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Hilfe, „der Löwe büllt"

Das neue Buch von Tommy Jaud I Der Bestseller-Autor im Interview

Das neue Buch von Tommy Jaud I Der Bestseller-Autor im Interview

Reisen mit Mama im Gepäck: ein Urlaub zwischen Paradies und Hölle

Tommy Jaud (geb. 1970) arbeitete als Comedy-Autor und Gag-Schreiber, bevor er mit seinen grossen Romanerfolgen wie „Vollidiot", „Resturlaub" u.v.a. als Autor durchstartete und seitdem als einzig wahrer Wiederbeleber des klassischen Männerromans gilt. Mit seinem neuen irrwitzigen Werk „Der Löwe büllt" (ja, tatsächlich ohne „r“ - der nach Kindersprache klingende Titel hat mit dem Helden der Geschichte zu tun: dem kindischen Choleriker Nico Schnös) startet Jaud erneut einen Frontal-Angriff auf unsere Lachmuskeln. Weltbild hat mit dem Bestsellerautor gesprochen.

Der Schalk sitzt ihm im Nacken: Tommy Jaud. Foto: Friedemann Meyer.

„Im Ferienclub sind meist die anderen Gäste der kritische Faktor", findet Tommy Jaud

In „Der Löwe büllt“ geht es - wie schon in früheren Bestsellern - ums Thema Reisen. Und zwar in der vielleicht denkbar schlimmsten Konstellation: Ferienclub mit der eigenen Mutter. Haben Sie selbst traumatische Ferienclub-Erfahrungen gesammelt?

Tommy Jaud: Traumatische Ferienclub-Erfahrungen hab ich eine Menge. In einem Club haben die Angestellten das Besteck der Gäste dreimal am Tag so laut in die Kisten gedonnert, dass ich mit einer Besteck-Störung nach Hause kam (Hyperakusis löffelensis). Erst ein Jahr später konnte ich wieder in ein Restaurant gehen. Wie im Buch sind aber eher die anderen, oft schrägen Gäste der kritische Faktor und nicht die Angestellten oder der Club selbst. Ich habe auch schon tolle Cluburlaube mit viel Spass gehabt und vielleicht bin ich da dann anderen Gästen auf die Nerven gegangen. Wie sagt man so schön: Es kommt eben immer auf die Leute an.

Warum tut es nicht gut, als erwachsener Mann zehn Tage am Stück mit der eigenen Mutter zu verbringen? Warum macht man das? Und was sagt überhaupt Ihre Mutter zu diesem Mutterbild?

Tommy Jaud: Aus schlechtem Gewissen natürlich. Die Eltern sind nicht ewig da und man möchte ihnen was bieten. Dass man sich nicht mehr wirklich so gut kennt und wie unterschiedlich die Marotten sind, kommt im Urlaub natürlich besser zum Vorschein als bei einem Sonntagskaffee. Meine Mutter hat das Buch nicht nur gelesen und vor allem die Dialoge mit dem Sohn für lustig befunden, sie hat mir auch bei der Entwicklung der Romanmutter Rosi geholfen. Wie das Umfeld auf den Tod des Ehemanns reagiert zum Beispiel oder halt eben nicht. Und dass ein Sohn auch mal auf die Nerven gehen kann.

Tommy Jaud: „Männer setzen sich nicht mit ihren Problemen auseinander. Sie schauen lieber Dokus und trinken Wein"

Bei Ihrem neuen Helden Nico Schnös steigert sich die Unzufriedenheit in seinem Alltag, bis er zur Zumutung für seine Umwelt wird. Was läuft falsch in seinem Leben? Ist Nicos Misere typisch für den modernen Mann?

Tommy Jaud: Ich denke ja. Nicos Problem heisst Verdrängung, er hält es mit sich selbst nicht aus, und schuld sind immer die anderen und natürlich Köln, diese selbstverliebte Mischung aus Museum und Müllkippe. Statt sich mit seinen Problemen auseinanderzusetzen, schaut er lieber Dokus und trinkt Wein, und über den Tod seines Vaters mag er gar nicht so recht nachdenken, denn wenn er jetzt noch mit dem Trauern anfinge, käme er ja zu gar nix mehr. Seiner Frau wird das zu viel, sie macht ihr eigenes Ding, kurz: Das Leben rennt weiter, Nico bleibt stehen. Bis sein Chef ihm sagt, dass es so nicht mehr weitergeht.

Warum ist es so schwer, im Gleichgewicht zu bleiben oder zu entspannen? Ist Nico beispielhaft für unsere Muss-Gesellschaft, die Sie im Anti-Ratgeber „Einen Scheiss muss ich“ so erfolgreich an den Pranger gestellt haben?

Tommy Jaud: Wenn Nico Schnös „Einen Scheiss muss ich“ gelesen hätte, wäre er gar nicht erst in diese Situation gekommen. Oder vielleicht ja doch, weil immerhin hab ich den Ratgeber ja geschrieben und kann mich trotzdem oft nur schlecht entspannen und hample hektisch durch den Tag. Theoretisch wissen wir ja alle, was gut für uns ist, aber dann tappen wir doch in jede einzelne Falle, die man uns hinstellt: greifen 67 Mal zum Handy am Tag, packen uns die Tage viel zu voll und streichen dann ausgerechnet die Aktivitäten zusammen, die uns Spass machen würden.

Ist lustig-sein eigentlich anstrengend für Sie? Setzt Sie Ihr Erfolg der letzten Jahre beim Schreiben unter Druck?

Tommy Jaud: Es ist schon ein wenig seltsam, dass ich nur alle zwei bis drei Jahre ein Feedback bekomme, ob das, was ich schreibe, auch gefällt. Den meisten Druck mache ich mir freilich selbst, in dem ich mir z.B. sage, dass mein nächstes Buch ganz besonders gut werden soll. Ich arbeite circa zwei Jahre an einem Buch, und im ersten Jahr macht es am meisten Spass, weil ich ja noch nichts Konkretes abliefern muss und vieles ausprobieren kann. Zum Abgabetermin wird es dann immer zunehmend hektischer und in den letzten Monaten frage ich mich bei jedem Buch: Was zum Teufel hast du eigentlich in den Monaten davor gemacht?

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„Der Gegenspieler vom Held mit Burnout ist ein premiumgechillter Meditations-Experte"

Und wie entspannen Sie?

Tommy Jaud: Ich spiele Tennis und fahre Mountain Bike, ausserdem koche ich gerne und interessiere mich für Wein. Ich trinke ihn also nicht nur, sondern will alles darüber wissen, was ich da trinke und wo es herkommt und von wem und warum es so schmeckt, wie es schmeckt. Das entspannt mich. Ich meditiere aber auch und gehe gerne in die Natur, so wie mein Romanheld Nico dies von seiner Frau und seinem verstorbenen Vater gelernt hat.

„Eher wird Griechenland Export-Weltmeister, als dass ich das Feuilleton durch mein literarisches Können überzeuge“ – sagt Tommy Jaud über Tommy Jaud. Wo geht Ihr literarischer Ehrgeiz hin?

Tommy Jaud: Der geht dahin, dass ich sehr genau plane, wie ich meine Geschichten aufbaue und die Figuren zeichne. Manchmal vielleicht auch zu genau, so dass ich dann das eigentliche Schreiben vergesse. Aber ein paar Grundregeln gibt es halt schon einzuhalten: dass nicht nur die Geschichte einen Handlungsbogen braucht, sondern auch die Kapitel selbst, dass die Haltung der Figuren stimmt und wechselt, dass man weiss, was auf dem Spiel steht und dass z.B. der Antagonist der Hauptfigur die Überzeichnung von deren grösster Schwäche ist: Nico ist ein gestresster Burnout-Kandidat, der sich nicht entspannen kann, daher ist der Typ, der sich an seine Frau heranmacht, natürlich ein premium-gechillter Meditations-Experte. Und dann gibt es dank der recht neuen Serienkultur von Netflix & Co. auch noch eine neue Art des Erzählens, an der ich mich auch orientiert habe: „Der Löwe büllt“ ist mein erstes Buch, in dem ich meine Geschichte nicht chronologisch erzähle, sondern in einem ganz eigenen Rhythmus.