Ayla und das Lied der Höhlen
Roman
Ayla wird von der grossen Heilerin der Neunten Höhle als Nachfolgerin auserkoren. Sie bricht auf zu Reisen der Initiation voller Erkenntnisse und Gefahren. Doch ihre Beziehung zu Jondalar leidet darunter.
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Produktinformationen zu „Ayla und das Lied der Höhlen “
Ayla wird von der grossen Heilerin der Neunten Höhle als Nachfolgerin auserkoren. Sie bricht auf zu Reisen der Initiation voller Erkenntnisse und Gefahren. Doch ihre Beziehung zu Jondalar leidet darunter.
Klappentext zu „Ayla und das Lied der Höhlen “
Genauestens recherchiert und grandios erzähltVon Millionen Lesern sehnsüchtig erwartet: Jean M. Auel legt nun den krönenden Höhepunkt ihrer Steinzeit-Saga vor, einer der erfolgreichsten Romanserien aller Zeiten. Ayla wird von der grossen Heilerin der Neunten Höhle als Nachfolgerin auserkoren. Sie bricht auf zu Reisen der Initiation voller Erkenntnisse und Gefahren. Dabei merkt sie kaum, wie sehr ihre Beziehung zu Jondalar darunter leidet . . .
Es ist viele Jahre her, dass das Cro-Magnon-Mädchen Ayla vom Neandertalerclan des Bären verstossen wurde und ihre lange Reise durch das eiszeitliche Europa begann. Nun ist sie mit ihrem Gefährten Jondalar bei seinem Volk, den Zelandonii der Neunten Höhle, heimisch geworden und hat ein süsses Töchterchen. Obwohl Ayla als junge Mutter alle Hände voll zu tun hat, lässt ihr die Heilerin und spirituelle Anführerin der Neunten Höhle eine gewaltige Ehre zuteilwerden: Sie nimmt Ayla als ihre Gehilfin an. Voll Eifer stürzt sich Ayla in die Jahre währende Ausbildung und die verschiedenen Reisen, die dazugehören. Doch die dauernde hohe Belastung zehrt auch an der Beziehung zu Jondalar, der sich vernachlässigt fühlt. Bis er sich verletzt von ihr abwendet. Einmal mehr lässt Jean M. Auel mit ihren wunderbaren Figuren das Leben vor rund 30.000 Jahren wiederauferstehen. Meisterhaft webt sie ihr gigantisches Wissen über die frühmenschliche Kultur und Lebensweise in einen packenden epischen Bilderbogen.
"Ein meisterhaftes Panorama menschlicher Kultur in ihrer frühesten Epoche." -- New York Times
"Auels realitätsnahe Beschreibung der frühen Welt ist so mitreissend, dass man das Buch kaum aus der Hand legen möchte!" -- Freundin
"Was Millionen Fans fasziniert, ist die Welt, in die Jean Auel ihre Leser entführt. Das Leben vor rund 30.000 Jahren, das unserem heutigen Leben gleichzeitig so fern und doch so nah ist. Auels Urmenschen sind keine grobschlächtigen Halbaffen, sondern reflektierte Erwachsene, die denken und fühlen wie wir - und die mit den selben Problemen kämpfen: Eifersucht, Sinnsuche, Diskriminierung, Erfolgsdruck, Alkoholismus. Die Ayla-Serie ist eine Historien-Soap vor atemberaubender Kulisse." -- Die Presse
"Auels realitätsnahe Beschreibung der frühen Welt ist so mitreissend, dass man das Buch kaum aus der Hand legen möchte!" -- Freundin
"Was Millionen Fans fasziniert, ist die Welt, in die Jean Auel ihre Leser entführt. Das Leben vor rund 30.000 Jahren, das unserem heutigen Leben gleichzeitig so fern und doch so nah ist. Auels Urmenschen sind keine grobschlächtigen Halbaffen, sondern reflektierte Erwachsene, die denken und fühlen wie wir - und die mit den selben Problemen kämpfen: Eifersucht, Sinnsuche, Diskriminierung, Erfolgsdruck, Alkoholismus. Die Ayla-Serie ist eine Historien-Soap vor atemberaubender Kulisse." -- Die Presse
Lese-Probe zu „Ayla und das Lied der Höhlen “
Ayla und das Lied der Höhlen von Jean M. Auel1
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Die kleine Gruppe folgte dem Pfad zwischen dem klaren, glitzernden Wasser des Grasflusses und der von schwarzen Streifen durchzogenen Kalksteinwand entlang des rechten Flussufers. Hintereinander umrundeten sie die Biegung, an der die Felswand näher zum Fluss vorragte. Vor ihnen zweigte ein schmalerer Pfad zur Furt ab, bei der das Wasser breiter und flacher wurde und sprudelnd die Steine umfloss.
Kurz bevor sie die Weggabelung erreichten, blieb eine junge Frau vorn in der Gruppe unvermittelt stehen. Ihre Augen weiteten sich, und sie deutete mit dem Kinn, wollte keine auffälligen Bewegungen machen. »Schaut! Da drüben! «, flüsterte sie ängstlich. »Löwen!«
Joharran, der Anführer, gab den anderen mit erhobenem Arm das Zeichen stehen zu bleiben. Direkt hinter der Abzweigung bewegten sich lohfarbene Höhlenlöwen durch das Gras. Dank der guten Tarnung hätten sie die Tiere wohl erst aus viel größerer Nähe entdeckt, wären da nicht Thefonas scharfe Augen gewesen. Die junge Frau besaß ein außergewöhnliches Sehvermögen, ihr angeborenes Talent war schon früh bemerkt worden, und man hatte mit ihrer Ausbildung begonnen, als sie noch ein kleines Mädchen war. Thefona war die beste Späherin der Dritten Höhle.
Ayla und Jondalar, die am hinteren Ende der Gruppe ihre drei Pferde führten, blickten auf, um zu sehen, was diese Verzögerung verursacht hatte. »Warum haben wir so plötzlich angehalten?«, fragte Jondalar mit dem vertrauten sorgenvollen Stirnrunzeln.
Ayla beobachtete den Anführer und die Menschen um ihn herum eindringlich, wobei sie instinktiv die Hand schützend um das warme Bündel in der weichen, vor ihre Brust gebundenen Lederdecke legte. Jon ayla war vor kurzem gestillt worden und schlief, bewegte sich bei der Berührung ihrer Mutter jedoch ein wenig. Ayla besaß die verblüffende Fähigkeit, Körpersprache zu deuten, erlernt in jungen Jahren, als sie beim Clan lebte. Sie wusste, dass Joharran beunruhigt war und Thefona sich fürchtete.
Auch Ayla verfügte über ein außergewöhnlich scharfes Sehvermögen. Darüber hinaus konnte sie Geräusche wahrnehmen, die über und unter dem Bereich normalen menschlichen Hörens lagen. Ihr Geruchs- und Geschmackssinn waren ebenfalls ausgeprägt, doch sie hatte sich nie mit anderen verglichen und wusste daher nicht, wie außergewöhnlich ihre Auffassungsgabe war. Die scharfen Sinne waren ihr angeboren, und das hatte ihr zweifellos geholfen zu überleben, nachdem sie mit fünf Jahren ihre Eltern und alles, was sie kannte, verloren hatte. Beigebracht hatte sie sich alles selbst und ihre natürlichen Fähigkeiten in den Jahren weiterentwickelt, in denen sie Tiere beobachtete, hauptsächlich Raubtiere, um das Jagen zu lernen.
In der Stille nahm Ayla das leise, aber vertraute Knurren der Löwen wahr, ihren von einer leichten Brise herangetragenen, unverkennbaren Geruch, und bemerkte, dass mehrere von der Gruppe nach vorn blickten. Als sie genauer hinschaute, sah sie, wie sich etwas bewegte. Plötzlich wurden die im Gras verborgenen Katzen ganz deutlich sichtbar. Jetzt konnte Ayla zwei junge und drei oder vier erwachsene Höhlenlöwen ausmachen. Als sie sich in Bewegung setzte, griff sie mit einer Hand nach der Speerschleuder, die mit einer Trageschlaufe an ihrem Hüftriemen befestigt war, und mit der anderen nach einem Speer, der im Köcher auf ihrem Rücken steckte.
»Wo willst du hin?«, fragte Jondalar.
Sie blieb stehen. »Da vorne, direkt hinter der Abzweigung, sind Löwen«, erwiderte sie leise.
Jondalar drehte sich um und bemerkte Bewegungen, die er nun, da er wusste, wonach er Ausschau halten musste, ebenfalls als Löwen erkannte. Auch er griff nach seinen Waffen. »Du solltest mit Jon ayla hierbleiben. Ich gehe.«
Ayla blickte auf ihr schlafendes Kind und dann zu Jondalar. »Du kannst wirklich gut mit der Speerschleuder umgehen, Jondalar, aber da vorn sind mindestens zwei junge und drei ausgewachsene Löwen, vermutlich noch mehr. Wenn die Löwen glauben, dass die Jungen in Gefahr sind, und angreifen, wirst du Hilfe brauchen. Und du weißt, dass ich besser bin als alle anderen außer dir.«
Wieder runzelte er die Stirn. Dann nickte er. »Na gut ... aber bleib hinter mir.« Aus dem Augenwinkel nahm er eine Bewegung wahr und blickte sich um. »Was ist mit den Pferden?«
»Sie wissen, dass Löwen in der Nähe sind. Schau sie dir an«, antwortete Ayla.
Jondalar sah, dass die Pferde, einschließlich des Fohlens, ebenfalls in die Richtung der Löwen starrten. Offensichtlich hatten sie die riesigen Raubkatzen auch wahrgenommen. »Werden sie ruhig bleiben? Vor allem die kleine Grau?«
»Sie wissen, dass sie sich von den Löwen fernhalten müssen, aber ich sehe Wolf nicht«, sagte Ayla. »Ich sollte nach ihm pfeifen.«
»Das brauchst du nicht.« Jondalar deutete in eine andere Richtung. »Er muss auch etwas gewittert haben. Schau mal, wie er ankommt.«
Ayla drehte sich um und sah den Wolf auf sich zurennen. Der Fleischfresser war ein prachtvolles Tier, größer als die meisten seiner Art, doch das abgeknickte Ohr, das ihm nach einem Kampf mit anderen Wölfen geblieben war, verlieh ihm etwas Verwegenes. Ayla machte das spezielle Zeichen, das sie benutzte, wenn sie gemeinsam jagten. Er wusste dann, dass er in ihrer Nähe bleiben und genau auf sie achten musste. Eilig schlängelten sie sich an den anderen vorbei nach vorne, bemüht, nicht zu viel Unruhe zu verursachen und so unauffällig wie möglich zu bleiben.
»Ich bin froh, dass ihr hier seid«, sagte Joharran leise, als er seinen Bruder und Ayla mit dem Wolf näher kommen sah, die Speerschleudern in der Hand.
»Wisst ihr, wie viele es sind?«, fragte Ayla.
»Mehr als ich dachte.« Thefona versuchte ruhig zu wirken und ihre Angst nicht zu zeigen. »Zuerst dachte ich, es wären vielleicht drei oder vier, aber sie bewegen sich im Gras hin und her, und jetzt glaube ich, es könnten zehn oder mehr sein. Ein großes Rudel.«
»Und sie fühlen sich sicher«, fügte Joharran hinzu. »Woher weißt du das?«, fragte Thefona.
»Sie beachten uns nicht.«
Jondalar wusste, dass seine Gefährtin mit den großen Raubkatzen vertraut war. » Ayla kennt Höhlenlöwen«, sagte er. »Vielleicht sollten wir hören, was sie meint.« Joharran nickte ihr zu und fragte wortlos nach ihrer Ansicht.
»Joharran hat Recht. Sie wissen, dass wir hier sind. Und sie wissen, wie viele sie sind und wie viele wir sind«, sagte Ayla und fügte hinzu: »Mag sein, dass sie uns als eine Herde von Pferden oder Auerochsen betrachten und meinen, ein schwaches Tier herausgreifen zu können. Ich glaube, sie sind noch nicht lange in diesem Gebiet.«
»Wie kommst du darauf?«, fragte Joharran. Aylas enorme Kenntnisse über vierbeinige Jäger erstaunten ihn immer wieder, doch aus irgendeinem Grund fiel ihm in Momenten wie diesen ihr ungewöhnlicher Akzent ebenfalls stärker auf.
»Sie kennen uns nicht, daher sind sie so selbstsicher«, fuhr Ayla fort. »Wenn es ein ansässiges Rudel wäre, das in der Nähe von Menschen gelebt hat und schon ein paarmal vertrieben oder gejagt wurde, wären sie wahrscheinlich nicht so sorglos.«
»Tja, dann sollten wir ihnen vielleicht etwas geben, worüber sie sich Sorgen machen können«, meinte Jondalar.
Joharran runzelte die Stirn auf eine Weise, die so sehr an seinen jüngeren Bruder erinnerte, dass Ayla beinahe lächeln musste. »Vielleicht wäre es klüger, ihnen einfach aus dem Weg zu gehen«, sagte der dunkelhaarige Anführer.
»Ich glaube nicht.« Ayla senkte den Kopf und sah zu Boden. Nach wie vor fiel es ihr schwer, einem Mann vor allen anderen zu widersprechen, und erst recht einem Anführer. Obwohl sie wusste, dass es unter den Zelandonii durchaus zulässig war - schließlich waren Frauen bisweilen auch Anführer, wie einst sogar Joharrans und Jondalars Mutter -, wäre im Clan, bei dem sie aufgewachsen war, ein solches Verhalten einer Frau nie geduldet worden.
»Warum nicht?«, fragte Joharran, dessen Blick sich verfinstert hatte.
»Diese Löwen rasten zu nahe an der Wohnstätte der Dritten Höhle«, erklärte Ayla leise. »In der Gegend wird es immer Löwen geben, aber wenn sie sich hier wohlfühlen, merken sie sich diesen Ort womöglich als Ruheplatz und betrachten alle Menschen, die sich ihm nähern, als Beute, vor allem Kinder oder Ältere. Sie könnten zur Gefahr für die Menschen werden, die in Felsen der Zwei Flüsse wohnen, und für andere nahe gelegene Höhlen, einschließlich der Neunten.«
Joharran atmete tief durch und schaute dann zu seinem flachsblonden, ihn überragenden Bruder. »Deine Gefährtin hat Recht, und du auch, Jondalar. Vielleicht ist es an der Zeit, diesen Löwen zu zeigen, dass wir es nicht gutheißen, wenn sie sich so nahe an unseren Wohnstätten niederlassen.«
»Das wäre ein guter Moment, die Speerschleudern zu benutzen, um aus sichererer Entfernung zu jagen. Mehrere Jäger hier haben bereits mit ihr geübt«, sagte Jondalar. Gerade deshalb hatte er nach Hause zurückkehren und allen die Waffe zeigen wollen, die er entwickelt hatte. »Vielleicht müssen wir nicht mal einen Löwen töten, sondern nur einen oder zwei verwunden, damit sie lernen, sich fernzuhalten.«
»Jondalar«, sagte Ayla leise. Sie wappnete sich innerlich, ihm zu widersprechen oder zumindest etwas anzuführen, das er in Betracht ziehen sollte. Wieder schaute sie zu Boden, hob dann den Blick und sah ihm direkt in die Augen. Sie fürchtete sich nicht davor, ihm ihre Meinung kundzutun, aber sie wollte respektvoll sein. »Es stimmt, dass die Speerschleuder eine sehr gute Waffe ist. Damit kann ein Speer aus viel weiterer Entfernung geworfen werden als mit der Hand, und das macht es sicherer. Aber sicher heißt nicht ungefährlich. Ein verwundetes Tier ist unberechenbar. Und eines mit der Kraft und der Schnelligkeit eines Höhlenlöwen, das verletzt ist und außer sich vor Schmerz, ist zu allem fähig. Wenn du beschließt, diese Waffen gegen die Löwen einzusetzen, sollten sie nicht nur verletzen, sondern auch töten.«
»Sie hat Recht, Jondalar«, sagte Joharran.
Jondalar warf seinem Bruder einen Blick zu und lächelte dann verlegen. »Ja, aber so gefährlich Höhlenlöwen auch sind, es schmerzt mich immer, einen von ihnen zu töten, wenn es nicht sein muss. Sie sind so schön, so geschmeidig und anmutig in ihren Bewegungen. Höhlenlöwen haben nur wenig zu fürchten. Ihre Kraft verleiht ihnen Selbstvertrauen.« Stolz und Liebe flackerten in seinem Blick auf, als er Ayla ansah. »Ich fand immer, dass das Totem des Höhlenlöwen genau zu Ayla passt.« Befangen, weil er seine star- ken inneren Gefühle für sie gezeigt hatte, errötete er leicht. »Trotzdem glaube ich, dass dies der richtige Moment ist, Speerschleudern zum Einsatz zu bringen.«
Joharran bemerkte, dass die meisten der Gruppe näher getreten waren. »Wie viele von uns können damit umgehen?«, fragte er seinen Bruder.
»Nun ja, du und ich, und Ayla natürlich.« Jondalar schaute in die Runde. »Rushemar hat viel geübt und kommt schon gut damit zurecht. Solaban war damit beschäftigt, Elfenbeingriffe für Werkzeuge anzufertigen, und hat nicht so viel üben können, beherrscht aber die Grundzüge.«
»Ich habe die Speerschleuder einige Male ausprobiert, Joharran. Ich besitze keine eigene und werde auch nicht allzu gut damit fertig«, warf Thefona ein, »aber ich kann einen Speer ohne die Schleuder werfen.«
»Danke, Thefona, dass du mich daran erinnerst«, erwiderte Joharran. »Fast alle, auch die Frauen, haben ohne Speerschleuder Erfahrung mit Speeren. Das sollten wir nicht vergessen.« Dann richtete er sich an die gesamte Gruppe. »Wir müssen den Löwen zeigen, dass dies kein guter Rastplatz für sie ist. Alle, die es mit ihnen aufnehmen wollen, ob mit oder ohne Speerschleuder, sollen vortreten.«
Ayla löste die Tragedecke ihrer Tochter. »Folara, würdest du bitte auf Jon ayla aufpassen?«, fragte sie und trat auf Jondalars jüngere Schwester zu. »Falls du nicht lieber bei uns bleiben und Höhlenlöwen jagen willst.«
»Ich war schon bei Treibjagden dabei, aber ich kam nie gut mit dem Speer zurecht, und mit der Schleuder gelingt es mir auch nicht besser«, antwortete Folara. »Ich kümmere mich um Jon ayla.« Die Kleine war jetzt vollkommen wach, und als die junge Frau die Arme nach ihr ausstreckte, ließ sie sich bereitwillig an ihre Tante weiterreichen.
»Ich helfe ihr«, sagte Proleva zu Ayla. Joharrans Gefährtin trug ebenfalls einen Säugling in der Tragedecke, ein kleines Mädchen, nur ein paar Tage älter als Jon ayla, und hatte zudem noch einen lebhaften kleinen Jungen dabei, der sechs Jahre zählte. »Ich finde, wir sollten alle Kinder von hier fortbringen, vielleicht hinter den vorstehenden Felsen oder hinauf zur Dritten Höhle.«
»Das ist eine gute Idee«, stimmte Joharran zu. »Die Jäger bleiben hier, die anderen gehen zurück, aber langsam. Keine plötzlichen Bewegungen. Die Höhlenlöwen sollen glauben, wir liefen nur ziellos herum wie eine Herde Auerochsen. Aber wenn wir uns aufteilen, muss jede Gruppe zusammenbleiben. Sie greifen wahrscheinlich nur Einzelne an.«
Ayla wandte sich wieder den vierbeinigen Jägern zu und sah viele Löwenköpfe, die wachsam in ihre Richtung gedreht waren. Sie beobachtete die umherlaufenden Tiere und machte unterschiedliche Merkmale aus, die ihr halfen, die Raubkatzen zu zählen. Eine große Löwin drehte sich gemächlich um - nein, ein Löwe, erkannte Ayla, als sie von hinten seine männlichen Organe sah. Einen Moment lang hatte sie ganz vergessen, dass die männlichen Tiere hier keine Mähnen trugen. Die männlichen Höhlenlöwen nahe ihres Tals im Osten, auch der, den sie recht gut kannte, hatten Mähnen um den Kopf und am Hals, wenn auch keine dichten. Das hier ist ein großes Rudel, dachte sie, mehr als zwei, vielleicht drei Handvoll Zählwörter, die Jungen mitgerechnet.
Während sie die Tiere beobachtete, kam der große Löwe ein paar Schritte näher und war wieder im Gras verschwunden. Erstaunlich, wie gut die hohen, dünnen Halme diese großen Tiere verbargen.
Obwohl die Knochen und Zähne von Höhlenlöwen - Raubkatzen, die in Höhlen Unterschlupf fanden, wodurch ihre Knochen erhalten blieben - die gleiche Form hatten wie die ihrer Nachfolger, die eines Tages die fernen Lande des Kontinents weit im Süden durchstreifen würden, waren diese Tiere fast anderthalbmal, manche doppelt so groß. In der kalten Jahreszeit wuchs ihnen ein dichtes Winterfell, so hell, dass es beinahe weiß war, eine nützliche Tarnung für Raubtiere, die auch im Schnee jagten. Ihr ebenfalls helles Sommerfell war eher lohfarben, und da einige der Raubkatzen immer noch ihr Winterfell verloren, sahen sie zerzaust und scheckig aus.
Die hauptsächlich aus Frauen und Kindern bestehende Gruppe trennte sich von den Jägern und kehrte zu dem Felsvorsprung zurück, an dem sie vorbeigekommen waren. Joharran hatte ihnen einige junge, mit Speeren bewaffnete Männer und Frauen zum Schutz mitgegeben. Ayla bemerkte, dass die Pferde besonders nervös wirkten und beruhigt werden mussten. Sie gab Wolf ein Zeichen, mit ihr zu kommen.
Winnie schien froh zu sein, sie und Wolf zu sehen. Die Stute fürchtete sich nicht vor dem großen Raubtier. Sie hatte Wolf schon gekannt, als er noch ein kleines Fellknäuel war, und hatte geholfen, ihn aufzuziehen. Jetzt aber wollte Ayla, dass sich die Pferde mit den Frauen und Kindern hinter die Felswand zurückzogen. Sie konnte Winnie mit Worten und Handzeichen viele Befehle geben, war sich jedoch nicht sicher, wie sie der Stute klarmachen sollte, mit den anderen zu gehen und nicht ihr zu folgen.
Renner wieherte, als Ayla näher kam; er wirkte besonders aufgeregt. Sie begrüßte den braunen Hengst zärtlich und tätschelte und kraulte das graue Fohlen, dann schlang sie die Arme um den kräftigen Hals der falben Stute, die während der ersten einsamen Jahre, nachdem Ayla den Clan verlassen hatte, ihr einziger Freund gewesen war.
In einer vertrauten Geste gegenseitigen Beistands lehnte Winnie den Kopf über die Schulter der Frau. Ayla verständigte sich mit der Stute in einer Mischung aus Clan-Handzeichen, Worten und Tierlauten - eine Sprache, die sie speziell für Winnie entwickelt hatte, bevor sie Jondalars Sprache lernte. Ayla wies die Stute an, mit Folara und Proleva zu gehen. Ob Winnie sie nun verstand oder einfach wusste, dass es für sie und ihr Fohlen sicherer sein würde, Ayla war jedenfalls froh, dass sich die Stute mit den anderen Müttern zur Felswand zurückzog, als sie in die Richtung zeigte.
Aber Renner war nervös und gereizt, was sich noch verstärkte, als die Stute davontrottete. Selbst als ausgewachsener Hengst war Renner daran gewöhnt, seinem Muttertier zu folgen, vor allem, wenn Ayla und Jondalar zusammen ritten, doch diesmal ging er nicht sofort mit. Er tänzelte, warf den Kopf zurück und wieherte. Jondalar hörte ihn, blickte zu dem Hengst und der Frau hinüber und kam dann zu ihnen. Das junge Pferd wieherte den Mann leise an, als er näher kam. Jetzt, da er zwei weibliche Tiere in seiner kleinen »Herde« hatte, schienen sich seine beschützenden Hengstinstinkte zu regen. Jondalar sprach mit ihm, streichelte und kraulte ihn an seinen Lieblingsstellen, um ihn zu beruhigen, befahl ihm dann, mit Winnie zu gehen, und gab ihm einen Klaps auf die Kruppe. Das reichte, um ihn in die richtige Richtung zu lenken.
Übersetzung: Susanne Aeckerle, Marion Balkenhol und Ursula Wulfekamp
Copyright © 2011 der deutschen ausgabe by Wilhelm Heyne Verlag, München,
in der Verlagsgruppe random House
Die kleine Gruppe folgte dem Pfad zwischen dem klaren, glitzernden Wasser des Grasflusses und der von schwarzen Streifen durchzogenen Kalksteinwand entlang des rechten Flussufers. Hintereinander umrundeten sie die Biegung, an der die Felswand näher zum Fluss vorragte. Vor ihnen zweigte ein schmalerer Pfad zur Furt ab, bei der das Wasser breiter und flacher wurde und sprudelnd die Steine umfloss.
Kurz bevor sie die Weggabelung erreichten, blieb eine junge Frau vorn in der Gruppe unvermittelt stehen. Ihre Augen weiteten sich, und sie deutete mit dem Kinn, wollte keine auffälligen Bewegungen machen. »Schaut! Da drüben! «, flüsterte sie ängstlich. »Löwen!«
Joharran, der Anführer, gab den anderen mit erhobenem Arm das Zeichen stehen zu bleiben. Direkt hinter der Abzweigung bewegten sich lohfarbene Höhlenlöwen durch das Gras. Dank der guten Tarnung hätten sie die Tiere wohl erst aus viel größerer Nähe entdeckt, wären da nicht Thefonas scharfe Augen gewesen. Die junge Frau besaß ein außergewöhnliches Sehvermögen, ihr angeborenes Talent war schon früh bemerkt worden, und man hatte mit ihrer Ausbildung begonnen, als sie noch ein kleines Mädchen war. Thefona war die beste Späherin der Dritten Höhle.
Ayla und Jondalar, die am hinteren Ende der Gruppe ihre drei Pferde führten, blickten auf, um zu sehen, was diese Verzögerung verursacht hatte. »Warum haben wir so plötzlich angehalten?«, fragte Jondalar mit dem vertrauten sorgenvollen Stirnrunzeln.
Ayla beobachtete den Anführer und die Menschen um ihn herum eindringlich, wobei sie instinktiv die Hand schützend um das warme Bündel in der weichen, vor ihre Brust gebundenen Lederdecke legte. Jon ayla war vor kurzem gestillt worden und schlief, bewegte sich bei der Berührung ihrer Mutter jedoch ein wenig. Ayla besaß die verblüffende Fähigkeit, Körpersprache zu deuten, erlernt in jungen Jahren, als sie beim Clan lebte. Sie wusste, dass Joharran beunruhigt war und Thefona sich fürchtete.
Auch Ayla verfügte über ein außergewöhnlich scharfes Sehvermögen. Darüber hinaus konnte sie Geräusche wahrnehmen, die über und unter dem Bereich normalen menschlichen Hörens lagen. Ihr Geruchs- und Geschmackssinn waren ebenfalls ausgeprägt, doch sie hatte sich nie mit anderen verglichen und wusste daher nicht, wie außergewöhnlich ihre Auffassungsgabe war. Die scharfen Sinne waren ihr angeboren, und das hatte ihr zweifellos geholfen zu überleben, nachdem sie mit fünf Jahren ihre Eltern und alles, was sie kannte, verloren hatte. Beigebracht hatte sie sich alles selbst und ihre natürlichen Fähigkeiten in den Jahren weiterentwickelt, in denen sie Tiere beobachtete, hauptsächlich Raubtiere, um das Jagen zu lernen.
In der Stille nahm Ayla das leise, aber vertraute Knurren der Löwen wahr, ihren von einer leichten Brise herangetragenen, unverkennbaren Geruch, und bemerkte, dass mehrere von der Gruppe nach vorn blickten. Als sie genauer hinschaute, sah sie, wie sich etwas bewegte. Plötzlich wurden die im Gras verborgenen Katzen ganz deutlich sichtbar. Jetzt konnte Ayla zwei junge und drei oder vier erwachsene Höhlenlöwen ausmachen. Als sie sich in Bewegung setzte, griff sie mit einer Hand nach der Speerschleuder, die mit einer Trageschlaufe an ihrem Hüftriemen befestigt war, und mit der anderen nach einem Speer, der im Köcher auf ihrem Rücken steckte.
»Wo willst du hin?«, fragte Jondalar.
Sie blieb stehen. »Da vorne, direkt hinter der Abzweigung, sind Löwen«, erwiderte sie leise.
Jondalar drehte sich um und bemerkte Bewegungen, die er nun, da er wusste, wonach er Ausschau halten musste, ebenfalls als Löwen erkannte. Auch er griff nach seinen Waffen. »Du solltest mit Jon ayla hierbleiben. Ich gehe.«
Ayla blickte auf ihr schlafendes Kind und dann zu Jondalar. »Du kannst wirklich gut mit der Speerschleuder umgehen, Jondalar, aber da vorn sind mindestens zwei junge und drei ausgewachsene Löwen, vermutlich noch mehr. Wenn die Löwen glauben, dass die Jungen in Gefahr sind, und angreifen, wirst du Hilfe brauchen. Und du weißt, dass ich besser bin als alle anderen außer dir.«
Wieder runzelte er die Stirn. Dann nickte er. »Na gut ... aber bleib hinter mir.« Aus dem Augenwinkel nahm er eine Bewegung wahr und blickte sich um. »Was ist mit den Pferden?«
»Sie wissen, dass Löwen in der Nähe sind. Schau sie dir an«, antwortete Ayla.
Jondalar sah, dass die Pferde, einschließlich des Fohlens, ebenfalls in die Richtung der Löwen starrten. Offensichtlich hatten sie die riesigen Raubkatzen auch wahrgenommen. »Werden sie ruhig bleiben? Vor allem die kleine Grau?«
»Sie wissen, dass sie sich von den Löwen fernhalten müssen, aber ich sehe Wolf nicht«, sagte Ayla. »Ich sollte nach ihm pfeifen.«
»Das brauchst du nicht.« Jondalar deutete in eine andere Richtung. »Er muss auch etwas gewittert haben. Schau mal, wie er ankommt.«
Ayla drehte sich um und sah den Wolf auf sich zurennen. Der Fleischfresser war ein prachtvolles Tier, größer als die meisten seiner Art, doch das abgeknickte Ohr, das ihm nach einem Kampf mit anderen Wölfen geblieben war, verlieh ihm etwas Verwegenes. Ayla machte das spezielle Zeichen, das sie benutzte, wenn sie gemeinsam jagten. Er wusste dann, dass er in ihrer Nähe bleiben und genau auf sie achten musste. Eilig schlängelten sie sich an den anderen vorbei nach vorne, bemüht, nicht zu viel Unruhe zu verursachen und so unauffällig wie möglich zu bleiben.
»Ich bin froh, dass ihr hier seid«, sagte Joharran leise, als er seinen Bruder und Ayla mit dem Wolf näher kommen sah, die Speerschleudern in der Hand.
»Wisst ihr, wie viele es sind?«, fragte Ayla.
»Mehr als ich dachte.« Thefona versuchte ruhig zu wirken und ihre Angst nicht zu zeigen. »Zuerst dachte ich, es wären vielleicht drei oder vier, aber sie bewegen sich im Gras hin und her, und jetzt glaube ich, es könnten zehn oder mehr sein. Ein großes Rudel.«
»Und sie fühlen sich sicher«, fügte Joharran hinzu. »Woher weißt du das?«, fragte Thefona.
»Sie beachten uns nicht.«
Jondalar wusste, dass seine Gefährtin mit den großen Raubkatzen vertraut war. » Ayla kennt Höhlenlöwen«, sagte er. »Vielleicht sollten wir hören, was sie meint.« Joharran nickte ihr zu und fragte wortlos nach ihrer Ansicht.
»Joharran hat Recht. Sie wissen, dass wir hier sind. Und sie wissen, wie viele sie sind und wie viele wir sind«, sagte Ayla und fügte hinzu: »Mag sein, dass sie uns als eine Herde von Pferden oder Auerochsen betrachten und meinen, ein schwaches Tier herausgreifen zu können. Ich glaube, sie sind noch nicht lange in diesem Gebiet.«
»Wie kommst du darauf?«, fragte Joharran. Aylas enorme Kenntnisse über vierbeinige Jäger erstaunten ihn immer wieder, doch aus irgendeinem Grund fiel ihm in Momenten wie diesen ihr ungewöhnlicher Akzent ebenfalls stärker auf.
»Sie kennen uns nicht, daher sind sie so selbstsicher«, fuhr Ayla fort. »Wenn es ein ansässiges Rudel wäre, das in der Nähe von Menschen gelebt hat und schon ein paarmal vertrieben oder gejagt wurde, wären sie wahrscheinlich nicht so sorglos.«
»Tja, dann sollten wir ihnen vielleicht etwas geben, worüber sie sich Sorgen machen können«, meinte Jondalar.
Joharran runzelte die Stirn auf eine Weise, die so sehr an seinen jüngeren Bruder erinnerte, dass Ayla beinahe lächeln musste. »Vielleicht wäre es klüger, ihnen einfach aus dem Weg zu gehen«, sagte der dunkelhaarige Anführer.
»Ich glaube nicht.« Ayla senkte den Kopf und sah zu Boden. Nach wie vor fiel es ihr schwer, einem Mann vor allen anderen zu widersprechen, und erst recht einem Anführer. Obwohl sie wusste, dass es unter den Zelandonii durchaus zulässig war - schließlich waren Frauen bisweilen auch Anführer, wie einst sogar Joharrans und Jondalars Mutter -, wäre im Clan, bei dem sie aufgewachsen war, ein solches Verhalten einer Frau nie geduldet worden.
»Warum nicht?«, fragte Joharran, dessen Blick sich verfinstert hatte.
»Diese Löwen rasten zu nahe an der Wohnstätte der Dritten Höhle«, erklärte Ayla leise. »In der Gegend wird es immer Löwen geben, aber wenn sie sich hier wohlfühlen, merken sie sich diesen Ort womöglich als Ruheplatz und betrachten alle Menschen, die sich ihm nähern, als Beute, vor allem Kinder oder Ältere. Sie könnten zur Gefahr für die Menschen werden, die in Felsen der Zwei Flüsse wohnen, und für andere nahe gelegene Höhlen, einschließlich der Neunten.«
Joharran atmete tief durch und schaute dann zu seinem flachsblonden, ihn überragenden Bruder. »Deine Gefährtin hat Recht, und du auch, Jondalar. Vielleicht ist es an der Zeit, diesen Löwen zu zeigen, dass wir es nicht gutheißen, wenn sie sich so nahe an unseren Wohnstätten niederlassen.«
»Das wäre ein guter Moment, die Speerschleudern zu benutzen, um aus sichererer Entfernung zu jagen. Mehrere Jäger hier haben bereits mit ihr geübt«, sagte Jondalar. Gerade deshalb hatte er nach Hause zurückkehren und allen die Waffe zeigen wollen, die er entwickelt hatte. »Vielleicht müssen wir nicht mal einen Löwen töten, sondern nur einen oder zwei verwunden, damit sie lernen, sich fernzuhalten.«
»Jondalar«, sagte Ayla leise. Sie wappnete sich innerlich, ihm zu widersprechen oder zumindest etwas anzuführen, das er in Betracht ziehen sollte. Wieder schaute sie zu Boden, hob dann den Blick und sah ihm direkt in die Augen. Sie fürchtete sich nicht davor, ihm ihre Meinung kundzutun, aber sie wollte respektvoll sein. »Es stimmt, dass die Speerschleuder eine sehr gute Waffe ist. Damit kann ein Speer aus viel weiterer Entfernung geworfen werden als mit der Hand, und das macht es sicherer. Aber sicher heißt nicht ungefährlich. Ein verwundetes Tier ist unberechenbar. Und eines mit der Kraft und der Schnelligkeit eines Höhlenlöwen, das verletzt ist und außer sich vor Schmerz, ist zu allem fähig. Wenn du beschließt, diese Waffen gegen die Löwen einzusetzen, sollten sie nicht nur verletzen, sondern auch töten.«
»Sie hat Recht, Jondalar«, sagte Joharran.
Jondalar warf seinem Bruder einen Blick zu und lächelte dann verlegen. »Ja, aber so gefährlich Höhlenlöwen auch sind, es schmerzt mich immer, einen von ihnen zu töten, wenn es nicht sein muss. Sie sind so schön, so geschmeidig und anmutig in ihren Bewegungen. Höhlenlöwen haben nur wenig zu fürchten. Ihre Kraft verleiht ihnen Selbstvertrauen.« Stolz und Liebe flackerten in seinem Blick auf, als er Ayla ansah. »Ich fand immer, dass das Totem des Höhlenlöwen genau zu Ayla passt.« Befangen, weil er seine star- ken inneren Gefühle für sie gezeigt hatte, errötete er leicht. »Trotzdem glaube ich, dass dies der richtige Moment ist, Speerschleudern zum Einsatz zu bringen.«
Joharran bemerkte, dass die meisten der Gruppe näher getreten waren. »Wie viele von uns können damit umgehen?«, fragte er seinen Bruder.
»Nun ja, du und ich, und Ayla natürlich.« Jondalar schaute in die Runde. »Rushemar hat viel geübt und kommt schon gut damit zurecht. Solaban war damit beschäftigt, Elfenbeingriffe für Werkzeuge anzufertigen, und hat nicht so viel üben können, beherrscht aber die Grundzüge.«
»Ich habe die Speerschleuder einige Male ausprobiert, Joharran. Ich besitze keine eigene und werde auch nicht allzu gut damit fertig«, warf Thefona ein, »aber ich kann einen Speer ohne die Schleuder werfen.«
»Danke, Thefona, dass du mich daran erinnerst«, erwiderte Joharran. »Fast alle, auch die Frauen, haben ohne Speerschleuder Erfahrung mit Speeren. Das sollten wir nicht vergessen.« Dann richtete er sich an die gesamte Gruppe. »Wir müssen den Löwen zeigen, dass dies kein guter Rastplatz für sie ist. Alle, die es mit ihnen aufnehmen wollen, ob mit oder ohne Speerschleuder, sollen vortreten.«
Ayla löste die Tragedecke ihrer Tochter. »Folara, würdest du bitte auf Jon ayla aufpassen?«, fragte sie und trat auf Jondalars jüngere Schwester zu. »Falls du nicht lieber bei uns bleiben und Höhlenlöwen jagen willst.«
»Ich war schon bei Treibjagden dabei, aber ich kam nie gut mit dem Speer zurecht, und mit der Schleuder gelingt es mir auch nicht besser«, antwortete Folara. »Ich kümmere mich um Jon ayla.« Die Kleine war jetzt vollkommen wach, und als die junge Frau die Arme nach ihr ausstreckte, ließ sie sich bereitwillig an ihre Tante weiterreichen.
»Ich helfe ihr«, sagte Proleva zu Ayla. Joharrans Gefährtin trug ebenfalls einen Säugling in der Tragedecke, ein kleines Mädchen, nur ein paar Tage älter als Jon ayla, und hatte zudem noch einen lebhaften kleinen Jungen dabei, der sechs Jahre zählte. »Ich finde, wir sollten alle Kinder von hier fortbringen, vielleicht hinter den vorstehenden Felsen oder hinauf zur Dritten Höhle.«
»Das ist eine gute Idee«, stimmte Joharran zu. »Die Jäger bleiben hier, die anderen gehen zurück, aber langsam. Keine plötzlichen Bewegungen. Die Höhlenlöwen sollen glauben, wir liefen nur ziellos herum wie eine Herde Auerochsen. Aber wenn wir uns aufteilen, muss jede Gruppe zusammenbleiben. Sie greifen wahrscheinlich nur Einzelne an.«
Ayla wandte sich wieder den vierbeinigen Jägern zu und sah viele Löwenköpfe, die wachsam in ihre Richtung gedreht waren. Sie beobachtete die umherlaufenden Tiere und machte unterschiedliche Merkmale aus, die ihr halfen, die Raubkatzen zu zählen. Eine große Löwin drehte sich gemächlich um - nein, ein Löwe, erkannte Ayla, als sie von hinten seine männlichen Organe sah. Einen Moment lang hatte sie ganz vergessen, dass die männlichen Tiere hier keine Mähnen trugen. Die männlichen Höhlenlöwen nahe ihres Tals im Osten, auch der, den sie recht gut kannte, hatten Mähnen um den Kopf und am Hals, wenn auch keine dichten. Das hier ist ein großes Rudel, dachte sie, mehr als zwei, vielleicht drei Handvoll Zählwörter, die Jungen mitgerechnet.
Während sie die Tiere beobachtete, kam der große Löwe ein paar Schritte näher und war wieder im Gras verschwunden. Erstaunlich, wie gut die hohen, dünnen Halme diese großen Tiere verbargen.
Obwohl die Knochen und Zähne von Höhlenlöwen - Raubkatzen, die in Höhlen Unterschlupf fanden, wodurch ihre Knochen erhalten blieben - die gleiche Form hatten wie die ihrer Nachfolger, die eines Tages die fernen Lande des Kontinents weit im Süden durchstreifen würden, waren diese Tiere fast anderthalbmal, manche doppelt so groß. In der kalten Jahreszeit wuchs ihnen ein dichtes Winterfell, so hell, dass es beinahe weiß war, eine nützliche Tarnung für Raubtiere, die auch im Schnee jagten. Ihr ebenfalls helles Sommerfell war eher lohfarben, und da einige der Raubkatzen immer noch ihr Winterfell verloren, sahen sie zerzaust und scheckig aus.
Die hauptsächlich aus Frauen und Kindern bestehende Gruppe trennte sich von den Jägern und kehrte zu dem Felsvorsprung zurück, an dem sie vorbeigekommen waren. Joharran hatte ihnen einige junge, mit Speeren bewaffnete Männer und Frauen zum Schutz mitgegeben. Ayla bemerkte, dass die Pferde besonders nervös wirkten und beruhigt werden mussten. Sie gab Wolf ein Zeichen, mit ihr zu kommen.
Winnie schien froh zu sein, sie und Wolf zu sehen. Die Stute fürchtete sich nicht vor dem großen Raubtier. Sie hatte Wolf schon gekannt, als er noch ein kleines Fellknäuel war, und hatte geholfen, ihn aufzuziehen. Jetzt aber wollte Ayla, dass sich die Pferde mit den Frauen und Kindern hinter die Felswand zurückzogen. Sie konnte Winnie mit Worten und Handzeichen viele Befehle geben, war sich jedoch nicht sicher, wie sie der Stute klarmachen sollte, mit den anderen zu gehen und nicht ihr zu folgen.
Renner wieherte, als Ayla näher kam; er wirkte besonders aufgeregt. Sie begrüßte den braunen Hengst zärtlich und tätschelte und kraulte das graue Fohlen, dann schlang sie die Arme um den kräftigen Hals der falben Stute, die während der ersten einsamen Jahre, nachdem Ayla den Clan verlassen hatte, ihr einziger Freund gewesen war.
In einer vertrauten Geste gegenseitigen Beistands lehnte Winnie den Kopf über die Schulter der Frau. Ayla verständigte sich mit der Stute in einer Mischung aus Clan-Handzeichen, Worten und Tierlauten - eine Sprache, die sie speziell für Winnie entwickelt hatte, bevor sie Jondalars Sprache lernte. Ayla wies die Stute an, mit Folara und Proleva zu gehen. Ob Winnie sie nun verstand oder einfach wusste, dass es für sie und ihr Fohlen sicherer sein würde, Ayla war jedenfalls froh, dass sich die Stute mit den anderen Müttern zur Felswand zurückzog, als sie in die Richtung zeigte.
Aber Renner war nervös und gereizt, was sich noch verstärkte, als die Stute davontrottete. Selbst als ausgewachsener Hengst war Renner daran gewöhnt, seinem Muttertier zu folgen, vor allem, wenn Ayla und Jondalar zusammen ritten, doch diesmal ging er nicht sofort mit. Er tänzelte, warf den Kopf zurück und wieherte. Jondalar hörte ihn, blickte zu dem Hengst und der Frau hinüber und kam dann zu ihnen. Das junge Pferd wieherte den Mann leise an, als er näher kam. Jetzt, da er zwei weibliche Tiere in seiner kleinen »Herde« hatte, schienen sich seine beschützenden Hengstinstinkte zu regen. Jondalar sprach mit ihm, streichelte und kraulte ihn an seinen Lieblingsstellen, um ihn zu beruhigen, befahl ihm dann, mit Winnie zu gehen, und gab ihm einen Klaps auf die Kruppe. Das reichte, um ihn in die richtige Richtung zu lenken.
Übersetzung: Susanne Aeckerle, Marion Balkenhol und Ursula Wulfekamp
Copyright © 2011 der deutschen ausgabe by Wilhelm Heyne Verlag, München,
in der Verlagsgruppe random House
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Autoren-Porträt von Jean M. Auel
Jean M. Auel ist Jahrgang 1937. Nach ihrem Wirtschaftsdiplom sucht sie 1977 eigentlich nach einem gutbezahlten Job im Bankwesen, um ihre Kinder zu ernähren. Parallel dazu beginnt sie einen Roman zu schreiben, und als sie eine Führungsposition angeboten bekommt, ist sie bereits mit Leidenschaft Schriftstellerin. Um weiterschreiben zu können, verzichtet sie auf das sichere Gehalt. Zu Recht, denn ihre "Eiszeit"-Romane werden zu Knüllern mit Kultcharakter. Jean M. Auel ist fünffache Mutter und vielfache Grossmutter und lebt in Oregon.Susanne Aeckerle, geb. 1942 in Lindau/Bodensee. 1975 Mitbegründerin des ersten deutschen Frauenbuchladens in München. Später Geschäftsführerin eines Schallplattenvertriebs und Herausgeberin einer Frauenmusikzeitschrift. Von 1981-90 Redakteurin und Chefin vom Dienst bei der Zeitschrift ''Emma'. Sie lebt heute als Übersetzerin, Herausgeberin und freie Lektorin in München.
Autoren-Interview mit Jean M. Auel
Ihre Romane erzählen von einer längst vergangenen Zivilisation. Aber wollten Sie Ihrer Figur Ayla auch modernes Empfindungsvermögen mitgeben?Jean M. Auel: Meine Figuren haben ein Empfindungsvermögen wie wir, weil diese Cro-Magnon-Höhlenmenschen moderne Menschen waren, die ersten in Europa. Ich habe meine Figuren genauso recherchiert wie alle anderen Aspekte dieser frühen Zivilisation. Meine Informationen gründen sich auf das heutige Forschungswissen. Ich bin an viele der Stätten gereist, wo frühe Menschen lebten, und habe zahlreiche Experten kennengelernt, die mich durch diese Wohnstätten geführt haben. Die frühen modernen Menschen hatten nicht nur Skelette wie wir, sondern waren auch in jeder anderen Hinsicht wie wir, wie sich in archäologischen Funden eindeutig zeigt.
Sie waren unsere vielfachen Ur-Großeltern, und daher müssen wir ihnen all die Fähigkeiten zugestehen, die wir selbst besitzen. Sie waren genauso intelligent wie wir, empfanden wie wir, zeigten dieselben psychologischen Reaktionen, dieselbe Gewandtheit im Umgang mit Sprache, dieselben Talente, Kunstfertigkeiten und Fähigkeiten. Und sie verfügten über eine verblüffende Kreativität. Das habe ich selbst gesehen, und ich fand es sehr überzeugend.
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Neandertaler sind immer noch die großen Unbekannten, aber sie waren sehr viel weiter entwickelt, als die meisten von uns sich vorstellen; sie waren auch menschlich und hatten ein größeres Gehirn als der heutige Durchschnittsmensch. Es gab Unterschiede, aber sie sind unsere nahen Cousins und Cousinen. Sobald ich das gelernt hatte, wusste ich, dass ich eine Geschichte über eine junge Cro-Magnon-Frau schreiben könnte, die bei einem Clan der Neandertaler aufgezogen wird und dann den Weg zurück zu ihren eigenen Leuten findet. Aylas Kampf ist kein ausschließlich modernes, sondern ein universelles Thema. Es ist natürlich, akzeptiert sein zu wollen, es gehört zum Menschsein.
Weltweit werden Sie für Ihre sorgfältige und detailgenaue Recherche gerühmt. Können Sie ein wenig davon erzählen?
Jean M. Auel: Die meisten Informationen habe ich in Bibliotheken erforscht und mir angelesen. Aber ich habe auch viel gelernt, indem ich Fragen stellte, Kurse belegte und reiste. Zum Beispiel habe ich an einem Kurs bei einem Experten für Überleben in der Arktis teilgenommen, wo wir lernten, wie man in großer Kälte zurechtkommt, und wo wir selbst eine Nacht am schneebedeckten Hang eines Berges verbrachten. In dem Kurs »Lebenskunde der Aborigines« bekam ich mit, wie Menschen von ihrem Land leben und wie man ein Hirschfell zu Hirschleder verarbeitet, das als Kleidungsstück taugt. Ich habe Seminare zu Pflanzenbestimmung und einen Kochkurs für wild wachsende Pflanzen belegt. Aylas Kenntnisse als Heilerin beruhen auf einer Mischung von Erste-Hilfe-Büchern, Handbüchern zu pflanzlichen Heilmitteln und zahlreichen Gesprächen mit Doktoren, Heilpraktikern, Krankenschwestern, Sanitätern etc.
Ich habe viele von den Stätten, über die ich berichte, besucht, um ein Gefühl dafür zu bekommen, auch wenn die Bedingungen dort heute anders sein mögen. Und eine Zeit lang habe ich sogar an einer Ausgrabung teilgenommen, um zu verstehen, woher die Informationen stammen und wie die Archäologen sie gewinnen.
Wie viel in Ihren Büchern beruht auf Fakten, und wie viel ist Fiktion? Füllen Sie die Lücken, die die Geschichte gelassen hat?
Jean M. Auel: Meine Bücher sind komplett fiktional, basieren aber auf allen Fakten, die ich nur irgend zu dem Thema finden konnte. Sie spielen vor über 30.000 Jahren, und die einzigen Dinge, die von damals übrig sind, sind harte Gegenstände, die aus Stein oder Knochen gefertigt wurden, etwa Steinwerkzeuge, Schnitzarbeiten, Tier- und Menschenknochen - und mikroskopische Überreste: So wurden Pollen von besonders schönen Heilpflanzen in Gräbern von Neandertalern gefunden. Oder DNA-Spuren von Tierblut an Messern. Und man kann auch schlussfolgern. Beispielsweise wurde ein Neandertalerskelett gefunden, das erkennen lässt, dass der Verstorbene von früher Jugend an auf einem Auge blind war, einen Arm amputiert bekommen hatte und hinkte. Man kann also getrost annehmen, dass er nicht mit auf die Mammutjagd ging. Aber das zieht interessante Fragen nach sich: Wer amputierte seinen Arm? Wer stoppte die Blutung? Wie konnte er noch ein alter Mann werden? Offensichtlich, weil sich jemand um ihn kümmerte - aber warum? Vielleicht weil er geliebt wurde? Oder weil in seiner Kultur die Schwachen und Verletzten versorgt wurden? Unsere rätselhaften Vorfahren waren keinesfalls Rohlinge.
Ayla ist eine sehr starke Heldin. Wer sind Ihre liebsten Heldinnen in der Literatur?
Jean M. Auel: Eigentlich habe ich keine. Früher war es vielleicht die Prinzessin im Märchen »Östlich der Sonne und westlich vom Mond«, das uns mein Lieblingslehrer in der sechsten Klasse vorgelesen hat. Ich denke, der Grund dafür war schlicht, dass in diesem Märchen der Mann gefangen war und die Prinzessin ihr Können unter Beweis stellen musste, um ihn zu retten. Das war das Problem mit so vielen Büchern, die ich als Mädchen gelesen habe: Ich habe immer actionreiche Abenteuergeschichten geliebt, aber dort durften nur die Männer handeln und Abenteuer erleben. Mit der Heldin, die nur herumsaß und auf die Befreiung wartete, konnte ich mich nie identifizieren. Ich war der Held, der mit dem Schwert klirrte. Es war keine bewusste Entscheidung, aber als ich mit dem Schreiben begann, wollte ich über eine Frau schreiben, die interessante Dinge tat. So kam es zu meiner Heldin Ayla.
In Ihrem neuen Buch spielen prächtige Höhlenmalereien eine zentrale Rolle. Haben Sie alle Höhlen, die Sie beschreiben, selbst besucht?
Jean M. Auel: Ja, ich habe alle Höhlen, die im Buch vorkommen, selbst besichtigt, bis auf eine kleine. Außerdem habe ich die Fachveröffentlichungen der Experten studiert. In den Höhlen habe ich eine sehr starke Verbindung zu den Menschen gespürt, die diese Kunstwerke erschaffen haben. Die Malereien sind so beeindruckend, dass man sie mit Fotos nur sehr unzureichend wiedergeben kann. Und die Atmosphäre in den Höhlen ist unbeschreiblich.
Nach über 30 Jahren ist der letzte Band beendet, Aylas Weg ist vollendet. Wie geht es nun für Sie weiter? Können Sie Ayla wirklich ruhen lassen?
Jean M. Auel: Ich habe so viel recherchiert und eine ganze Menge Ideen, aber im Moment noch keine konkreten Pläne. Sicher ist aber: Ich werde auch weiterhin schreiben.
Neandertaler sind immer noch die großen Unbekannten, aber sie waren sehr viel weiter entwickelt, als die meisten von uns sich vorstellen; sie waren auch menschlich und hatten ein größeres Gehirn als der heutige Durchschnittsmensch. Es gab Unterschiede, aber sie sind unsere nahen Cousins und Cousinen. Sobald ich das gelernt hatte, wusste ich, dass ich eine Geschichte über eine junge Cro-Magnon-Frau schreiben könnte, die bei einem Clan der Neandertaler aufgezogen wird und dann den Weg zurück zu ihren eigenen Leuten findet. Aylas Kampf ist kein ausschließlich modernes, sondern ein universelles Thema. Es ist natürlich, akzeptiert sein zu wollen, es gehört zum Menschsein.
Weltweit werden Sie für Ihre sorgfältige und detailgenaue Recherche gerühmt. Können Sie ein wenig davon erzählen?
Jean M. Auel: Die meisten Informationen habe ich in Bibliotheken erforscht und mir angelesen. Aber ich habe auch viel gelernt, indem ich Fragen stellte, Kurse belegte und reiste. Zum Beispiel habe ich an einem Kurs bei einem Experten für Überleben in der Arktis teilgenommen, wo wir lernten, wie man in großer Kälte zurechtkommt, und wo wir selbst eine Nacht am schneebedeckten Hang eines Berges verbrachten. In dem Kurs »Lebenskunde der Aborigines« bekam ich mit, wie Menschen von ihrem Land leben und wie man ein Hirschfell zu Hirschleder verarbeitet, das als Kleidungsstück taugt. Ich habe Seminare zu Pflanzenbestimmung und einen Kochkurs für wild wachsende Pflanzen belegt. Aylas Kenntnisse als Heilerin beruhen auf einer Mischung von Erste-Hilfe-Büchern, Handbüchern zu pflanzlichen Heilmitteln und zahlreichen Gesprächen mit Doktoren, Heilpraktikern, Krankenschwestern, Sanitätern etc.
Ich habe viele von den Stätten, über die ich berichte, besucht, um ein Gefühl dafür zu bekommen, auch wenn die Bedingungen dort heute anders sein mögen. Und eine Zeit lang habe ich sogar an einer Ausgrabung teilgenommen, um zu verstehen, woher die Informationen stammen und wie die Archäologen sie gewinnen.
Wie viel in Ihren Büchern beruht auf Fakten, und wie viel ist Fiktion? Füllen Sie die Lücken, die die Geschichte gelassen hat?
Jean M. Auel: Meine Bücher sind komplett fiktional, basieren aber auf allen Fakten, die ich nur irgend zu dem Thema finden konnte. Sie spielen vor über 30.000 Jahren, und die einzigen Dinge, die von damals übrig sind, sind harte Gegenstände, die aus Stein oder Knochen gefertigt wurden, etwa Steinwerkzeuge, Schnitzarbeiten, Tier- und Menschenknochen - und mikroskopische Überreste: So wurden Pollen von besonders schönen Heilpflanzen in Gräbern von Neandertalern gefunden. Oder DNA-Spuren von Tierblut an Messern. Und man kann auch schlussfolgern. Beispielsweise wurde ein Neandertalerskelett gefunden, das erkennen lässt, dass der Verstorbene von früher Jugend an auf einem Auge blind war, einen Arm amputiert bekommen hatte und hinkte. Man kann also getrost annehmen, dass er nicht mit auf die Mammutjagd ging. Aber das zieht interessante Fragen nach sich: Wer amputierte seinen Arm? Wer stoppte die Blutung? Wie konnte er noch ein alter Mann werden? Offensichtlich, weil sich jemand um ihn kümmerte - aber warum? Vielleicht weil er geliebt wurde? Oder weil in seiner Kultur die Schwachen und Verletzten versorgt wurden? Unsere rätselhaften Vorfahren waren keinesfalls Rohlinge.
Ayla ist eine sehr starke Heldin. Wer sind Ihre liebsten Heldinnen in der Literatur?
Jean M. Auel: Eigentlich habe ich keine. Früher war es vielleicht die Prinzessin im Märchen »Östlich der Sonne und westlich vom Mond«, das uns mein Lieblingslehrer in der sechsten Klasse vorgelesen hat. Ich denke, der Grund dafür war schlicht, dass in diesem Märchen der Mann gefangen war und die Prinzessin ihr Können unter Beweis stellen musste, um ihn zu retten. Das war das Problem mit so vielen Büchern, die ich als Mädchen gelesen habe: Ich habe immer actionreiche Abenteuergeschichten geliebt, aber dort durften nur die Männer handeln und Abenteuer erleben. Mit der Heldin, die nur herumsaß und auf die Befreiung wartete, konnte ich mich nie identifizieren. Ich war der Held, der mit dem Schwert klirrte. Es war keine bewusste Entscheidung, aber als ich mit dem Schreiben begann, wollte ich über eine Frau schreiben, die interessante Dinge tat. So kam es zu meiner Heldin Ayla.
In Ihrem neuen Buch spielen prächtige Höhlenmalereien eine zentrale Rolle. Haben Sie alle Höhlen, die Sie beschreiben, selbst besucht?
Jean M. Auel: Ja, ich habe alle Höhlen, die im Buch vorkommen, selbst besichtigt, bis auf eine kleine. Außerdem habe ich die Fachveröffentlichungen der Experten studiert. In den Höhlen habe ich eine sehr starke Verbindung zu den Menschen gespürt, die diese Kunstwerke erschaffen haben. Die Malereien sind so beeindruckend, dass man sie mit Fotos nur sehr unzureichend wiedergeben kann. Und die Atmosphäre in den Höhlen ist unbeschreiblich.
Nach über 30 Jahren ist der letzte Band beendet, Aylas Weg ist vollendet. Wie geht es nun für Sie weiter? Können Sie Ayla wirklich ruhen lassen?
Jean M. Auel: Ich habe so viel recherchiert und eine ganze Menge Ideen, aber im Moment noch keine konkreten Pläne. Sicher ist aber: Ich werde auch weiterhin schreiben.
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Bibliographische Angaben
- Autor: Jean M. Auel
- 2011, 1118 Seiten, Masse: 14,5 x 22 cm, Gebunden, Deutsch
- Übers. v. Susanne Aeckerle, Marion Balkenhol u. Ursula Wulfekamp
- Übersetzer: Susanne Aeckerle, Marion Balkenhol, Ursula Wulfekamp
- Verlag: Heyne
- ISBN-10: 3453265432
- ISBN-13: 9783453265431
Rezension zu „Ayla und das Lied der Höhlen “
"Was Millionen Fans fasziniert, ist die Welt, in die Jean Auel ihre Leser entführt. Das Leben vor rund 30.000 Jahren, das unserem heutigen Leben gleichzeitig so fern und doch so nah ist. Auels Urmenschen sind keine grobschlächtigen Halbaffen, sondern reflektierte Erwachsene, die denken und fühlen wie wir - und die mit den selben Problemen kämpfen: Eifersucht, Sinnsuche, Diskriminierung, Erfolgsdruck, Alkoholismus. Die Ayla-Serie ist eine Historien-Soap vor atemberaubender Kulisse."
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