Behinderte Anerkennung?
Interessenorganisationen von Menschen mit Behinderungen in Westdeutschland seit 1945. Dissertationsschrift
Menschen mit Behinderungen waren nie ausschliesslich Objekte von Sozialpolitik, Wissenschaft und Gesellschaft. Auch in der Bundesrepublik sind sie als selbstbestimmte Akteure zu begreifen: Sie schlossen sich in Interessenorganisationen zusammen und vertraten...
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Produktinformationen zu „Behinderte Anerkennung? “
Menschen mit Behinderungen waren nie ausschliesslich Objekte von Sozialpolitik, Wissenschaft und Gesellschaft. Auch in der Bundesrepublik sind sie als selbstbestimmte Akteure zu begreifen: Sie schlossen sich in Interessenorganisationen zusammen und vertraten eigene Vorstellungen von Eingliederung und Integration. In Organisationen wie den Kriegsopferverbänden der Nachkriegszeit, den Elternvereinigungen der 1960er-Jahre - wie der "Lebenshilfe für das geistig behinderte Kind" - sowie der Behindertenbewegung der 1970erund 1980er-Jahre prägten sie das gesellschaftliche Bild von "Behinderung" und sozialstaatliche Massnahmen mit.
Klappentext zu „Behinderte Anerkennung? “
Menschen mit Behinderungen waren nie ausschließlich Objekte von Sozialpolitik, Wissenschaft und Gesellschaft. Auch in der Bundesrepublik sind sie als selbstbestimmte Akteure zu begreifen: Sie schlossen sich in Interessenorganisationen zusammen und vertraten eigene Vorstellungen von Eingliederung und Integration. In Organisationen wie den Kriegsopferverbänden der Nachkriegszeit, den Elternvereinigungen der 1960er-Jahre - wie der "Lebenshilfe für das geistig behinderte Kind" - sowie der Behindertenbewegung der 1970erund 1980er-Jahre prägten sie das gesellschaftliche Bild von "Behinderung" und sozialstaatliche Maßnahmen mit.
Grossformatiges Paperback. Klappenbroschur
Lese-Probe zu „Behinderte Anerkennung? “
EinleitungBehinderung ist ein zeitgebundenes Phänomen. Was das ist, "Behinderung", wie sich der Begriff veränderte und welchen Anteil Betroffene an diesem Wandel hatten, wird eine Frage dieser Arbeit sein. Denn das Thema dieser Arbeit sind Interessenorganisationen von Menschen mit Behinderungen in der Bundesrepublik Deutschland von den 1940er bis in die 1980er Jahre. Menschen mit Behinderungen hatten Interessen und haben diese auch formuliert und vertreten. In welchen Formen sie dies taten, was ihre Anliegen waren und wie sich Organisationen von Menschen mit Behinderungen oder ihrer Angehörigen in der Bundesrepublik Gehör verschafften, ist die Klammer dieser Arbeit. Damit befindet sich die Geschichte von Interessenorga-nisationen von Menschen mit Behinderungen in der Bundesrepublik in ei-nem Schnittfeld unterschiedlicher Perspektivierungen und Theorieangebote. Ein Erkenntnisinteresse liegt in der Geschichte der Interessen der Betroffenen selbst. Denn diese unterlagen Wandlungsprozessen und drückten sich in unterschiedlichen Zielformulierungen und Organisationsformen aus. Zum einen spiegelten sich veränderte Interessen in differierenden Vorstellungen von gesellschaftlicher Anerkennung und Partizipation sowie von unterschiedlichen Normalitätsanforderungen. Zum anderen war die Durchsetzungsfähigkeit von Interessen an die Organisationsform und ihre Artikulationsfähigkeiten geknüpft. Auf diese Weise kann die Geschichte von Interessenorganisationen von Menschen mit Behinderungen in die Geschichte der Bundesrepublik eingeordnet werden. Des Weiteren trägt diese Arbeit zur Geschichte von "Behinderung" bei. Dieser Begriff bildete sich erst im Laufe der 1960er Jahre als Kollektivbezeichnung für körperliche, seelische und geistige Abweichungen von der Norm heraus. Die Interessenorganisationen hatten unterschiedliche Bezüge zu dieser Bezeichnung. Auf der einen Seite lehnten sie den Begriff als diskriminierend ab, auf der anderen Seite griffen sie ihn auf und fanden in ihm eine
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identitätsstiftende Kraft. Daher geht es auch um eine Historisierung dieser kategorisierenden Bezeichnung, ihrer zeitgenössischen Bedeutungsinhalte und Zuschreibungen, die durch die Gesellschaft und die unterschiedlichen Betroffenen vorgenommen wurden. Damit rücken Verhältnisse von Normalität und Abweichung, von Differenzierung und Homogenisierung in den Fokus. An der Gestal-tung dieser Verhältnisse hatten die Interessenorganisationen von Menschen mit Behinderungen einen entscheidenden Anteil.Forschungsstand und FragestellungEinen Ausgangspunkt dieser Arbeit bilden die Disability Studies. Dieser jüngeren Forschungsrichtung geht es darum, Behinderung nicht als medizinisches oder essentialistisches Phänomen zu betrachten, sondern vielmehr als soziale und kulturelle Kategorie zu untersuchen. Aus diesen Forschungen lernen wir, dass Behinderung spezifischen Deutungen unterliegt, die wandelbar sind und sich im Verhältnis einer Dichotomie von Abweichung und Normalität bewegen. Behinderung ist demnach nicht etwas natürlich Erscheinendes oder Gegebenes, sondern vielmehr eine potenziell universelle Lebenserfahrung, die abhängig von ihrem Kontext bestimmt wird. Behinderung ist damit eine immer wieder neu bestimmte und verhandelte Kategorie. Daraus resultiert auch der innovative Charakter dieses Ansatzes, lassen sich doch über die Analyse von "Behinderung" Rückschlüsse auf zeitgenössische Konstruktionen von Normalität und Abweichung ziehen. Die historischen Forschungen, die aus dem Blickwinkel der Disability Studies betrieben und als Disability History bezeichnet werden, kennzeichnet zudem ein folgenreicher Perspektivwechsel: Denn aus ihrer Ablehnung einer paternalisierenden Top-Down-Perspektive, also dem Reden und Schreiben über Menschen mit Behinderungen, ergibt sich die Betonung des Subjektcharakters von Menschen mit Behinderungen und ihrer jeweiligen Handlungsmacht. Die Betroffenen selbst, ihre Anliegen und Forderungen, rücken in den Mittelpunkt. Das Diktum lautet: "
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Inhaltsverzeichnis zu „Behinderte Anerkennung? “
InhaltEinleitung 9I. Kriegsopferverbände in der frühen Bundesrepublik 291. Kriegsopfer im Verband - Organisationsform und Zusammensetzung 342. Versehrtheit und Gemeinschaft - Selbstverständnis, Selbstbeschreibung und Identitätsstiftungsangebote 502.1 Der Kalte Krieg der Kriegsopferverbände 512.2 "Normalisierung" - Arbeit und Geschlecht 592.3 Kriegserinnerung und Demokratisierungswille - Kameradschaftliche Erfahrung und "politische Erinnerung" 663. Verbandliche Selbsthilfe als Politikum 743.1 Selbsthilfe und politische Einflussnahme 753.2 Sammlungen und Spenden 794. Öffentlichkeitsarbeit zwischen Selbsthilfe und politischer Einflussnahme 825. Politische Einflussnahme und Interessenpolitik im politischen Raum 865.1 Formen der Einflussnahme - Vorparlamentarische Einflussnahmen und Personalunionen 885.2 Beispiele der Einflussnahme -Das Bundesversorgungsgesetz 955.3 Grenzen der politischen Einflussnahme? -Die Neuordnung der Kriegsopferversorgung 1026. Das "Ende der Nachkriegszeit" als Ende der versehrtenNation 118II. Zwischen Fremd- und Selbstadvokation -Elternvereinigungen in den 1960er Jahren 1251. Verein und Vereinigung - Organisationsformen der Elternund ihre Zusammensetzung 1302. Öffentlichkeitsarbeit und öffentliche Meinung zwischenMitleid und aggressiver Ablehnung 1372.1 Der Conterganskandal 1412.2 Der "Fall Aumühle" 1463. Konzepte sozialer Eingliederung 1484. Selbsthilfe -Familiennahe Unterbringung und Bildungsfähigkeit 1534.1 "Enthospitalisierung" 1554.2 Bildungsfähigkeit und "lebenspraktische Erziehung" 1655. Politische Einflussnahme durch Experten 1795.1 Der Conterganskandal als Impuls 1825.2 Auseinandersetzungen um Meldepflicht und Sterilisation 1886. "Für die Behinderten hat die Zukunft noch nicht begonnen" 198III. Clubs, Initiativen und Bewegung in den 1970er und1980er Jahren 2081. Clubs, Initiativen und Diskussionszusammenhänge -Neue Organisationsformen und deren Zusammensetzung 2132. Partizipation, Integration und Emanzipation 2322.1 Demokratisierung und
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Politisierung in den 1970er Jahren 2342.2 Radikalisierung in den späten 1970er Jahren -Formen und Funktionen politischer Erinnerung 2382.3 Behinderungsbegriff und Integrationskonzepte 2432.4 Abgrenzungen und Ausgrenzungen 2553. Selbsthilfe - Selbstbewusstsein, Freizeitgestaltung undneue Ideen selbstbestimmter Hilfen 2603.1 Räume des Austausches 2623.2 Freizeitgestaltung 2663.3 Pragmatisch und zielorientiert - Selbsthilfeinitiativen zur selbstbestimmten Hilfeleistung und Assistenz 2724. Öffentlichkeitsarbeit und Interessenartikulation 2774.1 Neue Öffentlichkeit und Öffentlichkeitsarbeit 2804.2 Partizipation, Protest und Provokation - Interessenartikulation 2905. Differenzierungsprozesse der 1980er Jahre 3226. Behindertenbewegung als neue soziale Bewegung? 344IV. Zusammenfassung und Fazit 354Anhang 379Dank 418
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Autoren-Porträt von Jan Stoll
Jan Stoll promovierte im DFG-Projekt "Geschichte von Menschen mit Behinderung seit 1945" an der Universität Kiel.
Bibliographische Angaben
- Autor: Jan Stoll
- 2017, 418 Seiten, Masse: 13,9 x 21,6 cm, Kartoniert (TB), Deutsch
- Verlag: CAMPUS VERLAG
- ISBN-10: 3593506203
- ISBN-13: 9783593506203
- Erscheinungsdatum: 31.03.2017
Pressezitat
»Jan Stoll zeigt in seiner ambitionierten Studie [...], welche Interessen und Zielvorstellungen diverse Behindertengruppen entwickelten, wie sie sich artikulierten und welche Auswirkungen dies auf den öffentlichen Umgang mit Behinderung hatte. [...] Stolls akribische Auswertung von Archiven und Periodika der Behindertenorganisationen selbst, aber auch von Dokumenten staatlicher Akteure, Parteien und Medien macht deutlich, dass Behinderte an der Formierung von Zivilgesellschaft und gesellschaftlicher Selbstorganisation einen wichtigen Anteil hatten.« Anna Derksen, H-Soz-Kult, 20.12.2017»Hier [ist] eine sehr solide, spannende und sehr gut strukturierte Studie entstanden, die das noch junge Forschungsgebiet der 'Disability History' durch die Betroffenenperspektive ergänzt und mit validen Ergebnissen aufwartet.« Silke Fehlmann, Vierteljahresschrift für Sozial- und Wirtschaftsgeschichte, 17.10.2018»Jan Stoll ist eine sehr gute, fundierte und zugleich fokussierte Studie auf relativem Neuland geglückt. Wer immer sich mit sozial- und geschichtswissenschaftlichen Aspekten von Behinderung im deutschsprachigen Raum befasst, sollte sich unbedingt die Zeit nehmen, sie zu lesen, um nicht zu sagen: 'wird in Zukunft an ihr nicht mehr vorbei kommen'.« Jörg Michael Kastl, Socialnet, 13.06.2018
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