Das Erbe der Pilgerin
Historischer Roman. Originalausgabe
Mainz 1212. Bei der Krönung Friedrichs II. begegnen sich der junge Ritter Dietmar von Ornemünde und die schöne Sophia. Dietmar und Sophia verlieben sich auf den ersten Blick, doch eine Ehe ist undenkbar. Denn Sophias Vater hat sich...
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Produktinformationen zu „Das Erbe der Pilgerin “
Mainz 1212. Bei der Krönung Friedrichs II. begegnen sich der junge Ritter Dietmar von Ornemünde und die schöne Sophia. Dietmar und Sophia verlieben sich auf den ersten Blick, doch eine Ehe ist undenkbar. Denn Sophias Vater hat sich unrechtmäßig die Besitzungen von Dietmars Familie angeeignet und gar versucht, dessen Eltern zu töten. Als Dietmar das Wagnis eingeht, sein Erbe zurückzufordern, hat dies entsetzliche Folgen.
Als Sarah Lark entführt sie die Leser in die Ferne nach Neuseeland und in die Karibik. Als Ricarda Jordan zeigt sie uns das farbenprächtige Mittelalter.
Als Sarah Lark entführt sie die Leser in die Ferne nach Neuseeland und in die Karibik. Als Ricarda Jordan zeigt sie uns das farbenprächtige Mittelalter.
Klappentext zu „Das Erbe der Pilgerin “
Mainz 1212. Bei der Krönung Friedrichs II. begegnen sich der junge Ritter Dietmar von Ornemünde und die schöne Sophia. Dietmar und Sophia verlieben sich auf den ersten Blick, doch eine Ehe ist undenkbar. Denn Sophias Vater hat sich unrechtmässig die Besitzungen von Dietmars Familie angeeignet und gar versucht, dessen Eltern zu töten. Als Dietmar das Wagnis eingeht, sein Erbe zurückzufordern, hat dies entsetzliche Folgen ...Bestsellerautorin Sarah Lark schreibt als Ricarda Jordan.
Lese-Probe zu „Das Erbe der Pilgerin “
Das Erbe der Pilgerin von Ricarda JordanDas Urteil des Königs
Paris - Al Andalus Frühling 1203
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Kapitel 1
Er wird uns schon nicht gleich aufhängen.«
Gerlin de Loches' Worte sollten ihren Gatten aufheitern, aber sie klangen eher so, als wolle sie sich selbst Mut zusprechen. Flor´is Miene, die schonwährend der ganzen Reise von ihrer Burg in Loches nach Paris eine Stimmung zwischen Trauer und Besorgnis ausdrückte, wandelte sich denn auch nur zu einem schwachen Grinsen.
»Da bin ich zuversichtlich«, gab der Ritter schließlich bemüht scherzhaft zurück. »Wir sind von hohem Adel. Wir haben ein Anrecht auf einen Tod durch das Schwert.«
Gerlin versuchte zu lachen. »Ach, Flor´is, Richards anderen Lehnsleuten hat er auch nichts getan. Im Gegenteil. Bisher wurden alle Treueschwüre huldvoll angenommen. Philipp ist doch froh, dass ihm das Land jetzt ganz ohne Krieg zufällt. Er kriegt genau das, was er wollte. Also warum sollte er dich nicht einfach in deiner Stellung bestätigen und . . .«
»Mir fielen da eine ganze Menge Gründe ein«, bemerkte Flor´is und überprüfte wohl zum zehnten Mal den Sitz seines juwelengeschmückten Gürtels über seiner feinen, wollenen Tunika. Er trug sein Schwert, war aber sonst nicht gerüstet. An diesem Tag war er schließlich eher ein Bittsteller denn ein stolzer Ritter und Herr über die Burg von Loches. »Du erinnerst dich nicht an die Schlacht von Fr´eteval? Und die Sache mit dem Kind?«
»Das ist so lange her . . .«, meinte Gerlin und musterte die Ausstattung ihres Sohnes.
Der fast zehnjährige Dietmar stand hinter ihnen, ähnlich gewandet wie sein Ziehvater Flor´is. Gerlin hatte seine Kleider aus dem gleichen edlen Wollstoff geschneidert wie die ihres Gatten, das dunkle Blau passte zu ihrer beider blondem Haar und ihren blauen Augen. Gerlin selbst hatte sich für ein möglichst unauffälliges Kleid entschieden, ein schlichtes, nicht zu weit ausgeschnittenes Gewand in Goldbraun. Ihr prächtiges kastanien farbenes Haar verbarg sie unter einem strengen Gebende.
»Der König wird sich gar nicht mehr an uns erinnern«, behauptete sie.
Floris sah sie zweifelnd an. Er konnte sich nicht vorstellen, dass irgendjemand seine Gattin vergessen konnte, der je in ihre strahlenden aquamarinblauen Augen geblickt hatte. Und König Philipp August von Frankreich hatte sie sicher eindringlich gemustert.
»Seigneur et Madame de Loches? Seine Majestät wird Euch gleich empfangen!«
Bevor Floris noch etwas erwidern konnte, öffnete sich die Tür zu den Empfangsräumen des Königs, und ein Diener ließ Justin de Frenes, einen alten Freund und Waffengefährten Flor´is', in den Saal, in dem Gerlin und ihre Familie warteten. Justin wirkte deutlich erleichtert. Zumindest ihn gedachte der König wohl nicht zu hängen.
»Wie ist die Stimmung?«, erkundigte Flor´is sich dennoch besorgt.
Gerlin unterzog ihren Aufzug und den ihres Sohnes noch einmal einer Kontrolle. Nervös tastete sie nach ihrem Hals, an dem an diesem Tag eine schlichte Kette das Medaillon ersetzte, das sie gewöhnlich trug. Eigentlich fühlte sie sich nackt ohne das Schmuckstück, ein Geschenk der Königin Eleonore zu ihrer ersten Hochzeit. Aber zur Audienz mit dem französischen König hatte sie es lieber abgenommen. Sie musste ihm schließlich nicht auch noch Anlass geben, sich an sie zu erinnern . . .
»Nun, seine Majestät ist bester Laune...«, meinte Justin bitter, ». . . und äußerst huldvoll gestimmt. Er hat mich kaum auf König Richard angesprochen. Ebenso wenig auf die Umstände, unter denen ich mein Lehen erworben habe ...«
Justin war ebenfalls Herr über eine Burg bei Vendome und hatte sein Lehen kurz nach Flor´is und Gerlin angetreten. Beide Burgen lagen in den Besitzungen der englischen Könige auf dem französischen Festland. Das Land war einst als Mitgift der Königin Eleonore unter die Herrschaft der Plantagenets geraten, und König Richard Löwenherz hatte es gehalten und gegen jeden Eroberungsversuch der französischen Krone verteidigt. Floris und Justin hatten in König Richards Armee gekämpft und sich dabei ausgezeichnet. Ihr Lohn war ein Lehen in den umstrittenen Gebieten - das sie jetzt seit neun Jahren hielten. Nach einer zwar nicht vernichtenden, aber äußerst peinlichen Niederlage gegen die Plantagenets im Jahre 1194 hatte der französische König keine weiteren Versuche gestartet, seinem Kernland das Vendomois und die anderen Länder einzuverleiben.
Und nun, dachte Floris bitter, überreichen wir sie ihm auf dem Präsentierteller.
»Der Ritter de Trillon . . .«
Der Diener erschien erneut, dieses Mal, um Floris und seine Familie zum König zu rufen - unter Flor´is' Geburtsnamen, ein schlechtes Zeichen. Philipp August erinnerte sich durch aus an die Herkunft der Burgherren von Loches.
»Na, dann viel Glück!«, wünschte Justin, ein noch junger, gut aussehender Ritter in dunkelroter Tunika.
Flor´is und Gerlin nickten ihm einen Gruß zu. Ganz sicher würde er nicht warten, um herauszufinden, wie es für seine Freunde ausging. Er schien eindeutig hocherfreut, den Louvre verlassen zu können - und immer noch Herr über seine Burg zu sein. Wie es aussah, hatte der König seinen Treueid huldvoll angenommen.
Flor´is und Gerlin sowie der eingeschüchterte Dietmar folgten dem Diener in die Empfangsräume des Königs. Sie waren neu und kostbar möbliert wie alles in Philipps neuem Palast, der dem Wehrbau etwas außerhalb der Stadt Paris angeschlossen war. Philipp August hatte den Louvre bauen lassen, da die alten Wehrbauten auf der le de ˆIla Cit´e für die wachsende Hauptstadt seines Reiches nicht mehr ausreichten. Gerlin und Flor´is hatten das Bauwerk gebührend bewundert. Neun Jahre zuvor, als es sie erstmals her verschlagen hatte, war die Burg noch im Bau gewesen.
Natürlich umgaben den Monarchen im Audienzraum etliche Berater und Höflinge, Ritter, Knappen und Diener. Gerlin und ihre Familie durchschritten ein Spalier kostbar gekleideter Herren und weniger Damen - aber es kam ihnen eher vor wie ein Spießrutenlauf. Schließlich knieten sie nieder vor dem Thron des französischen Königs. Philipp August schien zunächst kaum an ihnen interessiert zu sein. Scheinbar angeregt plauderte er mit der Dame neben ihm. War es die Königin oder eine Mätresse? Gerlin interessierte es im Grunde wenig. Sie hätte nur gern seine Aufmerksamkeit gehabt . . . oder vielleicht doch nicht zu viel davon. Ergeben senkte sie den Blick, als der König seine Besucher schließlich bat, sich zu erheben.
Flor´is dagegen zwang sich, seinem künftigen Herrn in die Augen zu sehen. Im Gegensatz zu Gerlin war er ihm noch nie begegnet, aber er hätte ihn sicher erkannt: Philipp August war ein hochgewachsener, gut aussehender Mann mit hellbraunem langem Haar, auf dem jetzt ein goldener Reif als Zeichen seiner Königswürde prangte. Seine Augen waren blau, vielleicht etwas stechend und etwas zu eng zusammenstehend. Sie musterten den Ritter nun prüfend. Und den Jungen, der neben ihm kniete - und Gerlin, seine Frau.
»Ich wundere mich, Euch hier zu sehen, Seigneur de Trillon - oder de Loches«, sprach der König Flor´is jetzt an. »Und Euch, Frau Gerlindis - ehemals von Lauenstein, wenn ich mich richtig erinnere. Solltet Ihr nicht eher nach England reisen, um den Plantagenets einen unverhofften Erben zu präsentieren? «
Gerlin errötete zutiefst.
»Majestät«, ergriff sie das Wort, noch bevor Floris antworten konnte. »Ich muss mich entschuldigen ...«
Der König grinste. »Das müsst Ihr fürwahr. Aber rekapitulieren wir doch einmal. Ihr seid zweifelsfrei die Dame, die vor Jahren an meinem Hof erschien, um mir ihr Kind als Sohn des englischen Königs vorzustellen ...«
Gerlin biss sich auf die Lippen. »Nicht ganz«, sagte sie dann. »Tatsächlich hatten Eure Truppen mich gefangen genommen . . . unter ziemlich unglücklichen Umständen. Man hielt mich für eine Jüdin. Und ich wollte nicht verbrannt werden . . .«
»Aber zu . . . so einer Furcht bestand doch kein Anlass.«
Philipp druckste ein wenig herum, er ließ sich ungern an die damaligen Ausschreitungen gegen Pariser Juden erinnern.
»In jenen Tagen schon«, erklärte Gerlin mutig. »Jedenfalls erschien es mir als einziger Ausweg, Euch anzulügen. Was mir jetzt natürlich äußerst leidtut.«
Der König schnaubte. »So, jetzt tut es Euch also leid, während Ihrvor einpaarMonaten wahrscheinlich noch stolz darauf wart, den König von Frankreich hinters Licht geführt zu haben. Was meinte denn übrigens König Richard - Gott habe ihn selig - zu der Geschichte? Man möchte doch meinen, auch er wäre in Versuchung geraten, Euch zu verbrennen!«
Gerlin errötete erneut. »Er . . . sah sich nicht genötigt, das Kind anzuerkennen«, bemerkte sie dann, woraufhin der König schallend lachte. »Obwohl . . .«
Gerlin wollte anführen, dass zwischen ihrer Familie und der des englischen Königs stets freundschaftliche Bande bestanden hatten, aber Philipp August deutete es anders.
». . . obwohl ihm der hübsche kleine Sohn doch sehr gut angestanden hätte«, lachte der König. »Im Grunde hätte ihm und England nichts Besseres passieren können. Der Junge schien doch gesund und gut gewachsen.«
»Das ist er, Herr«, erklärte Gerlin und schob Dietmar vor. »Wenn ich Euch vorstellen darf, Dietmar von Ornemünde zu . . . zu Loches augenblicklich, aber er ist der legitime Erbe der Ornemünder zu Lauenstein.«
Dietmar verbeugte sich brav, während es für den französischen König jetzt etwas zu schnell ging.
»Also, wie viele Väter will der junge Mann denn wohl einmal beerben?«, erkundigte er sich. »Wo Richard Plantagenet die Chance schon vertan hat, seinem missratenen Bruder einen eigenen Nachkommen vor die Nase zu setzen?«
»Nur . . .« Gerlin setzte zu einer Erklärung an, aber nun nutzte Flor´is die Gelegenheit, das Gespräch auf sein ursprüngliches Ansinnen zu bringen.
»Verzeiht, Majestät, aber da der Name König Johanns eben fällt ... Wir sind ... ich bin ... Der Treueid ...«
König Philipp wehrte ab. »O ja, Herr Flor´is, ich weiß, was Euch herführt. Und ich fühle mich natürlich geehrt, dass selbst meine ältesten Feinde . . .«
»Ich war ein treuer Untertan König Richards«, erklärte Flor´is würdevoll, »aber davon abgesehen nie Euer Feind.«
Der König lachte. »Da hattet Ihr aber eine seltsame Art, Eure Freundschaft zu zeigen«, bemerkte er. »Habt Ihr nicht das Schwert gegen mich geführt?«
»Wie alle anderen Ritter und Burgherren im Lande der Plantagenets. Lehnspflichtig dem rechtmäßigen Erben . . .«
Flor´is war damals zwar streng genommen noch ein Fahrender Ritter gewesen und niemandem lehnspflichtig. Er hatte sich König Richard hauptsächlich deshalb angeschlossen, weil er ihn als Ritter und Heerführer bewunderte. Aber das ließ er besser unerwähnt.
»Und König Johann ist nun nicht der rechtmäßige Erbe?« DieStimme desKönigsklang schneidend.
Flor´is biss sich auf die Lippen. Dies war die Frage, die er und all die anderen Burgherren befürchteten. Als Halter eines Lehens in den Ländern der Plantagenets war er Richards Nachfolger zur Treue verpflichtet. Und wie viele gute Gründe es auch immer dafür gab: Indem er hier war, beging er einen Verrat an seinem Herrn.
»Majestät«, sagte Flor´is gequält. »Ihr kennt König Johann, und ich bin nun hier, um Euch Treue zu schwören. Ich bin hier, um ...«
»Ihr seid hier, um die Seiten zu wechseln!«, gab der König streng zurück. »Weil es Euch nicht gefällt, wie Euer König regiert.«
»Ihr seid unser König!Oder ... oder Arthur de Bretagne ...«
Flor´is wand sich. Tatsächlich war die Erbfolge höchst umstritten. König Richards Vasallen in seinen französischen Besitztümern hatten nach seinem überraschenden Tod zunächst seinem Nachfolger Johann die Treue geschworen - obwohl auch ein junger Prinz namens Arthur de Bretagne Erbrechte anmeldete. Dann war es allerdings zu erneuten Kämpfen zwischen Philipp und Johann gekommen, in denen der Engländer seine Leute kaum unterstützte, sondern feige nach England floh. Der größte Teil der Normandie ging damals schon an Philipp. Und kurz darauf hatte Johann dann auch noch eine aquitanische Prinzessin entführt und geheiratet, deren Familie daraufhin einen Lehnsprozess anstrengte. Nachdem Johann sich konsequent weigerte, vor Gericht zu erscheinen, verhängte dieses ein Versäumnisurteil: Offiziell ging Johann all seiner französischen Besitzungen verloren, das Land fiel an König Philipp. Allerdings waren die Vasallen der Plantagenets erst jetzt bereit, das auch anzuerkennen. Wobei wieder die Verhaftung des Prinzen Arthur de Bretagne eine Rolle spielte. Es hieß, Johann habe seinen Rivalen hinrichten lassen.
Für seine Lehnsleute auf dem Kontinent war dies der Tropfen gewesen, der das Fass zum Überlaufen brachte. So entschlossen, wie sie für Richard Löwenherz gekämpft hatten, trafen sie auch jetzt ihre Entscheidung für Philipp ohne Wenn und Aber. Johann war seines Erbes nicht würdig. Einer seiner Lehnsleute nach dem anderen erschien vor Philipp August, um ihm die Treue zu schwören. Aber nur wenige pflegte der König dabei derart zu examinieren wie Gerlin und Flor´is de Trillon zu Loches.
»Und woran sehe ich, dass Ihr es ernst meint?«, fragte der König nun streng. »In den Kriegen mit König Richard habt Ihr mir allerhand Unbill bereitet . . .«
Flor´is ließ den Blick sinken. Er hatte im Stillen gehofft, dass der König nicht wusste, wer für Richards spektakulären Sieg bei Fr´eteval verantwortlich war, aber natürlich war Philipp seine und Gerlins Rolle dabei nicht verborgen geblieben.
». . . dazu kommen die Schwindeleien Eurer Gattin, die zweifelhafte Abkunft ihres Sohnes . . . Ihr gedenkt, Loches doch einmal an diesen Jungen zu vererben, oder?« Der König warf einen strengen Blick auf Dietmar.
Der Junge hob die Augen. »Nein, Herr!«, sagte er dann überraschend mit klarer Stimme. »Äh . . . Majestät, Herr . . .
Dieses Werk wurde vermittelt durch die Literarische Agentur Thomas Schlück GmbH, 30827 Garbsen.
Copyright . 2012 by Bastei Lübbe GmbH & Co. KG, Köln
Kapitel 1
Er wird uns schon nicht gleich aufhängen.«
Gerlin de Loches' Worte sollten ihren Gatten aufheitern, aber sie klangen eher so, als wolle sie sich selbst Mut zusprechen. Flor´is Miene, die schonwährend der ganzen Reise von ihrer Burg in Loches nach Paris eine Stimmung zwischen Trauer und Besorgnis ausdrückte, wandelte sich denn auch nur zu einem schwachen Grinsen.
»Da bin ich zuversichtlich«, gab der Ritter schließlich bemüht scherzhaft zurück. »Wir sind von hohem Adel. Wir haben ein Anrecht auf einen Tod durch das Schwert.«
Gerlin versuchte zu lachen. »Ach, Flor´is, Richards anderen Lehnsleuten hat er auch nichts getan. Im Gegenteil. Bisher wurden alle Treueschwüre huldvoll angenommen. Philipp ist doch froh, dass ihm das Land jetzt ganz ohne Krieg zufällt. Er kriegt genau das, was er wollte. Also warum sollte er dich nicht einfach in deiner Stellung bestätigen und . . .«
»Mir fielen da eine ganze Menge Gründe ein«, bemerkte Flor´is und überprüfte wohl zum zehnten Mal den Sitz seines juwelengeschmückten Gürtels über seiner feinen, wollenen Tunika. Er trug sein Schwert, war aber sonst nicht gerüstet. An diesem Tag war er schließlich eher ein Bittsteller denn ein stolzer Ritter und Herr über die Burg von Loches. »Du erinnerst dich nicht an die Schlacht von Fr´eteval? Und die Sache mit dem Kind?«
»Das ist so lange her . . .«, meinte Gerlin und musterte die Ausstattung ihres Sohnes.
Der fast zehnjährige Dietmar stand hinter ihnen, ähnlich gewandet wie sein Ziehvater Flor´is. Gerlin hatte seine Kleider aus dem gleichen edlen Wollstoff geschneidert wie die ihres Gatten, das dunkle Blau passte zu ihrer beider blondem Haar und ihren blauen Augen. Gerlin selbst hatte sich für ein möglichst unauffälliges Kleid entschieden, ein schlichtes, nicht zu weit ausgeschnittenes Gewand in Goldbraun. Ihr prächtiges kastanien farbenes Haar verbarg sie unter einem strengen Gebende.
»Der König wird sich gar nicht mehr an uns erinnern«, behauptete sie.
Floris sah sie zweifelnd an. Er konnte sich nicht vorstellen, dass irgendjemand seine Gattin vergessen konnte, der je in ihre strahlenden aquamarinblauen Augen geblickt hatte. Und König Philipp August von Frankreich hatte sie sicher eindringlich gemustert.
»Seigneur et Madame de Loches? Seine Majestät wird Euch gleich empfangen!«
Bevor Floris noch etwas erwidern konnte, öffnete sich die Tür zu den Empfangsräumen des Königs, und ein Diener ließ Justin de Frenes, einen alten Freund und Waffengefährten Flor´is', in den Saal, in dem Gerlin und ihre Familie warteten. Justin wirkte deutlich erleichtert. Zumindest ihn gedachte der König wohl nicht zu hängen.
»Wie ist die Stimmung?«, erkundigte Flor´is sich dennoch besorgt.
Gerlin unterzog ihren Aufzug und den ihres Sohnes noch einmal einer Kontrolle. Nervös tastete sie nach ihrem Hals, an dem an diesem Tag eine schlichte Kette das Medaillon ersetzte, das sie gewöhnlich trug. Eigentlich fühlte sie sich nackt ohne das Schmuckstück, ein Geschenk der Königin Eleonore zu ihrer ersten Hochzeit. Aber zur Audienz mit dem französischen König hatte sie es lieber abgenommen. Sie musste ihm schließlich nicht auch noch Anlass geben, sich an sie zu erinnern . . .
»Nun, seine Majestät ist bester Laune...«, meinte Justin bitter, ». . . und äußerst huldvoll gestimmt. Er hat mich kaum auf König Richard angesprochen. Ebenso wenig auf die Umstände, unter denen ich mein Lehen erworben habe ...«
Justin war ebenfalls Herr über eine Burg bei Vendome und hatte sein Lehen kurz nach Flor´is und Gerlin angetreten. Beide Burgen lagen in den Besitzungen der englischen Könige auf dem französischen Festland. Das Land war einst als Mitgift der Königin Eleonore unter die Herrschaft der Plantagenets geraten, und König Richard Löwenherz hatte es gehalten und gegen jeden Eroberungsversuch der französischen Krone verteidigt. Floris und Justin hatten in König Richards Armee gekämpft und sich dabei ausgezeichnet. Ihr Lohn war ein Lehen in den umstrittenen Gebieten - das sie jetzt seit neun Jahren hielten. Nach einer zwar nicht vernichtenden, aber äußerst peinlichen Niederlage gegen die Plantagenets im Jahre 1194 hatte der französische König keine weiteren Versuche gestartet, seinem Kernland das Vendomois und die anderen Länder einzuverleiben.
Und nun, dachte Floris bitter, überreichen wir sie ihm auf dem Präsentierteller.
»Der Ritter de Trillon . . .«
Der Diener erschien erneut, dieses Mal, um Floris und seine Familie zum König zu rufen - unter Flor´is' Geburtsnamen, ein schlechtes Zeichen. Philipp August erinnerte sich durch aus an die Herkunft der Burgherren von Loches.
»Na, dann viel Glück!«, wünschte Justin, ein noch junger, gut aussehender Ritter in dunkelroter Tunika.
Flor´is und Gerlin nickten ihm einen Gruß zu. Ganz sicher würde er nicht warten, um herauszufinden, wie es für seine Freunde ausging. Er schien eindeutig hocherfreut, den Louvre verlassen zu können - und immer noch Herr über seine Burg zu sein. Wie es aussah, hatte der König seinen Treueid huldvoll angenommen.
Flor´is und Gerlin sowie der eingeschüchterte Dietmar folgten dem Diener in die Empfangsräume des Königs. Sie waren neu und kostbar möbliert wie alles in Philipps neuem Palast, der dem Wehrbau etwas außerhalb der Stadt Paris angeschlossen war. Philipp August hatte den Louvre bauen lassen, da die alten Wehrbauten auf der le de ˆIla Cit´e für die wachsende Hauptstadt seines Reiches nicht mehr ausreichten. Gerlin und Flor´is hatten das Bauwerk gebührend bewundert. Neun Jahre zuvor, als es sie erstmals her verschlagen hatte, war die Burg noch im Bau gewesen.
Natürlich umgaben den Monarchen im Audienzraum etliche Berater und Höflinge, Ritter, Knappen und Diener. Gerlin und ihre Familie durchschritten ein Spalier kostbar gekleideter Herren und weniger Damen - aber es kam ihnen eher vor wie ein Spießrutenlauf. Schließlich knieten sie nieder vor dem Thron des französischen Königs. Philipp August schien zunächst kaum an ihnen interessiert zu sein. Scheinbar angeregt plauderte er mit der Dame neben ihm. War es die Königin oder eine Mätresse? Gerlin interessierte es im Grunde wenig. Sie hätte nur gern seine Aufmerksamkeit gehabt . . . oder vielleicht doch nicht zu viel davon. Ergeben senkte sie den Blick, als der König seine Besucher schließlich bat, sich zu erheben.
Flor´is dagegen zwang sich, seinem künftigen Herrn in die Augen zu sehen. Im Gegensatz zu Gerlin war er ihm noch nie begegnet, aber er hätte ihn sicher erkannt: Philipp August war ein hochgewachsener, gut aussehender Mann mit hellbraunem langem Haar, auf dem jetzt ein goldener Reif als Zeichen seiner Königswürde prangte. Seine Augen waren blau, vielleicht etwas stechend und etwas zu eng zusammenstehend. Sie musterten den Ritter nun prüfend. Und den Jungen, der neben ihm kniete - und Gerlin, seine Frau.
»Ich wundere mich, Euch hier zu sehen, Seigneur de Trillon - oder de Loches«, sprach der König Flor´is jetzt an. »Und Euch, Frau Gerlindis - ehemals von Lauenstein, wenn ich mich richtig erinnere. Solltet Ihr nicht eher nach England reisen, um den Plantagenets einen unverhofften Erben zu präsentieren? «
Gerlin errötete zutiefst.
»Majestät«, ergriff sie das Wort, noch bevor Floris antworten konnte. »Ich muss mich entschuldigen ...«
Der König grinste. »Das müsst Ihr fürwahr. Aber rekapitulieren wir doch einmal. Ihr seid zweifelsfrei die Dame, die vor Jahren an meinem Hof erschien, um mir ihr Kind als Sohn des englischen Königs vorzustellen ...«
Gerlin biss sich auf die Lippen. »Nicht ganz«, sagte sie dann. »Tatsächlich hatten Eure Truppen mich gefangen genommen . . . unter ziemlich unglücklichen Umständen. Man hielt mich für eine Jüdin. Und ich wollte nicht verbrannt werden . . .«
»Aber zu . . . so einer Furcht bestand doch kein Anlass.«
Philipp druckste ein wenig herum, er ließ sich ungern an die damaligen Ausschreitungen gegen Pariser Juden erinnern.
»In jenen Tagen schon«, erklärte Gerlin mutig. »Jedenfalls erschien es mir als einziger Ausweg, Euch anzulügen. Was mir jetzt natürlich äußerst leidtut.«
Der König schnaubte. »So, jetzt tut es Euch also leid, während Ihrvor einpaarMonaten wahrscheinlich noch stolz darauf wart, den König von Frankreich hinters Licht geführt zu haben. Was meinte denn übrigens König Richard - Gott habe ihn selig - zu der Geschichte? Man möchte doch meinen, auch er wäre in Versuchung geraten, Euch zu verbrennen!«
Gerlin errötete erneut. »Er . . . sah sich nicht genötigt, das Kind anzuerkennen«, bemerkte sie dann, woraufhin der König schallend lachte. »Obwohl . . .«
Gerlin wollte anführen, dass zwischen ihrer Familie und der des englischen Königs stets freundschaftliche Bande bestanden hatten, aber Philipp August deutete es anders.
». . . obwohl ihm der hübsche kleine Sohn doch sehr gut angestanden hätte«, lachte der König. »Im Grunde hätte ihm und England nichts Besseres passieren können. Der Junge schien doch gesund und gut gewachsen.«
»Das ist er, Herr«, erklärte Gerlin und schob Dietmar vor. »Wenn ich Euch vorstellen darf, Dietmar von Ornemünde zu . . . zu Loches augenblicklich, aber er ist der legitime Erbe der Ornemünder zu Lauenstein.«
Dietmar verbeugte sich brav, während es für den französischen König jetzt etwas zu schnell ging.
»Also, wie viele Väter will der junge Mann denn wohl einmal beerben?«, erkundigte er sich. »Wo Richard Plantagenet die Chance schon vertan hat, seinem missratenen Bruder einen eigenen Nachkommen vor die Nase zu setzen?«
»Nur . . .« Gerlin setzte zu einer Erklärung an, aber nun nutzte Flor´is die Gelegenheit, das Gespräch auf sein ursprüngliches Ansinnen zu bringen.
»Verzeiht, Majestät, aber da der Name König Johanns eben fällt ... Wir sind ... ich bin ... Der Treueid ...«
König Philipp wehrte ab. »O ja, Herr Flor´is, ich weiß, was Euch herführt. Und ich fühle mich natürlich geehrt, dass selbst meine ältesten Feinde . . .«
»Ich war ein treuer Untertan König Richards«, erklärte Flor´is würdevoll, »aber davon abgesehen nie Euer Feind.«
Der König lachte. »Da hattet Ihr aber eine seltsame Art, Eure Freundschaft zu zeigen«, bemerkte er. »Habt Ihr nicht das Schwert gegen mich geführt?«
»Wie alle anderen Ritter und Burgherren im Lande der Plantagenets. Lehnspflichtig dem rechtmäßigen Erben . . .«
Flor´is war damals zwar streng genommen noch ein Fahrender Ritter gewesen und niemandem lehnspflichtig. Er hatte sich König Richard hauptsächlich deshalb angeschlossen, weil er ihn als Ritter und Heerführer bewunderte. Aber das ließ er besser unerwähnt.
»Und König Johann ist nun nicht der rechtmäßige Erbe?« DieStimme desKönigsklang schneidend.
Flor´is biss sich auf die Lippen. Dies war die Frage, die er und all die anderen Burgherren befürchteten. Als Halter eines Lehens in den Ländern der Plantagenets war er Richards Nachfolger zur Treue verpflichtet. Und wie viele gute Gründe es auch immer dafür gab: Indem er hier war, beging er einen Verrat an seinem Herrn.
»Majestät«, sagte Flor´is gequält. »Ihr kennt König Johann, und ich bin nun hier, um Euch Treue zu schwören. Ich bin hier, um ...«
»Ihr seid hier, um die Seiten zu wechseln!«, gab der König streng zurück. »Weil es Euch nicht gefällt, wie Euer König regiert.«
»Ihr seid unser König!Oder ... oder Arthur de Bretagne ...«
Flor´is wand sich. Tatsächlich war die Erbfolge höchst umstritten. König Richards Vasallen in seinen französischen Besitztümern hatten nach seinem überraschenden Tod zunächst seinem Nachfolger Johann die Treue geschworen - obwohl auch ein junger Prinz namens Arthur de Bretagne Erbrechte anmeldete. Dann war es allerdings zu erneuten Kämpfen zwischen Philipp und Johann gekommen, in denen der Engländer seine Leute kaum unterstützte, sondern feige nach England floh. Der größte Teil der Normandie ging damals schon an Philipp. Und kurz darauf hatte Johann dann auch noch eine aquitanische Prinzessin entführt und geheiratet, deren Familie daraufhin einen Lehnsprozess anstrengte. Nachdem Johann sich konsequent weigerte, vor Gericht zu erscheinen, verhängte dieses ein Versäumnisurteil: Offiziell ging Johann all seiner französischen Besitzungen verloren, das Land fiel an König Philipp. Allerdings waren die Vasallen der Plantagenets erst jetzt bereit, das auch anzuerkennen. Wobei wieder die Verhaftung des Prinzen Arthur de Bretagne eine Rolle spielte. Es hieß, Johann habe seinen Rivalen hinrichten lassen.
Für seine Lehnsleute auf dem Kontinent war dies der Tropfen gewesen, der das Fass zum Überlaufen brachte. So entschlossen, wie sie für Richard Löwenherz gekämpft hatten, trafen sie auch jetzt ihre Entscheidung für Philipp ohne Wenn und Aber. Johann war seines Erbes nicht würdig. Einer seiner Lehnsleute nach dem anderen erschien vor Philipp August, um ihm die Treue zu schwören. Aber nur wenige pflegte der König dabei derart zu examinieren wie Gerlin und Flor´is de Trillon zu Loches.
»Und woran sehe ich, dass Ihr es ernst meint?«, fragte der König nun streng. »In den Kriegen mit König Richard habt Ihr mir allerhand Unbill bereitet . . .«
Flor´is ließ den Blick sinken. Er hatte im Stillen gehofft, dass der König nicht wusste, wer für Richards spektakulären Sieg bei Fr´eteval verantwortlich war, aber natürlich war Philipp seine und Gerlins Rolle dabei nicht verborgen geblieben.
». . . dazu kommen die Schwindeleien Eurer Gattin, die zweifelhafte Abkunft ihres Sohnes . . . Ihr gedenkt, Loches doch einmal an diesen Jungen zu vererben, oder?« Der König warf einen strengen Blick auf Dietmar.
Der Junge hob die Augen. »Nein, Herr!«, sagte er dann überraschend mit klarer Stimme. »Äh . . . Majestät, Herr . . .
Dieses Werk wurde vermittelt durch die Literarische Agentur Thomas Schlück GmbH, 30827 Garbsen.
Copyright . 2012 by Bastei Lübbe GmbH & Co. KG, Köln
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Bibliographische Angaben
- Autor: Ricarda Jordan
- 2012, 2. Aufl., Masse: 12,6 x 18,6 cm, Kartoniert (TB), Deutsch
- Verlag: Bastei Lübbe
- ISBN-10: 3404166493
- ISBN-13: 9783404166497
- Erscheinungsdatum: 21.09.2012
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