüsste nicht, was daranverkehrt sein sollte«, erwidere ich. Henry deutet zur Tür und sagt: »Das gingschon los, als wir hereinkamen. Du warst noch an der Garderobe, ich sage zumEmpfangschef: >Guten Abend, ich habe einen Tisch für zwei Personenreserviert!(, und er fragt mich: )Wie war Ihr Name?(- »Ich ahneFurchtbares! Du hast doch nicht etwa ...?« - »Natürlich habe ich!«, sagt Henrymit einem breiten Grinsen. »Die Frage war doch unmissverständlich. Alsoerkläre ich ihm: >Früher war mein Name Kurz, aber vor drei Jahren habe ichgeheiratet und den Namen meiner Frau angenommen, deshalb ist mein Name heutenicht mehr Kurz, sondern länger, nämlich Caspari.« »Ein Wunder, dass er uns nichtgleich wieder vor die Tür gesetzt hat!«, seufze ich. Henry zuckt dieSchultern: »Ist doch wahr! Eisparfait auf der Karte und Imparfait in der Frage- das sind Wesensmerkmale der Gastronomie. Sag mir nicht, du hättest dir nochnie darüber Gedanken gemacht? Ich jedenfalls finde es höchst bemerkenswert!«
Eine Viertelstunde später kommt eine junge weibliche Servierkraftmit den Speisen. »Wer bekam den Fisch?«, fragt sie. Henry wirft mir einentriumphierenden Blick zu, wendet sich zur Kellnerin und sagt mit einemcharmanten Lächeln: »Noch hat ihn keiner bekommen, aber ich wäre Ihnen sehrdankbar, wenn ich ihn nun bekommen könnte.«-»Henry«, sage ich tadelnd, »dubringst die junge Dame ja völlig durcheinander!« -»So soll es sein!«, erwidertHenry selbstbewusst. Ich bemühe mich, sachlich zu bleiben: »Wenn dich jemandetwas fragt und dabei das Imperfekt verwendet, dann heisst das nicht, dass ersich für deine Vergangenheit interessiert. Meistens verwendet man es, wenn mansich einer Sache vergewissern will: Wie war das doch gleich?« Henry spritzt,den Seeteufel nur um wenige Meter verfehlend, Zitronensaft auf mein Hemd undentgegnet: »Als Anwalt bin ich es nun mal gewohnt, Sprache wörtlich zu nehmen.Neulich im Reisebüro wurde ich gefragt: >Wohin wollten Sie?< Da habe ichdann ganz gewissenhaft aufgezählt: >Letztes Jahr wollte ich in die Karibik -Barbados oder Jamaika, das war immer schon mein Traum, war aber leider zuteuer. Im Jahr davor wollte ich zum Tauchen auf die Malediven, dafür hätte ichaber erst zehn Kilo abnehmen müssen. Als Student wollte ich nach Ägypten, dochdann lernte ich meine Freundin kennen und blieb in Deutschland; und als ich einkleiner Junge war, da wollte ich unbedingt auf den Mond. Jetzt will icheigentlich nur nach Rügen.( Du kannst dir vorstellen, wie die Reisekauffraugeguckt hat. Das hätte sie kürzer haben können! « -»Wenn du das Imperfekt unbedingtauf die Anklagebank setzen willst, dann lass mich etwas zu seiner Verteidigungsagen. Das Imperfekt in der Frage drückt respektvolle Distanz aus, daher istes im Service so beliebt. Man will dem Kunden schliesslich nicht zu nahe treten.)Wie war Ihr Name?> klingt - zumindest in manchen Ohren - weniger direkt undsomit höflicher als )Wie ist Ihr Name?> Es ist dasselbe wie mit demKonjunktiv. >Ich will ein Glas Prosecco< klingt zu direkt, daherverkleidet man den Wunsch mit dem Konjunktiv, versieht ihn womöglich noch miteinem Diminutivum und sagt:<Ich hätte gerne ein Gläschen Prosecco!>«Erwartungsgemäss nutzt Henry diese Vorlage zu einem spöttischen Einwurf: »Auja! Prosecco für alle!« Ich fasse zusammen: »Aus demselben Grund wird in derFrage das Imperfekt verwendet - aus Höflichkeit.« Henry verdreht schwärmerischdie Augen: »Das Imperfekt der Höflichkeit! Ein toller Titel! Klingt wie >DerScheineffekt der Wirklichkeit< oder >Der Gipfel der Unsäglichkeit. Seine Vollendungfindet es übrigens im berühmt-berüchtigten Imbiss-Deutsch: >Waren Sie dasSchaschlik oder die Currywurst?<«
Wir lassen es uns schmecken, und nachdem auch die zweiteFlasche Wein geleert ist, gebe ich dem Kellner mit Handzeichen zu verstehen,dass er uns die Rechnung bringen möge. Einen Augenblick später ist er zurStelle und fragt: »Die Herren wollten zahlen?« Und ehe ich Luft holen kann,platzt es aus Henry heraus: »Vor fünf Minuten wollten wir zahlen, und redlich,wie wir sind, wollen wir immer noch zahlen, und zwar so lange, bis wirtatsächlich gezahlt haben!« Der Kellner verzieht keine Miene: »Zusammen oder getrennt?«-»Zusammen!«,sage ich. »Du lädst mich ein?«, fragt Henry begeistert. »Wie komme ich zu derEhre?« - »Das war ein Arbeitsessen«, erkläre ich, »daraus mache ich eineKolumne.« -»Prima«, sagt Henry, »dann weiss ich auch schon was für unsernächstes Arbeitsessen! Da gehen wir zu meinem Koreaner. Der fragt nie: >Wasdarf's sein?< oder >Was wünschen Sie?<, sondern >Was sollessen?< Darüber lässt sich prächtig philosophieren!«
© 2005 by Verlag Kiepenheuer & Witsch, Köln
Autoren-Porträtvon Bastian Sick
Bastian Sick, geboren 1965, Studium derGeschichtswissenschaft und Romanistik, Tätigkeit als Lektor und Übersetzer; von1995-1998 Dokumentationsjournalist beim SPIEGEL-Verlag, ab Januar 1999Mitarbeiter der Redaktion von SPIEGEL ONLINE. Dort seit Mai 2003 Autor derKolumne "Zwiebelfisch".
Interview mit Bastian Sick
Nach Ihrem überwältigenden Erfolgmit dem Buch "Der Dativ ist dem Genitiv sein Tod", in dem Sie unseren"Sprachmissbrauch" witzig und lehrreich kommentieren, gibt es nun die "Folge 2".Was gibt es Neues zu berichten?
Die deutscheSprache ist ja nicht nur überaus lebendig und vielseitig, sie ist auch sehrkomplex und stellt uns immer wieder vor neue Rätsel. In der zweiten Folge des"Dativs" geht es um so gewichtige Themen wie gefühlte Kommas, den traurigenKonjunktiv, den geschundenen Imperativ; es geht um verschwundene Fälle, falscheFreunde, verdrehte Redensarten und um die Leidenschaft der Deutschen fürHäkchen. Eine Leidenschaft, die sehr viel Leiden schafft.
"Zwei Espressi, bitte!" oder "ZweiEspressos, bitte!"? Laut Duden stimmt beides. Aber wer will schon denOberlehrer geben, wenn er zwei Kaffee möchte? Soll man lieber Pizze(n)bestellen?
Stimmt,beides ist richtig. Wenn Fremdwörter sich lange genug in Deutschlandaufgehalten und Eingang in unsere Alltagssprache gefunden haben, werden sienicht mehr als fremd empfunden und nach den Regeln der deutschen Grammatikbehandelt. Das ist ein ganz natürlicher Vorgang, andere Kulturen halten esgenauso. In Italien ist ein Espresso übrigens immer ein "caffè". Das, was wirDeutschen unter Kaffee verstehen, würde ein Italiener niemals anrühren.
EineSprachkolumne kann immer nur ein Streiflicht auf einzelne Aspekte werfen, siekann unmöglich die unendlichen Weiten unseres sprachlichen Universumsvollständig ausleuchten. Ich bin ja auch nicht angetreten, um den Deutschen dasFunktionieren ihrer Sprache grundsätzlich neu zu erklären. Das ist nach wie vorAufgabe der Schulen. Übrigens habe auch ich mit vielen Formularen meine liebeNot. Der Staat kümmert sich um vieles, aber nicht um die Verständlichkeit undLesbarkeit seiner Formulare.
Was halten Sie von den Bestrebungen,die Rechtschreibreform zurückzunehmen? So bietet sich immerhin die schöneChance zu sagen: "Verdammt, das habe ich doch immer so geschrieben!" (Was oftbedeutet, dass man es schon immer falsch gemacht hat.)
Wie jedeReform hat auch die Rechtschreibreform gute und schlechte Seiten. Zu denVorzügen, die sich sicherlich auch durchsetzen werden, zählen die neuess/ss-Regelung (hinter kurzem Vokal ss, hinter langem Vokal ss) und dieGrossschreibung von substantivierten Adjektiven (im Dunkeln, im Stillen, imAllgemeinen). Unbefriedigend und verwirrungstiftend (oder: Verwirrung stiftend)ist die Neuregelung der Getrennt- und Zusammenschreibung. Ein Verb wie"stilllegen" wird weiterhin in einem Wort geschrieben, aber "lahm legen" mussman jetzt in zweien schreiben. Das ist nicht unbedingt logisch.
Getrenntschreibungen, Ablösung desGenitivs durch den Dativ, Apostrophe überall - was schmerzt Sie am meisten? Undwas könnte man zur "Arterhaltung" der deutschen Sprache tun?
Was ich ammeisten bedauere, ist die Tatsache, dass wir in fast allen Bereichen unsereAntennen ausschliesslich auf Amerika ausgerichtet haben. Die USA sind ein wundervollesLand, aber Europa hat mindestens genauso viel zu bieten. Was wissen Sie überaktuelle französische Popmusik? Wann haben Sie zuletzt einen schwedischen Filmim Kino gesehen? Warum wird jede noch so dümmliche amerikanische Sitcom fürsdeutsche Fernsehen synchronisiert, während sehenswerte Produktionen aus Spanienund Italien bei uns nie gezeigt werden? Wir sind zu kritiklosen Anbetern der amerikanischenKultur geworden, das schlägt sich auch in der Sprache nieder, vor allem in derWerbung und im Management. Es würde unsere Kultur stärken und bereichern, wennwir uns darauf besännen, dass wir ein Teil Europas sind - und nicht bloss einSatellit der USA.
Kennen Sie auch ein positivesBeispiel, bei dem der Sprachgebrauch die Regeln "besiegt" hat?
Es gibt zahllose solcher Beispiele. Die Regeln sindja kein in Beton gegossenes, starres Fundament, sondern passen sich früher oderspäter dem veränderten Gebrauch an. Wir sprechen heute nicht mehr wie vorhundert Jahren, folglich wurden auch die Regeln seitdem immer wiederaktualisiert. Es passiert ständig, dass Wörter in einem anderen Sinne gebrauchtwerden, als es die Wörterbuchdefinition zulässt. Zum Beispiel "realisieren": Dasbedeutete lange Zeit nur "verwirklichen". Heute hat es, wie im Englischen auch,die Bedeutung "sich einer Sache bewusst werden". Früher liessen sich nur Städteund Gebäude evakuieren, denn "evakuieren" bedeutet "leer machen". Heute kannman auch Menschen evakuieren. Ob solche Definitionserweiterungen tatsächlich positivsind, weiss ich nicht, aber sie finden nun mal statt. Sprachwandel erfolgt nachäusserst demokratischen Prinzipien - was die Mehrheit für nützlich erachtet, dassetzt sich durch, allen alten Regeln zum Trotz.
Gibt es eine grammatische Regel, mitder auch Sie Ihre Schwierigkeiten haben? (So ein Eingeständnis würde uns alleberuhigen)
Selbstverständlich, ich muss ständig imGrammatikduden nachschlagen. Meine Leser stellen mir bisweilen sehr verzwickteFragen, die ich erst nach längerer Recherche beantworten kann. Durch meine Arbeitlerne ich immer irgendetwas Neues hinzu, das macht sie für mich gerade sospannend!
Die Fragen stellte Mathias Voigt,Literaturtest.
- Autor: Bastian Sick
- 2005, 15. Aufl., 272 Seiten, Masse: 12,5 x 19 cm, Taschenbuch, Deutsch
- Verlag: Kiepenheuer & Witsch
- ISBN-10: 3462036068
- ISBN-13: 9783462036060
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