Caravaggios Geheimnis
Historischer Roman
Im Schatten des imposanten Petersdoms sinnt Michelangelo Merisi, genannt Caravaggio, auf Rache. Es ist das Jahr 1593, und der junge Maler will nach harten Lehrjahren in Mailand nun endlich in Rom, der Stadt der Meister und Mäzene, sein Talent unter...
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Produktinformationen zu „Caravaggios Geheimnis “
Im Schatten des imposanten Petersdoms sinnt Michelangelo Merisi, genannt Caravaggio, auf Rache. Es ist das Jahr 1593, und der junge Maler will nach harten Lehrjahren in Mailand nun endlich in Rom, der Stadt der Meister und Mäzene, sein Talent unter Beweis stellen. Aber immer wieder erntet das verkannte Genie nur Spott - bis Caravaggio die Kunstwelt Italiens in Erstaunen versetzt. Er provoziert mit seinen Kompositionen von Licht und Schatten und schafft sich dadurch Neider und Feinde. Um seinem Ruhm ein Ende zu bereiten, sind diese zu allem bereit. In die Enge getrieben, begeht Caravaggio eine furchtbare Tat. Allein seine große Liebe Paola kann ihn jetzt noch retten. Wäre da nicht sein künstlerischer, manchmal fast sogar zerstörerischer Freiheitsdrang.
Klappentext zu „Caravaggios Geheimnis “
Der steinige Weg zum berauschenden Ruhm, das unlösbare Band einer besonderen Liebe, die wahnsinnige Tat grausamer Verzweiflung und die spektakuläre Flucht übers Mittelmeer: In intensiven Farben schildert Bestsellerautor Tilman Röhrig das faszinierende Leben eines der grössten europäischen Maler.Im Schatten des imposanten Petersdoms sinnt Michelangelo Merisi, genannt Caravaggio, auf Rache. Es ist das Jahr 1593, und der junge Maler will nach harten Lehrjahren in Mailand nun endlich in Rom, der Stadt der Meister und Mäzene, sein Talent unter Beweis stellen. Aber immer wieder erntet das verkannte Genie nur Spott bis Caravaggio die Kunstwelt Italiens in Erstaunen versetzt. Er provoziert mit seinen Kompositionen von Licht und Schatten und schafft sich dadurch Neider und Feinde. Um seinem Ruhm ein Ende zu bereiten, sind diese zu allem bereit. In die Enge getrieben, begeht Caravaggio eine furchtbare Tat. Allein seine grosse Liebe Paola kann ihn jetzt noch retten. Wäre da nicht sein manchmal fast zerstörerischer künstlerischer Freiheitsdrang.
Lese-Probe zu „Caravaggios Geheimnis “
Caravaggios Geheimnis von Tilman Röhrig1
Zu Beginn war dunkle Leere, dann aber hob sich der Vorhang und weit entfernt schimmerte Licht. Es kam näher. Eine Glocke schlug, hell, hart, immer wieder. Ein Pferd schnaubte. Karrenräder knirschten über den Kies. »Michele!« Es ist der 22. Oktober des Jahres 1577. An diesem Dienstagmorgen hatte sich der Frühdunst über der Ebene nur zäh aufgelöst. »Michele!« Er beachtete das Rufen nicht, wollte es nicht. Immer wieder schlug er den langen Stock auf die niedrige Steinmauer. Neben ihm versuchte sein kleinerer Bruder Giovan Battista mit einer Rute den Rhythmus nachzuahmen. Stumm weinte Michele. Das Bild verschwamm vor den Augen. Der Totenwagen rollte vom Innenhof. Zwei Särge, beladen mit Blumenranken, an den Eckholmen der Ladefläche steckten schwarze Federbüschel, das Pferd nickte, und der schwarze Federbusch über der Mähne fuhr auf und nieder. »Großvater «, flüsterte der Sechsjährige. »Geh nicht fort … Geh nicht fort.« Um den Vater im anderen Sarg weinte er nicht, zu selten war Fermo Merisi von den Baustellen in Mailand herausgekommen. Die beiden Jüngsten hatten der Maurer und seine Frau Lucia in der kleinen Stadtwohnung bei sich behalten. Michele und die ältere Halbschwester aber lebten hier draußen bei den Großeltern in Caravaggio. Caterina war fleißig, half im Haus und war stets bemüht, der Großmutter zu gefallen. Ganz anders Michele.
Allein die Sonntagsschule, das Lernen der Zehn Gebote, das Aufsagen des Vaterunsers und das lästige Malen der Buchstaben warf einen Schatten, sonst aber spielte er unbeschwert in der Sonne und der Weinhändler liebte den Enkel, verwöhnte ihn und freute sich sogar über dessen Wildheit. Das Prinzsein jedoch hatte im letzten Jahr jäh ein Ende gefunden, als
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Fermo Merisi samt Frau und den beiden Kleinen vor der Pest aus Mailand geflohen war und von da an mit im Hause des Weinhändlers wohnen musste. Der Platz im gemeinsamen Kinderbett wurde enger, und die Mutter achtete in der Küche streng darauf, dass jedes Honigbrot gerecht durch vier geteilt wurde. Nur hin und wieder hatte Großvater Merisi den Enkel noch allein mit auf den Kutschbock genommen. Diese Fahrten zu den Weinbauern in der Gegend waren Glückstage gewesen.
»Michele! Du sollst reinkommen, sagt deine Mutter.« Im sauberen Kittelkleidchen stand Paola nahe dem Brunnen, das dunkle, fast schwarze Haar in der Mitte gescheitelt, die Locken ringelten sich bis über die Schultern. »Michele, so hör doch. Auch Gianni soll kommen. « Paola war die Nachbarstochter, zusammen besuchten sie und Michele die erste Klasse der Sonntagsschule. Paola saß in der vordersten Reihe auf der Mädchenseite, und ihr direkt gegenüber hockte der wildlockige Enkel des Weinhändlers.
Wie oft hatte er ihr, unbemerkt vom gestrengen Pater, hinter vorgehaltener Hand Grimassen geschnitten, die braunschwarzen Augen verdreht, die vollen Lippen mal zum Kuss gespitzt, dann wieder die Zähne wie ein Raubtier gefletscht, bis sie in Kichern ausbrechen musste und damit den Unterricht störte. Trotz Ermahnungen und sogar Strafen konnte Paola den Blick nicht von ihm lassen, ließ sich immer wieder zum Lachen verführen, und in der Woche erfand sie die sonderbarsten Gründe, um möglichst oft das Anwesen des Weinhändlers besuchen zu können. Großmutter Merisi sah es mit Schmunzeln, wenn zur Essenszeit die kleine Nachbarstochter sich einen Schemel zwischen die Geschwister zwängte, um neben dem Enkel zu sitzen, und gab auch ihr vom Brei aus der großen Schüssel. »Michele! So hör doch. Die Beerdigung geht gleich los.« Heftiger hieb er den Stecken auf die Steine. Draußen brachte der Knecht den Leichenwagen vor dem Säuleneingang der Weinhandlung zum Stehen.
Dahinter sollte sich der Trauerzug formieren. Wie auf einen unsichtbaren Wink hin näherten sich aus den Gassen Frauen und Männer, dunkel gekleidet, die Mienen ernst. »Michele!« Der Ruf erreichte ihn, schmerzte in den Ohren. Michele! Dazu der helle Glockenschlag. Michele. Glockenschlag! »Michele!« Er ließ den Stock fallen, bückte sich. Er zielte nicht, schleuderte den Stein mit aller Wucht in Richtung des Mädchens. Paola riss die Arme hoch, schrie und stürzte rücklings zu Boden. Das Schreien brach ab, eine Ewigkeit bis zum Atemholen, dann schrie und jammerte sie erneut.
Entsetzt starrte Michele ins vorwurfvolle Gesicht des kleineren Bruders. »Nichts hab ich getan. Nichts.« Er hastete zu ihr, warf sich neben sie auf die Knie. Ihre Oberlippe schwoll an, aus dem tiefen Riss bis zur Nase pulste das Blut. Paola presste die Hand davor, wischte sie durchs Gesicht, weinte, dann schrie sie wieder. Er schob eine Hand unter ihren Kopf. »Nicht. Bitte nicht.« Hilflos streichelte er ihr über die Stirn. »Ich wollte es nicht.« Seine Stimme bebte. »Ich wollte es doch nicht.« Er wandte sich zum Bruder. »Hole Großmutter, schnell.« Giovanni rannte ins Haus. Michele beugte sich über das blutverschmierte Gesicht. »Verrate mich nicht. Bitte.« Aus geweiteten Augen sah Paola zu ihm auf, schluchzte: »Es tut so weh.« »Nicht verraten. Bitte, bitte.« Schon in Trauerkleidung, kamen Großmutter, Schwiegertochter und Paolas Mutter zugleich aus dem Haus gestürzt. Im Lauf lüfteten sie die Gesichtsschleier. Während die Nachbarin ihr Kind auf die Arme hob, riss Lucia Merisi den Sohn an den Haaren. »Was hast du getan?« Ehe er antworten konnte, ohrfeigte sie ihn. »Mit Steinen werfen! Und das am Tag, wenn dein Vater und dein Großvater ins Grab gelegt werden. Schämen sollst du dich.« »Nichts hab ich getan«, heulte er. »Gianni lügt. Er lügt. Paola ist gefallen. Frag sie doch.« Michele riss sich los.
Die Nachbarsfrau trug ihre Tochter zur Hintertür. Er lief ihnen nach. »Sag’s. Hab ich geworfen, oder bist du gefallen? Sag’s ihnen.« Wieder blickte Paola ihn aus den großen Augen an. »Gefallen …«, wimmerte sie. »Hingefallen.« »Da hörst du’s!«, schimpfte Michele seine Mutter an. Nun griff Großmutter Merisi ein. »Schluss damit. Schlimm genug, was geschehen ist. Lasst uns rasch das Kind versorgen. Wir müssen zum Friedhof. Draußen warten schon die Leute.« Paola wurde auf den Küchentisch gelegt. Die Wunde blutete heftig. Mit feuchten Tüchern reinigten die jungen Frauen Gesicht, Kinn und Hals. »Michele.« Ernst blickte ihn die Großmutter an. »Du gehst in den Keller. Und nimm die Lampe mit.« Sie reichte ihm eine flache Schüssel. Er sollte Spinnweben, ohne sie zu zerstören, aus den Ecken lösen und heraufbringen. »Aber beeil dich. Sonst verblutet uns deine Freundin noch.« Er hastete zur Steintreppe. Zum ersten Mal fürchtete er sich nicht, allein in die Dunkelheit hinabzusteigen.
Auch hatte er keine Angst vor den übergroßen Schatten der Weinfässer, die sich bewegten, sobald die Lampe an seiner Hand schwankte. Spinnen fürchtete er schon lange nicht mehr. »Die beißen nicht«, hatte Großvater Merisi gesagt und sich große Langbeiner durchs Haardickicht der Arme klettern lassen. Michele löste einige Netze von den feuchten Steinen und brachte sie nach oben. Leise summte die Großmutter für Paola eine Melodie, lächelte tröstend in den schmerzvollen Blick und legte die Spinnenetze über den klaffenden Riss. »Rotwein.« Lucia reichte ihr die Schale.
Die Tropfen festigten das Gewebe, und der Blutfluss stockte. »Jetzt das Leinen.« Tupfer bedeckten die Wundränder, ein schmaler Leinenstreifen darüber sollte sie enger zusammenhalten und wurde von der Großmutter hinter dem Kopf gebunden. »Das muss fürs Erste genügen« Während sie die Hände in der Schüssel wusch, blickte sie über die Schulter zur Nachbarin. »Du kannst das Kind in unserer Stube hinlegen. Besser, es bewegt den Kopf in der nächsten Stunde so wenig wie möglich. Wenn wir heimkommen …« Mit aller Schwere kehrten Trauer und Verlust zurück.
Die alte Frau musste atmen, ehe sie weitersprechen konnte. »Wenn ich meinen Merisi und meinen Jungen ins Grab gelegt …« Die Schwiegertochter kam weinend zu ihr. »Mama.« »Nur jetzt nicht heulen, sonst schaffen wir es nicht aus der Küche. Da draußen warten meine anderen Buben und auch dein Vater mit den Männern aus deiner Familie. Die stützen uns nachher, dann ist es leichter mit den Tränen.« Eng nebeneinander gingen die Frauen zur Tür, Caterina folgte mit den beiden jüngsten Brüdern. Michele sah voller Reue zur Mutter von Paola auf. »Es tut mir leid. Auch wenn ich nichts getan hab.« Unbeholfen leicht streichelte er dem Mädchen über die Stirn. »Wird wieder gut.« Dann rannte er den Geschwistern nach.
ISBN 978-3-86612-243-7
Copyright © Tilman Röhrig und Pendo Verlag in der Piper Verlag GmbH, München 2009
Die Veröffentlichung dieses Werks erfolgt auf Vermittlung der Autoren und Verlagsagentur Peter Molden, Köln.
Vorsatzabbildung: Caravaggio, Michelangelo Merisi da: Nativity with Saints Francis and Lawrence, 1609. Palermo, Oratory of San Lorenzo.
© 1990. Photo Scala, Florence
Satz: Satz für Satz. Barbara Reischmann, Leutkirch im Allgäu
Druck und Bindung: Pustet, Regensburg Printed in Germany
»Michele! Du sollst reinkommen, sagt deine Mutter.« Im sauberen Kittelkleidchen stand Paola nahe dem Brunnen, das dunkle, fast schwarze Haar in der Mitte gescheitelt, die Locken ringelten sich bis über die Schultern. »Michele, so hör doch. Auch Gianni soll kommen. « Paola war die Nachbarstochter, zusammen besuchten sie und Michele die erste Klasse der Sonntagsschule. Paola saß in der vordersten Reihe auf der Mädchenseite, und ihr direkt gegenüber hockte der wildlockige Enkel des Weinhändlers.
Wie oft hatte er ihr, unbemerkt vom gestrengen Pater, hinter vorgehaltener Hand Grimassen geschnitten, die braunschwarzen Augen verdreht, die vollen Lippen mal zum Kuss gespitzt, dann wieder die Zähne wie ein Raubtier gefletscht, bis sie in Kichern ausbrechen musste und damit den Unterricht störte. Trotz Ermahnungen und sogar Strafen konnte Paola den Blick nicht von ihm lassen, ließ sich immer wieder zum Lachen verführen, und in der Woche erfand sie die sonderbarsten Gründe, um möglichst oft das Anwesen des Weinhändlers besuchen zu können. Großmutter Merisi sah es mit Schmunzeln, wenn zur Essenszeit die kleine Nachbarstochter sich einen Schemel zwischen die Geschwister zwängte, um neben dem Enkel zu sitzen, und gab auch ihr vom Brei aus der großen Schüssel. »Michele! So hör doch. Die Beerdigung geht gleich los.« Heftiger hieb er den Stecken auf die Steine. Draußen brachte der Knecht den Leichenwagen vor dem Säuleneingang der Weinhandlung zum Stehen.
Dahinter sollte sich der Trauerzug formieren. Wie auf einen unsichtbaren Wink hin näherten sich aus den Gassen Frauen und Männer, dunkel gekleidet, die Mienen ernst. »Michele!« Der Ruf erreichte ihn, schmerzte in den Ohren. Michele! Dazu der helle Glockenschlag. Michele. Glockenschlag! »Michele!« Er ließ den Stock fallen, bückte sich. Er zielte nicht, schleuderte den Stein mit aller Wucht in Richtung des Mädchens. Paola riss die Arme hoch, schrie und stürzte rücklings zu Boden. Das Schreien brach ab, eine Ewigkeit bis zum Atemholen, dann schrie und jammerte sie erneut.
Entsetzt starrte Michele ins vorwurfvolle Gesicht des kleineren Bruders. »Nichts hab ich getan. Nichts.« Er hastete zu ihr, warf sich neben sie auf die Knie. Ihre Oberlippe schwoll an, aus dem tiefen Riss bis zur Nase pulste das Blut. Paola presste die Hand davor, wischte sie durchs Gesicht, weinte, dann schrie sie wieder. Er schob eine Hand unter ihren Kopf. »Nicht. Bitte nicht.« Hilflos streichelte er ihr über die Stirn. »Ich wollte es nicht.« Seine Stimme bebte. »Ich wollte es doch nicht.« Er wandte sich zum Bruder. »Hole Großmutter, schnell.« Giovanni rannte ins Haus. Michele beugte sich über das blutverschmierte Gesicht. »Verrate mich nicht. Bitte.« Aus geweiteten Augen sah Paola zu ihm auf, schluchzte: »Es tut so weh.« »Nicht verraten. Bitte, bitte.« Schon in Trauerkleidung, kamen Großmutter, Schwiegertochter und Paolas Mutter zugleich aus dem Haus gestürzt. Im Lauf lüfteten sie die Gesichtsschleier. Während die Nachbarin ihr Kind auf die Arme hob, riss Lucia Merisi den Sohn an den Haaren. »Was hast du getan?« Ehe er antworten konnte, ohrfeigte sie ihn. »Mit Steinen werfen! Und das am Tag, wenn dein Vater und dein Großvater ins Grab gelegt werden. Schämen sollst du dich.« »Nichts hab ich getan«, heulte er. »Gianni lügt. Er lügt. Paola ist gefallen. Frag sie doch.« Michele riss sich los.
Die Nachbarsfrau trug ihre Tochter zur Hintertür. Er lief ihnen nach. »Sag’s. Hab ich geworfen, oder bist du gefallen? Sag’s ihnen.« Wieder blickte Paola ihn aus den großen Augen an. »Gefallen …«, wimmerte sie. »Hingefallen.« »Da hörst du’s!«, schimpfte Michele seine Mutter an. Nun griff Großmutter Merisi ein. »Schluss damit. Schlimm genug, was geschehen ist. Lasst uns rasch das Kind versorgen. Wir müssen zum Friedhof. Draußen warten schon die Leute.« Paola wurde auf den Küchentisch gelegt. Die Wunde blutete heftig. Mit feuchten Tüchern reinigten die jungen Frauen Gesicht, Kinn und Hals. »Michele.« Ernst blickte ihn die Großmutter an. »Du gehst in den Keller. Und nimm die Lampe mit.« Sie reichte ihm eine flache Schüssel. Er sollte Spinnweben, ohne sie zu zerstören, aus den Ecken lösen und heraufbringen. »Aber beeil dich. Sonst verblutet uns deine Freundin noch.« Er hastete zur Steintreppe. Zum ersten Mal fürchtete er sich nicht, allein in die Dunkelheit hinabzusteigen.
Auch hatte er keine Angst vor den übergroßen Schatten der Weinfässer, die sich bewegten, sobald die Lampe an seiner Hand schwankte. Spinnen fürchtete er schon lange nicht mehr. »Die beißen nicht«, hatte Großvater Merisi gesagt und sich große Langbeiner durchs Haardickicht der Arme klettern lassen. Michele löste einige Netze von den feuchten Steinen und brachte sie nach oben. Leise summte die Großmutter für Paola eine Melodie, lächelte tröstend in den schmerzvollen Blick und legte die Spinnenetze über den klaffenden Riss. »Rotwein.« Lucia reichte ihr die Schale.
Die Tropfen festigten das Gewebe, und der Blutfluss stockte. »Jetzt das Leinen.« Tupfer bedeckten die Wundränder, ein schmaler Leinenstreifen darüber sollte sie enger zusammenhalten und wurde von der Großmutter hinter dem Kopf gebunden. »Das muss fürs Erste genügen« Während sie die Hände in der Schüssel wusch, blickte sie über die Schulter zur Nachbarin. »Du kannst das Kind in unserer Stube hinlegen. Besser, es bewegt den Kopf in der nächsten Stunde so wenig wie möglich. Wenn wir heimkommen …« Mit aller Schwere kehrten Trauer und Verlust zurück.
Die alte Frau musste atmen, ehe sie weitersprechen konnte. »Wenn ich meinen Merisi und meinen Jungen ins Grab gelegt …« Die Schwiegertochter kam weinend zu ihr. »Mama.« »Nur jetzt nicht heulen, sonst schaffen wir es nicht aus der Küche. Da draußen warten meine anderen Buben und auch dein Vater mit den Männern aus deiner Familie. Die stützen uns nachher, dann ist es leichter mit den Tränen.« Eng nebeneinander gingen die Frauen zur Tür, Caterina folgte mit den beiden jüngsten Brüdern. Michele sah voller Reue zur Mutter von Paola auf. »Es tut mir leid. Auch wenn ich nichts getan hab.« Unbeholfen leicht streichelte er dem Mädchen über die Stirn. »Wird wieder gut.« Dann rannte er den Geschwistern nach.
ISBN 978-3-86612-243-7
Copyright © Tilman Röhrig und Pendo Verlag in der Piper Verlag GmbH, München 2009
Die Veröffentlichung dieses Werks erfolgt auf Vermittlung der Autoren und Verlagsagentur Peter Molden, Köln.
Vorsatzabbildung: Caravaggio, Michelangelo Merisi da: Nativity with Saints Francis and Lawrence, 1609. Palermo, Oratory of San Lorenzo.
© 1990. Photo Scala, Florence
Satz: Satz für Satz. Barbara Reischmann, Leutkirch im Allgäu
Druck und Bindung: Pustet, Regensburg Printed in Germany
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Autoren-Porträt von Tilman Röhrig
Tilman Röhrig, geboren 1945, lebt in der Nähe von Köln. Nach seiner Ausbildung zum Schauspieler und Engagements an mehreren deutschen Bühnen arbeitet er seit über drei Jahrzehnten als freier Schriftsteller. Die grössten Erfolge feierte er mit seinen historischen Romanen. Für sein literarisches Werk erhielt er zahlreiche Auszeichnungen, unter anderem den Grossen Kulturpreis NRW.2005 erhielt er den 6. Voerder Jugendbuchpreis für sein Lebenswerk.
Bibliographische Angaben
- Autor: Tilman Röhrig
- 2009, 489 Seiten, Masse: 15 x 22,1 cm, Gebunden, Deutsch
- Verlag: Pendo
- ISBN-10: 3866122438
- ISBN-13: 9783866122437
Rezension zu „Caravaggios Geheimnis “
»Tilman Röhrig entwirft in seinem spannenden Roman-Porträt ein Gesellschaftspanorama. Alle Ereignisse und Charakterstudien sind historisch unzweifelhaft belegt und werden von Tilman Röhrig ebenso kundig wie einfühlsam in das Gesamtbild eingewoben.« Westfalenpost »Ein Roman-Portrait als Gesellschaftspanorama.« Südwest Presse
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