Dayhunter / Jägerin der Nacht Bd.2
Roman. Deutsche Erstausgabe
Mit ihrer Fähigkeit, das Feuer zu beherrschen, ist Mira die letzte Hoffnung für die Welt. Gemeinsam mit Vampirjäger Danaus reist sie nach Venedig, wo die Herrscher der Vampire residieren. Doch dort erwartet Mira eine schockierende Entdeckung.
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Produktdetails
Produktinformationen zu „Dayhunter / Jägerin der Nacht Bd.2 “
Mit ihrer Fähigkeit, das Feuer zu beherrschen, ist Mira die letzte Hoffnung für die Welt. Gemeinsam mit Vampirjäger Danaus reist sie nach Venedig, wo die Herrscher der Vampire residieren. Doch dort erwartet Mira eine schockierende Entdeckung.
Klappentext zu „Dayhunter / Jägerin der Nacht Bd.2 “
Mit ihrer Fähigkeit, das Feuer zu beherrschen, ist Mira die letzte Hoffnung für die Welt. Gemeinsam mit ihrem Verbündeten, dem Vampirjäger Danaus, reist sie nach Venedig, wo die Herrscher der Vampire ihren Sitz haben. Doch der Friede in der uralten Stadt ist trügerisch. Nachdem die Naturi jahrhundertelang von der Erde verbannt waren, bereiten sie sich nun erneut darauf vor, die Herrschaft zu übernehmen. Die grosse Schlacht, die schon immer Miras Schicksal war, scheint unmittelbar bevorzustehen. Da trifft sie eine weitere schockierende Enthüllung: Danaus, der Einzige, dem sie noch vertrauen kann, ist in Wahrheit nicht der, der er zu sein scheint...
Lese-Probe zu „Dayhunter / Jägerin der Nacht Bd.2 “
Jägerin der Nacht – Dayhutner von Jocelynn Drake 1 Wir mussten uns unbedingt stärken.
Tristans Hunger versengte meine Sinne und durchtoste mich
in einer heißen, wütenden Welle, bis ich gegen die unebene Backsteinmauer gepresst wurde, die die Gasse säumte. Meine Fingernägel gruben sich in die Handflächen und hinterließen blutige Halbmonde, während ich mich an die letzten Zügel klammerte, die mich und den jungen Nachtwandler noch im Zaum hielten. Langsam verebbte das überwältigende Verlangen nach Blut, während der Vampir gegen den roten Nebel ankämpfte. Die Welle zog sich zurück und fegte dabei über mein bloßes Fleisch wie ein Bündel Brennnesseln.
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Ich lehnte mich zurück, schloss die Augen und nahm einen beruhigenden Atemzug, um mich langsam wieder in den Griff zu bekommen, bereute das aber auf der Stelle. Die schmale Gasse war von abgestandener, übel riechender Luft erfüllt, durch die sich der Gestank von vergammeltem Fleisch, Schimmel und noch etwas anderem zog, bei dem ich auf ein, zwei verwesende Ratten tippte. Würgend verlor ich die Kontrolle über Tristans Geist, die nächste Hungerwelle schlug über uns beiden zusammen und zwang mich in die Knie. Auf der anderen Seite der heruntergekommenen Gasse glühten Tristans blaue Augen in einem Licht, das nichts mit dem Himmel oder göttlicher Herrlichkeit gemeinsam hatte. Seine langen Finger waren zu Klauen gekrümmt, und die Nägel hatten sich in die Mauer in seinem Rücken gegraben, so als versuchte er verzweifelt, nicht das erstbeste Lebewesen anzufallen, das ihm über den Weg lief.
Abgesehen von seinem schlanken Körper, war jetzt nur noch wenig Menschliches an ihm. Die schönen Gesichtszüge waren verzerrt und ausgemergelt; ein wilder Haufen Knochen und Muskeln, durchdrungen vom Verlangen nach Blut.Mira.
Tristans Geist streckte sich aus und berührte den meinen, aber was ich hörte, war nicht die gewohnte sanfte Stimme. Sie war tief, heiser und dunkel verführerisch, passend zum Grollen, das von den zerklüfteten Ruinen meiner Seele widerhallte. Das gleiche Monster lebte auch in mir, verlangte nach Blut und sehnte sich nach dem Gefühl, die Zähne in Fleisch zu graben. Es war das Monster, das mir befahl, in tiefen Zügen zu trinken, bis ich spürte, wie die Seele meiner Beute mir durch die Kehle rann.
Die Stimme in meinem Hirn verstummte langsam und machte dem Lärmen der Menschenwelt Platz. Mein geliebtes London, das vor Menschen und ihrem donnernden Herzschlag wimmelte. Die Nacht war so jung und frisch wie ein schüchternes Mädchen auf dem Weg zu ihrem ersten Ball. Tristan und ich waren in eine dunkle und zwielichtige Ecke dieser alten Stadt entkommen, die vor Leben übersprudelte und uns mit stetem Pulsschlag zu sich rief.
Wir mussten uns beide stärken, und zwar dringend. Der Kampf war übel ausgegangen, und am Ende waren Tristan und ich verwundet gewesen und standen nun ohne jenen Stoff da, der unsere Existenz weit über ihr natürliches Ende hinaus verlängerte. Wir brauchten Blut und wussten beide, dass ich allein ihn davon abhielt, seine Beute zu töten, wenn er endlich seine Zähne in sie bohrte. Das würde er nicht mal mit Absicht tun; wir mussten eigentlich nicht töten. Aber es gab jetzt keine moralische Richtschnur mehr, die seine Entscheidungen lenkte. Es gab nur noch die rote Welle der Blutgier und den Überlebensdrang.
Am anderen Ende des Häuserblocks schlurfte ein Mann mit ergrautem braunem Haar aus der Nacht und blieb an der Ecke stehen. Er hielt sich die Hände vors Gesicht, zündete sich eine Zigarette an und sah sich um, wobei die zerfurchten Gesichtszüge im Licht der Straßenlaterne aufschienen. Als er die Straße hinuntersah, zitterte die Hand mit der Zigarette, sodass die kleine Feuerknospe in der Dunkelheit tanzte.
Ein tiefes Grollen stieg aus Tristans Kehle, als er seine Beute fixierte. Mit einem Satz sprang ich über die schmale Gasse und schleuderte ihn gegen die Mauer. Der junge Vampir knurrte mich an, die Fänge entblößt und die blauen Augen zu schmalen Schlitzen verengt. Ich war älter und stärker, aber er brauchte Blut, und nichts würde ihn aufhalten.
„Warte“, befahl ich mit zusammengebissenen Zähnen, während ich ihm die Finger in die muskulösen Arme grub. Seine Kleidung war vom Kampf mit den Naturi früher am Abend zerrissen und blutbefleckt. Meine Gedanken gerieten ins Stocken, als sich der Geruch von Tristans Blut in meiner Nase mit dem der Naturi vermischte und Bilder heraufbeschwor, an die ich mich in diesem Moment lieber nicht erinnern wollte. Der Kampf war nur insofern ein Erfolg gewesen, als dass wir beide überlebt hatten und noch genug Energie besaßen, um auf die Jagd zu gehen. Er war insofern ein Fehlschlag gewesen, als dass mein geliebter Bodyguard Michael nun kalt und tot in der Themis-Zentrale lag.
Grunzend wendete ich meine Aufmerksamkeit dem Mann drüben an der Straßenecke zu. Es kostete mich wenig Mühe, sein von Drogen vernebeltes Hirn zu berühren und ihn mit der Illusion zu uns zu locken, dass ein potenzieller Kunde sich seine Ware anschauen wollte. Als der Mann im Schatten der engen Gasse stand, ließ ich Tristan los und zog mich leise zur gegenüberliegenden Mauer zurück.
„Bring ihn nicht um“, flüsterte ich, als der Nachtwandler vorschnellte.
Tristans Opfer hörte meine Worte und konnte noch einen halben Schritt zurückweichen, während ich spürte, wie seine plötzlich aufflackernde Furcht das Dunkel der Gasse und den Nebel von Blutgier durchstieß, aber es war zu spät. Ich trat zurück und presste mich gegen die Backsteinmauer, während der Nachtwandler die Arme wie zwei stählerne Fesseln um den Mann schlang. Ich konnte die Augen nicht abwenden und bemerkte, dass ich es Tristan gleichtat, als er auf die Knie sank.
Als ich in den Geist des Nachtwandlers schlüpfte, schlug eine Welle von Eindrücken über mir zusammen und riss mich hinab. Tristan trank in gierigen Zügen und saugte das berauschend warme Blut in seinen kalten Körper. Ich konnte das krampfhafte Arbeiten seiner Halsmuskulatur förmlich hören, als sie die zähe Flüssigkeit hinunter in den Magen beförderte. Um sich das Festmahl noch etwas zu versüßen, ließ er den Mann bei Bewusstsein. Das Herz des Drogendealers hämmerte wie ein einsamer Kolben in seiner Brust, der rasend arbeitete, ihn aber keinen Zentimeter voranbrachte. Seine Angst erfüllte die schmale Gasse, übertönte den Gestank nach verfaultem Fleisch und Schimmel und entlockte meinen geöffneten Lippen ein leichtes Stöhnen. Ich kniete auf dem Boden, ballte die Hände zu Fäusten und lauschte, wie der Herzschlag des Mannes sich verlangsamte. Er war ohnmächtig geworden.
„Lass ihn los“, sagte ich heiser. Tristan zögerte, tat dann aber wie ihm geheißen. Er lehnte den Mann gegen die Wand, drehte sich um und sah mich an, während er auf den Zehenspitzen wippte. Seine blauen Augen glitzerten und tanzten wie seltene Edelsteine in der Dunkelheit.
Zum ersten Mal, seit ich ihn kannte, schien Tristan wirklich lebendig zu sein. Im Nachtclub mit Thorne war er auf der Flucht gewesen und hatte sich vor Sadira versteckt, sodass sein Charakter durch die ständige Angst vor der Entdeckung nicht richtig zum Vorschein gekommen war. Aber jetzt pulsierte irgendetwas in seinem Inneren vor neuem Leben. Endlich. Es war mein Versprechen, dass ich ihm helfen würde, sich von unserer Schöpferin zu befreien. Ein Versprechen, das ich, wie er wusste, so gut ich konnte, halten würde.
Das Schlurfen und Schaben von Schritten drang in unseren dunklen, blutigen Winkel der Welt. Wir erstarrten beide und warteten ab, wer sich uns da näherte. Von dem Moment an, als Tristan die Zähne in seiner Mahlzeit vergraben hatte, hatte ich unsere Gegenwart verschleiert, wie ich es mittlerweile eher reflexartig als aus bewusster Überlegung heraus tat. Der Schleier schützte uns vor den Blicken all jener, die keine Magie benutzten. Mit anderen Worten, vor allen gewöhnlichen, normalen Menschen.
Beim gleichmäßigen Klang der Schritte hatte der junge Nachtwandler seinen eigenen schützenden Schleier um sich geworfen, der sich sofort mit meinem verwob. Er fühlte sich jetzt kräftiger, und seine Gedanken waren klar und präzise. Ich konnte die Nervosität spüren, die an den ausgefransten Rändern seines Verstandes nagte, aber er blieb vollkommen ruhig, und ich war mir sicher, dass er meinem Kommando folgen würde.
Ein Mann mit kurzem braunem Haar ging rasch an der Gasse vorbei. Sein Schritt war zügig und selbstsicher. Er drehte den Kopf zur Gasse und ließ den Blick kurz durch den engen Schacht wandern. Tristan und ich blieben regungslos stehen und warteten. Einen Augenblick lang fühlte ich mich, als sei ich Jägerin und Gejagte zugleich. Doch der Schritt des Mannes stockte nicht, sein Blick glitt wieder zurück zur Straße vor ihm. Er hatte uns nicht gesehen.
Aber die Hexe und der Werwolf sahen uns. Zwei Schritte hinter dem Mann mit dem kantigen Gesicht gingen eine Hexe in abgewetzten Jeans und ein Lykanthrop in Kakihosen. Ihr unbeschwerter Schritt kam abrupt zum Stehen, das schulterlange braune Haar schwang nach vorn und legte sich um ihr schmales Gesicht. Der Lykaner blieb neben ihr stehen und runzelte die Stirn, sodass sich tiefe Falten in seine harten Gesichtszüge gruben.
„Scheiße!“, stieß sie flüsternd hervor, als sie uns anstarrte.
Tristan und ich rührten uns nicht von der Stelle und warteten darauf, dass die Eindringlinge den ersten Schritt machten. Tristans Abendessen war immer noch bewusstlos und zum größten Teil hinter dem jungen Nachtwandler verborgen. Allerdings waren wir beide blutüberströmt, und unsere Klamotten waren vom Kampf früher am Abend zerfetzt. Nicht gerade einer unserer attraktivsten Momente. Doch unter den anderen Rassen galt die Prämisse, dass man sich in erster Linie um seine eigenen Angelegenheiten kümmerte. Also warteten wir erst mal ab. Falls die Hexe und der Lykaner weitergingen, würden wir einfach alle so tun, als hätten wir einander nicht gesehen.
Aber so viel Glück hatten wir nicht. Der Mensch wirbelte beim Aufschrei der Hexe auf dem Absatz herum und zog eine Pistole hinter dem Rücken hervor. Sie war unter dem weiten Hemd mit dem grellen Drachenaufdruck versteckt gewesen. Augen und Waffe wanderten erneut durch die Gasse, aber er sah uns immer noch nicht.
Die Hexe streckte die Hand nach ihm aus und legte ihm die Rechte auf die breite Schulter. „Specto“, flüsterte sie, und ich spürte, wie eine kleine Kraftwelle durch die Luft strömte. Der Zauberspruch hätte von praktisch jedem Novizen mit Grundkenntnissen in Latein gesprochen werden können, aber er tat seine Wirkung. Der Mann blinzelte einmal und erblasste schlagartig, während er die Pistole fester packte. Jetzt sah er uns.
„Geht weiter“, sagte ich leise. Ich konnte keinen Kampf riskieren. Der Hunger war beinahe übermächtig, und wenn ich zum Kampf gezwungen würde, war die Wahrscheinlichkeit ziemlich hoch, dass es Tote geben würde. Das Monster in mir brüllte und hämmerte gegen meine Brust wie ein rasender Herzschlag, während es nach Blut verlangte.
Tristan wandte den Kopf und sah zu mir herüber. Er wartete auf meine Anweisungen. Leider war unser neuer Freund schießwütig. Er riss die Waffe herum, sodass sie auf den jungen Nachtwandler gerichtet war, und drückte den Abzug. Beim leisen Klicken des Schlagbolzens waren Tristan und ich schon in Bewegung. Zwar ging der junge Vampir zu Boden, aber die Kugel fetzte nur über seinen rechten Oberarm.
Ich stürmte durch die Gasse und packte die Hand des Mannes, als dieser herumfuhr und die Waffe auf mich richtete. Dumme Menschen. Selbst wenn er mich ins Herz getroffen hätte, hätte er mich damit nicht töten können. Man konnte einen Nachtwandler nicht mit einer Pistole umbringen. Ein Gewehr konnte zum Problem werden, aber dann musste der Schütze schon richtig Glück haben. Mit gebleckten Zähnen hämmerte ich ihm die Hand gegen die nahe Backsteinmauer und brach dabei ein paar Knochen. Der Mann schrie, als ihm die Pistole aus den erschlafften Fingern fiel und zu Boden klapperte. Ich hielt weiter seine Hand fest und schleuderte ihn wie einen Müllsack über die Schulter in die Gasse hinein. Er krachte gegen die Mauer und sackte ohnmächtig zu Boden.
„Pass auf ihn auf“, knurrte ich Tristan zu, als ich meine Aufmerksamkeit der Hexe und dem Lykaner zuwandte.
Die Gelegenheit für eine Auszeit und ein vernünftiges Gespräch war vorbei. Und ehrlich gesagt war ich auch nicht länger in der Stimmung für höfliche Konversation. Mit einem hässlichen Knurren stürzte sich der Werwolf auf mich. Seine Augen glühten kupferrot. Er warf mich gegen die Backsteinmauer und klemmte dabei meine Arme zwischen uns ein, während die seinen frei blieben. Seine rechte Faust krachte in meine linke Seite und brach dabei mindestens zwei Rippen. Die schmerzhafte Schockwelle zerriss den Nebel aus Blutdurst und Erschöpfung. Seine linke Faust folgte und hämmerte mir in die rechte Seite, wo sie Organe quetschte, die noch von meinem früheren Kampf mit den Naturi in Mitleidenschaft gezogen waren.
Vor Schmerz aufstöhnend schleuderte ich den Kopf nach vorne. Meine Stirn krachte gegen seine Nase und brach sie. Er taumelte einen Schritt zurück; ich riss das Knie hoch und rammte es ihm zwischen die Beine. Der Lykanthrop heulte vor Schmerz auf und stolperte davon. Seine Hände fuhren von der gebrochenen Nase zum Schoß und klammerten sich dort fest, als könnte das den Schmerz lindern. Die Luft war sofort vom Geruch seines Blutes erfüllt.
Jeder Gedanke an Zurückhaltung löste sich in Luft auf. Ich war über ihm, bevor er auch nur Atem holen konnte. Meine Fänge gruben sich in seinen Hals und zerfetzten das Fleisch. Blut strömte in mich, und wohlige Erleichterung durchflutete meinen gesamten Körper. Es war dickflüssig und warm und enthielt die ganze Stärke des Lykanthropen. Er kämpfte gegen mich an, stieß, schlug, trat und kratzte voller Verzweiflung, aber ich ließ mich nicht abschütteln. Mit jedem Schluck wurde er schwächer und ich stärker, während ich ihm langsam das Leben aussaugte.
„Mira!“, rief Tristan, sodass ich endlich den Kopf hob. Der Lykanthrop fiel zu meinen Füßen in Ohnmacht. Tristan stürzte vor und stellte sich zwischen mich und die Hexe, in dem Versuch, mich zu beschützen, aber sie musste wohl glauben, dass er es auf sie abgesehen hatte.
„Nein“, schrie sie, das schmale Gesicht gespenstisch weiß.
Während meines kurzen Gerangels mit ihrem Kumpan hatte sie sich nicht von der Stelle gerührt. Wahrscheinlich hatte sie nicht einmal Luft geholt. Ihre weit aufgerissenen braunen Augen flogen zwischen mir und Tristan hin und her.
Sie hob die rechte Hand und begann im Flüsterton eine Beschwörungsformel zu murmeln. Ich konnte gerade noch einen Schritt in ihre Richtung tun, um mich vor Tristan zu schieben, als ihre Rechte auch schon in eine Kugel aus gelb-orangenen Flammen gehüllt war. Ich hielt inne, während ein winziges Lächeln um meine Lippen spielte. Sie war clever. Normalerweise hätte der Anblick von Feuer in den Händen einer Hexe ausgereicht, um jeden Nachtwandler in die Flucht zu schlagen. Aber ich war eben keine gewöhnliche Nachtwandlerin. Ich war die Feuermacherin. Schon als Mensch war die Herrschaft über das Feuer meine Gabe und zugleich mein Fluch gewesen. Arme Hexe.
Keuchend schleuderte sie den Feuerball auf Tristan. Als ich die Rechte ausstreckte, beschrieb das Feuer einen Bogen auf mich zu und ließ sich auf meiner geöffneten Handfläche nieder. Mit einem breiten Grinsen schloss ich die Finger und erstickte die Flamme, sodass die enge Gasse erneut in Dunkelheit versank.
© 2010 LYX verlegt durch EGMONT Verlagsgesellschaften mbH
Abgesehen von seinem schlanken Körper, war jetzt nur noch wenig Menschliches an ihm. Die schönen Gesichtszüge waren verzerrt und ausgemergelt; ein wilder Haufen Knochen und Muskeln, durchdrungen vom Verlangen nach Blut.Mira.
Tristans Geist streckte sich aus und berührte den meinen, aber was ich hörte, war nicht die gewohnte sanfte Stimme. Sie war tief, heiser und dunkel verführerisch, passend zum Grollen, das von den zerklüfteten Ruinen meiner Seele widerhallte. Das gleiche Monster lebte auch in mir, verlangte nach Blut und sehnte sich nach dem Gefühl, die Zähne in Fleisch zu graben. Es war das Monster, das mir befahl, in tiefen Zügen zu trinken, bis ich spürte, wie die Seele meiner Beute mir durch die Kehle rann.
Die Stimme in meinem Hirn verstummte langsam und machte dem Lärmen der Menschenwelt Platz. Mein geliebtes London, das vor Menschen und ihrem donnernden Herzschlag wimmelte. Die Nacht war so jung und frisch wie ein schüchternes Mädchen auf dem Weg zu ihrem ersten Ball. Tristan und ich waren in eine dunkle und zwielichtige Ecke dieser alten Stadt entkommen, die vor Leben übersprudelte und uns mit stetem Pulsschlag zu sich rief.
Wir mussten uns beide stärken, und zwar dringend. Der Kampf war übel ausgegangen, und am Ende waren Tristan und ich verwundet gewesen und standen nun ohne jenen Stoff da, der unsere Existenz weit über ihr natürliches Ende hinaus verlängerte. Wir brauchten Blut und wussten beide, dass ich allein ihn davon abhielt, seine Beute zu töten, wenn er endlich seine Zähne in sie bohrte. Das würde er nicht mal mit Absicht tun; wir mussten eigentlich nicht töten. Aber es gab jetzt keine moralische Richtschnur mehr, die seine Entscheidungen lenkte. Es gab nur noch die rote Welle der Blutgier und den Überlebensdrang.
Am anderen Ende des Häuserblocks schlurfte ein Mann mit ergrautem braunem Haar aus der Nacht und blieb an der Ecke stehen. Er hielt sich die Hände vors Gesicht, zündete sich eine Zigarette an und sah sich um, wobei die zerfurchten Gesichtszüge im Licht der Straßenlaterne aufschienen. Als er die Straße hinuntersah, zitterte die Hand mit der Zigarette, sodass die kleine Feuerknospe in der Dunkelheit tanzte.
Ein tiefes Grollen stieg aus Tristans Kehle, als er seine Beute fixierte. Mit einem Satz sprang ich über die schmale Gasse und schleuderte ihn gegen die Mauer. Der junge Vampir knurrte mich an, die Fänge entblößt und die blauen Augen zu schmalen Schlitzen verengt. Ich war älter und stärker, aber er brauchte Blut, und nichts würde ihn aufhalten.
„Warte“, befahl ich mit zusammengebissenen Zähnen, während ich ihm die Finger in die muskulösen Arme grub. Seine Kleidung war vom Kampf mit den Naturi früher am Abend zerrissen und blutbefleckt. Meine Gedanken gerieten ins Stocken, als sich der Geruch von Tristans Blut in meiner Nase mit dem der Naturi vermischte und Bilder heraufbeschwor, an die ich mich in diesem Moment lieber nicht erinnern wollte. Der Kampf war nur insofern ein Erfolg gewesen, als dass wir beide überlebt hatten und noch genug Energie besaßen, um auf die Jagd zu gehen. Er war insofern ein Fehlschlag gewesen, als dass mein geliebter Bodyguard Michael nun kalt und tot in der Themis-Zentrale lag.
Grunzend wendete ich meine Aufmerksamkeit dem Mann drüben an der Straßenecke zu. Es kostete mich wenig Mühe, sein von Drogen vernebeltes Hirn zu berühren und ihn mit der Illusion zu uns zu locken, dass ein potenzieller Kunde sich seine Ware anschauen wollte. Als der Mann im Schatten der engen Gasse stand, ließ ich Tristan los und zog mich leise zur gegenüberliegenden Mauer zurück.
„Bring ihn nicht um“, flüsterte ich, als der Nachtwandler vorschnellte.
Tristans Opfer hörte meine Worte und konnte noch einen halben Schritt zurückweichen, während ich spürte, wie seine plötzlich aufflackernde Furcht das Dunkel der Gasse und den Nebel von Blutgier durchstieß, aber es war zu spät. Ich trat zurück und presste mich gegen die Backsteinmauer, während der Nachtwandler die Arme wie zwei stählerne Fesseln um den Mann schlang. Ich konnte die Augen nicht abwenden und bemerkte, dass ich es Tristan gleichtat, als er auf die Knie sank.
Als ich in den Geist des Nachtwandlers schlüpfte, schlug eine Welle von Eindrücken über mir zusammen und riss mich hinab. Tristan trank in gierigen Zügen und saugte das berauschend warme Blut in seinen kalten Körper. Ich konnte das krampfhafte Arbeiten seiner Halsmuskulatur förmlich hören, als sie die zähe Flüssigkeit hinunter in den Magen beförderte. Um sich das Festmahl noch etwas zu versüßen, ließ er den Mann bei Bewusstsein. Das Herz des Drogendealers hämmerte wie ein einsamer Kolben in seiner Brust, der rasend arbeitete, ihn aber keinen Zentimeter voranbrachte. Seine Angst erfüllte die schmale Gasse, übertönte den Gestank nach verfaultem Fleisch und Schimmel und entlockte meinen geöffneten Lippen ein leichtes Stöhnen. Ich kniete auf dem Boden, ballte die Hände zu Fäusten und lauschte, wie der Herzschlag des Mannes sich verlangsamte. Er war ohnmächtig geworden.
„Lass ihn los“, sagte ich heiser. Tristan zögerte, tat dann aber wie ihm geheißen. Er lehnte den Mann gegen die Wand, drehte sich um und sah mich an, während er auf den Zehenspitzen wippte. Seine blauen Augen glitzerten und tanzten wie seltene Edelsteine in der Dunkelheit.
Zum ersten Mal, seit ich ihn kannte, schien Tristan wirklich lebendig zu sein. Im Nachtclub mit Thorne war er auf der Flucht gewesen und hatte sich vor Sadira versteckt, sodass sein Charakter durch die ständige Angst vor der Entdeckung nicht richtig zum Vorschein gekommen war. Aber jetzt pulsierte irgendetwas in seinem Inneren vor neuem Leben. Endlich. Es war mein Versprechen, dass ich ihm helfen würde, sich von unserer Schöpferin zu befreien. Ein Versprechen, das ich, wie er wusste, so gut ich konnte, halten würde.
Das Schlurfen und Schaben von Schritten drang in unseren dunklen, blutigen Winkel der Welt. Wir erstarrten beide und warteten ab, wer sich uns da näherte. Von dem Moment an, als Tristan die Zähne in seiner Mahlzeit vergraben hatte, hatte ich unsere Gegenwart verschleiert, wie ich es mittlerweile eher reflexartig als aus bewusster Überlegung heraus tat. Der Schleier schützte uns vor den Blicken all jener, die keine Magie benutzten. Mit anderen Worten, vor allen gewöhnlichen, normalen Menschen.
Beim gleichmäßigen Klang der Schritte hatte der junge Nachtwandler seinen eigenen schützenden Schleier um sich geworfen, der sich sofort mit meinem verwob. Er fühlte sich jetzt kräftiger, und seine Gedanken waren klar und präzise. Ich konnte die Nervosität spüren, die an den ausgefransten Rändern seines Verstandes nagte, aber er blieb vollkommen ruhig, und ich war mir sicher, dass er meinem Kommando folgen würde.
Ein Mann mit kurzem braunem Haar ging rasch an der Gasse vorbei. Sein Schritt war zügig und selbstsicher. Er drehte den Kopf zur Gasse und ließ den Blick kurz durch den engen Schacht wandern. Tristan und ich blieben regungslos stehen und warteten. Einen Augenblick lang fühlte ich mich, als sei ich Jägerin und Gejagte zugleich. Doch der Schritt des Mannes stockte nicht, sein Blick glitt wieder zurück zur Straße vor ihm. Er hatte uns nicht gesehen.
Aber die Hexe und der Werwolf sahen uns. Zwei Schritte hinter dem Mann mit dem kantigen Gesicht gingen eine Hexe in abgewetzten Jeans und ein Lykanthrop in Kakihosen. Ihr unbeschwerter Schritt kam abrupt zum Stehen, das schulterlange braune Haar schwang nach vorn und legte sich um ihr schmales Gesicht. Der Lykaner blieb neben ihr stehen und runzelte die Stirn, sodass sich tiefe Falten in seine harten Gesichtszüge gruben.
„Scheiße!“, stieß sie flüsternd hervor, als sie uns anstarrte.
Tristan und ich rührten uns nicht von der Stelle und warteten darauf, dass die Eindringlinge den ersten Schritt machten. Tristans Abendessen war immer noch bewusstlos und zum größten Teil hinter dem jungen Nachtwandler verborgen. Allerdings waren wir beide blutüberströmt, und unsere Klamotten waren vom Kampf früher am Abend zerfetzt. Nicht gerade einer unserer attraktivsten Momente. Doch unter den anderen Rassen galt die Prämisse, dass man sich in erster Linie um seine eigenen Angelegenheiten kümmerte. Also warteten wir erst mal ab. Falls die Hexe und der Lykaner weitergingen, würden wir einfach alle so tun, als hätten wir einander nicht gesehen.
Aber so viel Glück hatten wir nicht. Der Mensch wirbelte beim Aufschrei der Hexe auf dem Absatz herum und zog eine Pistole hinter dem Rücken hervor. Sie war unter dem weiten Hemd mit dem grellen Drachenaufdruck versteckt gewesen. Augen und Waffe wanderten erneut durch die Gasse, aber er sah uns immer noch nicht.
Die Hexe streckte die Hand nach ihm aus und legte ihm die Rechte auf die breite Schulter. „Specto“, flüsterte sie, und ich spürte, wie eine kleine Kraftwelle durch die Luft strömte. Der Zauberspruch hätte von praktisch jedem Novizen mit Grundkenntnissen in Latein gesprochen werden können, aber er tat seine Wirkung. Der Mann blinzelte einmal und erblasste schlagartig, während er die Pistole fester packte. Jetzt sah er uns.
„Geht weiter“, sagte ich leise. Ich konnte keinen Kampf riskieren. Der Hunger war beinahe übermächtig, und wenn ich zum Kampf gezwungen würde, war die Wahrscheinlichkeit ziemlich hoch, dass es Tote geben würde. Das Monster in mir brüllte und hämmerte gegen meine Brust wie ein rasender Herzschlag, während es nach Blut verlangte.
Tristan wandte den Kopf und sah zu mir herüber. Er wartete auf meine Anweisungen. Leider war unser neuer Freund schießwütig. Er riss die Waffe herum, sodass sie auf den jungen Nachtwandler gerichtet war, und drückte den Abzug. Beim leisen Klicken des Schlagbolzens waren Tristan und ich schon in Bewegung. Zwar ging der junge Vampir zu Boden, aber die Kugel fetzte nur über seinen rechten Oberarm.
Ich stürmte durch die Gasse und packte die Hand des Mannes, als dieser herumfuhr und die Waffe auf mich richtete. Dumme Menschen. Selbst wenn er mich ins Herz getroffen hätte, hätte er mich damit nicht töten können. Man konnte einen Nachtwandler nicht mit einer Pistole umbringen. Ein Gewehr konnte zum Problem werden, aber dann musste der Schütze schon richtig Glück haben. Mit gebleckten Zähnen hämmerte ich ihm die Hand gegen die nahe Backsteinmauer und brach dabei ein paar Knochen. Der Mann schrie, als ihm die Pistole aus den erschlafften Fingern fiel und zu Boden klapperte. Ich hielt weiter seine Hand fest und schleuderte ihn wie einen Müllsack über die Schulter in die Gasse hinein. Er krachte gegen die Mauer und sackte ohnmächtig zu Boden.
„Pass auf ihn auf“, knurrte ich Tristan zu, als ich meine Aufmerksamkeit der Hexe und dem Lykaner zuwandte.
Die Gelegenheit für eine Auszeit und ein vernünftiges Gespräch war vorbei. Und ehrlich gesagt war ich auch nicht länger in der Stimmung für höfliche Konversation. Mit einem hässlichen Knurren stürzte sich der Werwolf auf mich. Seine Augen glühten kupferrot. Er warf mich gegen die Backsteinmauer und klemmte dabei meine Arme zwischen uns ein, während die seinen frei blieben. Seine rechte Faust krachte in meine linke Seite und brach dabei mindestens zwei Rippen. Die schmerzhafte Schockwelle zerriss den Nebel aus Blutdurst und Erschöpfung. Seine linke Faust folgte und hämmerte mir in die rechte Seite, wo sie Organe quetschte, die noch von meinem früheren Kampf mit den Naturi in Mitleidenschaft gezogen waren.
Vor Schmerz aufstöhnend schleuderte ich den Kopf nach vorne. Meine Stirn krachte gegen seine Nase und brach sie. Er taumelte einen Schritt zurück; ich riss das Knie hoch und rammte es ihm zwischen die Beine. Der Lykanthrop heulte vor Schmerz auf und stolperte davon. Seine Hände fuhren von der gebrochenen Nase zum Schoß und klammerten sich dort fest, als könnte das den Schmerz lindern. Die Luft war sofort vom Geruch seines Blutes erfüllt.
Jeder Gedanke an Zurückhaltung löste sich in Luft auf. Ich war über ihm, bevor er auch nur Atem holen konnte. Meine Fänge gruben sich in seinen Hals und zerfetzten das Fleisch. Blut strömte in mich, und wohlige Erleichterung durchflutete meinen gesamten Körper. Es war dickflüssig und warm und enthielt die ganze Stärke des Lykanthropen. Er kämpfte gegen mich an, stieß, schlug, trat und kratzte voller Verzweiflung, aber ich ließ mich nicht abschütteln. Mit jedem Schluck wurde er schwächer und ich stärker, während ich ihm langsam das Leben aussaugte.
„Mira!“, rief Tristan, sodass ich endlich den Kopf hob. Der Lykanthrop fiel zu meinen Füßen in Ohnmacht. Tristan stürzte vor und stellte sich zwischen mich und die Hexe, in dem Versuch, mich zu beschützen, aber sie musste wohl glauben, dass er es auf sie abgesehen hatte.
„Nein“, schrie sie, das schmale Gesicht gespenstisch weiß.
Während meines kurzen Gerangels mit ihrem Kumpan hatte sie sich nicht von der Stelle gerührt. Wahrscheinlich hatte sie nicht einmal Luft geholt. Ihre weit aufgerissenen braunen Augen flogen zwischen mir und Tristan hin und her.
Sie hob die rechte Hand und begann im Flüsterton eine Beschwörungsformel zu murmeln. Ich konnte gerade noch einen Schritt in ihre Richtung tun, um mich vor Tristan zu schieben, als ihre Rechte auch schon in eine Kugel aus gelb-orangenen Flammen gehüllt war. Ich hielt inne, während ein winziges Lächeln um meine Lippen spielte. Sie war clever. Normalerweise hätte der Anblick von Feuer in den Händen einer Hexe ausgereicht, um jeden Nachtwandler in die Flucht zu schlagen. Aber ich war eben keine gewöhnliche Nachtwandlerin. Ich war die Feuermacherin. Schon als Mensch war die Herrschaft über das Feuer meine Gabe und zugleich mein Fluch gewesen. Arme Hexe.
Keuchend schleuderte sie den Feuerball auf Tristan. Als ich die Rechte ausstreckte, beschrieb das Feuer einen Bogen auf mich zu und ließ sich auf meiner geöffneten Handfläche nieder. Mit einem breiten Grinsen schloss ich die Finger und erstickte die Flamme, sodass die enge Gasse erneut in Dunkelheit versank.
© 2010 LYX verlegt durch EGMONT Verlagsgesellschaften mbH
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Autoren-Porträt von Jocelynn Drake
Jocelynn Drake ist in Cincinnati aufgewachsen, wo sie noch heute mit ihrer Familie lebt. Bereits in ihrer Kindheit begann sie zu schreiben. Zu ihren Einflüssen zählt sie Raymond Feist, die Batman-Comics der 90er Jahre, Oscar Wilde und Ernest Hemingway. Webseite der Autorin unter: www.jocelynndrake.com
Bibliographische Angaben
- Autor: Jocelynn Drake
- 2010, 443 Seiten, Masse: 12,5 x 18 cm, Taschenbuch, Deutsch
- Übersetzer: Jasper Nicolaisen
- Verlag: LYX
- ISBN-10: 3802582632
- ISBN-13: 9783802582639
- Erscheinungsdatum: 05.05.2010
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