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  • 5 Sterne

    1 von 1 Kunden fanden diese Bewertung hilfreich

    brauneye29, 21.07.2020

    Als eBook bewertet

    Zum Inhalt:

    Vicente flieht aus Warschau nach Buenos Aires und entkommt so dem Holocaust. Er verliebt sich dort und baut sich ein schönes Leben auf. Mit jedem Brief seiner Mutter aus dem Warschauer Ghetto verändert sich seine Sicht bis er schliesslich verstummt.

    Meine Meinung:

    Mir war bis zum Ende des Buches gar nicht bewusst, dass der Autor die Geschichte seines Grossvaters erzählt und das machte die Geschichte am Ende des Buches nochmal berührender als es sowieso schon war. Es zeigt in leisen Tönen wie uns das Leben, hier im speziellen die gefühlte Schuld, verändern kann. Man spürt das Leiden des Protagonisten und auch durch den einfühlsamen Schreibstil des des Autoren. Der Schreibstil hat mir ausgesprochen gut gefallen. Und ich finde es toll, dass der Autor so seinem Grossvater im Nachhinein wieder ein Stimme verliehen hat.. Grosse Kunst und voller Respekt hat dieses Buch 5 Sterne verdient.

    Fazit:

    Extrem berührend

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  • 5 Sterne

    1 von 1 Kunden fanden diese Bewertung hilfreich

    begine, 21.07.2020

    Als Buch bewertet

    Hinterbliebener
    Der in Argentinien geborene Schriftsteller Santiago Amigorena ist auch bekannt als Filmproduzent, er lebt in Paris.

    Sein Roman „Kein Ort ist fern genug“ spielt in Buenos Aires. Es ist ein nachdenklich machendes Werk.
    Der Autor schreibt über seine Grossvater Vicente, der in den Zwanzigern nach Buenos Aires auswanderte.
    Als der zweite Weltkrieg ausbrach und die Zeitungen von dem Warschauer Ghetto, in dem seine Mutter lebt, beginnt er an Gewissensbissen zu leiden.

    Sein Enkel beschreibt die Angst und Schuldbewusstsein zu beschreiben, die Menschen, die um ihre Angehörigen Angst haben. Besonders, da sie nicht helfen konnten.
    Allerdings war mir Vicentes Reaktion zu viel, denn er zerstört damit das Leben seiner Frau und seiner Kinder.

    Das ganze ist eine bedrückende Geschichte, die leider nicht gut zu machen ist. Mich machen diese Dinge immer ganz fertig. Trotzdem ist es gut das es den Roman gibt.

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  • 5 Sterne

    4 von 7 Kunden fanden diese Bewertung hilfreich

    Dreamworx, 08.08.2020

    Als Buch bewertet

    Das Leid der Verstummten
    1940-1945. Vicente Rosenberg emigrierte 1928 von Warschau nach Buenos Aires, wo er schon bald mit Rosita Szapire, der Liebe seines Lebens, eine Familie gründete. Schnell hat sich Vicente in seiner neuen Wahlheimat eingelebt und besitzt neben drei Kindern auch ein gutgehendes Möbelgeschäft. Alles wäre wunderbar, wären da nicht die alarmierenden Briefe seiner Mutter, die die sich zuspitzende Lage in Europa sowie ihr Leben und das seines Bruders im Warschauer Ghetto eindringlich beschreiben und in Vicente übermässig grosse Gefühle von Ohnmacht, Schuld und Unvermögen hervorrufen, so dass er sich immer mehr von allem zurückzieht. Doch er hat die Rechnung ohne seine liebende Ehefrau Rosita gemacht, die ihn nicht aufgibt und für die Familie kämpft…
    Santiago Amigorena hat mit „Kein Ort ist fern genug“ einen sehr berührenden Roman vorgelegt, in dem er dem Leser die Geschichte seines Grossvaters nahe bringt. Mit eindringlichen, ruhigen und bildhaften Worten lässt der Autor Vicente wieder lebendig werden und gibt dem Leser mit einer Zeitreise die Möglichkeit, dessen Schicksal hautnah mitzuerleben. Dabei schildert er nicht nur Vicentes Mut und Tatkraft, sich in einem fremden Land eine neue Zukunft aufzubauen, sondern spiegelt dabei auch die damalige Zeit wunderbar wieder. Im fernen Argentinien war der zweite Weltkrieg für die Auswanderer weit entfernt, das Ausmass der dort stattfindenden Tragödie kannten Auswanderer nur aus Briefen, die sie zeitverzögert erreichten.
    Amigorena gelingt es hervorragend, die Gedanken- und Gefühlswelt seines Grossvaters an die Oberfläche zu holen, dessen Zerrissenheit ob der Handlungsunfähigkeit, die ständig weiterwachsenden Schuldgefühle sowie die Frage nach der eigenen Identität, die vorher für Vicente kein Thema war. Obwohl Vicente nicht direkt dem Holocaust ausgesetzt war, fühlt er sich den fernab Leidenden so verbunden, während seine Schuldgefühle ihm zusätzlich zusetzen. Virtuos zeichnet Amigorena das Bild einer Generation, die das Leid der KZs und der Verfolgung zwar nicht selbst erleben mussten, doch in ihren Herzen und Seelen durch Ohnmacht gekennzeichnet wurden und sich selbst dafür bestraften. Besonders interessant ist die Sichtweise, aus der Amigorena erzählt. Sein Grossvater kannte die Lage von 1940 bis 1945 nur aus den Briefen seiner Mutter und dennoch hat dies ausgereicht, dass Vicente sich von allem abkapselte, während sein Enkel all die Gräueltaten inzwischen durch belegte Fotos, Augenzeugenberichte etc. kennt und somit viel mehr Zugang zu den Emotionen seines Grossvaters hat. Gerade dies macht den Roman so besonders, denn die intensive Recherche nebst der engen familiären Bindung lässt diese sehr berührende Schilderung zu, die Vicente nach Jahrzehnten doch noch zum Leser sprechen lässt.
    Absolute Leseempfehlung für ein literarisches Highlight! Ergreifend und einfach wunderbar – Chapeau!

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  • 5 Sterne

    Miss.mesmerized, 21.07.2020

    Als Buch bewertet

    1928 verlässt Vicente Rosenberg seine Heimat Warschau Richtung Südamerika. In Buenos Aires gründet er mit Rosita eine Familie und eröffnet ein Möbelgeschäft. Sie bekommen drei Kinder und alles entwickelt sich prächtig in der lebendigen Stadt. Doch dann werden die Briefe der Mutter zunehmend besorgniserregend. Juden hatten es schon lange nicht mehr leicht, aber nun scheint sich die Lage doch zu verschlimmern. Während die Nazis in Europa die Endlösung vorbereiten, sitzt Vicente machtlos 12.000 Kilometer entfernt. Nachrichten erreichen ihn nur spärlich und verzögert, bald schon kann und will er diese nicht mehr ertragen und zieht sich zurück in sein inneres Ghetto. Wie die Mauer, die Warschau umschliesst, verschliesst er sich vor der Welt und seiner Familie. Fragen nach der Identität – was ist er: Pole, Argentinier, Jude? – und Schuld – hätte er mehr tun müssen, um seine Mutter zur Auswanderung zu bewegen, bevor es zu spät war? – plagen ihn bis er nur noch einen einzigen Ausweg für sich sieht.

    Santiago Amigorena schildert die Geschichte seines Grossvaters, seiner Familie, die Vertreibung auf beide Seiten des Atlantiks erlebt hat. Viele Sprachen fliessen in seinen Adern, Vicente wächst mit dem Jiddischen auf, lernt dann Polnisch für die Schule, ist begeistert von der deutschen Sprache und Kultur und eigentlich sich dann das argentinische Spanisch an, sein Enkel muss später im französischen Exil erneut eine andere Sprache erlernen. Doch alle Sprachen der Welt können nicht das Entsetzen zum Ausdruck bringen, dass mit der Shoa verbunden ist und das am Beispiel Vicentes greifbar wird.

    Es sind nur wenige Jahre, die Amigorena schildert, von Ende 1940 bis zum Waffenstillstand 1945, diese jedoch sind entscheidend für Vicente Rosenberg und machen aus dem lebendigen und energischen jungen Vater einen gebrochenen Mann. Der kurze Roman ist dicht und voller essentieller Fragen, die nachdenklich stimmen.

    „Wie alle Juden hatte Vicente geglaubt, vieles zu sein, bis die Nazis ihm zeigten, dass ihn tatsächlich nur eines charakterisierte: sein Jüdischsein.“

    Weder war er besonders religiös, noch war das Jiddische seine Alltagssprache, in verschiedenen Ländern und Sprachen zu Hause wurde plötzlich etwas zum Distinktionsmerkmal, das Hitler und seine Gefolgsleute brauchten, um sich selbst zu rechtfertigen. Die Definition des Ichs obliegt jetzt nicht mehr dem Individuum, sondern ihm wird zugeschrieben, was er/sie ist und trotz der Entfernung merkt auch Vicente, dass er sich zunehmend als Jude identifiziert und Mitglied der Leidensgemeinschaft wird, ohne jedoch unmittelbar selbst Leid zu erfahren.

    Genau dieses treibt ihn in den emotionalen Ausnahmezustand. Er fühlt eine Schuld, fühlt sich als Verräter, denn er ist weit entfernt von der Gräuel, muss nicht erleben, was seine Familie und Freunde durchmachen müssen. Dabei verfügt er nur über wenig Belastbares, was das Ausmass der Schandtaten angeht. Wie alle anderen ahnt er, dass unbegreifliche Dinge geschehen, aber erst nach der Befreiung wird die Welt begreifen und einen Begriff dafür finden, was die Nazis in Europa angerichtet haben. Doch das wenige Wissen reicht schon, um Vicente zur inneren Migration zu veranlassen und das Reden einzustellen. Nicht dass er nicht wollte, er kann nicht mehr. Das, was er durchlebt, ist sinnbildlich für das, was sich in den Lagern abspielte, und was nicht in Worte zu fassen ist.

    Amigorenas Roman war nach Erscheinen 2019 für alle grossen französischen Literaturpreise nominiert, was einem nach der Lektüre nicht verwundert. Die Geschichte ist intensiv, jedes Wort passt hier und lässt den Ausnahmezustand des Protagonisten greifbar werden. Der Aufbau in der Parallelität zwischen den inneren und äusseren Vorgängen ist schlicht genial. „Kein Ort ist fern genug“ ist eines dieser ganz wenigen Bücher, die man liest und denkt: so geht grosse Literatur.

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  • 5 Sterne

    Kaffeeelse, 30.12.2020

    Als Buch bewertet

    Thematisch ist dieses Buch definitiv meins. Es geht um den Menschen und seine Handlungen, seine negativen Handlungen genauer gesagt. Der Holocaust steht hier zentral. Aber er wird einmal aus einer anderen Perspektive betrachtet. Vicente Rosenberg lebt in Argentinien, in Buenos Aires. Er ist in den späten Zwanzigern des vorigen Jahrhunderts hierher ausgewandert, versucht seither seine restliche Familie aus Warschau zu überzeugen, dass sie nachkommen. Allerdings versucht er dies wegen gewisser familiärer Zwistigkeiten und/oder Generationenkonflikte und/oder auch seiner gefühlt fehlenden Zugehörigkeit zum Judentum und auch einer gewissen Scham wegen seiner jüdischen Familie etwas sacht und ist sich gar nicht so sicher, dass er sie wirklich in Argentinien haben möchte. Nach und nach wird dem Ausland klarer, was in Deutschland mit den Juden passiert und dadurch fällt Vicente in eine tiefe Depression, auch aus der Scham vor seinem eigenen Handeln oder eher Nicht-Handeln. Einerseits kann man durchaus nachvollziehen, dass durch gewisse interfamiliäre Konflikte Vicente zu seinen Überlegungen kommt. Wenn man dann überlegt, was es auslösen könnte, wenn man dann mit dem Grauen der Nazis konfrontiert wird und mit der eigenen Schuld leben muss, nicht genug getan zu haben aus recht eigennützigen Gründen. Eine furchtbare Vorstellung! Dennoch reagiert Vicente teilweise auch recht eigenwillig, suhlt sich sehr im eigenen Elend, ist auch hier wieder sehr bei sich und seinem eigenen Grauen. Er hat auch Frau und Kinder und diese bräuchten ihn ebenso. Dies sieht er jedoch nicht! Dieses Verhalten könnte man auch mit einer Depression oder einer für sich empfundenen Unwürdigkeit erklären. Ja, durchaus! Aber gefallen muss mir das als Leser ja nicht. Auch wenn der Erzählcharakter nicht vollkommen meine Sympathien erhält, ist dieses Buch eines der Bücher, die bewegen und mitreissen. Es ist eines der Bücher mit einem riesigen Sog! Und es ist ein Lesetipp!

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  • 5 Sterne

    leseratte1310, 23.08.2020

    Als Buch bewertet

    1928 macht sich der junge Vincente Rosenberg auf nach Südamerika. Er verspricht seiner Mutter noch, wöchentlich zu schreiben. In Buenos Aires trifft er Rosita, heiratet und gründet ein Möbelgeschäft. Rosita und er bekommen drei Kinder. Alles läuft gut. Während seine Mutter ihm regelmässig schreibt, werden seine Briefe immer seltener. Die Nachrichten seiner Mutter aus Warschau werden immer besorgniserregender. Doch was kann Vincente aus der Entfernung tun? Er macht sich Vorwürfe. Hätte er seine Mutter auch gegen ihren Willen früher aus Warschau herausholen sollen? Irgendwann ist es soweit, dass Vincente die Nachrichten nicht mehr ertragen kann. Er zieht sich in sich selbst zurück, ignoriert Frau und Kinder und schafft sich sein höchsteigenes Ghetto.
    Es ist ein sehr eindringlicher und erschütternder Roman, der mich wirklich berührt hat. Der Autor schildert in diesem Roman sehr einfühlsam die Geschichte seines Grossvaters und seiner Familie.
    Vincente fühlt sich nicht wirklich als Jude, er ist nicht religiös. Doch das, was in Deutschland geschieht, macht ihm bewusst, dass er immer als Jude betrachtet wird und sich so zu fühlen hat. Die Artikel in den Zeitungen sind nicht wirklich aussagefähig, trotzdem fühlt er sich zunehmend schuldiger, was vor allem an den Briefen der Mutter liegt, die nicht wirklich schreibt, was sie aushalten müssen und die dennoch das Schreckliche deutlich machen.
    Mir hat seine Familie leidgetan. Rosita versucht alles, zu ihm durchzudringen. Auch mit ihr kann Vincente seine Not und seine Schuld nicht teilen. Wie sollen die Kinder dann begreifen?
    Es ist wirklich ein berührender Roman, der einen nicht loslässt. Meine absolute Leseempfehlung!

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  • 5 Sterne

    0 von 1 Kunden fanden diese Bewertung hilfreich

    Elke S., 26.07.2020

    Als eBook bewertet

    macht sprachlos

    „Als er aus Warschau weggegangen war, hatte er seiner Mutter schwören müssen, ihr einmal pro Woche zu schreiben. Doch während sie ihm bis 1938 mehrere Briefe pro Monat schickte, hatte Vicente sein Versprechen nur im ersten Jahr nach seiner Ankunft in Buenos Aires gehalten.“

    Im Jahr 1928 flüchtet Vincente, weil er von seiner Mutter unabhängig sein will und für sich in Europa keine Zukunft mehr sieht, aus Warschau nach Buenos Aires. Dort lernt er Rosita kennen und lieben und führt mit ihr nun eine glückliche Ehe, ist vernarrt in seine drei Kinder und auch sein Möbelgeschäft floriert. Im September 1940 ist der Krieg in Europa daher für ihn ganz weit entfernt. Das ändert sich schlagartig, als ein Brief von seiner Mutter eintrifft und er zum ersten Mal zur Kenntnis nehmen muss, wie schlecht es ihr in der ehemaligen Heimat geht.

    Als Leser begleitet man Vincente in der Zeit von Ende 1940 bis 1945, kleine Rückblenden berichten auch von Zeiten davor. Man lernt ihn als bisher lebenslustigen Mann kennen, der eine sehr glückliche Ehe führt, den aber seit Beginn des Zweiten Weltkriegs erste Selbstvorwürfe plagen, weil er nicht eindringlicher dafür gesorgt hat, dass seine Mutter ihm nach Buenos Aires folgt. Man wird Zeuge seiner Identitätssuche und erlebt dann sein Denken, bzw. sein Nichtdenken mit, als ein weiterer Brief seiner Mutter eintrifft, „alles schwieriger geworden. Die Deutschen reden nicht mehr mit uns, sie behandeln uns wie Tiere. Auf der Strasse verhungern die Leute, aber es bleibt niemand mehr vor den Leichen stehen. Gestern habe ich aus dem Fenster eine Frau gesehen, die auf dem Bürgersteig auf und ab lief. Stundenlang, mit ihrem toten Kind auf dem Arm. Sie weinte und sie schrie, und sie drückte ihr totes Kind an sich.“, er mit dem Grauen nicht umzugehen weiss und sich daraufhin komplett in Schweigen hüllt. Während man als Leser immer auch erfährt, was zeitgleich von den Nationalsozialisten entscheiden wird, welche neue Grauen sie sich ausdenken, „1941 war das Jüdischsein zu einer Selbstdefinition geworden, die alle anderen Definitionen ausschloss, zur einzig möglichen Identität, die Millionen von Menschen determinierte – und nicht zuletzt exterminierte.“, was in der ausländischen Presse davon berichtet wird, und was die Welt fern ab vom Kriegsgeschehen glaubt, bzw. glauben will, muss man mit Rosita erleiden, dass ihr geliebter Ehemann innerlich immer mehr zerfällt und muss sich mit ihr Fragen stellen, wie „Warum ist alles vorbei? Warum besteht er so auf diesem Schweigen, das uns umbringt, das unsere Kinder, unsere Familie, unsere Liebe, unser Leben zerstört?«

    Ich konnte mich stets gut in Vincente hineinfühlen und denken. Der Mutter überdrüssig, ist ihm die Entfernung die ganzen Jahre lang eigentlich ganz recht gekommen, dass es nun zu spät ist, sie zu sich zu holen um sie retten zu können, damit hatte er sicher nicht gerechnet. Dass Freunde ihre komplette Familie hier in Sicherheit haben, macht es nicht leichter und Rosita, die schon Jahre vorher immer wieder insistiert hat, kann ihm seine Selbstvorwürfe nicht abnehmen. Auch seine Frage nach der eigenen Identität, hat er sich doch nie als Jüdisch angesehen, wollte dies eher abschütteln, konnte ich real miterleben, weil sie so grandios transportiert wird. Fragen wie »Weshalb war ich bis heute Kind, Erwachsener, Pole, Soldat, Offizier, Student, Ehemann, Vater, Argentinier, Möbelverkäufer, aber niemals Jude? Weshalb bin ich nie so sehr Jude gewesen wie heute – wo ich gar nichts anderes mehr bin?«, auf die er keine wirklichen Antworten findet, zeigen, wie sehr für ihn „Mit am schlimmsten am Antisemitismus ist die Tatsache, dass die Juden sich zwangsläufig als Juden zu fühlen haben, dass man sie auf eine Identität jenseits ihres Willens festlegt und kurzerhand für sie beschliesst, wer sie wirklich sind.“, zermürbt.

    Völlig gebannt gelesen habe, das Buch nicht mehr aus der Hand legen konnte ich dann die anschliessende Darstellung, wie er sich in Schweigen hüllt, um das Schreckliche zu verdrängen. Ich könnte mir gut vorstellen, dass der Autor hier die Schlaglichter des Schreckens, die man als Leser parallel zu Vincentes Leben in Buenos Aires, von Europa bekommt und die die grausamsten Abscheulichkeiten, die sich kranke Köpfe ausdachten, wie z.B. welche Kapazität die mobilen Gaskammern haben sollten, oder dass man eine andere Lösung zum Töten braucht, weil Erschiessen Munitionsverschwendung sei, sehr bewusst gesetzt hat. Mich hat er so auf jeden ganz oft sprachlos gemacht und ich denke dadurch konnte ich Vincentes Schweigen noch viel besser nachvollziehen.
    Besonders gelitten habe ich auch mit Rosita, die ihn so abgrundtief liebt, ihm diese Liebe auch lange nicht entzieht und die so gar keine Chance mehr hat an ihn hinzukommen. „Wie soll ich einen Mann lieben, der nicht mehr da ist? Der sogar als Anwesender abwesend ist? Ich weiss nicht, was er denkt, ich weiss nicht“ Hier zerbricht tatsächlich nicht nur ein Mann, sondern eine ganze Familie.
    Richtig schockiert haben mich auch die Zeitungsberichte, die doch schon relativ früh das Ausland über den schrecklichen Völkermord der Nationalsozialisten informiert haben und keinerlei Echo erhielten. Ein jedes Mal wieder, wenn ich ein Buch zu diesem Thema lese, bin ich darüber entsetzt wie tatenlos zugesehen werden konnte. Umso wichtiger sind Bücher wie dieses, die von den Schrecken berichten und damit sensibilisieren, gerade in unserer heutigen Zeit in der Antisemitismus und Rassismus wieder in so erschreckendem Masse zunehmen.
    Der Autor kann sich gewählt ausdrücken und verwendet unheimlich viele anschauliche, besondere und originelle Bilder, die das Lesen zum Erlebnis machen. „Aus ihrem Blick und ihrem Lächeln sprach eine ländliche Sanftheit, feucht und schlammig wie ein fruchtbarer Boden. Eher rundlich, verkörperte sie die heutzutage in Verruf geratene Schönheit, die von der Renaissance bis zum 19. Jahrhundert so geschätzt worden war: die Schönheit etwas kräftigerer Frauen, mit hängenden Schultern, kleinen Brüsten und milchiger Haut. Wie Vicente am Tag nach ihrer ersten Begegnung mit lyrischem Überschwang zu Ariel gesagt hatte, »war ihr Blick so zärtlich, dass ihre Sommersprossen immer wie Freudentränen auf ihren Wangen zu schweben schienen«.“, ist nur ein Beispiel dafür, wie er dafür sorgt, dass man sich eine Rosita ganz genau vorstellen kann. Die Geschichte lebt, ist atmosphärisch dicht, sehr emotional und authentischer und besser könnte wohl das Leiden, das der Grossvater des Autors erlebt hat, nicht beschrieben werden.

    Alle in allem eine eindringliche Erzählung die tief betroffen und sprachlos macht, die mich völlig in ihren Bann gezogen hat und deshalb fünf Sterne und eine absolute Leseempfehlung redlich verdient hat.

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